Landgericht Hamburg Urteil, 07. März 2018 - 329 O 105/17
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug VW Tiguan Sport & Style 4 Motion BM Techn. 2,0 TDI 103 kW (140 PS) 7-Gang DSG, FIN: ... , Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs VW Tiguan Sport & Style 4 Motion BM Techn. 2,0 TDI 103 kW (140 PS) 7-Gang DSG, FIN: ... nachzuliefern.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Neulieferung und Rücknahme der im Klagantrag zu 1) genannten Fahrzeuge im Verzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.613,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten seit dem 03.04.2017 freizustellen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten um Nacherfüllungsansprüche im Rahmen eines Autokaufs. Bei dem Kläger handelt es sich um einen Verbraucher und bei der Beklagten um eine Händlerin, die Fahrzeuge der Marke Volkswagen vertreibt.
- 2
Der Kläger schloss mit der Beklagten am 2. April 2015 einen Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug VW Tiguan Sport & Style 4 Motion BM Techn. 2,0 TDI 103 kW (140 PS) 7-Gang DSG, FIN: ... (Anlage K 1).
- 3
Im streitgegenständlichen Fahrzeug ist eine, zur Regelung des Motors der Sorte EA 189 bestimmte Software eingebaut, die den Ausstoß von Abgasen dahingehend regelte, dass bei Betrieb auf einem Prüfstand (Modus 1) Abgase zurück in den Motor zur erneuten Verbrennung geführt werden. Dadurch gelangen weniger Stickoxide in die Umwelt. Auf dem Prüfstand werden deshalb entsprechend weniger Stickoxide gemessen.
- 4
Im normalen Fahrbetrieb (Modus 0) erkennt die Software die geänderten Bedingungen und schaltet in eine Betriebsart, in der weniger Abgase dem Motor zur erneuten Verbrennung zugeführt werden. Dadurch sind die Werte der abgegebenen Stickoxide höher als im Modus 1. Dieses hält der Kläger für einen kaufrechtlichen Mangel.
- 5
Auch ohne ein inzwischen auf den Markt gebrachtes Softwareupdate der Herstellerin ist das streitgegenständliche Fahrzeug fahrbereit und verkehrssicher. Die EG-Typengenehmigung wurde bislang nicht entzogen. Das Kraftfahrt-Bundesamt betrachtet das Aufspielen des Softwareupdates, das in jeder Volkswagen-Vertragswerkstatt zur Verfügung steht, als verpflichtend.
- 6
Das Kraftfahrtbundesamt hatte ab dem 01.06.2016 das Software-Update freigegeben und die Beklagte hat dieses Software-Update beim Fahrzeug des Klägers am 19.07.2016 (bei km-Stand 16.914) aufgebracht.
- 7
Der Kläger forderte die Beklagte schriftlich am 16.01.2017 (Anlage K 3) zur Nachlieferung eines mangelfreien Neuwagens auf. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 20.01.2017 (Anlage K 4) ab.
- 8
Mit der am 03.04.2017 der Beklagten zugestellten Klage begehrt der Kläger nunmehr Ersatzlieferung eines mangelfreien typengleichen Ersatzfahrzeugs.
- 9
Er trägt vor, bei der Wirkweise der Software handle es sich um einen Sachmangel im Sinne des § 434 I Satz 2 Nr. 2 BGB, da das Fahrzeug sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eigne und eine Beschaffenheit fehle, die bei Fahrzeugen der gleichen Art üblich sei und die er, der Käufer, nach der Art der Sache erwarten kann. Schon das Vorhandensein einer solchen Abschalteinrichtung („Schummelsoftware“) im Fahrzeug sei unüblich und begründe einen Mangel. Ein Käufer könne erwarten, dass in seinem Fahrzeug keine Programme Wirkungen entfalten, die geeignet seien, offizielle Stellen über die Fähigkeit zur Genehmigung des Fahrzeuges zu täuschen. Ohne eine Umrüstung drohe die Gefahr, dass das Fahrzeug durch Hoheitsakt stillgelegt werde.
- 10
Ferner sei eine Beschaffenheit vereinbart, da die Verbrauchs- und Abgasangaben im Verkaufsprospekt Grundlage für den Vertrag gewesen seien, von denen nun das Fahrzeug durch die andere Betriebsart im Modus für die Straße abweiche.
- 11
Darüber hinaus bestehe ein Rechtsmangel. Das Fahrzeug sei nicht typengenehmigungskonform und eine bestehende Betriebserlaubnis sei von Gesetz wegen erloschen. Bei der Software handle es sich um eine illegale Abschalteinrichtung. Dadurch, dass das Fahrzeug nun im Modus für die Straße und nicht für den Prüfstand betrieben werde, sei die Einhaltung aller Abgaswerte der EURO-5-Norm nicht mehr möglich.
- 12
Eine Nachbesserung sei unmöglich, da sich durch ein etwaiges Softwareupdate Motorschäden, eine verringerte Lebensdauer des Motors und weitere Wertverluste an dem Fahrzeug ergäben. Dass eine Nachbesserung komplett folgenlos möglich sei, könne physikalisch ausgeschlossen werden. Zumindest ein merkantiler Minderwert sei anzunehmen, da vom Dieselskandal betroffene Fahrzeuge kaum noch oder nur unter Wert verkauft werden könnten. Es bestehe mithin ein weitreichender Mangelverdacht, der allenfalls durch langfristige Überprüfungen ausgeräumt werden könne, was aber nicht zumutbar sei.
- 13
Auch sei eine Nachbesserung durch die Software der VW AG unzumutbar, da die Herstellerin bereits durch das Einbringen der unzulässigen Abschalteinrichtung getäuscht habe und - insoweit unstreitig - die angebliche „Nachbesserung“ nur durch ein Softwareupdate der Herstellerin erfolgen könne.
- 14
Das durchgeführte Software-Update sei deshalb auch keine hinreichende Nachbesserung. Das Fahrzeug verbrauche seitdem 0,5 l/100 km mehr und es sei noch gar nicht absehbar, welche zu befürchtenden negativen Folgen sich noch ergeben würden. Er, der Kläger, habe deshalb das Software-Update auch nicht als Nachbesserung akzeptiert, sondern nur aufgrund des Zwanges und der Befürchtung, dass andernfalls das Fahrzeug stillgelegt werde, aufspielen lassen.
- 15
Einbezogen in den Vertrag seien die Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Volkswagen AG in denen die Gattung in Ziffer IV. 6. weitergehend definiert werde:
- 16
„6. Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, sofern die Änderungen oder Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind. Sofern der Verkäufer oder der Hersteller zur Bezeichnung der Bestellung oder des bestellten Kaufgegenstandes Zeichen oder Nummern gebraucht, können allein daraus keine Rechte hergeleitet werden.“
- 17
Daraus ergebe sich, dass sich die von den Parteien vereinbarte Gattungsschuld auch auf das nachfolgende Modell beziehe.
- 18
Ferner hält der Kläger die Einrichtung einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung, die die Abgasmesswerte auf dem Prüfstand unzulässig beeinflusst, für eine Täuschung durch die Volkswagen AG, die sich die Beklagte zurechnen lassen muss.
- 19
Der Kläger beantragte deshalb,
- 20
wie erkannt.
- 21
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 23
Sie ist der Ansicht bei der Software und den von ihr bestrittenen Folgeschäden am Motor oder anderen Teilen handle es sich nicht um einen Sachmangel. Eine Betriebsgenehmigung habe für das Fahrzeug immer bestanden. Das Fahrzeug sei uneingeschränkt gebrauchstauglich. Die Fahrzeuge müssten alle Abgaswerte nur auf dem Prüfstand einhalten, um eine Typengenehmigung zu erhalten. Konkrete Emissionswerte seien nicht Gegenstand von Vertragsverhandlungen oder Vereinbarungen der Parteien gewesen. Ein etwaiger Sachmangel sei auch nicht erheblich, da Nachbesserung durch ein Softwareupdate der Herstellerin mit geringem Kostenaufwand möglich sei.
- 24
Durch dieses Softwareupdate als Nachbesserung, das den Motor dann nur noch im Prüfstandmodus betreibe, komme es in der Folgezeit nicht zu einer Wertminderung. Alle Fahrzeuge seien wertbeständig. Die Motorleistung bestehe uneingeschränkt weiter und sei daher noch dieselbe wie im Vertrag vorausgesetzt. Die Nachbesserung mit der Software sei daher zumutbar und ausreichend. Dies habe auch das Kraftfahrtbundesamt festgestellt. An diese Feststellung aufgrund einer öffentliche Urkunde, die Beweiskraft nach §§ 417, 418, 371b ZPO entfalte, seien auch die Zivilgerichte gebunden. Dementsprechend sei vorliegend durch das Aufspielen des Software-Updates ein etwaiger Mangel hinreichend nachgebessert, so dass keinerlei Ansprüche mehr bestünden.
- 25
Eine Nachlieferung sei ferner unmöglich, da das Fahrzeugmodell Tiguan I nicht mehr produziert werde und eine Nachlieferung eines Neufahrzeuges der nachfolgenden Generation Tiguan II unverhältnismäßig und zudem ein Aliud wäre. Die beiden Modelle seien so unterschiedlich, dass sie nicht mehr zur selben Gattung gehörten und sich ein Nachlieferungsanspruch auf die Folgegeneration somit nicht erstrecken könne. So verfüge das Nachfolgemodell über 10 PS mehr, erfülle die Euro-6-Norm und sei auch äußerlich unterschiedlich (Anlagen B 8, 11, 12, 13).
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Auch sei eine Nachlieferung gemäß § 439 Abs.3 S.1 BGB unverhältnismäßig, da die Kosten für eine Nachlieferung die Kosten für eine Nachbesserung weit überstiegen.
- 27
Zudem erhalte jeder Kunde eine Bescheinigung der Volkswagen AG nach Durchführung der technischen Maßnahmen (Anlage B 10) und die Volkswagen AG ergreife auch vertrauensbildende Maßnahmen, wonach jedem Kunden für den Zeitraum von 24 Monaten (max. Fahrleistung 250.000 km) zugesagt werde, eventuellen Beschwerden im Zusammenhang mit den technischen Maßnahmen an den Dieselfahrzeugen nachzugehen.
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Für den umfangreichen Parteivortrag im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst überreichten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 29
Die zulässige Klage ist begründet.
1.)
- 30
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug VW Tiguan Sport & Style 4 Motion BM Techn. 2,0 TDI 103 kW (140 PS) 7-Gang DSG, FIN: ... Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs VW Tiguan Sport & Style 4 Motion BM Techn. 2,0 TDI 103 kW (140 PS) 7-Gang DSG, FIN: ... gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 Abs.1 Var.2 BGB.
- 31
Der Antrag des Klägers ist gemäß §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass es ihm darauf ankommt, ein gleichwertiges Fahrzeug mit der von ihm zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewünschten Ausstattung zu erhalten. Die Beklagte kann den Nachlieferungsanspruch somit mit allen typengleichen Fahrzeugen des Models VW Tiguan 2,0 TDI mit identischer Ausstattung wie das „Altfahrzeug“ des Klägers erfüllen (die Ausstattung ergibt sich aus Anlage K1).
A.)
- 32
Das durch die Beklagte gelieferte Fahrzeug hatte bei Gefahrübergang einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs.1 BGB (so neuerdings auch OLG Köln in einem Hinweisbeschluss zu 18 U 112/17). Der vom Kläger erworbene Neuwagen entsprach nicht dem Leistungsversprechen des zwischen den Parteien am 12.07.2013 geschlossenen Kfz-Kaufvertrages. Das Fahrzeug war bei Gefahrübergang mangelhaft jedenfalls gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und S. 3 BGB. Nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ist der Kaufgegenstand nicht frei von Sachmängeln, wenn er sich nicht für die gewöhnliche Anwendung eignet oder nicht eine Beschaffenheit aufweist, welche bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Mangelhaft ist der Wagen im Echtbetrieb schon deshalb, weil sich der Hersteller eines unzulässigen Abschaltmechanismus für die Messung der Stickoxid-Werte unter Prüfbedingungen bedient hat. Der Käufer eines Fahrzeugs kann im Rahmen der üblichen und zu erwartenden Beschaffenheit eines Neuwagenkaufs in jedem Fall davon ausgehen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Zulassungsfähigkeit seines Fahrzeugs auf rechtmäßigem Wege eingehalten werden, ohne die Verwendung einer manipulierenden Software, die im Rahmen eines Prüflaufstandes einen Modus aktiviert, der nicht dem üblichen Betriebsmodus entspricht und in dem der Stickoxidausstoß reduziert wird (hierzu wie zum Folgenden LG Neuruppin, Urteil vom 24. Mai 2017 - 1 O 170/16 - unter Verweis unter anderem auf LG Regensburg, Urteil vom 04.01.2017, 7 O 967/16; LG Münster, Urteil vom 14.03.2016, 11 O 341/15; LG Oldenburg, Urteil vom 01.09.2016, 16 O 790/16 LG Aachen, Urteil vom 18.05.2016, 9 O 269/16). Dass im Fahrzeug des Klägers wie in allen mit dem entsprechenden Aggregat EA189 ausgestatteten Fahrzeugen eine solche manipulierende Software installiert wurde, ist unstreitig. Dass diese auch unzulässig ist, steht zur Überzeugung des Gerichts ausweislich der zur Akte gereichten Dokumente des Kraftfahrt-Bundesamtes fest, das den Hersteller verpflichtet hat, diese unzulässige Abschalteinrichtung unter Einhaltung der entsprechenden Einzelrechtsakte der Richtlinie 2007/46/EG zu entfernen. Dieser Mangel lag als produktionsbedingter auch bei Gefahrübergang vor, hier der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger (§§ 434 Abs. 1 S. 1, 446 BGB).
- 33
Der Durchschnittskäufer kann bei einem Autokauf erwarten, dass das von ihm erworbene Fahrzeug die Abgaswerte einhält, und zwar nicht nur durch eine beigefügte Software für den Prüfstand. Er kann erwarten, dass alle laufenden Prozesse auf dem Prüfstand auch im normalen Fahrbetrieb aktiv bleiben und der Prüfstand somit die reale Fahrsituation nachbildet. Dass, wie die Beklagte vorbringt, der Abgasausstoß zwischen Prüfstand und Straßenbetrieb auf natürliche Weise variieren, ist dabei bekannt aber insoweit unerheblich.
B.)
- 34
Ferner liegt ein Rechtsmangel vor.
- 35
Nach § 435 S.1 BGB ist eine Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Auch auf öffentlichem Recht beruhende Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen und Bindungen, die die Nutzung der Kaufsache beeinträchtigen, können einen Rechtsmangel begründen (BGH U.v. 18.01.2017, VIII ZR 234/15). So liegt es auch hier.
- 36
Zwar ist es richtig, dass der Kläger sein Fahrzeug (noch) bestimmungsgemäß nutzen kann. Der Käufer eines neuen Kraftfahrzeuges kann jedoch erwarten, dass dieses in vollem Umfang den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Denn das den jeweils geltenden Abgasvorschriften entsprechende Emissionsverhalten des Motors stellt eine Eigenschaft dar, welche für die geschuldete Beschaffenheit im Sinne des § 434 I 2 Nr. 2 BGB maßgeblich ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2016, 28 W 14/16, juris Rn. 28; OLG Celle, Beschluss vom 30.06.2016, 7 W 26/16, juris Rn. 6; LG Hagen, Urteil vom 18.10.2016 - 3 O 66/16, juris Rn. 24, 32 ff., jew. m.w.N.). Das Emissionsverhalten des streitgegenständlichen Motors entspricht diesen Vorschriften jedoch nicht, was unstreitig ist. Auch erwartet ein Durchschnittskäufer nicht, dass die gesetzlich vorgegebenen Abgaswerte nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert ist, die dafür sorgt, dass der Prüflaufstand erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung nur für diesen Fall der Stickoxidausstoß reduziert wird (LG Braunschweig, Urteil vom 12.10.2016 - 4 O 202/16, juris Rn. 19; LG Regensburg, Urteil vom 04.01.2017 - 7 O 967/16, juris Rn. 30).
