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Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
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1. Rechts- und Amtspflichtwidrigkeit
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Der Kläger war unstreitig vom 18.12.2002 bis 23.05.2003 gemeinschaftlich mit jeweils einem weiteren Gefangenen untergebracht. Seine weiter gehende Behauptung, diese Art der Haftunterbringung habe bis zu seiner Entlassung am 06.06.2003 angedauert, hat er dagegen nicht unter Beweis gestellt. Nach der Aussage des als Zeugen vernommenen Anstaltsleiters Regierungsdirektor X war er in diesem restlichen Zeitraum vielmehr einzeln untergebracht.
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Die Rechts- und Amtspflichtwidrigkeit der Haftunterbringung des Klägers bis zum 23.05.2003 ergibt sich bereits aus § 119 Abs. 2 StPO. Danach darf ein Untersuchungsgefangener mit anderen Untersuchungsgefangenen in demselben Raum nur untergebracht werden, wenn er es ausdrücklich schriftlich beantragt. Ein solcher ausdrücklicher schriftlicher Antrag lag nicht vor. Auch die in § 119 Abs. 2 Satz 3 StPO vorgesehene Ausnahme einer Unterbringung mit anderen Gefangenen in demselben Raum, wenn der körperliche geistige Zustand des Gefangenen es erfordert, lag im vorliegenden Fall ersichtlich nicht vor.
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a. Die Haftunterbringung des Klägers im Zeitraum vom 18.12.2002 bis 23.05.2003 erfolgte unter Bedingungen, die die durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde und damit auch das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht verletzten, dessen Verletzung Voraussetzung für die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes ist.
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Dieses verfassungsmäßig geschützte Recht garantiert dem Einzelnen einen Kernbereich privater Lebensgestaltung („Intimsphäre“), in den er sich ohne Zutrittsmöglichkeit der Umwelt zurückziehen kann. Der Schutz dieser Privatsphäre umfasst auch einen räumlichen Rückzugsbereich, in dem der Betroffene er selbst sein kann und eine vom Öffentlichkeitsdruck verursachte Selbstkontrolle ablegen kann, weil er nicht damit rechnen muss, dass andere ihn beobachten (BVerfGE 101, 361, 382 ff.; NJW 2000, 2189; Di Fabio in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 149, 158 m.w.N.).
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b. Die Unterbringung des Antragstellers zusammen mit einem weiteren Strafgefangenen in einem Haftraum mit einer Grundfläche von 8,89 qm muss demnach als rechtswidrige Verletzung seiner Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) angesehen werden.
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Das Bundesverfassungsgericht (3. Kammer des Zweiten Senats, NJW 2002, 2700) hat ausgeführt:
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"In der gerichtlichen Rechtsprechung ist bereits darauf hingewiesen worden, dass der Unterbringung in kleinen Hafträumen durch die Menschenwürde der betroffenen Strafgefangenen Grenzen gesetzt sind (vgl. OLG Frankfurt a.M., StV 1986, 27 m. Anm. Lesting). Das Recht auf Achtung seiner Würde kann auch dem Straftäter nicht abgesprochen werden, mag er sich in noch so schwerer und unerträglicher Weise gegen die Werteordnung der Verfassung vergangen haben (vgl. BVerfGE 72, 105, 115)."
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Mit Blick hierauf hielt es die Annahme, die gemeinsame Unterbringung von zwei Strafgefangenen in einem Einzelhaftraum von rund 8 qm Fläche, ausgestattet mit einem Etagenbett, zwei Stühlen, einem Tisch und einem Schrank und - ohne räumliche Abtrennung - einem Waschbecken und einem Klosett, wirke nicht diskriminierend, für jedenfalls erläuterungsbedürftig.
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Zur Feststellung einer Verletzung der Menschenwürde erscheint es nicht erforderlich, das Problem zu entscheiden, ob bereits ein Verstoß gegen den Grundsatz der Einzelunterbringung für sich allein eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt. Ob die Missachtung des Grundsatzes der Einzelunterbringung für sich allein wegen Verstoßes gegen Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG schlechthin verfassungswidrig ist, ist streitig. Während Ullenbruch (NStZ 1999, 430) dies unter Hinweis darauf bejaht, dass sie dem Gefangenen die einzige Nutzungsmöglichkeit nimmt, die es ihm erlaubt, als Individuum ungestört zu sein, hält das OLG Frankfurt/M. (NStZ-RR 2001, 28, 29) die Gemeinschaftsunterbringung in einer ausreichend großen Zelle mit abgetrennter Toilette zwar für untunlich und rechtspolitisch kritikwürdig, aber jedenfalls für Sicherungsverwahrte auch gegen deren Willen nicht für verfassungsrechtlich schlechthin verboten, da sich dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Menschenwürde nur Auslegungskriterien und Mindestgrundsätze entnehmen lassen.
