Landgericht Hamburg Urteil, 27. Aug. 2015 - 330 O 63/15
Gericht
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Kläger begehren die Rückabwicklung eines Darlehensvertrages nach Widerruf.
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Die Kläger schlossen am 10. April 2007 einen Darlehensvertrag mit der Beklagten (Anlage K 1). In diesem Zusammenhang unterzeichneten sie auch eine Widerrufsbelehrung (Anlage K 1, S. 5).
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Der Darlehensbetrag in Höhe von € 195.000,-- wurde am 20. Mai 2008 ausgezahlt (Zahlungsauftrag Anlage B 4). Das Darlehen ist am 30. April 2031 zurückzuzahlen. Die Zinsen sind in Teilbeträgen jeweils monatlich zu zahlen. Diese Zinszahlungen erbrachten die Kläger laufend in Höhe von € 789,75 monatlich (Zahlungsaufstellung in Anlage K 4, dort zuletzt am 1. Februar 2015). Tilgungsleistungen erfolgten bisher nicht.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 4. November 2014 (Anlage K 2) widerriefen die Kläger den Darlehensvertrag mit der Begründung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung. Die Beklagte widersprach dem Widerruf mit Schreiben vom 21. November 2014 (Anlage K 3).
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Die Kläger meinen, die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung sei unwirksam und nicht von der Schutzwirkung der Musterbelehrung in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB InfoV gedeckt.
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Die in der Widerrufsbelehrung verwendete Formulierung, die Frist beginne „frühestens“ mit Erhalt dieser Belehrung, belehre den Verbraucher nicht umfassend, sondern irreführend über den Fristbeginn. Der Verbraucher könne lediglich erkennen, dass die Widerrufsfrist sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt beginnen könne, werde über die Voraussetzungen des Fristbeginnes jedoch im Unklaren gelassen.
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Die Beklagte könne sich nicht auf die Schutzwirkung der gesetzlichen Musterbelehrung berufen, weil die verwendete Belehrung (Seite 5 der Anlage K 1) von der Musterbelehrung abweiche. Die optische Gestaltung sei unterschiedlich, da sich zwischen den Überschriften „Widerrufsbelehrung“ und „Widerrufsrecht“ im Muster nicht vorgesehene Felder (Herr/Frau, Kontonummer, Kundennummer, Geschäftszeichen, Ort und Datum) befinden. Zudem weise der letzte Satz unter der Überschrift „Widerrufsfolgen“ vom Muster ab. Die gravierendste Abweichung von der gesetzlichen Musterbelehrung befinde sich unter der Überschrift „Finanzierte Geschäfte“. Bei korrekter Verwendung der Musterbelehrung hätte der Satz 2 dieses Abschnittes komplett entfallen müssen und der darauffolgende Satz abweichend formuliert sein müssen.
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Zudem ergebe sich die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung auch daraus, dass die Belehrung in ihrer optischen Ausgestaltung den anderen Vertragsbestandteilen gleiche, z. B. den Darlehensbedingungen auf S. 1 des Vertrages.
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Mit der Klage vom 4. Februar 2015 haben die Kläger ursprünglich beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 63.316,83 € nebst Guthabenzinsen, Zustimmung zur Löschung der Grundschuld, Feststellung des Nichtbestehens weiterer Ansprüche aus dem Darlehensvertrag und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten zu verurteilen.
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Mit Schriftsatz vom 26. Mai 2015 haben die Kläger ihre Klage geändert.
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Die Kläger beantragen zuletzt,
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1. die Beklagte zu verurteilen,
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a) an die Kläger als Gesamtgläubiger 63.316,83 € zu zahlen,
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b) an die Kläger als Gesamtgläubiger Guthabenzinsen zu bezahlen für Zahlungen der Kläger an die Beklagte, die erstere seit dem 01.05.2008 erbracht haben, in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, und zwar nach Maßgabe der in der Anlage K 4 - Zahlungen für den Darlehensvertrag mit der Konto-Nr. 7........8 ausgewiesenen Zahlungsanteile der monatlichen Lastschriften, namentlich aus der dort ausgewiesenen jeweiligen Höhe des monatlichen Zahlungsanteils und seit dem dort ausgewiesenen jeweiligen Lastschrifteinzugsdatum bis zum Tag der letzten Verhandlung in diesem Verfahren,
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c) ihre Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von H.-U., Bl. 6xxx Abt. III, Flur 0xx, Flurstück x/xx, F.-H.-R. 33, (PLZ)H.-U., zu ihren Gunsten eingetragene Grundschuld im Nennwert von € 195.000,-- zu erklären,
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Zug um Zug gegen Zahlung von € 195.000,-- nebst Zinsen in Höhe von 4.86 % aus € 195.000,-- vom 20.05.2008 bis zum 04.11.2014,
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2. festzustellen, dass der Beklagten gegen die Kläger keine weiteren Ansprüche aus dem Darlehensvertrag Nr. 7........8 vom 10.04.2007 (Datum des Angebots) zustehen,
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3. festzustellen, dass die Beklagte den Klägern als Gesamtgläubiger denjenigen - auch künftig entstehenden - Vermögensschaden zu ersetzen hat, der ihnen dadurch entsteht, dass die Beklagte aufgrund des Widerrufs der Kläger vom 04.11.2014 den Darlehensvertrag mit der Konto-Nr. 7........8 nicht rückabgewickelt, sondern den Anspruch der Kläger zurückgewiesen hat.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte meint unter Verweis auf die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichtes Hamburg vom 3. Juli 2015, Az. 13 U 26/15, der Widerruf sei verspätet und daher unwirksam, da die Beklagte sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen könne. Die in der von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrung bestehenden Abweichungen vom Mustertext seien unschädlich.