- 37
Da der Kläger das Software-Update aber hat durchführen lassen, droht jedenfalls nach derzeitiger Sachlage kein Entzug der Betriebserlaubnis und keine Stilllegung, beseitigt aber letztlich den Mangel nicht (siehe dazu weiter unten).
- 38
Nach allem hat der Kläger Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 439 BGB und hat insoweit Nachlieferung verlangt. Dies zu Recht.
C.)
- 39
Die gewählte Nacherfüllung durch Neulieferung eines Fahrzeuges ist nicht unverhältnismäßig.
- 40
Die Beklagte kann die Einrede der Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung im Verhältnis zur Nachbesserung gemäß § 439 Abs. 3 BGB nicht mit Erfolg geltend machen. Denn auf das Aufspielen des von VW bereitgestellten Software-Updates im Wege der Nachbesserung kann der Kläger nicht verwiesen werden, da auf diese nicht ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden kann (§ 439 Abs. 3 Satz 2, letzter Halbsatz BGB) und die gebotene Interessenabwägung im Rahmen des § 439 Abs. 3 BGB daher zugunsten des Klägers ausfällt.
- 41
Nach § 439 Abs. 3 BGB kann der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, wobei insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen ist, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden kann.
- 42
Selbst unter der Annahme zugunsten der Beklagten, die Kosten der Entwicklung des Softwareupdates seien - etwa als „sowieso“ aufgrund der Anforderungen des Kraftfahrt-Bundesamtes und der die Nachbesserung wünschenden Kunden anfallende Kosten - bei der Bemessung der Kosten, die für die Nachbesserung anfallen, nicht zu berücksichtigen und es stünden daher Nachbesserungskosten in Höhe von etwa 100 € den vielfachen Kosten für die Neulieferung eines Fahrzeugs gegenüber, fällt die Interessenabwägung zugunsten des Klägers aus.
- 43
Zunächst ist der Mangel von erheblicher Bedeutung. Selbst unter der Annahme, dass eine Verwendungseinschränkung des Fahrzeugs derzeit nicht besteht und die Mangelbeseitigung lediglich 100 € kosten würde, ist der Mangel erheblich. Denn im Rahmen dieser indiziellen Bedeutung müsste neben den Kosten für die Entwicklung auch der erhebliche für die Entwicklung und Zulassung des Software-Updates erforderliche zeitliche Aufwand von mehr als einem Jahr berücksichtigt werden, der schon für sich eine Unerheblichkeit ausschließt (so auch die Zivilkammer 1 des Landgerichts Hamburg, Urteil vom 16.11.2016, 301 O 96/16).
- 44
Es kommt im Ergebnis aber auch nicht auf die wirtschaftliche Argumentation an. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass derzeit unklar ist, ob das Softwareupdate auch auf lange Dauer technisch keine Nachteile mit sich bringt. Allein die Behauptung, das Kraftfahrtbundesamt habe nach sachkundiger Überprüfung keine Bedenken gehabt, besagt dazu nichts. Denn zum Einen kann sachlich nur geprüft worden sein, ob technisch nach kurzer Zeit noch keine Auswirkungen zu bemerken sind (über die langfristigen Folgen ist damit nichts gesagt und kann derzeit auch noch nichts gesagt werden, siehe dazu ferner unter D.) . Zum Anderen ist bei dieser unklaren Sachlage weiterhin offen, ob die vom Kraftfahrtbundesamt angeordnete Nachbesserung im kaufrechtlichen Verhältnis als ausreichend angesehen werden kann. All dies sind letztlich Umstände, die die gewählte Art der Nachbesserung, nämlich die Neulieferung, nicht als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Schon der Umstand, dass eine Mangelbeseitigungsmaßnahme von der zuständigen Behörde geprüft und gefordert wird, zeigt, dass es sich nicht um einen unerheblichen Mangel handeln kann (so auch LG Aachen, Urteil vom 18.05.2016, 9 O 269/16).
D.)
- 45
Die Nachbesserung durch das Softwareupdate ist für den Kläger unzumutbar, wobei es nicht darauf ankommt, dass der Kläger das Software-Update inzwischen hat aufspielen lassen.
- 46
Es besteht der plausible Verdacht, dass das angebotene Softwareupdate keine ausreichende Nachbesserung ist. Die von Klägerseite zitierten technischen Bedenken sind jedenfalls auch einem Laien nachvollziehbar: Wenn die Softwarenachbesserung nunmehr dazu führt, dass der Motor nur noch im Prüfstandmodus betrieben wird, das heißt, eine permanente Abgasrückführung erfolgt, so dürfte relativ klar sein, dass damit ein deutlich gesteigerter Verschleiß der betroffenen Motorteile einhergeht. Schon diese Befürchtung, die auch in der Öffentlichkeit umfangreich und kontrovers diskutiert wird, führt nach Ansicht des Gerichts zu einem deutlichen und auf unabsehbare Zeit verbleibenden Minderwert des Fahrzeuges, der auch durch eine sachverständige Überprüfung, die eigentlich nur durch Langzeittests erfolgen kann, nicht ausgeräumt werden kann.
- 47
Auch folgt hier eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung aus der nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Kläger und der Beklagten (zu den Grundsätzen: BGH v. 20.03.2010 VIII ZR 182/08). Der Käufer eines so mangelbehafteten Fahrzeugs befürchtet, dass die Nachbesserung durch ein einfaches Softwareupdate keinesfalls ausreichend sein kann, um die Mängel zu beheben, denn es wäre dann ja nicht nachvollziehbar, warum der Hersteller dieses einfache mit geringem Kosten verbundene Update nicht von vorneherein eingebracht hätte. Aufgrund der erfolgten herstellerbedingten Täuschung ist ein solches Verhalten nachvollziehbar.
- 48
Im Rahmen der Frage der Unzumutbarkeit der Nachbesserung durch das Softwareupdate ist das Verhalten der Herstellerin auch der Beklagten zuzurechnen, weil nur die einzige Möglichkeit besteht, dieses Softwareupdate von der Herstellerin zu erhalten (vgl. dazu: LG Köln, Urt. V. 18.05.2017- 2 O 422/16; LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016, 2 O 83/16; LG Aachen, Urteil vom 18.05.2016, 9 O 269/16), denn unstreitig ist ein Softwareupdate nur unter Mitwirkung der Volkswagen AG möglich. Selbst wenn, was hier auch streitig ist, die Beklagte und die Volkswagen AG rechtlich als selbstständig zu betrachten sind, bleibt es für den Kläger auch im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit der Beklagten unzumutbar, ein Softwareupdate als Nachbesserung zu akzeptieren, dessen Wirksamkeit nicht wissenschaftlich erwiesen ist und das jedenfalls auf unabsehbare Zeit mit einem Makel behaftet ist.
- 49
Die Beklagte kann hierbei auch nicht darauf verweisen, das Kraftfahrtbundesamt habe durch Akzeptieren der Nachbesserung durch das Softwareupdate und aufgrund öffentlich-rechtlichen Bescheids wirksam diese Art der Nachbesserung verfügt. Denn dabei handelt es sich lediglich um öffentlich-rechtliche Vorschriften, die letztlich kleine Auswirkungen im zivilrechtlichen Vertrag haben, unabhängig davon, ob die öffentlich-rechtliche Entscheidung verwaltungsgerichtlich und auch vor dem EuGH Bestand haben wird. Gerade die „Zwickmühle“, die sich einem geschädigten Käufer bietet, zeigt, dass die Nachbesserung durch ein technisch in der sachkundigen Öffentlichkeit angezweifeltes Softwareupdate für den Verbraucher unzumutbar ist. Entweder der Kunde vertraut auf den Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes mit dem Risiko, dass aufgrund Langzeittests das Softwareupdate eben doch nicht hinreichende Nachbesserung erbringt (sonst hätte der Hersteller dies sicher doch von Anfang an eingebaut und damit den gesamten Dieselabgasskandal verhindern können) oder der Kunde verweigert das Softwareupdate wegen der bestehenden Bedenken mit dem Risiko der Stilllegung des Fahrzeugs.
- 50
Bei dieser Sachlage kann dem Kläger auch nicht vorgeworfen werden, dass er das Software-Update hat aufspielen lassen. Er hat damit nicht die Nachbesserung im Sinne der zivilrechtlichen Vorschriften akzeptiert, sondern ist diesem Begehren lediglich aus öffentlich-rechtlichen Zwängen nachgekommen, weil er befürchtet hat, dass ansonsten das Fahrzeug aus öffentlich-rechtlichen Gründen stillgelegt wird. Ein Akzeptieren der Nachbesserung kann darin nicht gesehen werden.
- 51
Offen bleiben kann, ob nicht die Nachbesserung durch das Software-Update schon deswegen nicht hinreichend ist, weil es andere erheblich bessere und nachhaltigere Nachbesserungsmöglichkeiten gibt. Immerhin lässt sich nach den aktuellen Informationen aus einer Studie des Lehrstuhlinhabers für Verbrennungskraftmaschinen an der TU München, Georg Wachtmeister, das Problem praktisch für alle streitbefangenen Fahrzeugtypen durch die sogenannte SCR-Technik lösen mit einem allerdings höheren Aufwand von mindestens rund € 1.300,00 pro Fahrzeug (vgl. DER SPIEGEL, 4/2018, S. 67).
- 52
Ferner kann dem Käufer in einer solchen Fallkonstellation nicht vorgeworfen werden, er handele widersprüchlich, wenn er einerseits dem Softwareupdate als Nachbesserung des Herstellers nicht vertraut, andererseits aber wiederum ein Dieselfahrzeug im Wege der Nachlieferung verlangt (sowohl LG Paderborn, a.a.O.). Denn der maßgebliche Unterschied ist der, dass der Käufer, der sich auf ein Softwareupdate einlässt, nur noch eingeschränkte Gewährleistungsrechte hat (wenn überhaupt), bei einer Nachlieferung eines Neufahrzeuges aber wiederum die normale Neuwagengewährleistung besteht und der Käufer nach derzeitigem Sachstand ziemlich sicher sein kann, dass das Neufahrzeug ohne Mängel gerade auch der hier streitigen Art ausgeliefert werden wird. Es ist deshalb nach Ansicht des Gerichts nicht verwerflich, der höchst streitigen Nachbesserung des Herstellers im Rahmen des „Dieselabgas-Skandals“ nicht zu vertrauen, andererseits aber bei zeitlich nach dem Beginn des „Abgasskandals“ auf den Markt gekommenen Neufahrzeugen unter Berücksichtigung der neu laufenden Gewährleistungsfrist auf die Mangelfreiheit zu vertrauen.
E.)
- 54
Vorliegend lag eine Gattungsschuld vor. Eine Ersatzlieferung wird erst dann unmöglich, wenn die gesamte Gattung untergegangen bzw. mangelhaft ist (Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl., § 439 Rn. 15). Im Streitfall ist zwar davon auszugehen, dass alle Fahrzeuge des Typs Tiguan aus der 1. Baureihe mit dem Dieselmotor EA 189 mangelbehaftet sind. Die Nachlieferung ist aber durch die Überlassung eines Fahrzeugs der aktuellen Baureihe des Tiguans, also des „Tiguan II“, mit dem anderen Motor möglich. Der Auffassung der Beklagten, dass die Fahrzeuge der aktuellen Serienproduktion des Typs Tiguan einer anderen Gattung angehören, kann nicht gefolgt werden. Eine Gattung bilden alle Gegenstände, die durch gemeinschaftliche Merkmale (Typ, Sorte, u.U. auch Preis) gekennzeichnet sind und sich dadurch von anderen Gegenständen abheben. Über die Abgrenzung entscheidet der Parteiwille (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 243 Rn. 2). Im Streitfall ist demnach die Regelung unter 6. der Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Beklagten, die unstreitig in den Kaufvertrag mit einbezogen waren, zu berücksichtigen. Dort heißt es u.a.: „Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers während der Lieferzeit bleiben vorbehalten, sofern die Änderungen oder Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind. Sofern der Verkäufer oder Hersteller zur Bezeichnung der Bestellung oder des bestellten Kaufgegenstandes Zeichen oder Nummern gebraucht, können allein daraus keine Rechte begründet werden.“
- 55
Der Motor des „Tiguan II“ hat 10 PS mehr (150 PS statt 140 PS) und erfüllt anstelle der EURO-Norm 5 die EURO-Norm 6. Weiterhin ist der „Tiguan II“ gegenüber dem „Tiguan I“, wie aus den von der Beklagten eingereichten Unterlagen ersichtlich ist, um einige Zentimeter größer, hat mehr Ladevolumen und die technische Ausstattung und das Design wurden leicht abgeändert. Diese Änderungen sind jedoch nicht so erheblich, dass man davon ausgehen könnte, dass der „Tiguan II“ einer eigenen Gattung angehören würde. Die Abweichungen optischer Art sind als gering zu bewerten. Auch die technischen Veränderungen sind nur leichterer Natur letztlich nicht erheblich. Die Abweichungen zwischen den Modellen sind deshalb gesamt als gering zu bewerten und wären dem Kunden nach Ziffer 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen zuzumuten, falls die Volkswagen AG nach der Bestellung, aber vor der Auslieferung des Fahrzeugs an den Kläger die Produktion des „Tiguan I“ eingestellt und auf den „Tiguan II“ umgestellt hätte.
- 56
Zwar ist es richtig, dass die in Bezug genommenen Neuwagenbedingungen hier eine Klausel zugunsten des Verkäufers enthalten. Daraus lässt sich aber der allgemeine Grundsatz für dieses Kaufvertragsverhältnis ableiten, dass auch im Gegenzug der Verkäufer ihm zumutbare Änderungen der Leistungen erbringen muss. Das ist hier nach obigen Erörterungen der Fall.
- 57
Soweit die Beklagte darauf verweist, der „Tiguan II“ basiere auf einem neuen modularen Querbaukasten, ist das unerheblich. Derartige technische Details sind in aller Regel für einen Verbraucher, der sich einen Pkw kauft, nicht von Bedeutung und ihm zumeist nicht einmal bekannt. Zudem verpflichtet Ziffer 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen den Käufer gerade, auch Konstruktions- und Formänderungen hinzunehmen, sofern diese für ihn zumutbar sind, was hier wie ausgeführt angesichts der nur geringen optischen und technischen Änderungen vorliegt (so jedenfalls entgegen der von der Beklagten zitierten umfangreichen Rechtsprechung: LG Offenburg, Urteil vom 21.03.2017, 3 O 77/16; LG Paderborn, Urteil vom 24.11.2017, 6 O 36/17 neuerdings wohl auch dahin tendierend OLG Stuttgart in einem Hinweis in der Sache 3 U 133/17).
F.)
- 58
Der Kläger schuldet der Beklagten keinen Wertersatz für die Nutzung des Fahrzeugs.