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Auch ist es für die Entscheidung des Falles nicht erforderlich, Grenzwerte für die einem Gefangenen zur Wahrung der Menschenwürde zur Verfügung zu stellende Mindestraumgröße festzulegen. Immerhin ist festzuhalten, dass nach den von der Rechtsprechung hierfür angelegten Maßstäben durchaus Bedenken angezeigt sind, ob die Mindestraumgröße nicht unterschritten wurde. So wurde bei einer Raumgröße von 7,6 qm (über die Ausstattung ist Weiteres nicht bekannt) eine Verletzung der Menschenwürde bejaht vom OLG Celle (NJW 2003, 2463); das OLG Frankfurt/M. (NJW 2003, 2844) sieht die gemeinsame Unterbringung zweier Strafgefangener in einem Haftraum von ca. 7,5 qm mit nicht abgetrennter und nicht gesondert entlüfteter Toilette als geeignet zur Verletzung der Menschenwürde an; eine Verletzung der Menschenwürde wurde auch vom OLG Celle (StV 2004, 84) bei einer Gemeinschaftsunterbringung von fünf Strafgefangenen auf 16 qm mit einer nur durch eine Stellwand abgetrennten Toilette bejaht.
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Insoweit genügt jedoch die Feststellung, dass eine Unterbringung von zwei Personen auf 8,89 qm - wovon nach Abzug der Grundfläche des Mobiliars und der Toilette wenig mehr als die Hälfte als Lebensraum verbleibt - jedenfalls als äußerst beengt angesehen werden muss. Das unfreiwillige nahezu ganztägige Zusammenleben mit einer weiteren Person unter diesen beengten räumlichen Verhältnissen lässt dem Gefangenen bereits praktisch keine Intimsphäre, keinen räumlichen Rückzugsbereich, in den er sich zurückziehen und in dem er - wenigstens zeitweise - sich unbeobachtet fühlen kann.
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Die weitere Beengung durch die Arbeitsmaterialien kommt erschwerend hinzu. Auch wenn für den Kläger keine Arbeitspflicht bestand, wurde ihm dadurch, dass ihm lediglich Zellenarbeit ermöglicht wurde, lediglich die Wahl zwischen zwei Übeln gelassen, nämlich entweder die damit verbundene zusätzliche räumliche Behinderung in Kauf zunehmen oder auf Arbeit - und damit auf die einzige Möglichkeit, die Haftzeit halbwegs sinnvoll zu verbringen und sich ein Taschengeld zu verdienen - zu verzichten. Auf das genaue Ausmaß der zur Arbeit erforderlichen Materialien kommt es hierbei nicht an.
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Denn entscheidend geprägt wird die Unterbringung dadurch, dass zu der räumlichen Enge der Umstand hinzukommt, dass die Toilette nur durch einen Vorhang abgetrennt ist, der lediglich einen Sichtschutz, jedoch keine Geruchssperre und keine akustische Sperre bildet und daher auch zu den intimsten Verrichtungen keinen Rückzugsbereich schafft.
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An dem Fehlen eines räumlichen Rückzugsbereichs vermögen auch Freizeitmöglichkeiten wie die in Anl. B 1 aufgeführten nichts zu ändern; denn diese sind gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie in Gemeinschaft wahrgenommen werden können.
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c. Ein Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird von der Rechtsprechung (BGHZ 143, 214, 218; 128, 1, 15) unmittelbar aus § 823 BGB i. V. m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG abgeleitet. Eine amtspflichtwidrige rechtswidrige und schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann daher einen Schmerzensgeldanspruch begründen.
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d. Auf eine rechtswidrige Verletzung der Freiheit, die einen Schmerzensgeldanspruch nach §§ 839 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB begründen könnte, kann der Anspruch nicht gestützt werden, da die Freiheitsentziehung an sich durch den gerichtlichen Haftbefehl gerechtfertigt war. Die Haftbedingungen machen die Freiheitsentziehung nicht insgesamt rechtswidrig.