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Unabhängig davon sei die Ausübung des Widerrufs treuwidrig und das Recht zum Widerruf verwirkt.
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Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 16. Juli 2015 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
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Die Kläger haben gegen die Beklagte keine Ansprüche aus und im Zusammenhang mit der Erklärung des Widerrufs des Darlehensvertrages vom 10. April 2007 (Anlage K1 ) mit anwaltlichem Schreiben vom 4. November 2014 (Anlage K 2). Der Widerruf des Darlehensvertrags mit anwaltlichem Schreiben vom 4. November 2014 (Anlage K 2) geht ins Leere, weil die gesetzliche Widerrufsfrist von zwei Wochen zu dieser Zeit bereits abgelaufen war.
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Zwar genügt die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB (a. F.), weil sie mit dem Hinweis, die Widerrufsfrist beginne „frühestens“ mit Erhalt dieser Belehrung, uneindeutig und daher unzureichend über den Beginn der Widerrufsfrist belehrte. Die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermöglicht es dem Verbraucher5 nicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen. Er wird vielmehr im Unklaren gelassen, von welchen weiteren Voraussetzungen der Beginn der Frist ggf. abhängen könne (BGH Urteil vom 15. August 2012, NJW 2012, S. 3928). Aber die von der Beklagten im Kreditvertrag (Anlage K 1, S. 5) erteilte Widerrufsbelehrung gilt gemäß § 14 Abs. 1 BGB InfoV als ordnungsgemäß. Denn das von der Beklagten verwendete Formular entspricht im Wesentlichen dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB InfoV.
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Wie das Hanseatische Oberlandesgericht mit Urteil vom 3. Juli 2015 (Az. 13 U 26/15, Anlage B 23) für eine identische Widerrufsbelehrung entschieden hat, kann die Beklagte sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB Infoverordnung berufen, da sie das Muster der Widerrufsbelehrung im Sinne der Norm verwendet hat. Die in der Widerrufsbelehrung verwendeten Abweichungen vom Mustertext sind unschädlich, da sie nicht Ausfluss einer inhaltlichen Bearbeitung der Belehrung sind, sondern sich nur als redaktionelle Änderungen darstellen. Diese redaktionellen Änderungen sind nicht geeignet, die Belehrung für den Kunden unübersichtlich oder missverständlich zu machen.
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Die optische Gestaltung der Belehrung wird durch die Bezugnahme auf den Namen des Kreditnehmers, die Kontonummer, Kundennummer, das Geschäftszeichen sowie Ort und Datum nicht nachteilig beeinflusst.
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Der Text zum Widerrufsrecht entspricht dem amtlichen Muster einschließlich des beanstandeten Absatzes zu den Widerrufsfolgen.
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Die sprachliche Umformulierung („müssen Sie“ statt „müssen vom Kunden“) betrifft allein den Wechsel von der dritten Person Singular in die erste Person Plural und ist daher unschädlich.
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Schließlich ist auch die Passage zu finanzierten Geschäften mit den dort vorgenommenen redaktionellen Änderungen unschädlich. Die Beklagte hat lediglich die Belehrungen, die Gestaltungshinweise für den Darlehensvertrag, für den Darlehensvertrag bei Finanzierung einer Sache und für den finanzierten Erwerb eines Grundstückes zusammengefasst.
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Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat in seinem Urteil vom 3. Juli 2015, Az. 13 U 26/15, unter Verweis auf die Argumentation des Oberlandesgerichts Schleswig vom 26. Februar 2015, Az. 5 U 174/15, und des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2015, Az. 22 U 17/15, ausgeführt, dass die hier vorgenommenen Änderungen zu keinerlei inhaltlichen Veränderung und insbesondere nicht zu einer Überfrachtung oder Irreführung der Widerrufsbelehrung geführt haben, die geeignet wäre, die Verbraucher zu irritieren oder zu verwirren mit der Folge, dass sie aus diesem Grund über ihre Rechte im Unklaren blieben. Das erkennende Gericht schließt sich dieser Würdigung an. Ein durchschnittlich verständiger Kreditnehmer, der zugleich den finanzierten Grundstückskaufvertrag, den Darlehensvertrag, die Grundschuldbestellungsurkunde, die Sicherungszweckerklärung zur Grundschuld und die umfangreichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zur Kenntnis nehmen und verstehen soll, ist ohne weiteres auch in der Lage, die Widerrufsbelehrung zu erfassen und zu verstehen.
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Nach alldem ist die Erklärung des Widerrufs mit anwaltlichem Schreiben vom 4. November 2014 (Anlage K 2) verspätet gewesen, sodass den Klägern aus und im Zusammenhang mit diesem Widerruf keine Ansprüche gegen die Beklagte zustehen.
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Die Kläger haben demnach auch keinen Anspruch auf Rückgewähr der bestellten Kreditsicherheiten, Feststellung des Nichtbestehens weiterer Ansprüche aus dem Darlehensvertrag und Feststellung der Haftung der Beklagten.
II.
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(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.