- 59
Gemäß § 474 Abs.2 S.1 BGB a.F. ist bei einem Verbrauchsgüterkauf kein Wertersatz für Nutzungen des Verbrauchers herauszugeben (im Zeitpunkt des Kaufs geltende Gesetzesänderung in Folge der Entscheidung des EuGH NJW 2008, 1433). Eine Abweichung von dieser klaren gesetzlichen und europarechtlichen Regelung ist nicht deshalb angezeigt, weil der Kläger das zurückzugebende Fahrzeug ohne jegliche mängelbedingte Einschränkung hat nutzen können, denn im Rahmen des Verbraucherrechtsschutzes ist gerade uneingeschränkt für alle Fälle geregelt, dass Nutzungen nicht herauszugeben sind.
G.)
- 60
Der Anspruch auf Nachlieferung ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Hersteller im Wege „vertrauensbildender Maßnahmen“ die Bescheinigung gemäß Anlage B 10 und die Erklärung abgibt, wonach jedem Kunden für den Zeitraum von 24 Monaten (max. Fahrleistung 250.000 km) zugesagt werde, eventuellen Beschwerden im Zusammenhang mit den technischen Maßnahmen an den Dieselfahrzeugen nachzugehen. Denn die Bescheinigung gemäß Anlage B 10 zeigt nur, dass der Fahrzeug-Hersteller der Auffassung ist, mit dem Softwareupdate seien alle Probleme gelöst. Rechtlich verbindliche Erklärungen werden insoweit jedoch nicht abgegeben, so dass sich ein Käufer eines betroffenen Fahrzeuges hierauf nicht in zumutbarer Weise einlassen kann und muss.
2.)
- 61
Die Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs zu Ziffer 1 im Verzug. Der Kläger hat mit Schreiben vom 16.01.2017 die Beklagte aufgefordert ihm ein Neufahrzeug zu liefern, was nach obigen Erörterungen auch problemlos möglich wäre. Die Beklagte hätte mithin das Fahrzeug des Klägers nach Fristablauf zurücknehmen müssen.
3.)
- 62
Die Beklagte schuldet dem Kläger die Freistellung von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerpartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.613,24 € gemäß §§ 280 Abs.1, Abs.2, 286 BGB. Zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Kosten hatte der Kläger einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch auf Nachlieferung eines unter Ziffer 1 genannten Fahrzeuges. Eine Mahnung war entbehrlich, da die Beklagte die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hatte.
4.)
Urteilsbesprechung zu Landgericht Hamburg Urteil, 07. März 2018 - 329 O 105/17
Urteilsbesprechungen zu Landgericht Hamburg Urteil, 07. März 2018 - 329 O 105/17
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Landgericht Hamburg Urteil, 07. März 2018 - 329 O 105/17 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
Die von einer Behörde ausgestellten, eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden öffentlichen Urkunden begründen vollen Beweis ihres Inhalts.
(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.
(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.
(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.
Wird eine öffentliche Urkunde nach dem Stand der Technik von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person in ein elektronisches Dokument übertragen und liegt die Bestätigung vor, dass das elektronische Dokument mit der Urschrift bildlich und inhaltlich übereinstimmt, finden auf das elektronische Dokument die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechende Anwendung. Sind das Dokument und die Bestätigung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, gilt § 437 entsprechend.
(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.
(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.
(3) Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, bevor der Mangel offenbar wurde, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.
(4) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.
(5) Der Käufer hat dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen.
(6) Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen. Der Verkäufer hat die ersetzte Sache auf seine Kosten zurückzunehmen.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.
(2) Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn sie
- 1.
die vereinbarte Beschaffenheit hat, - 2.
sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und - 3.
mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird.
(3) Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie
- 1.
sich für die gewöhnliche Verwendung eignet, - 2.
eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung - a)
der Art der Sache und - b)
der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden,
- 3.
der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und - 4.
mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.
(4) Soweit eine Montage durchzuführen ist, entspricht die Sache den Montageanforderungen, wenn die Montage
- 1.
sachgemäß durchgeführt worden ist oder - 2.
zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht.
(5) Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache als die vertraglich geschuldete Sache liefert.
Die Sache ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Einem Rechtsmangel steht es gleich, wenn im Grundbuch ein Recht eingetragen ist, das nicht besteht.
BUNDESGERICHTSHOF
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel, den Richter Prof. Dr. Achilles sowie die Richter Dr. Schneider und Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen.
- 2
- Die Parteien schlossen Mitte des Jahres 2012 mündlich einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Rolls Royce Corniche Cabrio (Oldtimer) zum Preis von 29.000 €. Nach Eingang der vereinbarten Anzahlung in Höhe von 1.000 € am 11. Oktober 2012 übergab der Beklagte dem Kläger den Pkw Mitte Oktober 2012 gegen Zahlung des Restkaufpreises.
- 3
- Bei dem Versuch des Klägers, den Pkw Ende Juli 2013 anzumelden, wurde das Fahrzeug polizeilich sichergestellt, weil es im Schengener Informati- onssystem (SIS) von französischen Behörden als am 6. Juni 2012 gestohlen gemeldet und zur Fahndung (Sicherstellung und Identitätsfeststellung) ausgeschrieben worden war. Gegen den Kläger und den Beklagten wurden von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hehlerei eingeleitet. Am 30. September 2013 erfolgte die Freigabe des Kraftfahrzeugs, nachdem im Zuge der Ermittlungen die Vermutung aufgekommen war, der ehemalige französische Eigentümer des Kraftfahrzeugs habe den Diebstahl zum Zwecke des Versicherungsbetrugs nur vorgetäuscht. In der Freigabebescheinigung des Polizeipräsidiums Düsseldorf an den Kläger ist vermerkt, dass keine Bedenken gegen eine amtliche Zulassung bestünden. Am 17. Dezember 2013 wurde der Pkw auf den Kläger zugelassen. Die zunächst im November 2013 eingestellten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren gegen die Parteien wurden im Januar 2014 wieder aufgenommen und dauerten jedenfalls noch bis in das Jahr 2015 an. Das Fahrzeug ist nach wie vor im SIS ausgeschrieben.
- 4
- Mit anwaltlichem Schreiben vom 2. Mai 2014 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte ihn auf, den Kaufpreis gegen Rückgabe des Pkw zurückzuerstatten. Der Kläger ist der Auffassung , die bei Fahrzeugübergabe vorhandene und weiter andauernde SISAusschreibung sei ein erheblicher Rechtsmangel. Der Beklagte stellt einen Rechtsmangel in Abrede, weil es sich bei der SIS-Ausschreibung lediglich um ein auf Missverständnissen beruhendes vorübergehendes Verwendungshindernis handele, das ohnehin nur im Ausland bestünde und binnen kurzer Zeit beseitigt werden könnte.
- 5
- Mit der Klage nimmt der Kläger den Beklagten auf Zahlung von 29.000 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,68 € nebst Zinsen in Anspruch. Das Landgericht hat dem Zug-um-Zug-Antrag in Höhe von 28.913 € und dem weiteren Zahlungsantrag vollumfänglich, jeweils nebst Zinsen, stattgegeben ; die weitergehende Klage hat es abgewiesen.Das Oberlandesgericht hat die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 7
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:
- 8
- Im maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung habe das Kraftfahrzeug einen erheblichen Rechtsmangel (§ 435 BGB) aufgewiesen, da dessen von den französischen Behörden veranlasste Eintragung in die SISFahndungsliste einen den Gebrauch der Kaufsache dauerhaft und nachhaltig beeinträchtigenden Umstand darstelle. Das Kraftfahrzeug sei bereits zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger als gestohlen gemeldet und auch noch im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zur Fahndung ausgeschrieben gewesen.
- 9
- Bei dem Eintrag in die SIS-Fahndungsliste handele es sich nicht nur um ein vorübergehendes Zulassungshindernis; die Eintragung führe vielmehr zu einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung, weil der Kläger bei einer Fahrt in das Ausland mit einer Beschlagnahme des Fahrzeugs rechnen müsse. Bei einer Beschlagnahme im Ausland sei der Käufer aufgrund der tatsächlichen Ge- gebenheiten (Sprache, Rechtssystem) faktisch für längere Zeit von der Nutzung des erworbenen Kraftfahrzeugs ausgeschlossen und somit in dessen Gebrauch erheblich eingeschränkt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die SISAusschreibung auch nach der Einstellung des gegen die Parteien in Deutschland geführten Ermittlungsverfahrens und der Herausgabe des Fahrzeugs an den Kläger nicht gelöscht worden sei. Für das Vorliegen eines Rechtsmangels spreche auch der Umstand, dass der Kläger bei einem Verkauf des Pkw verpflichtet wäre, den Umstand der fortbestehenden internationalen Ausschreibung einem Käufer zu offenbaren. Dem Kläger sei es auch nicht zumutbar, selbst für die Löschung des SIS-Eintrags zu sorgen. Es könne nicht Aufgabe des Käufers sein, mit hohem Aufwand und ungewissem Erfolg selbst für eine bestehende Gebrauchsbeeinträchtigung einzustehen.
- 10
- Einer grundsätzlich nach § 323 Abs. 1 BGB für den Rücktritt notwendigen Fristsetzung zur Nacherfüllung habe es vorliegend nicht bedurft, da dem Kläger nach § 440 Satz 1 BGB die ihm zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar sei. In Anbetracht dessen, dass hier ein Diebstahl in Frankreich im Raum stehe und sich der Sachverhalt durch die polizeilichen Ermittlungen über Monate nicht habe aufklären lassen, sei eine Fristsetzung entbehrlich gewesen. Dem Kläger sei es nicht zuzumuten abzuwarten, bis geklärt sei, ob das Kraftfahrzeug vom wahren Eigentümer veräußert worden sei und der Beklagte die Löschung der SIS-Ausschreibung erreichen könne.
- 11
- Im Übrigen sei die Fristsetzung auch nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich gewesen. Denn der Beklagte habe die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert. Bei dieser Wertung sei auch das Verhalten des Beklagten im Prozess mit heranzuziehen. Hier habe der Beklagte durchgehend von Anfang an seine Passivlegitimation und das Vorliegen eines Rechtsmangels bestritten. Damit habe er klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, er werde den Mangel nicht beseitigen. Anhaltspunkte, dass der Beklagte durch eine Fristsetzung zu besserer Einsicht gelangt wäre, lägen nicht vor. Der Beklagte habe zwar vorgetragen, es wäre ihm möglich gewesen, auf die Löschung des SIS-Eintrags hinzuwirken, und er hätte diese auch erreicht. Er habe aber weder nach Zugang der Rücktrittserklärung noch nach Zustellung der Klageschrift diesbezüglich etwas unternommen.
- 12
- Da nach allem der Rücktritt wirksam erfolgt sei, seien die Klageansprüche in dem vom Landgericht ausgeurteilten Umfang begründet.
II.
- 13
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
- 14
- Dem Kläger steht nach wirksamem Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 437 Nr. 2, §§ 435, 440, 323 BGB der geltend gemachte Rückgewähranspruch nach § 346 Abs. 1 BGB zu. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen , dass der bereits bei Übergabe Mitte Oktober 2012 bestehende und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (2. Mai 2014) andauernde Eintrag des Kraftfahrzeugs im SIS-Fahndungssystem einen erheblichen (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) Rechtsmangel im Sinne des § 435 Satz 1 BGB darstellt, der den Kläger zum Rücktritt berechtigte.
- 15
- 1. Nach § 435 Satz 1 BGB ist die Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können.
- 16
- a) Der Verkäufer muss daher, um seine Leistungspflicht vollständig zu erfüllen, nicht nur das materielle (Eigentums-)Recht als solches verschaffen, sondern auch dafür sorgen, dass der Käufer die Kaufsache unangefochten und frei von Rechten Dritter erwirbt und nutzen kann. Das Ziel der Rechtsverschaffung ist umfassend, damit der Käufer, wie in § 903 Satz 1 BGB für den Eigentümer vorgesehen, in die Lage versetzt wird, nach Belieben mit der Sache zu verfahren (siehe BT-Drucks. 14/6040, S. 218; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 435 Rn. 8; vgl. auch Grunewald, Die Grenzziehung zwischen der Rechts- und Sachmängelhaftung beim Kauf, 1980, S. 50 f.). Ein Rechtsmangel liegt deshalb vor, wenn Rechte eines Dritten eine individuelle Belastung des Käufers ergeben, also geeignet sind, ihn in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen (MünchKommBGB/Westermann, 7. Aufl., § 435 Rn. 4; BeckOKBGB /Faust, Stand: August 2014, § 435 Rn. 6).
- 17
- aa) Hinsichtlich der rechtlichen Natur dieser individuellen Belastung kommen nicht nur dingliche Rechte eines Dritten, sondern auch obligatorische Rechte in Betracht, wenn ihre Ausübung eine tatsächliche Beeinträchtigung der Nutzung für den Käufer bedeuten, indem sie dem Rechtsinhaber ein Recht zum Besitz der Sache verschaffen (Miet- und Pachtverhältnisse betreffend: BGH, Urteile vom 2. Oktober 1987 - V ZR 105/86, NJW-RR 1988, 79 unter II 1; vom 17. Mai 1991 - V ZR 92/90, NJW 1991, 2700 unter III; vgl. auch MünchKommBGB /Westermann, aaO Rn. 7; Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl., § 435 Rn. 8; BeckOK-BGB/Faust, aaO Rn. 15; Staudinger/Matusche-Beckmann, aaO Rn. 15).
- 18
- bb) Auch auf öffentlichem Recht beruhende Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen und Bindungen, die die Nutzung der Kaufsache beeinträchtigen, können einen Rechtsmangel begründen (BT-Drucks. 14/6040, S. 217; BeckOKBGB /Faust, aaO Rn. 18 f.; MünchKommBGB/Westermann, aaO Rn. 10; Erman/ Grunewald, aaO Rn. 11). Dies gilt - in Abgrenzung zu den dem Bereich der Sachmängelgewährleistung (§ 434 BGB) zuzuordnenden Sachverhalten - je- denfalls dann, wenn das Eingreifen öffentlich-rechtlicher Normen nicht Folge der (auch) einen Sachmangel begründenden nicht vertragsgemäßen Beschaffenheit der Kaufsache ist; andernfalls liegt es nahe, (nur) einen Sachmangel anzunehmen (Erman/Grunewald, aaO). Schematische Lösungen verbieten sich hierbei (Senatsurteil vom 5. Dezember 1990 - VIII ZR 75/90, BGHZ 113, 106, 112).
- 19
- (1) So hat der Senat in einem Fall, in dem Hasenfleisch verkauft wurde, bei dem der begründete Verdacht der Salmonellenverseuchung bestand, einen Sachmangel bejaht, weil die Kaufsache - unabhängig davon, dass sie in Folge des Verdachts (auch) der öffentlich-rechtlichen Beschlagnahme unterlag - nicht mehr für die vorgesehene Verwendung (Weiterveräußerung) tauglich war (Senatsurteil vom 14. Juni 1972 - VIII ZR 75/71, WM 1972, 1314 unter I 3). In Abgrenzung hiervon hat der Senat dagegen entschieden (Senatsurteil vom 5. Dezember 1990 - VIII ZR 75/90, aaO S. 112 f.), dass sich ein Käufer, der Dieselkraftstoff zum Betrieb von Dieselmotoren bestellt, gegenüber dem Verkäufer mit Erfolg auf einen Rechtsmangel berufen kann, wenn in Abweichung von der Bestellung ein mit Heizöl verunreinigter Dieselkraftstoff geliefert wird; die Besonderheit dieses Falles, die zur Annahme eines Rechtsmangels führte, lag darin, dass der gelieferte Kraftstoff zwar zur vertraglich vorgesehenen Verwendung (Betrieb von Dieselmotoren) auch mit der Verunreinigung tauglich war, er aber wegen der Heizölbeimischung der Gefahr der behördlichen Beschlagnahme unterlag. Die den Käufer treffende Beeinträchtigung lag mithin nicht in der tatsächlichen Beschaffenheit der Sache, sondern darin, dass der Verkäufer dem Käufer nur Eigentum ohne rechtlichen Bestand verschaffen konnte (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1990 - VIII ZR 75/90, aaO).