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e. Eine Gesundheitsverletzung hat der Kläger jedenfalls nicht nachgewiesen. Den angekündigten Beweis durch Vorlage ärztlicher Atteste hat er nicht angetreten.
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Ein Verschulden der Bediensteten des beklagten Landes ist zu bejahen. Spätestens seit dem Beschluss des BVerfG vom 27.02.2002 musste ihnen bekannt sein, dass das Ermessen hinsichtlich der Ausgestaltung und Belegung von Hafträumen durch die Achtung der Menschenwürde der Gefangenen begrenzt ist (vgl. LG Hannover StV 2003, 569). Das beklagte Land kann sich auch nicht darauf berufen, seit Bekanntwerden dieser Entscheidung sei zu deren Umsetzung und zur Schaffung geeigneter Haftplätze nicht ausreichend Zeit gewesen. Denn bereits der Beschluss des OLG Celle vom 05.11.1998 hatte in der Fachöffentlichkeit Aufsehen erregt (vgl. Ullenbruch NStZ 1999, 429 m.w.N.; ferner Lesting, StV 2003, 570). Wenn im Hinblick auf das hierdurch geweckte Problembewusstsein der zuständigen Stellen bereits eine entsprechende Unterbringung von Strafgefangenen als unvertretbar anzusehen war (Lesting a.a.O.), so galt dies angesichts der im Vergleich zu § 18 StVollzG viel klareren und eindeutigeren Regelung in § 119 StPO erst recht für den Vollzug der Untersuchungshaft.
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4. Einwilligung des Klägers
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a. Eine die Rechtswidrigkeit ausschließende Einwilligung des Klägers liegt nicht vor. Nach der klaren Regelung des § 119 Abs. 2 StPO hätte sie ausdrücklich und schriftlich erfolgen müssen.
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b. Allerdings könnte auch eine konkludente Zustimmung des Klägers jedenfalls die Verletzung der Menschenwürde und damit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausschließen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
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Die Voraussetzung der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung in § 119 Abs. 2 StPO stellt lediglich eine Formvorschrift dar. Materiell kann die Wahrung der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts nicht von der Einhaltung dieser Form abhängen.
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Das subjektive Empfinden der Beeinträchtigungen durch die Freiheitsentziehung sowie die in Frage stehenden Umstände der Unterbringung kann individuell sehr unterschiedlich ausfallen: Mag es der Eine als unerträglich empfinden, mit einer anderen Person auf engem Raum "zusammengeschlossen" zu sein, so wird es der Andere als noch schlimmer empfinden, von anderen "weggesperrt" sein. Die Freiheitsentziehung als solche schneidet einen Gefangenen bereits weitgehend von Kontakten zur Außenwelt ab und beschränkt stark seine Kommunikationsmöglichkeiten. Dies wird durch eine Einzelunterbringung noch erheblich gesteigert, denn diese nimmt während des Aufenthalts im Haftraum (abgesehen von einer bekanntlich nicht unüblichen, aber schwierigen Verständigung durch Klopfzeichen und Rufe durch das Zellenfenster) praktisch fast jede Möglichkeit zwischenmenschlicher Kommunikation. Diese - unter den Bedingungen der Einzelunterbringung nicht vermeidbare - Vereinsamung kann je nach individueller Veranlagung als so beeinträchtigend empfunden werden, dass der Betroffene eher bereit ist, stattdessen die Unzuträglichkeiten einer Gemeinschaftszelle in Kauf zu nehmen. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass - und zwar sowohl für die Untersuchungshaft in § 119 Abs. 2 StPO als auch für den Strafvollzug in § 18 StVollzG - die Möglichkeit der Gemeinschaftsunterbringung gesetzlich bei Zustimmung eröffnet ist.
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c. Für die Annahme einer konkludenten Zustimmung des Klägers fehlt es jedoch an hinreichenden Anhaltspunkten. Soweit das beklagte Land darauf verweist, der Kläger habe sich zu keiner Zeit über die Unterbringung beschwert, so steht dem das Anwaltsschreiben vom 14.02.2003 entgegen, mit dem die Unterbringung in einer Einzelzelle, hilfsweise die Unterbringung mit seinem Mitbeschuldigten beantragt wurde. Auch darin, dass der Kläger Zellenarbeit akzeptiert hat, ergibt sich keine Zustimmung zur Art seiner Unterbringung. Unstreitig war die Arbeitswilligkeit Voraussetzung für die Gewährung von Taschengeld. Unstreitig hat sich der Kläger auch erst dann mit der Zellenarbeit einverstanden erklärt, nachdem ihm die in erster Linie angestrebte Zuweisung von Hausarbeit nicht ermöglicht wurde.
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Eine Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handeln und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise ausgeglichen werden kann. Das OLG Celle (StV 2004, 84) hat unter diesem Gesichtspunkt wegen der kurzen Dauer von zwei Tagen und unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger "hafterfahren" war, und im Hinblick auf die prekäre Haushaltslage in Niedersachsen einen Anspruch abgelehnt. Auch vom Hanseatischen OLG Hamburg (zitiert nach Juris
KORE707342002
) ist ein Schmerzensgeldanspruch unter diesem Gesichtspunkt bei einer vorübergehenden Doppelbelegung eines Einzelhaftraums abgelehnt worden, da diese auf eine akute Mangellage an Hafträumen zurückzuführen sei und der Vollzugsbehörde nicht vorgeworfen werden könne, dass sie eine nachhaltige Beseitigung der Mangellage schuldhaft versäumt habe.
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Im vorliegenden Fall liegt allerdings weder eine vergleichbar kurze Dauer vor, noch handelt es sich um eine lediglich vorübergehende akute Mangellage, auch nicht unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten, dass infolge der Baumaßnahmen in der JVA Bruchsal von dort zusätzlich Untersuchungsgefangene aufgenommen werden mussten. Denn die hierdurch besonders angespannte Situation dauerte nach den Angeben des Zeugen Regierungsdirektor X während der gesamten Dauer der Haftunterbringung des Klägers an. In Baden-Württemberg standen im Jahre 2003 für 8604 Gefangene (im Jahresdurchschnitt) zum Jahresanfang 8188, zum Jahresende 8368 Haftplätze zur Verfügung (Pressemitteilung des Justizministeriums Baden-Württemberg vom 19. März 2004: "Um den jüngsten Anforderungen des BVerfG an eine rechtmäßige Unterbringung im Vollzug gerecht werden zu können, sind deshalb mindestens 1200 zusätzliche Haftplätze im Land notwendig").
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Der Umstand, dass der Kläger sich - abgesehen von dem durch seinen Verteidiger gestellten Antrag vom 14.02.2003 - nach den glaubhaften Angaben des Zeugen X nicht über die Umstände seiner Unterbringung beschwert und unauffällig geführt hat, spricht zwar dafür, dass er diese nicht als unerträglich empfunden hat. Andererseits lässt sich nicht ausschließen, dass die Ursache für seine Zurückhaltung darin zu suchen ist, dass er die Erfolgsaussichten von Beschwerden im Vergleich zu den Vorteilen eines unauffälligen Verhaltens als gering eingeschätzt und sich nur deshalb gefügt hat. Da es um ein zentrales Recht des Klägers und die wesentliche Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zu Achtung und Schutz der Menschenwürde geht, lässt sich nach Auffassung der Kammer ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nicht verneinen (vgl. Lesting StV 2003, 571).
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Der Anspruch des Klägers ist jedoch teilweise nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, da der Kläger es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
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a. Als Rechtsmittel i.S. dieser Bestimmung sind alle Rechtsbehelfe im weitesten Sinne anzusehen, die sich gegen die pflichtwidrige Amtshandlung richten und die Beseitigung oder Berichtigung der Anordnung und zugleich die Abwendung des Schadens bezwecken und ermöglichen. Selbst Einwendungen gegen eine fehlerhafte Auskunft, Hinweise, Dienstaufsichtsbeschwerden und Gegenvorstellung fallen hierunter, allerdings nicht selbstständige Verfahren, die nicht der Überprüfung der beanstandeten Amtshandlung oder dem Tätigwerden der Behörden dienen, wie etwa der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 839 Rdnr. 73). Bedient sich der Geschädigte der Tätigkeit von Hilfspersonen, etwa eines Anwalts, so muss er sich deren Verschulden entsprechend §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB zurechnen lassen (RGZ 138, 114, 117; OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 1245; MK/Papier, BGB, 4. Aufl., § 839 Rdn. 335).
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b. Als zulässige Rechtsbehelfe kamen vorliegend ein bei der Anstaltsleitung zu stellender Antrag auf Einzelunterbringung und/oder vor allem die Anrufung des nach § 119 Abs. 6 Satz 1 StPO hierfür zuständigen Haftrichters (vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 2003, 191) in Frage.