- 20
- (2) Auch der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zieht die Grenze zwischen Sach- und Rechtsmangel in Fällen, in denen öffentlich-rechtliche Befug- nisse oder Beschränkungen auf die Nutzung eines verkauften Grundstücks einwirken, in gleicher Weise. So liegt in öffentlich-rechtlichen Beschränkungen der Bebaubarkeit eines verkauften Grundstücks, die an dessen Beschaffenheit (insbesondere die Lage) anknüpfen, ein Sachmangel (BGH, Urteil vom 15. Juli 2011 - V ZR 171/10, BGHZ 190, 272 Rn. 5 mwN): Hingegen stellt etwa die Sozialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung, die von deren Beschaffenheit unabhängig ist, ebenso einen Rechtsmangel dar (BGH, Urteile vom 9. Juli 1976 - V ZR 256/75, BGHZ 67, 134, 135 ff.; vom 21. Januar2000 - V ZR 387/98, NJW 2000, 1256 unter II 1) wie eine Veränderungssperre (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1985 - V ZR 263/83, BGHZ 96, 385, 390 f.) oder die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Grundstückseigentümers, einen Teil des verkauften Grundstücks als Straßenbauland an die Gemeinde zu veräußern (BGH, Urteil vom 4. Juni 1982 - V ZR 81/81, NJW 1983, 275 unter II 3 b).
- 21
- (3) Dementsprechend hat der Senat die nach § 111b StPO (rechtmäßig) durchgeführte Beschlagnahme eines im Ausland als gestohlen gemeldeten Kraftfahrzeugs - deren allein der Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche des durch die Straftat Verletzten dienende Anordnung keine Folge der Beschaffenheit des Fahrzeugs war - als Rechtsmangel angesehen und es insoweit als genügend erachtet, wenn der Sachverhalt, aufgrund dessen die (spätere) Beschlagnahme erfolgt, bereits bei Gefahrübergang vorhanden war (Senatsurteil vom 18. Februar 2004 - VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802 unter II 1). Diese Rechtsprechung geht zurück auf zwei Entscheidungen des Reichsgerichts, in denen die rechtlichen Folgen von öffentlich-rechtlichen Beschlagnahmebefugnissen (zum einen aufgrund Verstoßes gegen Einfuhrbestimmungen [RGZ 105, 390], zum anderen aufgrund Verstoßes gegen zollrechtliche Bestimmungen [RGZ 111, 86]) zu klären waren. In beiden Fällen hat es bereits das Reichsgericht für die Annahme eines Rechtsmangels ausreichen lassen, dass bei Gefahrübergang ein Sach- verhalt vorliegt, der einen staatlichen Zugriff auf die Kaufsache im Wege einer künftigen Beschlagnahmeanordnung ermöglicht (RGZ 105, 390, 391 f.; RGZ 111, 86, 88 f.). Im Anschluss daran hat auch der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein Rechtsmangel bereits dann gegeben ist, wenn das Recht eines Dritten auch nur potentiell geeignet ist, den Käufer in der ungestörten Ausübung der ihm gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1991 - V ZR 204/91, NJW-RR 1993, 396 unter II 2; so auch Staudinger/Matusche-Beckmann, aaO Rn. 9).
- 22
- b) Nach den vorstehend aufgezeigten Maßstäben ist (bereits) die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in die Fahndungsliste aufgrund einer SISAusschreibung als Rechtsmangel anzusehen (so auch die einhellige Auffassung der Oberlandesgerichte; vgl. OLG Köln NJW-RR 2014, 1080; OLG Düsseldorf vom 20. Februar 2015 - I-22 U 159/14, juris; OLG München, Urteil vom 2. Mai 2016 - 21 U 3016/15, juris). Zwar handelt es sich bei dem Schengener Informationssystem (nur) um eine interne Datenbank der Sicherheitsbehörden des Schengen-Raumes, mit der - anders als bei einer bereits vollzogenen behördlichen Beschlagnahme oder Sicherstellung - noch kein unmittelbarer Eingriff in Form des Entzugs der Sache verbunden ist. Die Eigenart der auf einem internationalen Abkommen beruhenden SIS-Sachfahndung gebietet es jedoch, bereits die Eintragung als solche und nicht erst eine daraufhin erfolgende Beschlagnahme oder Sicherstellung als Rechtsmangel einzuordnen. Denn bereits die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dieses Fahndungssystem ist für den Käufer mit der Gefahr einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung verbunden und führt damit zu einer individuellen Belastung, die geeignet ist, den Käufer in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen.
- 23
- aa) Die SIS-Ausschreibung hat ihre rechtliche Grundlage in dem Beschluss 2007/533/JI des Europäischen Rats vom 12. Juni 2007 über die Errichtung , den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II; ABl. L 205/63). In Art. 38 Abs. 1, 2 Buchst. a dieses Beschlusses ist geregelt, dass Daten in Bezug auf Kraftfahrzeuge, die zur Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren gesucht werden, in das Fahndungssystem eingegeben werden können. Wird das gesuchte Fahrzeug aufgefunden, wird dem aufgreifenden Mitgliedsstaat in Art. 39 Abs. 3 des Beschlusses aufgegeben, Maßnahmen nach Maßgabe seines nationalen Rechts zu ergreifen.
- 24
- bb) Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist die SIS-Ausschreibung eines Kraftfahrzeugs mit der konkreten, im gesamten Schengen-Raum bestehenden Gefahr verbunden, dass bei der Zulassung des Fahrzeugs, einer Halteränderung oder bei einer polizeilichen Kontrolle die Eintragung festgestellt wird und das Fahrzeug daraufhin behördlicherseits - nach den jeweiligen Rechtsvorschriften des Landes, in dem es aufgefunden wird - rechtmäßig sichergestellt oder beschlagnahmt wird, wie es auch im vorliegenden Fall Mitte des Jahres 2013 für die Dauer von mehreren Monaten geschehen ist.
- 25
- Entgegen der Auffassung der Revision ist es für die Einordnung als Rechtsmangel unerheblich, dass der streitgegenständliche Pkw hier nach der Sicherstellung in Düsseldorf von der dortigen Polizei wieder freigegeben wurde und der Kläger das Fahrzeug anschließend zum Straßenverkehr zulassen konnte. Denn die Ausschreibung besteht nach wie vor, weil ungeachtet der schon länger andauernden Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden bisher nicht abschließend geklärt werden konnte, ob der Pkw dem (früheren) französischen Eigentümer abhandengekommen oder er Gegenstand eines Versicherungsbetruges gewesen ist; auch das - zwischenzeitlich für kurze Zeit einge- stellte - Ermittlungsverfahren gegen beide Parteien dauerte jedenfalls bis in das Jahr 2015 hinein an.
- 26
- Die SIS-Ausschreibung erschöpft sich deshalb entgegen der Auffassung der Revision nicht in einem vorübergehenden Zulassungshindernis. Denn die durch die Eintragung begründeten Zugriffsmöglichkeiten der staatlichen Strafverfolgungsbehörden des Schengen-Raums bestehen fort, solange die Eintragung nicht beseitigt ist. Damit kann der Kläger, selbst wenn er - was angesichts der ungeklärten Historie des Fahrzeugs offen ist - Eigentümer des Fahrzeugs geworden sein sollte, gerade nicht, wie in § 903 Satz 1 BGB vorgesehen, unbelastet von (Zugriffs-)Rechten Dritter nach Belieben mit der Kaufsache verfahren. Denn sobald er das Fahrzeug im öffentlichen Raum bewegt, muss er damit rechnen, dass dieses, je nach Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden, erneut beschlagnahmt wird. Dies wäre für den Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht nur mit einem Verlust der Nutzungsmöglichkeit für einen nicht ohne weiteres abzusehenden Zeitraum, sondern mit Blick auf die zur Wiedererlangung des Fahrzeugbesitzes erforderlichen Anstrengungen auch mit erheblichen weiteren Nachteilen - insbesondere bei einer Sicherstellung im Ausland - verbunden.
- 27
- Darüber hinaus ist die Verkäuflichkeit des Pkw durch die Eintragung stark beeinträchtigt; denn der Kläger wäre redlicherweise gehalten, einen potentiellen Käufer über die nach wie vor bestehende Ausschreibung aufzuklären. Diese gravierenden Folgen rechtfertigen es, bereits die aufgrund behördlicher Verfügung erfolgte SIS-Ausschreibung als einen - im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB erheblichen - Rechtsmangel anzusehen.
- 28
- cc) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass vorliegend der Grund der Eintragung des Fahrzeugs in das SIS in dem ungeklärten Eigen- tumsherausgabeanspruch eines Dritten besteht, der durch seine Diebstahlsanzeige das Ermittlungsverfahren initiiert hat. Zwar trifft es zu, dass ein nur behaupteter Anspruch eines Dritten einen Rechtsmangel nicht begründen kann (BT-Drucks. 14/6040 S. 217), sondern es eines tatsächlich bestehenden Rechts eines Dritten bedarf, um einen Rechtsmangel annehmen zu können (BeckOKBGB /Faust, aaO Rn. 8). Die den Käufer im Streitfall unmittelbar treffende individuelle Belastung ist jedoch nicht in dem ungeklärten Eigentumsherausgabeanspruch zu sehen, sie liegt vielmehr in den durch die Eintragung eröffneten Zugriffsmöglichkeiten staatlicher Behörden auf die Kaufsache.
- 29
- Dass die Eintragung - solange das Ermittlungsverfahren nicht abgeschlossen beziehungsweise die Eigentumslage nicht geklärt ist - auf einer sich auf die Diebstahlsanzeige gründenden "Vermutung" beruht, ist für die Annahme des Rechtsmangels unerheblich (vgl. auch Erman/Grunewald, aaO Rn. 12). Vielmehr hat der Gesetzgeber insoweit auch Fallgestaltungen für denkbar gehalten , in denen der Verkäufer dafür einsteht, dass Dritte keine Rechte geltend machen, und er etwaig erhobene Ansprüche abzuwehren hat (BT-Drucks. 14/6040, S. 218). Darum geht es auch hier. Denn es versteht sich bei einem Kraftfahrzeugkauf von selbst, dass der Verkäufer als Teil seiner Erfüllungspflicht ein Fahrzeug zu verschaffen hat, das problemlos zur Straßenverkehrszulassung gebracht und ohne Sorge vor behördlicher Beschlagnahme im In- und Ausland benutzt werden kann.
- 30
- 2. Der am 2. Mai 2014 erklärte Rücktritt ist - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht etwa deshalb unwirksam, weil es der Kläger versäumt hätte, dem Beklagten zuvor eine nach § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforderliche Frist zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) zu setzen. Denn das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen und unter Berücksichtigung der sich hieraus ergebenden Umstände des Streitfalls jeden- falls im Ergebnis zutreffend angenommen, dass es hier einer Fristsetzung zur Nacherfüllung vor Erklärung des Rücktritts nicht bedurfte.
- 31
- a) Allerdings ergibt sich die Entbehrlichkeit der Fristsetzung vorliegend nicht, wie das Berufungsgericht meint, aus § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Nach der Rechtsprechung des Senats sind, was auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, an das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen (st. Rspr.; zuletzt Senatsurteil vom 1. Juli 2015 - VIII ZR 226/14, NJW 2015, 3455 Rn. 33 mwN).
- 32
- Ob ein Verkäufer die Nacherfüllung endgültig und ernsthaft verweigert hat, unterliegt zwar der tatrichterlichen Würdigung (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2015 - VIII ZR 226/14, aaO Rn. 34 mwN); diese ist jedoch revisionsrechtlich darauf überprüfbar, ob der Tatrichter von den zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist und alle Umstände des Falles, insbesondere das gesamte Verhalten des Verkäufers, berücksichtigt hat (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2015 - VIII ZR 226/14, aaO).
- 33
- Das Berufungsgericht hat den bereits in der Klageerwiderung gehaltenen und in der Folgezeit beibehaltenen Vortrag des Beklagten, er sei nicht passiv legitimiert, sowie das prozessuale Bestreiten eines Mangels dahin gewürdigt, der Beklagte habe die Erfüllung endgültig und ernsthaft verweigert. Damit hat es in Abweichung von höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätzen die Anforderungen an eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung zu niedrig angesetzt. Nach der Rechtsprechung des Senats kann aus dem bloßen Bestreiten von Mängeln nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände - die das Berufungsgericht hier nicht festgestellt hat - auf eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung geschlossen werden (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2015 - VIII ZR 226/14, aaO). Gleiches gilt für die Behauptung, nicht passivlegitimiert zu sein.
- 34
- b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, dass eine Fristsetzung hier nach § 440 Satz 1 BGB entbehrlich war, weil es dem Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Rücktritts nicht zuzumuten war, sich noch auf eine Nacherfüllung (Beseitigung der SIS-Eintragung bei den französischen Behörden) durch den Beklagten einzulassen. Das Berufungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass zu diesem Zeitpunkt - nach wie vor - sowohl der Verdacht eines durch den französischen Eigentümer begangenen Versicherungsbetruges als auch eines zu dessen Nachteil begangenen Diebstahls im Raum stand und die im Zeitpunkt des Rücktritts (2. Mai 2014) seit mehr als 18 Monaten andauernden Ermittlungsmaßnahmen der Polizei den Sachverhalt nicht hatten klären können. Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass es dem Kläger unter diesen Umständen nicht zuzumuten war, noch abzuwarten, ob der Beklagte in absehbarer Zeit etwas würde erreichen können, was den Ermittlungsbehörden bisher nicht gelungen war, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
- 35
- Vergeblich rügt die Revision, das Berufungsgericht habe in diesem Zusammenhang entscheidungserhebliches Vorbringen des Beklagten nicht gewürdigt. Der Beklagte, so die Revision, habe vorgetragen, er sei seit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens am 13. November 2013 bis zum Erhalt der Rücktrittserklärung im Mai 2014 von einer Aufklärung der Angelegenheit ausgegangen , auch weil ihm ein Mitarbeiter der französischen Versicherungsgesellschaft mitgeteilt habe, der frühere Eigentümer habe einen Versicherungsbe- trug oder einen versuchten Versicherungsbetrug begangen. Die Beibehaltung der Ausschreibung könne nur auf einem Missverständnis beruhen, denn die französischen Ermittlungsbehörden hätten von der Versicherung die unzutreffende Auskunft erhalten, das Fahrzeug sei noch nicht gerichtlich freigegeben und die Ermittlungen in Deutschland seien noch nicht abgeschlossen. Er, der Beklagte, hätte die Möglichkeit gehabt, über das Landeskriminalamt oder das Bundeskriminalamt oder durch entsprechenden Nachdruck bei der Kriminalpolizei in Düsseldorf auf die Löschung des SIS-Eintrags hinzuwirken und hätte dies wohl auch erreicht.
- 36
- Diese Umstände sind indes nicht geeignet, die Würdigung des Berufungsgerichts zur Unzumutbarkeit der Nacherfüllung in Frage zu stellen. Denn bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit kommt es maßgeblich auf den Erkenntnisstand des Klägers als Käufer im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung an. Aus dessen Sicht war es aber am 2. Mai 2014 entscheidend, dass es - wie bereits ausgeführt - in einem nach Übergabe des Fahrzeugs verstrichenen Zeitraum von 18 Monaten nicht einmal den strafrechtlichen Ermittlungsbehörden gelungen war, den Sachverhalt aufzuklären. Der Hinweis des Beklagten auf die Einstellung der Ermittlungen am 13. November 2013 liegt neben der Sache. Denn die - von den deutschen Behörden geführten - strafrechtlichen Ermittlungen wurden nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision auch nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kurz nach deren Einstellung - auch gegen den Beklagten - wieder aufgenommen und dauerten jedenfalls bis in das Jahr 2015 noch an. Die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass es dem Kläger unter diesen Umständen im Mai 2014 nicht zumutbar war abzuwarten, ob der Beklagte nunmehr (erfolgreich) versuchen könnte, den Sachverhalt in ab- sehbarer Zeit doch noch aufzuklären und eine Löschung des Eintrags zu erreichen , ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger
LG Ravensburg, Entscheidung vom 01.12.2014 - 6 O 243/14 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 30.09.2015 - 3 U 192/14 -
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 09.03.2016 aufgehoben.
Der Antragstellerin wird für die beabsichtigte Klage ratenfrei Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S aus N bewilligt.
1
Gründe
2I.
3Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung kaufvertraglicher Gewährleistungsrechte aus Anlass eines Neufahrzeugkaufs; mit der beabsichtigten Klage will sie die Antragsgegnerin auf Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs in Anspruch nehmen.
4Im Jahr 2011 erwarb die Antragstellerin – durch Vermittlung der Fa. U & P GmbH / H - bei der Antragsgegnerin ein Neufahrzeug vom Typ VW Polo Trendline 1,6 l TDI zum Preis von 19.509,21 €.
5Das Fahrzeug wurde im September 2011 ausgeliefert.
6Im Oktober 2015 erfuhr die Klägerin, dass ihr Fahrzeug vom sog. Abgas-Skandal betroffen ist; der verbaute Dieselmotor (Typ EA 189) ist von einer Software betroffen, die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf „optimiert“.
7Mit Anwaltsschreiben vom 16.10.2015 warf die Antragstellerin der Antragsgegnerin vor, diesen Mangel arglistig verschwiegen zu haben, verlangte die Neulieferung eines mangelfreien Fahrzeugs mit der aus der Rechnung vom 14.09.2011 ersichtlichen Ausstattung (Bl. 8ff. d.A.) und setzte hierzu vergeblich eine Frist zum 30.10.2015.
8Die Antragstellerin begehrt nun Prozesskostenhilfe für eine Klage, gerichtet auf Nachlieferung eines solchen Neufahrzeugs Zug um Zug gegen Rückgabe des gelieferten Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten.
9Die Antragsgegnerin steht auf dem Standpunkt, das Fahrzeug sei nicht mangelhaft, weil es technisch sicher und in der Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt sei und über alle Genehmigungen verfüge.
10Im Übrigen sei das Nachlieferungsverlangen unverhältnismäßig. Sie, die Antragsgegnerin, sei bereit, sämtliche mit dem Motor Typ EA 189 ausgestatteten Fahrzeugs technisch zu überarbeiten. Sie gehe davon aus, dass die Umsetzung der technischen Maßnahme an dem einzelnen Fahrzeug voraussichtlich weniger als eine Stunde in Anspruch nehme und dafür Kosten von deutlich weniger als 100 € anfielen. Demgegenüber entstünden ihr im Falle einer Nachlieferung Kosten von etwa 19.300 €.
11Das Landgericht hat mit Beschluss vom 09.03.2016 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt und zur Begründung – u.a. – ausgeführt:
12Zwar begründe die Installation einer Manipulationssoftware einen Sachmangel i.S. des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB und lasse sich ein Mangel auch über § 434 Abs. 1 S. 3 BGB begründen. Jedoch berufe sich die Antragsgegnerin zutreffend auf die Unverhältnismäßigkeit des Nachlieferungsbegehrens (§ 439 Abs. 3 BGB). Die Kosten und der Zeitaufwand einer Mängelbeseitigung seien relativ so gering, dass die Antragstellerin gehalten sei, zunächst diese zu fordern. Dass die angekündigte Mängelbeseitigungsmaßnahme nicht greife oder mit anderen Nachteilen verbunden sei, sei nicht bekannt.
13Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt und den Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs gerügt.
14Sie vertieft ihre Ausführungen zur Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs, wobei sie darauf hinweist, dass mit der monierten Software in dem Fahrzeug eine Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vorhanden sei, die gegen die Bestimmungen zum Erhalt der Typengenehmigung und damit auch der Betriebserlaubnis verstoße.
15Die Antragstellerin geht davon aus, dass es nach Deaktivierung oder Rückbau dieser Vorrichtung entweder zu höheren Verbrauchswerten oder zu einer reduzierten Fahrleistung kommt.
16Mit der Beschwerde wird gerügt, dass die Antragsgegnerin nicht substanziiert dargelegt habe, welche technische Maßnahme sie zur Überarbeitung beabsichtige, wobei die Antragstellerin den angeblich geringen Kosten- und Zeitaufwand mit Nichtwissen bestreitet.
17Im Übrigen stellt sich die Antragstellerin auf den Standpunkt, die Kosten der Nachbesserung umfassten nicht nur den Reparaturaufwand i.e.S., sondern u.a. auch Aufwendungen zur Feststellung des Mangels, Transportkosten, Anwaltskosten, Nutzungsausfallschaden, Verdienstausfall und Kosten für die Begutachtung der durchgeführten Nachbesserung.
18Der pauschal mit 19.300 € angegebene Aufwand einer Nachlieferung sei nicht nachvollziehbar; jedenfalls sei nicht auf den Verkaufswert des nachzuliefernden Fahrzeugs abzustellen. Die Antragstellerin meint, der Antragsgegnerin entstünden für die Beschaffung eines identisch ausgestatteten Fahrzeugs gar keine Kosten, zumal die Überführungskosten für die Lieferung des mangelbehafteten Fahrzeugs von ihr, der Antragstellerin, getragen worden seien.
19Die Antragstellerin stützt ihr Begehren auch auf den Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung.
20Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
21Mit der Versagung der Prozesskostenhilfe sei keine Festlegung verbunden; die „Fehlerhaftigkeit“ sei im Hauptverfahren weiter zu klären.
22Die Unverhältnismäßigkeit der Kosten einer Nachlieferung sei aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Einzelfallumstände festzustellen. Insgesamt springe bei der im Rahmen des Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahrens nur überschlägig vorzunehmenden Abwägung ins Auge, dass es für die Antragsgegnerin deutlich kostengünstiger sei, die Software, die ohnehin für eine Vielzahl von Fahrzeugen zu entwickeln sei, aufzuspielen, als ein Neufahrzeug zu liefern, zumal ihr nicht einmal eine Nutzungsentschädigung für das klägerische Fahrzeug zustehe.
23Von einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung i.S. des § 826 BGB oder einem gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB festzustellenden Betrug könne nicht ausgegangen werden. Es sei nicht erkennbar, dass es der Antragstellerin beim Erwerb des Wagens auf die angegebenen Abgaswerte angekommen sei.
24Mit Schriftsatz vom 09.03.2016 hat die Antragsgegnerin ihr Sachvorbringen, insbesondere zu der von ihr angenommenen Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung ergänzt. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf einen mit dem Kraftfahrtbundesamt vereinbarten Zeit-und Maßnahmenplan. Dass eine technische Überarbeitung aller betroffenen Fahrzeuge ohne Nachteile in Bezug auf Leistungs- und Verbrauchsparameter möglich sei, ergebe sich aus den Prüfbescheiden und Freigaben, die vom Kraftfahrtbundesamt sukzessive für bestimmte Fahrzeugtypen erteilt worden seien bzw. werden.
25Für den im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motor vom Typ EA 189 EU 5 mit 1,6l Hubraum sei neben einem Software-Update die Befestigung eines Strömungsgleichrichters vor dem Luftmassenmesser vorgesehen, was voraussichtlich weniger als 1 Stunde dauere und einen Kostenaufwand von deutlich weniger als 100 € ausmache.
26Diesem Wert ist nach Auffassung der Antragsgegnerin der vielfach höhere aktuelle Kaufpreis für ein Neufahrzeug desselben Modells gegenüberzustellen, welches sie sonst – ohne Nachlieferung an die Antragstellerin – anderweitig verkaufen könnte.
27II.
28Die sofortige Beschwerde ist begründet.
29Der Antragstellerin war gemäß den §§ 114 ff. ZPO Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung zu bewilligen, weil die Nachlieferungsklage hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht, nicht mutwillig ist und die Antragstellerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu tragen.
301.
31Die Antragstellerin hat schlüssig vorgetragen, dass ihr gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Nachlieferung eines Neufahrzeugs gemäß § 439 Abs. 1 BGB zusteht.
32Sie hat insbesondere mit hinreichender Erfolgsaussicht geltend gemacht, dass das bei der Antragsgegnerin erworbene Fahrzeug einen bereits bei Übergabe vorhandenen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB aufweist. Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin entspricht ein Neufahrzeug nicht schon dann der üblichen und berechtigterweise von einem Käufer zu erwartenden Beschaffenheit, wenn es technisch sicher und fahrbereit ist und über alle Genehmigungen verfügt. Durch die Installation der Manipulationssoftware, die die korrekte Messung der Stickoxidwerte verhindert und im Prüfbetrieb niedrigere Ausstoßmengen vorspiegelt, dürfte ein Fahrzeug vielmehr von der bei vergleichbaren Fahrzeugen üblichen Beschaffenheit abweichen.
332.
34Ob die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin gewählte Art der Nacherfüllung in Form der Nachlieferung gemäß § 439 Abs. 3 BGB verweigern darf, ist derzeit noch nicht abschließend und sicher festzustellen.
35Nach § 439 Abs. 3 BGB kann der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 BGB verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.
36Die Antragsgegnerin beruft sich hier weder auf die Unmöglichkeit der Nachlieferung (§ 275 Abs. 2 BGB) noch auf die Unzumutbarkeit des damit verbundenen Aufwandes (§ 275 Abs. 3 BGB), sondern auf die Unverhältnismäßigkeit der mit dieser Form der Nacherfüllung verbundenen Kosten.
37Über diesen Einwand, dessen Berechtigung nicht unzweifelhaft ist, ist nicht im summarischen Prozesskostenhilfeverfahren zu entscheiden, dies ist dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.
38Die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe notwendige hinreichende Erfolgsaussicht ist in der Regel schon dann zu bejahen, wenn die Entscheidung schwieriger Rechts- und Tatfragen abhängt (BGH, Beschl. v. 07.03.2007, IV ZB 37/06, NJW-RR 2007, 908).
39Bei der Beurteilung der Streitfrage der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung wird zu berücksichtigen sein, dass § 439 Abs. 3 BGB richtlinienkonform einschränkend dahin auszulegen ist, dass nur die Berufung auf die relative Unverhältnismäßigkeit der vom Käufer gewählten Art der Nachlieferung statthaft ist (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 21.12.2011, VIII ZR 70/08, NJW 2012, 1073),
40Das setzt voraus, dass der Antragsgegnerin beide Arten der Nacherfüllung tatsächlich möglich sind.
41Die Parteien streiten nicht darum, dass der Antragsgegnerin die von der Antragstellerin gewünschte Nachlieferung möglich ist, jedoch lässt sich nicht ohne weiteres feststellen, dass dies auch für die von der Antragsgegnerin favorisierte Nachbesserung gilt.
42Dabei mag das in Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt durchgeführte Prüfungsverfahren darauf hinweisen, dass, soweit Freigaben erfolgen, die von der Antragsgegnerin vorgesehene technische Nachrüstung nicht zu den von der Antragstellerin befürchteten Nachteilen in Form erhöhter Verbrauchswerte oder einer reduzierten Fahrleistung führen wird. Allerdings ist zu konstatieren, dass der Antragsgegnerin nach ihrer eigenen Darstellung bislang keine Freigabe des Kraftfahrtbundesamts für die technische Umrüstung des streitgegenständlichen Fahrzeugmodells vorliegt. Wann damit zu rechnen ist und bis zu welchem Zeitpunkt die technische Maßnahme ggfls. an dem Fahrzeug der Antragstellerin umgesetzt werden könnte, ist bislang nicht vorgetragen.
43Es erscheint aber zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter Hinweis auf die Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung auf eine Nachbesserung verweisen könnte, wenn ihr diese nicht binnen angemessener Frist möglich ist. Welche Frist als angemessen anzusehen ist, ist nicht ohne weiteres festzulegen (s. dazu LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016, 8 O 208/15, zit. nach juris). Die rechtliche und tatsächliche Bewertung dieses Gesichtspunkts ist nicht im Rahmen des summarischen Prozesskostenhilfeverfahrens vorzunehmen.
44Die zwischen den Parteien kontrovers diskutierten Fragen um die im Rahmen der Prüfung der Unverhältnismäßigkeit einzustellenden Kosten der einen und der anderen Art der Nacherfüllung können deswegen - einstweilen - offen bleiben.
(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.
(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.
(3) Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, bevor der Mangel offenbar wurde, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.
(4) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.
(5) Der Käufer hat dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen.
(6) Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen. Der Verkäufer hat die ersetzte Sache auf seine Kosten zurückzunehmen.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 20.901,39 Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des PKW der Marke Audi Modell 8UB0FC Q3 2.0 TDI 103(140) kw(PS) 6-Gang zur Fahrgestellnummer W...5 mit dem amtlichen Kennzeichen > entfernt < zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der unter Ziffer 1. bezeichneten Gegenleistung in Annahmeverzug befindet.
3. Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin künftig jeden Schaden zu ersetzen, der ihr nach erfolgter Rückabwicklung des Kaufvertrages durch den Kauf eines mängelfreien PKWs mit derselben Ausstattung entsteht.
4. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von den ihr vorprozessual bei den Rechtsanwälten W. und T. aus N. entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.474,89 € zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz d. EZB p.a. seit Rechtshängigkeit freizuhalten.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Von den Kosten des Rechtsstreites haben die Klägerin ¼ und die Beklagte ¾ zu tragen.
7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
8. Der Streitwert wird festgesetzt auf € 29.160,28.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin erwarb von der Beklagten, einer unabhängigen Audi-Händlerin, am 10. März 2014 einen Audi Q3 2,0 Tdi zum Kaufpreis von € 34.202,28. Die Übergabe des Fahrzeuges erfolgte am 12. Mai 2014. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189 ausgestattet. Dieser Motor ist mit einer Software ausgestattet, die, je nachdem, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder in realem Fahrbetrieb befindet, unterschiedliche Abgasreinigungsmodi in Gang setzt. Auf einem Prüfstand wird im „Modus 1“ eine hohe Abgasrückführungsrate erzielt und ein entsprechend niedriger Ausstoß von Stickoxiden. Im realen Fahrbetrieb ist im „Modus 0“ die Abgasrückführungsrate niedriger. Über diese Umstände unterrichtete der Hersteller des Fahrzeuges, die A. AG, die Klägerin mit Schreiben aus dem Februar 2016 (Anlage K 2). In diesem Schreiben heißt es u.a.:
- 2
„Wir möchten Sie darüber informieren, dass der in Ihrem Fahrzeug eingebaute Dieselmotor mit einer Software ausgestattet ist, durch die die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstandslauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden“
- 3
Weiter heißt es dort:
- 4
„Wir können Ihnen aber bereits jetzt mitteilen, dass, abhängig von der in Ihrem Fahrzeug verbauten Motorisierung die Instandsetzung für die 2.0l Aggregate ab KW 09/16 bzw. für die 1.6l Aggregate ab KW 36/16 in den Werkstätten starten wird“.
- 5
Wegen des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage K 2 ergänzend Bezug genommen.