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c. Der Kläger hat derartige Rechtsbehelfe (zunächst) bis zum 14.02.2003 nicht ergriffen. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen Regierungsdirektor X enthält die Gefangenenpersonalakte des Klägers (außer dem Anwaltsschreiben vom 14.02.2003) keinen auf eine Einzelunterbringung abzielenden Antrag. Der Kläger hat auch - bis auf seine damit als widerlegt anzusehende in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Behauptung, im Januar 2003 einen schriftlichen Antrag eingereicht zu haben - Anträge auf Einzelunterbringung nicht konkret dargelegt.
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d. Diese Untätigkeit ist als schuldhaft im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB anzusehen. Das OLG Celle (StV 2004,84) sah zwar ein derartiges Unterlassen als nicht schuldhaft an mit der Begründung, angesichts der unstreitigen chronischen Überbelegung der JVA habe ein Antrag auf Einzelunterbringung von vornherein als aussichtslos angesehen werden müssen. Hier kann aber nicht von vornherein von Aussichtslosigkeit ausgegangen werden, da unstreitig der gleichzeitig mit dem Kläger in die JVA K. zugeführte Mitbeschuldigte auf seinen entsprechenden Antrag bereits nach fünf Tagen in eine Einzelzelle verlegt wurde. Auch dem Kläger kann nicht verborgen geblieben sein, dass ein Teil der anderen Gefangenen in der JVA nicht gemeinschaftlich untergebracht waren, diese Möglichkeit also nicht ausgeschlossen war.
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e. Hätte der Kläger bei seiner Zuführung in die JVA K. eine Einzelunterbringung beantragt oder sich sogleich gegen die gemeinschaftliche Unterbringung - etwa beim zuständigen Haftrichter - beschwert, hätte dies nach spätestens einer Woche zum Erfolg geführt. Hiervon ist die Kammer aufgrund der Zeugenaussage des Anstaltsleiters überzeugt. Dieser hat angegeben, derartigen Anträgen, die nur in geringer Zahl gestellt worden seien, habe trotz der im fraglichen Zeitraum schwierigen Belegungssituation (im Februar 2003 180 Gefangene bei einer Belegungsfähigkeit von 111) unter Ausnutzung der hohen Fluktuation in kurzer Zeit entsprochen werden können; eine entsprechende Anordnung des Haftrichters wäre innerhalb weniger Tage, notfalls durch eine Verlegung in die Außenstelle der JVA in Rastatt oder in eine andere JVA, befolgt worden. Die Kammer hält dies für glaubhaft, zumal der Mitbeschuldigte des Klägers, der gleichzeitig mit dem Kläger in die JVA K. zugeführt wurde und seine Einzelunterbringung verlangte, nach fünf Tagen einzeln untergebracht wurde. Dass dem Antrag des Klägers vom 14.02.2003, obwohl er von einem Rechtsanwalt gestellt wurde, keine Folge gegeben wurde, ist demgegenüber nach den Angaben des Zeugen damit zu erklären, dass die Zielrichtung dieses Antrags - zumal sich der Kläger bis dahin und auch weiterhin völlig unauffällig verhalten hatte - so eingeschätzt wurde, dass er in erster Linie mit seinem Mitbeschuldigten zusammengelegt werden wollte, und der Antrag auf Einzelunterbringung deshalb nicht ernst genommen wurde. Auch wenn die Kammer diese Einschätzung des Antrags vom 14.02.2003 nach dessen eindeutigem Wortlaut nicht teilen kann, erscheint die Erläuterung des Zeugen nachvollziehbar.
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f. Erst mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 14.02.2003 hat der Kläger eine Einzelunterbringung beantragt. Auch wenn entgegen der Ansicht des beklagten Landes dieser Antrag nicht als unbeachtlich angesehen werden kann (und zwar auch dann nicht, wenn er als "anwaltlicher Routineantrag" anzusehen wäre), ist es dem Kläger bzw. seinem Anwalt, dessen Verschulden er nach § 278 BGB zu vertreten hat, als Versäumnis anzulasten, nachdem dem Antrag vom 14.2.2003 keine Folge gegeben wurde, ebenfalls weiter nichts unternommen zu haben. Bereits bei Lektüre des Gesetzestextes (§ 119 Abs. 1, 2, 6 StPO) hätte auffallen müssen, dass - da die einzige gesetzliche Ausnahme nach § 119 Abs. 2 S. 3 StPO) nicht vorlag und die Belegungssituation unerheblich ist - eine gemeinschaftliche Unterbringung unzulässig war und die JVA selbst im Übrigen nach § 119 Abs. 6 StPO jedenfalls für eine abschlägige Verbescheidung eines Antrags auf Einzelunterbringung gar nicht zuständig war. Naheliegenderweise hätte daher wenige Tage nach Zugang des Antwortschreibens der JVA vom 17.02.2003 der Haftrichter angerufen werden müssen.