- 6
Mit Anwaltsschreiben vom 26. Februar 2016 (Anlage K 3) rügte die Klägerin gegenüber der A. AG, I... Stadt, die vorstehend bezeichnete Software als Sachmangel. Sie forderte die Adressatin des Schreibens auf, bis spätestens zum 11. März 2016 eine Mängelbeseitigung vorzunehmen wobei das Fahrzeug durch Nachbesserungsmaßnahmen keinen Leistungsverlust erleiden dürfe. Da dies, so die Klägerin, nach Presseberichten technisch allerdings nicht möglich sei, erkläre sie den Rücktritt vom Kaufvertrag. Sie forderte die Adressatin des Schreibens auf, den Kaufpreis abzüglich von Nutzungsvorteilen Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeuges zu erstatten.
- 7
Die Verkäuferin des Fahrzeuges, die A. H. GmbH, trat mit Anwaltsschreiben vom 16. März 2016 der Forderung der Klägerin entgegen. Sie verwies auf die mittlerweile angelaufene Rückrufaktion der V. AG und darauf, dass die Nachbesserung für das Fahrzeug der Klägerin nur einen sehr geringen Zeit- und Kostenaufwand verursache. Der Klägerin sei es zuzumuten, abzuwarten, insbesondere, weil ihr keinerlei messbaren Nachteile entstünden. Es sei derzeit nicht abzusehen, wann das klägerische Fahrzeug zur Nachbesserung aufgerufen werde. Gewährleistungs- und insbesondere Rücktrittsrechte stünden der Klägerin nicht zu.
- 8
Die Klägerin forderte die Verkäuferin mit Schreiben vom 17. März 2016 auf, bis zur Klärung der Rechtslage hinsichtlich der geltend gemachten Gewährleistungsansprüche auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, was die Verkäuferin mit Schreiben vom 23. März 2016 unter Hinweis auf bereits erfolgte Erklärungen der V. AG ablehnte.
- 9
Die Klägerin behauptet, das von der Beklagten gekaufte Fahrzeug sei mängelbehaftet. Hierfür reiche bereits der Einsatz der sog. „Schummelsoftware“. Zudem liege ein Mangel auch darin, dass das Fahrzeug höhere Stickoxid-Ausstoßwerte habe, als bei Vertragsschluss als Beschaffenheit vereinbart gewesen seien.
- 10
Der Mangel sei auch nicht unerheblich. Berücksichtigt werden müsse der wirtschaftliche Aufwand für die beabsichtigte Mängelbeseitigung. Zudem sei aber auch nicht sicher, ob sich der Mangel überhaupt beseitigen lasse.
- 11
Die Frist zur Nachbesserung sei fruchtlos verstrichen, weswegen der erklärte Rücktritt wirksam sei. Bei einer Lebensdauer von 300.000 km seien in Ansehung der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gefahrenen 70.000 km entsprechende Nutzungsvorteile abzuziehen und im Übrigen der Kaufpreis Zug um Zug gegen die Rückübereignung des Fahrzeuges zurückzuerstatten.
- 12
Die Klägerin beantragt
- 13
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 28.160,28 € Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des PKWs der Marke Audi Modell 8UB0FC Q3 2.0 TDI 103(140) kw(PS) 6-Gang zur Fahrgestellnummer W...5 mit dem amtlichen Kennzeichen > entfernt < zu zahlen.
- 14
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der unter Ziffer 1. bezeichneten Gegenleistung in Annahmeverzug befindet.
- 15
3. Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin künftig jeden Schaden zu ersetzen, der ihr nach erfolgter Rückabwicklung des Kaufvertrages durch den Kauf eines mängelfreien PKWs mit derselben Ausstattung entsteht.
- 16
4. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von den ihr vorprozessual bei den Rechtsanwälten W. und T. aus N. entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.474,89 € zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz d. EZB p.a. seit Rechtshängigkeit freizuhalten.
- 17
Die Beklagte beantragt,
- 18
die Klage abzuweisen.
- 19
Sie macht geltend, das Fahrzeug sei mängelfrei. Es verfüge über alle notwendigen Genehmigungen. Eine Beschaffenheitsvereinbarung sei mit der Klägerin nicht getroffen worden und das Fahrzeug eigne sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung. Es sei fahrbereit und voll funktionstüchtig. Die EG-Typengenehmigung sei unverändert wirksam und nicht aufgehoben worden. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass das Kraftfahrtbundesamt (nachfolgend: KBA) die EG-Typengenehmigung in der Zukunft entziehen werde, da es die von der V. AG entwickelten Maßnahmen akzeptiert habe. Dies gelte gleichermaßen für Fahrzeuge des Herstellers A. AG. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang auf die Mitteilung des KBA vom 1. Juni 2016, mit der bestätigt werde, dass die von der u.a. A. AG dem KBA vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet seien, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen. Die Beklagte macht ferner geltend, die im Fahrzeug vorhandene Software wirke nur auf die Abgasrückführung ein, nicht aber auf die Abgasreinigungsanlage. Daher liege in ihr auch keine verbotene Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10, 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007, Abs. 2.16, 5.1.2.1 UN/ECE Regelung Nr. 83.
- 20
Unterstelle man einen Sachmangel, stehe der Klägerin ein Rücktrittsrecht gleichwohl nicht zu. Denn die Pflichtverletzung sei unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 BGB. Die technische Nachbesserung zur Beseitigung der klägerisch gerügten Umschaltlogik für die Abgasrückführungsmodi erfolge für das streitgegenständliche Modell durch ein reines Software-Update. Der zeitliche Aufwand hierfür liege bei ca. einer halben Stunde und verursache Kosten in Höhe von weniger als € 100. Die Nachbesserung führe weder zu einer Leistungsminderung, noch zu höheren Verbrauchswerten. Dies habe das KBA bestätigt und habe sich auch in Fahrzeugtests erwiesen. Auch die Geräuschimmissionen würden durch die Nachbesserung nicht verändert. Angesichts der sehr geringen Mängelbeseitigungskosten von unterhalb 1 % des Kaufpreises, berechtige der behauptete Mangel keinesfalls zum Rücktritt vom Kaufvertrag. Selbst unter Einbeziehung der Entwicklungskosten für die Nachbesserungsmaßnahmen, die in den Buchungssystemen der V. AG mit insgesamt 22,5 Mio € erfasst worden seien und die unter Einschluss von Personalkosten, Kosten für externe Dienstleister etc. einen Betrag von insgesamt 70 Mio € weltweit - mit Ausnahme USA und Kanada - nicht übersteigen würden, ändere sich bei den Kosten für die ca. 10 Mio Fahrzeuge, die weltweit, ebenfalls mit mit Ausnahme der USA und Kanada, betroffen seien, hinsichtlich der Nachbesserungskosten nichts Wesentliches, da pro Fahrzeug rechnerisch lediglich ein Betrag von € 7 brutto zu veranschlagen sei. Im Durchschnitt verbliebe es bei weniger als 100 € brutto pro Fahrzeug an Kosten für die Nachbesserung.
- 21
Die Beklagte meint, die ihr gesetzte Frist zur Nachbesserung sei zu kurz bemessen. Die Nachbesserung könne nur nach Instruktion des Herstellers vorgenommen werden und erfolge in enger Abstimmung mit dem KBA. Dieses habe den Zeitplan der V. AG und der A. AG für angemessen erachtet. Der organisatorische Aufwand, den der Hersteller habe, müsse berücksichtigt werden. Die Beklagte selbst habe keine Kenntnis von der gerügten Software gehabt.
- 22
Mit Blick auf die Nutzungsvorteile durch Gebrauch des Fahrzeuges meint die Beklagte, die durchschnittliche mögliche Laufleistung des Fahrzeuges sei mit 200.000 km zu bemessen.
- 23
Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2016 hat die Beklagte mitgeteilt, dass Update für das Fahrzeug der Klägerin stehe nunmehr bereit.
- 24
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 28. September 2016 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Im Umfang der Klagabweisung ist sie unbegründet.
I.
- 26
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von € 20.901,39 aus §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB.
- 27
1. Das erworbene Fahrzeug war bei Übergabe mit einem Sachmangel behaftet, da es nicht die Beschaffenheit aufwies, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten konnte, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB.
- 28
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Fahrzeug mit einer Umschaltlogik ausgestattet ist, die die Abgasrückführung in zwei verschiedenen Modi betreibt, je nachdem, ob es sich auf dem Prüfstand (Modus 1) oder im realen Fahrbetrieb (Modus 0) befindet. Die mit Hilfe dieser Vorrichtung auf dem Prüfstand erzielten Abgaswerte weichen damit nicht nur deshalb von denjenigen im realen Fahrbetrieb ab, weil der durchgeführte Fahrzyklus nicht dem realen Fahrbetrieb entspricht, sondern weil die Abgasrückführungsrate im Prüfbetriebsmodus (Modus 1) höher ist, als auf der Straße (Modus 0). Die A. AG erklärt in ihrem Schreiben aus dem Februar 2016 (Anlage K 2), die Stickoxidwerte (NOx) würden im Vergleich zwischen Prüfstandslauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert. Der Sinn und Zweck der von der Klägerin beanstandeten Vorrichtung besteht einzig darin, niedrigere Abgaswerte vorzutäuschen. Mit einer solchen Umschaltlogik versehene Fahrzeuge sind - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht vorschriftsmäßig. Dies lässt sich dem Schreiben des KBA vom 1. Juni 2016 entnehmen, in dem es heißt, dass die von den Herstellern vorgestellten Änderungen der Applikationsdaten geeignet seien, die „Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen“. Hieraus folgt zwingend, dass die Fahrzeuge ohne diese Änderungen, d.h. ohne die Durchführung der Nachbesserung (Änderungen der Applikationsdaten), vorschriftswidrig sind. Ob diese Vorschriftswidrigkeit ohne ihre Beseitigung letztlich zum Entzug der EU-Typgenehmigung führt oder nicht, kann bei der Frage, ob ein Sachmangel vorliegt, ebenso dahinstehen, wie die Frage, ob es sich bei der Umschaltlogik um eine im Sinne von Art. 3 Nr. 10, 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007, Abs. 2.16, 5.1.2.1 UN/ECE Regelung Nr. 83 verbotene Abschalteinrichtung handelt, oder nicht.
- 29
Das Vorhandensein der beschriebenen Umschaltlogik im System des erworbenen Fahrzeuges stellt eine negative Abweichung von der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Fahrzeuge dar (vgl. auch die hierzu ergangene Rechtsprechung, zusammengestellt von LG Hagen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16, Juris Rz. 24). Der Durchschnittskäufer eines Neufahrzeuges darf objektiv erwarten, dass in dem von ihm erworbenen Fahrzeug eine solche, auf Täuschung der zuständigen Kontrollinstanzen angelegte und vorschriftswidrige Vorrichtung nicht vorhanden ist.
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2. Der von der Klägerin erklärte Rücktritt ist wirksam.
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a) Zwar hat die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 26. Februar 2016 die Aufforderung zur Nachbesserung sowie die Rücktrittserklärung zunächst gegenüber der Herstellerin (A. AG) erklärt und nicht gegenüber ihrer Vertragspartnerin, der Beklagten. Dies ist indes unschädlich. Denn ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 16. März 2016 ist dieser das Schreiben vom 26. Februar 2016 nicht nur zugegangen (vgl. hierzu MüKo/Ernst, BGB, 7. Aufl., § 323, Rz. 192), sondern will diese die Nachbesserungsaufforderung und die Rücktrittserklärung auch sich selbst gegenüber gelten lassen. Dies lässt sich dem Prozessvortrag der Beklagten entnehmen, die ausführt, die Klägerin habe „der Beklagten lediglich eine Frist von 2 Wochen zur Abhilfe gesetzt“. Letztlich ist die Rücktrittserklärung gegenüber der Beklagten spätestens durch Klagerhebung erfolgt (vgl. MüKo/Ernst, aaO, Rz. 193).
- 32
b) Der Sachmangel ist auch nicht lediglich geringfügig. Die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung ist nicht unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 BGB (vgl. zur Begrifflichkeit BGH, Urt. v. 28.5.2014 – VIII ZR 94/13, Juris Rz. 16). Die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 BGB ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles (BGH, Urt. v. 28.5.2014 – VIII ZR 94/13 Juris Rz. 16). Für die Frage der Erheblichkeit eines Mangels ist – sofern es sich um behebbare Mängel handelt – grundsätzlich auf die Kosten der Mängelbeseitigung abzustellen und nicht auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung. Auf Letzteres kommt es nur dann an, wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungeklärt ist, etwa auch, weil der Verkäufer sie nicht feststellen konnte (BGH, Urt. v. 29.6.2011. – VIII ZR 202/10, Juris, Rz. 21). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (vgl. BGH, Urt. v. 15.6.2011 VIII ZR 139/09 – Juris Rz. 9).
- 33
aa) Hiernach scheidet eine Unerheblichkeit der Pflichtverletzung schon deshalb aus, weil im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung der Klägerin vom 26. Februar 2016, die bei verständiger Würdigung erst nach Ablauf der gesetzten Frist vom 11. März 2016 wirksam werden sollte, nach eigenem Vortrag der Beklagten eine Behebbarkeit des Mangels noch nicht gegeben war. Denn erst mit nachfolgender Mitteilung des KBA vom 1. Juni 2016 hatte dieses bestätigt, dass die von der V. AG vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeuges herzustellen. Diese Erklärung war nach Vortrag der Beklagten auch notwendig, weil die Herstellerin die Mängelbeseitigung nicht in eigener Verantwortung durchführen konnte, sondern eine Freigabe des KBA benötigte. Hiernach war selbst bei Annahme, eine wirksame Rücktrittserklärung gegenüber der Beklagten sei erst in der Klagschrift vom 4. Mai 2016 zu erblicken, die der Beklagten am 27. Mai 2016 zugestellt worden ist, in diesem Zeitpunkt eine Behebbarkeit des Mangels noch nicht gegeben.
- 34
bb) Aber selbst bei Annahme einer Behebbarkeit des Sachmangels im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung steht der Wirksamkeit des erklärten Rücktritts die Vorschrift des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB nicht entgegen.
- 35
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, die Pflichtverletzung sei unerheblich, weil die Kosten der Nachbesserung für das Fahrzeug der Klägerin, wie für alle anderen Fahrzeuge gleichen Motortyps, lediglich ca. € 100 betrügen. Es greift bereits zu kurz, lediglich auf den bloßen Aufwand der Fachwerkstatt abzustellen, der im Rahmen der tatsächlichen Nachbesserungsarbeiten entsteht. Dies ließe zu Unrecht den ganz erheblichen und kostenträchtigen Aufwand zur Entwicklung der Nachbesserungsmaßnahmen unberücksichtigt, der bei dem Hersteller des Motors / des Fahrzeuges entstanden ist. Nach Vortrag der Beklagten dienten die kostenauslösenden Entwicklungen einzig der Behebung des Mangels nach Vorgabe des KBA. Es ist daher kein vernünftiger Grund ersichtlich, bei der Bewertung der Mängelbeseitigungskosten im Sinne des § 323 Abs. 5 BGB diesen Kostenblock unberücksichtigt zu lassen. Bereits diese erheblichen Entwicklungskosten von bis zu 70 Mio € für die durchzuführenden Nachbesserungsmaßnahmen stehen der Annahme, die Pflichtverletzung sei unerheblich, entgegen.