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g. An dieser Einschätzung vermag der Umstand nichts zu ändern, dass die JVA den Antrag vom 14.02.2003 wohl von sich aus an den nach § 119 Abs. 6 StPO zuständigen Haftrichter hätte weiterleiten müssen. Denn aus der vertröstenden Mitteilung, bei Änderung der Belegungssituation werde der Kläger unverzüglich einzeln untergebracht werden, war zu entnehmen, dass eine Vorlage an den Haftrichter nicht beabsichtigt war. Auch die Vertröstung auf eine Änderung der Belegungssituation selbst lässt die Untätigkeit des Rechtsanwalts nicht als unverschuldet erscheinen. Denn weder war klar zu erkennen, was konkret mit einer „Änderung der Belegungssituation“ gemeint war, noch ob mit einer solchen in absehbarer Zeit zu rechnen war.
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h. Eine Anrufung des Haftrichters hätte spätestens bis zum 28.02.2003 die Einzelunterbringung des Klägers bewirkt. Bei der klaren Gesetzeslage hätte der Haftrichter zweifellos unverzüglich die Einzelunterbringung angeordnet. Eine solche richterliche Anordnung hätte die JVA nach der Zeugenaussage des Anstaltsleiters auch so schnell wie irgend möglich befolgt, sodass auch bei schwieriger Belegungssituation innerhalb weniger Tage eine Einzelunterbringung erfolgt wäre.
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i. Es verbleibt daher lediglich eine Haftung des beklagten Landes für die erste Woche der Haft des Klägers in der JVA K. und zwei weitere Wochen ab 14.02.2003.
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Die Kammer hält ein Schmerzensgeld in Höhe von 650,00 EUR für angemessen.
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Die Höhe des Schmerzensgeldes soll zwar dem hohen Stellenwert der Menschenwürde und dem verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht gerecht werden. Andererseits erscheint es angezeigt, durch eine zurückhaltende Bemessung des Schmerzensgeldes deutlich zu machen, dass der Kläger nicht für die Unbill des Gefängnisaufenthaltes insgesamt zu entschädigen ist, sondern lediglich für die Umstände, die den Unterschied zwischen einer menschenunwürdigen und einer (gerade noch) menschenwürdigen Haftunterbringung ausmachen.
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Unter dem Gesichtspunkt der Ausgleichsfunktion kann auch die weitgehende Passivität des Klägers nicht unberücksichtigt bleiben, da sie Zweifel daran erweckt, dass er seine Unterbringung als völlig unerträglich empfunden hat.
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Unter dem Gesichtspunkt der Genugtuungsfunktion kann berücksichtigt werden, dass bereits das Schmerzensgeldbegehren des Klägers als erstes einer Reihe von zahlreichen gleichartigen oder ähnlichen Begehren mit Zutun des Klägers in den Medien ein erstaunliches Echo gefunden und mit dazu beigetragen hat, die politische Diskussion über die Herstellung menschenwürdiger Haftbedingungen zu beleben.
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Unter dem Gesichtspunkt der Genugtuungsfunktion mag es auch genügen, wenn die Rechtswidrigkeit der Unterbringung durch eine eher symbolische Entschädigung deutlich gemacht wird. So hat das OLG Celle (StV 2004, 84), das einen Schmerzensgeldanspruch wegen der kurzen Dauer und unter Berücksichtigung des Umstands, dass der dortige Kläger "hafterfahren" war, bereits mehrfach gemeinsam mit anderen Gefangenen in vergleichbaren Hafträumen untergebracht war und im Hinblick auf die prekäre Haushaltslage in Niedersachsen abgewiesen hat, in einer Hilfserwägung ausgeführt, dass allenfalls eine Entschädigung in Höhe von 50 EUR " - quasi als symbolische Wiedergutmachung -" in Betracht komme. Allerdings können sich auch Tagessätze von 50 EUR nach Auffassung der Kammer zu mehr als symbolischen Beträgen summieren.