- 36
Der Beklagten ist insbesondere nicht darin zu folgen, die Unerheblichkeit des Mangels ergebe sich auch unter Einschluss dieser Entwicklungskosten, da diese, umgelegt auf alle betroffenen Fahrzeuge, nur wenige Euro je Einheit betrügen. Zwar scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Erheblichkeit eines Mangels jedenfalls dann aus, wenn die Kosten der Mängelbeseitigung lediglich knapp ein Prozent im Verhältnis zum Kaufpreis betragen (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2011 – VIII ZR 202/10 – Juris Rz. 19). Zugleich ist bei einem behebbaren Sachmangel die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB im Rahmen der insoweit auf der Grundlage der Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung jedenfalls in der Regel bereits dann als erreicht anzusehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet (BGH, Urt. v. 28.5.2014 – VIII ZR 94/13 – Juris Rz. 12). Diese Grenze wäre bei von der Beklagten behaupteten Kosten in Höhe von höchstens € 100 und dem diesen Kosten gegenüberzustellendem Kaufpreis für das klägerische Fahrzeug von über € 34.000 noch nicht überschritten. Gleichwohl überzeugt diese Gegenüberstellung von Kaufpreis und Kosten im Streitfall nicht. Soweit die Beklagte meint, die Entwicklungskosten von bis zu € 70 Mio seien auf jede mängelbehaftete Einheit umzulegen, lässt sie unberücksichtigt, dass die Frage der rechtlichen (Un)-Erheblichkeit der Pflichtverletzung nicht davon abhängen kann, wie viele Fahrzeuge desselben Herstellers mit dem gerügten Mangel behaftet sind. Es mag betriebswirtschaftlich zutreffend sein, dass die Höhe der fixen Mängelbeseitigungskosten pro Fahrzeug von der Anzahl der einer Nachbesserung zu unterziehenden Fahrzeuge abhängig ist und sich demgemäß im Streitfall bei 10 Mio Fahrzeugen ein Anteil von € 7 errechnet. Wären allerdings nicht 10 Mio Fahrzeuge, sondern etwa nur 10.000 Einheiten mit dem Mangel behaftet, betrügen die umgelegten € 70 Mio Entwicklungskosten nicht € 7, sondern € 7.000 pro Einheit – die Pflichtverletzung wäre in diesem Fall nach der Argumentation der Beklagten, unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und bei unverändertem Sachmangel und identischen Nachbesserungsmaßnahmen nicht unerheblich. Dass dies nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand und führt vorliegend dazu, dass bei der Beurteilung der Erheblichkeit der Pflichtverletzung eine Umlage der Entwicklungskosten auf die einzelnen Fahrzeuge zu unterbleiben hat.
- 37
cc) Der behaupteten Unerheblichkeit der Pflichtverletzung steht schließlich entgegen, dass ohne Vornahme der vom KBA geforderten und letztlich gebilligten Nachbesserungsmaßnahmen der Entzug der Typengenehmigung droht. In diesem Sinne ist der Vortrag der Beklagten zu verstehen, es sei nicht davon auszugehen, dass die EG-Typengenehmigung in der Zukunft entzogen werde, da das KBA die von der V. AG entwickelten Maßnahmen akzeptiert habe und dies entsprechend für Fahrzeuge des Herstellers A. gelte. Hieraus und aus dem Schreiben des KBA vom 1. Juni 2016 kann ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass ohne Durchführung der entsprechenden Maßnahmen jedenfalls der Entzug der EG-Typengenehmigung konkret drohen würde. In dem genannten Schreiben heißt es nämlich, die dort genannten Maßnahmen seien geeignet, „die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen“. Hieraus folgt, wie bereits ausgeführt, dass der Zustand der Fahrzeuge ohne die Durchführung dieser Maßnahme nicht vorschriftsmäßig ist.
- 38
dd) Demgegenüber tritt der Umstand, dass das Fahrzeug nach dem Vortrag der Beklagten fahrbereit und voll funktionsfähig ist, bei der Frage der Erheblichkeit der Pflichtverletzung in den Hintergrund.
- 39
c) Die Beklagte beruft sich ohne Erfolg darauf, die Frist zur Nachbesserung sei im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch nicht abgelaufen gewesen.
- 40
Die Angemessenheit der dem Schuldner gesetzten Frist zur Nachbesserung bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Bei ihrer Beurteilung ist in erster Linie auf die Parteiabreden abzustellen (vgl. MüKo/Ernst, BGB, 7. Aufl., § 323, Rz. 71). Abzustellen ist daher zunächst auf die Erklärung der A. AG, die sich die Beklagte später zu Eigen gemacht hat, wonach eine Nachbesserung des klägerischen Fahrzeuges ab KW 9/2016 (= 22.28. Februar 2016) erfolgen solle.
- 41
Diese Erklärung durfte die Klägerin so verstehen, dass zwischen diesem Zeitpunkt und der tatsächlichen Nachbesserung jedenfalls kein erheblicher Zeitraum mehr liegen würde (vgl. auch BGH, Urt. v. 13.7.2016 – VIII ZR 49/15, Juris Rz. 36). Mag nachfolgend auch die gesetzte Nachfrist bis zum 11. März 2016 mit Schreiben vom 26. Februar 2016 zu kurz bemessen sein, erweist sich aber jedenfalls der bis zum Schreiben des KBA vom 1. Juni 2016 verstrichene Zeitraum und erst recht derjenige bis zur Erklärung der Beklagten vom 12 Oktober 2016, nach der die Klägerin zur Durchführung des Updates bei der Beklagten vorstellig werden solle, als nicht mehr angemessen.
- 42
Dessen ungeachtet kann sich die Beklagte aber auch deswegen nicht mit Erfolg auf fehlende Angemessenheit der ihr gesetzten Frist berufen, weil die Gewährleistungsansprüche der Klägerin mit Ablauf des 12. Mai 2016 zu verjähren drohten und die Beklagte die Anregung der Klägerin, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, zurückwies. Ein weiteres Zuwarten der Klägerin hätte ihren Rücktritt bei Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte nach §§ 438 Abs. 4 S. 1, 218 Abs. 1 BGB unwirksam werden lassen. Etwaige Erklärungen der V. AG, die als Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung auszulegen sein könnten (vgl. Anlage K 6) ändern hieran nichts, da sie nicht für das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten wirken, die sich ausweislich ihres Schreibens vom 23. März 2016 (Anlage K 6) diese Erklärungen auch gerade nicht zu Eigen gemacht hat.
- 43
3. Nach allem steht der Klägerin in der Rechtsfolge ihres erklärten Rücktritts gem. § 346 Abs. 1 BGB die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich der gezogenen Nutzungen als Wertersatz (§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB) zu, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges. Der Nutzungsersatzanspruch berechnet sich anhand der zu schätzenden Gesamtfahrleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges, die das Gericht mit 250.000 km ansetzt (vgl. hierzu KG, Urt. v. 23.5.2013 – 8 U 58/12 mwN). Der Nutzungsersatz wird ermittelt, indem der Kaufpreis durch die Restlaufleistung dividiert und der Quotient mit den gefahrenen km multipliziert wird (vgl. KG, aaO). Die Laufleistung des Fahrzeuges betrug im Schluss der mündlichen Verhandlung unbestritten 70.000 km. Es errechnet sich somit ein Wert von € 13.300,89 (€ 34.202,28 : 180.000 x 70.000) der von dem Kaufpreis abzuziehen ist. Hiernach steht der Klägerin ein Betrag von € 20.901,39 zu (€ 34.202,28 ./. € 13.300,89). Soweit die Klägerin einen darüber hinausgehenden Betrag geltend macht, der auf einer angenommenen Gesamtfahrleistung des Fahrzeuges von 300.000 km bei einer Fahrleistung im Zeitpunkt der Klagerhebung von 53.000 km beruht, ist die Klage als unbegründet abzuweisen.
II.
- 44
Der Feststellungsantrag der Klägerin zu 2. ist zulässig und begründet. Sie hat der Beklagten das Fahrzeug spätestens seit der Klagerhebung wörtlich und damit ausreichend angeboten, §§ 293, 295 BGB.
III.
- 45
Zulässig und begründet ist auch der Feststellungsantrag der Klägerin zu 3., mit dem diese die Feststellung zukünftigen Schadensersatzes begehrt. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Ein berechtigtes rechtliches und wirtschaftliches Interesse an der Feststellung des Bestehens der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten ist der Klägerin nicht abzusprechen. Insoweit kann sie auch nicht auf die Leistungsklage verwiesen werden, da ihr eine Bezifferung ihrer Ansprüche derzeit nicht ohne weiteres möglich ist.
- 46
Der Antrag ist auch begründet. Die Klägerin hat infolge der Lieferung eines mangelhaften Fahrzeuges gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB. Es scheint zumindest möglich, dass der Klägerin infolge des Rücktritts und der damit verbundenen Rückgabe des Fahrzeuges Schäden durch die Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeuges etwa in Gestalt von Preiserhöhungen entstehen werden. Das Verschulden der Beklagten für die Pflichtverletzung wird vermutet, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Beklagte hat sie entlastende Umstände nicht vorgebracht.
IV.
- 47
Der geltend gemachte und zutreffend nach dem Streitwert von € 34.202,28 berechnete Freihalteanspruch betreffend die vorgerichtlichen Anwaltskosten nebst entstehender Zinsen ist gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Rechtsverfolgung begründet. Die Klägerin durfte sich angesichts der Komplexität der Sach- und Rechtslage zur Geltendmachung ihrer Ansprüche vorgerichtlicher anwaltlicher Unterstützung bedienen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 249, Rz. 57). Das Verschulden der Beklagten für die Pflichtverletzung des Kaufvertrages wird vermutet, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Umstände, die sie entlasten, hat die Beklagte nicht vorgebracht.
V.
- 48
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
VI.
- 49
Bei der Bemessung des Streitwertes war der Klagantrag zu 3. mit € 1.000 zu berücksichtigen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der vorstehend bezeichneten 43 Geräte im Annahmeverzug befindet. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, die auf dem Gebiet des Finanzierungsleasings tätig ist, schloss am 15. Oktober 2005 mit der r. E. & Co. GmbH (im Folgenden: r. ) einen Mietkaufvertrag über die Ausstattung eines Callcenters mit einem Nettoanschaffungswert von 108.420 €. Die Beschaffung sollte über die Beklagte erfolgen, die auch den Abschluss des Mietkaufvertrages vermittelt hatte. Unter dem 27. Oktober 2005 übersandte die Klägerin der Beklagten einen Kaufauftrag über die Callcenterausstattung, in dem es unter anderem heißt: "... hiermit erteilen wir Ihnen den Auftrag zur Lieferung des/der unten näher beschriebenen Objekte(s). Wir beauftragen Sie, an den gemeinsamen Kunden termingemäß zu liefern. Ferner bitten wir Sie, bei Auslieferung die ordnungsgemäße Übernahme der Ware durch den gemeinsamen Kunden für uns auf dem beigefügten Formular bestätigen zu lassen. Solange uns die Übernahmebestätigung des Kunden nicht ohne Einschränkung und rechtsverbindlich unterzeichnet vorgelegt wird, bleiben wir Ihnen gegenüber von allen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen frei. Die Übernahmebestätigung muss uns spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten, beginnend mit dem Datum dieses Schreibens, vorgelegt werden. Danach gilt dieser Auftrag ohne weitere Erklärung als einvernehmlich aufgehoben. Wir zahlen sofort nach Eingang Ihrer auf unser Haus ausgestellten Rechnung ... und der vom Kunden rechtsverbindlich unterzeichneten Übernahmebestätigung…"
- 2
- Die Beklagte legte daraufhin eine von r. mit Datum vom 26. Oktober 2005 unterzeichnete Übernahmebestätigung vor, in der diese bestätigte, dass sie am gleichen Tage die näher bezeichnete Callcenteranlage von der Beklagten "fabrikneu, vollständig, ordnungsgemäß, funktionsfähig und der Beschreibung im o.g. Vertrag gemäß, sowie allen durch die Firma [= r. ] diesbezüglich mit dem Hersteller bzw. Lieferanten getroffenen Vereinbarungen (z.B. güte-, technischer- und leistungsmäßiger Art) entsprechend übernommen hat". In der beigefügten Rechnung der Beklagten vom 27. Oktober 2005 über brutto 125.767 €, die die Klägerin daraufhin zuzüglich einer Vermittlungsprovision von brutto 5.659,52 € an die Beklagte bezahlte, war zugleich ausgeführt, dass die Lieferung am 26. Oktober 2005 erfolgt sei. Diese Angabe war genauso wie die Übernahmebestätigung unzutreffend. Die Anlage befand sich zu diesem Zeitpunkt vielmehr noch bei der Beklagten. Ob und in welchem Umfang die Beklag- te in der Folgezeit die von ihr zu erbringenden Lieferungen und Leistungen, zu denen neben einer näher bezeichneter Hard- und Software auch 180 Stunden Installations- und Konfigurationsarbeiten sowie eine Einweisung vor Ort gehören sollten, gegenüber r. erbracht hat, ist streitig.
- 3
- Nachdem r. die nach dem Mietkaufvertrag am 1. November 2005 fällige Mietkaufrate von 1.819,28 € brutto zuzüglich der sofort fälligen Gesamtmehrwertsteuer von 23.606,02 € ebenso wenig an die Klägerin bezahlt hatte wie die Dezemberrate, kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 15. Dezember 2005 den Mietkaufvertrag. Gegenüber der Beklagten focht sie mit Schreiben vom 16. Januar 2006 "sämtliche Erklärungen und Verträge im Zusammenhang mit dem Abschluss des Mietkaufvertrages" an und forderte von ihr die Rückzahlung des Kaufpreises und der Provision. Auf ihre - unter Berücksichtigung einer nachträglich von r. noch geleisteten Zahlung über 1.819,29 € - in Höhe von 129.607,24 € erhobene Zahlungsklage hat das Landgericht die Beklagte zu einer Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 123.947,27 € nebst Zinsen verurteilt , den auf Rückzahlung der Provision gerichteten Anspruch dagegen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage unter Einschluss eines erst im Berufungsrechtszug von der Klägerin gestellten Antrags auf Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten mit der Rücknahme der Vertragsgegenstände abgewiesen. Zugleich hat das Oberlandesgericht die hinsichtlich der Provisionszahlung eingelegte Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, mit der sie ihren Zahlungs- und Feststellungsantrag in vollem Umfang weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision hat zum ganz überwiegenden Teil Erfolg. Soweit das Rechtsmittel der Klägerin den Klageantrag rechtfertigt, ist über die Revision durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht die Entscheidung allerdings nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes (BGHZ 37, 79, 81).
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat - soweit hier von Interesse - ausgeführt:
- 6
- Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises könne entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht auf die Bestimmung des Kaufauftrages gestützt werden, wonach der Auftrag ohne weitere Erklärung als einvernehmlich aufgehoben gelte, wenn innerhalb einer Frist von sechs Monaten keine Übernahmebestätigung vorgelegt werde. Dieser ausdrücklich geregelte Fall der Aufhebung des Vertrages bei Nichterteilung der Übernahmebestätigung liege hier nicht vor. Denn die Erteilung einer inhaltlich falschen Übernahmebestätigung könne ihrer Nichterteilung nicht gleichgestellt werden. Zweck dieser Vertragsbestimmung sei es gewesen, dass die Klägerin sich nicht an einem Vertrag habe festhalten lassen wollen, der auf lange Sicht nicht erfüllt werde. Dabei sei an den für alle Beteiligten sofort erkennbaren Umstand angeknüpft worden, dass der Leasingnehmer sich nicht zu einer Vertragserfüllung bekenne und dementsprechend auch nicht die Übernahmebestätigung erteile. Einer inhaltlich unzutreffenden Bestätigung komme diese Klarstellungsfunktion hingegen nicht zu, zumal die inhaltliche Unrichtigkeit auch auf ganz anderen Ursachen wie etwa Mängeln in der Funktionsfähigkeit oder der Ausstattung beruhen könne. Wollte man die inhaltliche Unrichtigkeit deshalb einer Nichterteilung der Bestätigung gleichsetzen , würde der Bestand des Vertrages wegen der Vielzahl der für eine Unrich- tigkeit in Betracht kommenden Konstellationen in einer Weise in der Schwebe bleiben, die mit der von den Beteiligten durch die Übernahmebestätigung erstrebten Klarstellungsfunktion nicht zu vereinbaren wäre.