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Unter dem Gesichtspunkt der Präventivfunktion ist zu berücksichtigen, dass die zuständigen Behörden einschließlich der politischen Entscheidungsträger in jüngster Zeit - wenn auch offenbar erst unter dem Eindruck der Entscheidungen des BVerfG und der nachfolgend ergangenen gerichtlichen Entscheidungen und mit erheblicher Verzögerung - für die Problematik der menschenwürdigen Haftunterbringung sensibel geworden sind und nun mit Nachdruck eine deutliche Steigerung der Haftplätze durch Neubauten vorantreiben (vgl. Justiz-intern 1/04; Pressemitteilung des Justizministeriums Baden-Württemberg v. 19.03.2004).
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Es erscheint im Hinblick darauf, dass die vorliegende Klage die erste einer Reihe von zahlreichen gleichartigen oder ähnlichen Begehren darstellt, auch nicht fern liegend, insoweit den Gedanken zu berücksichtigen, dass durch zahlreiche Schmerzensgeldansprüche in erheblicher Höhe dem Land die notwendigen Mittel zur Schaffung zusätzlicher Haftplätze entzogen werden könnten.
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An vergleichbaren Fällen aus der Rechtsprechung sind lediglich die des LG Hannover (StV 2003, 569: 200 EUR für zwei Tage) und die abändernde Berufungsentscheidung des OLG Celle (a.a.O.) ersichtlich. Nicht vergleichbar erscheinen dagegen Entscheidungen, bei denen der Ausgleich für rechtswidrige Freiheitsentziehung im Vordergrund stand (LG Bonn NJW-RR 1995, 1492: 15.000 DM für viereinhalb Monate unrechtmäßiger Untersuchungshaft infolge einer leichtfertigen Strafanzeige; OLG München zitiert nach Juris
KORE570279200
: 2000 DM für vier Tage unrechtmäßige Beugehaft; Court of Appeal London zitiert nach Juris
KORE541489500
: 350 Pfund für eine 15-jährigen Jugendlichen wegen acht Stunden unrechtmäßigen Polizeigewahrsams mit der Folge andauernder psychischer Beeinträchtigungen; LG München NJW-RR 1997, 279: 50 DM für rechtlich nicht notwendigen Polizeigewahrsam - "Münchner Kessel"-). Nicht zum Vergleich herangezogen werden kann ferner der nach § 5 des allgemeinen Kriegsfolgengesetzes von der Bundesrepublik zu erfüllende Schmerzensgeldanspruch für KZ-Haft bis zu 150 DM monatlich und das nach § 7 Abs. 3 StrEG zu leistende Schmerzensgeld für Freiheitsentziehungen von 11 EUR je Tag. Es ist anerkannt, dass diese Beträge für Ansprüche aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen, insbesondere aufgrund § 839 BGB, nicht maßgebend ist (vgl. BGH NJW 1963, 1549).
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Der Kammer erscheint eine Bemessung des Schmerzensgeldes nach vollen Wochen vorzugswürdig gegenüber einer tageweisen Bemessung. Denn so kann eher dem Umstand Rechnung getragen werden, dass nur kurzfristige, vorübergehende Beeinträchtigungen nicht schmerzensgeldwürdig erscheinen (vgl. OLG Celle a.a.O.). Auch erscheint es angemessen, durch eine leichte Staffelung einem bei längerer Dauer eintretenden Gewöhnungs- und Abstumpfungseffekt Rechnung zu tragen.
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Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände erscheint es angemessen, für die erste Woche 250,00 EUR und für die späteren Zeiten 200,00 EUR je Woche, insgesamt also 650,00 EUR zuzusprechen.
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Der Kläger hat keinen weiter gehenden Anspruch aufgrund Art. 5 Abs. 5 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK).
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a. Art. 5 der MRK lautet:
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(1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
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a) rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
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c) rechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentziehung zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
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(2) Jeder festgenommenen Person muss unverzüglich in einer ihr verständlichen Sprache mitgeteilt werden, welches die Gründe für ihre Festnahme sind, und welche Beschuldigungen gegen sie erhoben werden.
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(3) Jede Person, die nach Absatz 1 Buchstabe c) von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, muss unverzüglich einem Richter... vorgeführt werden; sie hat Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist oder auf Entlassung während des Verfahrens...
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(4) Jede Person, die festgenommen oder der die Freiheit entzogen ist, hat das Recht zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheidet...
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(5) Jede Person, die unter Verletzung dieses Artikels von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, hat Anspruch auf Schadensersatz.
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b. Die Vorschrift ist innerstaatlich geltendes Recht im Range eines einfachen Gesetzes. Art. 5 Abs. 5 MRK gewährt dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch, wenn seine Freiheit entgegen Art. 1 Abs. 1 MRK beschränkt wurde (BGHZ 45, 46; 122, 268). Dieser Anspruch umfasst auch den Ersatz immateriellen Schadens, da es sich bei Art. 5 MRK um ein Gesetz im Sinne von § 253 Abs. 1 BGB handelt (BGHZ 122, 268). Der Anspruch ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 839 BGB, insbesondere verschuldensunabhängig (BGH a. a. O.).
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c. Die Garantien des Art. 5 MRK beziehen sich allerdings nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitäten des Vollzuges der Untersuchungs- oder Strafhaft (BGHZ 122, 268). Daher ergeben sich aus ihr keine Rechte von verhafteten Personen in Bezug auf ihre Behandlung in der Haft. Die Umstände des Vollzuges können aber die Rechtmäßigkeit der Haft in Frage stellen. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH (a. a. O.) jedenfalls in Fällen, in denen die im Vollzug zur Verfügung stehenden Fürsorgemittel nicht ausreichen, um von der Haft ausgehende Gesundheitsbeeinträchtigungen abzuwenden; da damit die Vollzugstauglichkeit zur Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Haft wird, hat der BGH (a. a. O.) bei Mangel der Vollzugstauglichkeit den Vollzug insgesamt als rechtswidrig angesehen und einen Anspruch nach Art. 5 Abs. 5 MRK bejaht.
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Im vorliegenden Fall erscheinen jedoch lediglich die Modalitäten der Haftunterbringung rechtswidrig, nicht die Haft als solche. Denn der Kläger stellt nicht in Frage, dass er auf Grund eines in rechtmäßigem Verfahren ergangenen Haftbefehls inhaftiert wurde. Die Umstände seiner Haftunterbringung, die diese als rechtswidrig und menschenunwürdig erscheinen lassen, waren durch einfache Maßnahmen behebbar: durch die Verlegung des Klägers in eine Einzelzelle oder die seines Mitgefangenen in einen anderen Haftraum wäre die Rechtswidrigkeit, durch die Verlegung beider in einen geräumigeren Haftraum mit abgetrennter Toilette wohl zumindest die Verletzung der Menschenwürde entfallen. Die zu beanstandenden Umstände können daher - anders als bei Missachtung einer Vollzugsuntauglichkeit - nicht dazu führen, die Haft als von vornherein rechtswidrig anzusehen.
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Ob § 839 Abs. 3 BGB oder § 254 BGB - der ebenfalls gebieten kann, einen belastenden hoheitlichen Akt durch geeignete Rechtsbehelfe abzuwehren (BGHZ 90, 17,31) - auf einen Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 MRK anwendbar sind (offen gelassen in BGHZ 122, 268), muss daher nicht entschieden werden.
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Auch auf Art. 3 MRK kann ein weiter gehender Anspruch nicht gestützt werden.
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Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
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b. Über die in dieser Vorschrift enthaltene Unterlassungspflicht hinaus erwachsen dem Staat aus ihr auch Gewährleistungspflichten: er muss innerstaatlich sicherstellen, dass alle seine Organe das Verbot der Folter und der unmenschlichen Behandlung beachten. Dies erfordert vor allem einen ausreichenden Strafrechtsschutz, laufende Kontrollen der staatlichen Organe und tatkräftiges Einschreiten gegen bekannt gewordene Verstöße sowie effektive Rechtsbehelfe für Betroffene; dazu wird auch die Verpflichtung gezählt, im innerstaatlichen Recht einen Anspruch auf Entschädigung vorzusehen (Gollwitzer in: Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., MRK Art. 3 Rdnr. 11).
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c. Im Gegensatz zu Art. 5 MRK, der in seinem Abs. 5 selbst einen Entschädigungsanspruch gewährt, ergibt sich ein solcher demnach nicht unmittelbar aus Art. 3 MRK. Die Vorschrift enthält daher selbst keine Anspruchsgrundlage.
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d. Mit dem Anspruch aus §§ 839, 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG enthält das deutsche Recht jedoch eine Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch. Dass eine Einschränkung des Entschädigungsanspruchs bei schuldhafter Versäumung eines Rechtsmittels (§ 839 Abs.3 BGB) bei einem Verstoß gegen Art. 3 MRK unzulässig wäre, lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen.
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