- 7
- Ebenso wenig könne die Klägerin Ansprüche aus der Übernahmebestätigung selbst und ihrer Vorlage herleiten. Die Bestätigung sei zwar inhaltlich unzutreffend gewesen, weil die behauptete billigende Besichtigung der bei der Beklagten befindlichen und zunächst weiterhin verbliebenen Liefergegenstände durch r. etwas anderes sei als die bestätigte ordnungsgemäße Übernahme der Gegenstände. Hierdurch habe die Beklagte auch vertragliche Nebenpflichten verletzt und sich schadensersatzpflichtig gemacht, soweit die Klägerin im Vertrauen auf die Richtigkeit der Übernahmebestätigung den Kaufpreis entrichtet habe. Einem theoretisch denkbaren Schadensersatzanspruch stehe aber der Gesichtspunkt des rechtsmäßigen Alternativverhaltens entgegen, da alle zu liefernden Komponenten der Anlage am 18. November 2005 an r. gelangt seien und damit die Voraussetzungen für die Erteilung einer Übernahmebestätigung nachträglich eingetreten seien. Hätte die Beklagte sich also korrekt verhalten und erst an diesem Tage von r. eine entsprechende Bestätigung eingeholt und an die Klägerin weitergeleitet, hätte die Klägerin gleichfalls sofort gezahlt, ohne dass sich etwas daran ändern würde, dass die Klägerin ihre Ansprüche gegen r. nicht durchsetzen könne. Der einzig mögliche Schaden der Klägerin liege deshalb in einem Zinsnachteil infolge vorzeitiger Kaufpreiszahlung ; hierfür sei jedoch nichts vorgetragen.
- 8
- Zu einer Rückzahlung der geleisteten Provision sei die Beklagte gleichfalls nicht verpflichtet. Auch insoweit greife weder die erklärte Anfechtung durch noch sei die Beklagte wegen eines entgegenstehenden rechtmäßigen Alternativverhaltens zum Schadensersatz verpflichtet. Ebenso wenig sei eine entsprechende Anwendung des § 87a Abs. 2 HGB angezeigt, da die Klägerin bei ihrer Provisionszusage nicht zum Ausdruck gebracht habe, dass sie ein Behaltendürfen der Provision von der Durchführung des Vertrages habe abhängig machen wollen.
II.
- 9
- Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 10
- Die erhobenen Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises für die Callcenterausstattung und der neben dem Kaufpreis an die Beklagte gezahlten Provision können nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden. Die Beklagte ist vielmehr gemäß § 323 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 346 Abs. 1 BGB zur Rückerstattung des Kaufpreises verpflichtet, weil sie die Klägerin durch Vorlage einer unzutreffenden Übernahmebestätigung der r. über den Stand der Vertragsabwicklung und die davon abhängigen Fälligkeitsvoraussetzungen für die Kaufpreiszahlung getäuscht hat, so dass besondere Umstände gegeben sind, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen einen sofortigen Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag rechtfertigen. Darüber hinaus ist die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Rückerstattung der von der Klägerin erhaltenen Vermittlungsprovision verpflichtet, weil die Klägerin ihr Provisionsversprechen, zu dem sie durch diese Täuschung bestimmt worden ist, wirksam angefochten hat (§ 123 Abs. 1, § 141 Abs. 1 BGB) und es deshalb für die Provisionszahlung am Rechtsgrund fehlt. Allerdings ist die Klägerin ihrerseits gemäß § 346 Abs. 1 BGB zur Rückgabe der in ihren Besitz gelangten Ausstattungsgegenstände verpflichtet, so dass ihr Zahlungsbegehren auf eine Verurteilung Zug um Zug einzuschränken ist (§ 348, § 320 Abs. 1, § 322 Abs. 1 BGB).
- 11
- 1. Die Klägerin kann die Rückzahlung des von ihr in Höhe von 125.767 € geleisteten Kaufpreises (§ 433 Abs. 2 BGB) beanspruchen, weil sie wirksam von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag über die von ihr zu beschaffende Ausstattung des Callcenters der r. zurückgetreten ist.
- 12
- a) Allerdings ist der Kaufpreis nicht schon deshalb gemäß § 812 Abs. 1 BGB zurückzugewähren, weil die Klägerin ihr im Kaufauftrag vom 27. Oktober 2005 liegendes Angebot auch gemäß § 123 Abs. 1 BGB wegen Unrichtigkeit der ihr von der Beklagten vorgelegten Übernahmebestätigung angefochten hat. Denn die Übernahmebestätigung ist ihr, wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, erst nach Abgabe ihres Angebots vorgelegt worden, so dass sie schon nach dem zeitlichen Ablauf zur Abgabe dieser Willenserklärung nicht durch die unrichtige Übernahmeerklärung bestimmt worden ist.
- 13
- b) Ebenso wenig steht die Unrichtigkeit der Übernahmebestätigung einem wirksamen Zustandekommen des Kaufvertrags deshalb entgegen, weil die Klägerin nach den von ihr gestellten Angebotsbedingungen gegenüber der Beklagten von allen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen frei bleiben wollte, solange ihr die Übernahmebestätigung der r. nicht ohne Einschränkung und rechtsverbindlich unterzeichnet vorgelegt war. Denn hierin hat ungeachtet der Frage, ob die inhaltlich unrichtige Bestätigung einer ausgebliebenen Bestätigung gleichgestellt werden kann, nach der Rechtsprechung des Senats keine aufschiebende Bedingung im Sinne von § 158 Abs. 1 BGB gelegen. Die Klausel enthält vielmehr nur eine Fälligkeitsbestimmung und die Festlegung einer Vorleistungspflicht , so dass die Verpflichtung der Klägerin zur Kaufpreiszahlung von der vorherigen Beibringung der Übernahmebestätigung abhängig war (Senatsurteil vom 17. Februar 1993 - VIII ZR 37/92, WM 1993, 955, unter I 2). Dass die Beklagte der Klägerin durch Vorlage der Übernahmebestätigung und ihre in der Rechnung vom 27. Oktober 2005 abgegebene Erklärung, die Lieferung sei am 26. Oktober 2005 erfolgt, eine fälligkeitsbegründende Übernahme des Kaufgegenstandes der Wahrheit zuwider vorgespiegelt hat, hat deshalb das Zustan- dekommen des Kaufvertrages nicht verhindert. Auch der Umstand, dass die Klägerin die Kaufpreisschuld täuschungsbedingt vorzeitig erfüllt hat, kann einen Rückforderungsanspruch der Klägerin für sich allein nicht begründen (§ 813 Abs. 2 BGB).
- 14
- c) Es kann dahin stehen, ob in der Angebotsklausel, wonach die Übernahmebestätigung der Klägerin spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten vorgelegt werden und danach der Auftrag ohne weitere Erklärung als einvernehmlich aufgehoben gelten sollte, eine auflösende Bedingung im Sinne von § 158 Abs. 2 BGB liegt und ob - wie das Berufungsgericht angenommen hat - ein Bedingungseintritt zu verneinen ist, weil die Vorlage der unrichtigen Übernahmebestätigung einer ausgebliebenen Bestätigung nicht gleichgestellt werden kann. Denn zum Zeitpunkt eines möglichen Bedingungseintritts war die Klägerin bereits wirksam gemäß § 323 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB vom Kaufvertrag zurückgetreten mit der Wirkung, dass die Vertragsparteien einander zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen verpflichtet waren (§ 346 Abs. 1 BGB).
- 15
- aa) Das Schreiben der Klägerin vom 16. Januar 2006, in dem "sämtliche Erklärungen und Verträge im Zusammenhang mit dem Abschluss des Mietkaufvertrages" angefochten werden und darauf hingewiesen wird, dass die Verträge rückabzuwickeln seien und die Beklagte den Kaufpreis und die Provision zurückzuzahlen habe, enthält zugleich eine auf die Unrichtigkeit der Übernahmebestätigung gestützte Rücktrittserklärung. Das Berufungsgericht hat die Erklärung zwar nicht unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt. Der Senat kann die unterbliebene Würdigung auf Grund der seiner Nachprüfung unterliegenden tatsächlichen Grundlagen (§ 559 ZPO) aber nachholen, weil die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen und weitere Feststellungen nicht zu er- warten sind (vgl. Senatsurteil vom 13. Februar 2008 - VIII ZR 105/07, NJW 2008, 1218, Tz. 18 m.w.N.).
- 16
- Die im genannten Schreiben ausgesprochene Anfechtungserklärung lässt bereits nach ihrem Wortlaut unmissverständlich erkennen, dass die Klägerin ungeachtet des verwendeten Begriffs der Anfechtung den mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag auf jeden Fall und damit unter jedem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt rückabgewickelt wissen wollte. Da zur wirksamen Erklärung eines Rücktritts ein Gebrauch dieses Wortes nicht erforderlich ist, kann dem Schreiben - zumindest im Wege der Umdeutung (§ 140 BGB) - auch eine Rücktrittserklärung entnommen werden, die dem von der Klägerin erstrebten Ziel, den Vertrag zu beenden und den erfolgten Leistungsaustausch rückgängig zu machen, in gleicher Weise zum Erfolg verhilft (Erman /Röthel, BGB, 12. Aufl., § 349 Rdnr. 2 m.w.N.; vgl. ferner BGH, Urteil vom 24. November 2006 - LwZR 6/05, NJW 2007, 1269, Tz. 14 m.w.N.).
- 17
- bb) Diese Rücktrittserklärung war wirksam. Die Beklagte hat die Klägerin über die erfolgte Leistungserbringung gegenüber r. getäuscht und sie auf diese Weise zur vorzeitigen Auszahlung des Kaufpreises bestimmt. Dass die hierzu abgegebenen Erklärungen unzutreffend waren, hat das Berufungsgericht in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung festgestellt. Denn die von r. bestätigte Übernahme der Ausstattungsgegenstände beschreibt eine Erlangung tatsächlicher Herrschaftsgewalt, der die von der Beklagten behauptete billigende Besichtigung der anschließend noch bei ihr verbliebenen Gegenstände durch r. nicht untergeordnet werden kann. Das gilt genauso für die von der Beklagten selbst in ihrer Rechnung abgegebene Bestätigung, dass die Lieferung am 26. Oktober 2005 erfolgt sei. Durch Vorlage/Abgabe dieser unzutreffenden Erklärungen hat die Beklagte die Klägerin pflichtwidrig veranlasst, den Kaufpreis in Umkehrung des vertraglichen Leistungsprogramms vorzuleisten, und dadurch die von ihr im Rahmen der Vertragsdurchführung geschuldeten Dokumentations- und Mitteilungspflichten in einer Weise verletzt, dass die Klägerin gemäß § 323 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB zum sofortigen Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt war.
- 18
- (1) Die auf Grund des Kaufauftrags der Klägerin vom 27. Oktober 2005 vorleistungspflichtige Beklagte (dazu vorstehend unter II 1 b) war nach den hierin getroffenen Abreden zugleich gehalten, die bestellte Callcenterausstattung ohne Beteiligung der Klägerin unmittelbar an r. auszuliefern und sich die damit einhergehende Übergabe der Gegenstände bestätigen zu lassen, um die Voraussetzungen der Kaufpreisfälligkeit zu dokumentieren. Die Vorlage der Bestätigung und die in diesem Zusammenhang abgegebenen Erklärungen waren deshalb darauf gerichtet, leistungsbezogene Nebenpflichten der Beklagten zur Abwicklung des zwischen den Parteien bestehenden Kaufvertrages zu erfüllen. Eine Verletzung derartiger Nebenpflichten beeinflusst regelmäßig die nach dem Vertrag vorgesehene Bewirkung der Hauptleistung, hier den Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung, und stellt daher eine nicht vertragsgemäße Leistungserbringung im Sinne von § 323 Abs. 1 BGB dar. Dementsprechend beurteilen sich auch die Verletzungsfolgen - anders als bei den nach § 324 BGB zu behandelnden vertragsbegleitenden nicht leistungsbezogenen Nebenpflichten - hinsichtlich der Rücktrittsvoraussetzungen nach § 323 BGB (BT-Drs. 14/6040 S. 141, 187; 14/7052 S. 182, 186, 192; ferner Zimmer, NJW 2002, 1, 6; MünchKommBGB /Kramer, BGB, 5. Aufl., § 241 Rdnr. 19; jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, da besondere Umstände im Sinne von § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorliegen, welche angesichts der beschriebenen Pflichtverletzung der Beklagten unter Abwägung der beiderseitigen Interessen einen sofortigen Rücktritt der Klägerin ohne vorherige Fristsetzung rechtfertigen.
- 19
- (2) Bereits vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes war in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass sich eine Partei nicht am Vertrag festhalten zu lassen braucht, wenn der Vertragspartner bei der Abwicklung des Vertrages durch schuldhaftes Verhalten eine solche Unsicherheit in das Vertragsverhältnis hineinbringt, dass dem vertragstreuen Teil die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann, namentlich wenn dieses Verhalten eine zur Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung führende geschäftliche Unzuverlässigkeit des Vertragspartners erkennen lässt (Senatsurteile vom 19. Februar 1969 - VIII ZR 58/67, WM 1969, 499, unter III; vom 19. Oktober 1977 - VIII ZR 42/76, WM 1977, 1423, unter II 3 a; jeweils m.w.N.). Ein derart vertragsgefährdendes Verhalten konnte sich etwa auch aus einer Verletzung vertraglicher Nebenpflichten wie Auskunfts- und Anzeigepflichten oder sonstigen Mitwirkungspflichten ergeben (Senatsurteil vom 19. Oktober 1977, aaO). Hieran hat sich für die nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geltende Rechtslage nichts Entscheidendes geändert (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 183, 185). Insbesondere in Fällen, in denen der Verkäufer den Käufer bei Vertragsschluss über die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes getäuscht hat, nimmt der Bundesgerichtshof regelmäßig ein berechtigtes Interesse des Käufers an, von einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Verkäufer Abstand zu nehmen, um sich vor eventuellen neuerlichen Täuschungsversuchen zu schützen, und versagt dem Verkäufer deshalb gemäß § 440, § 281 Abs. 2, § 323 Abs. 2 BGB eine Fortsetzung der Vertragsbeziehungen durch Nachbesserung zugunsten eines sofortigen Schadensersatz- oder Rücktrittsrechts des Käufers (Senatsurteile vom 20. Mai 2009 - VIII ZR 247/06, NJW 2009, 2532, Tz. 17; vom 9. Januar 2008 - VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371, Tz. 19 f.; BGH, Urteil vom 8. Dezember 2006 - V ZR 249/05, WM 2007, 1076, Tz. 13, 15).
- 20
- Nichts anderes gilt hier. Die Beklagte hat die Klägerin bereits bei Beginn des Vertragsvollzuges über die von ihr zu bewirkende (Vor-)Leistung getäuscht und die Klägerin zu einer nicht geschuldeten Vorleistung veranlasst. Der dadurch bewirkte Vertrauensverlust in die künftige Leistungstreue der Beklagten wiegt umso schwerer, als auch die Mietkäuferin durch Abgabe einer unzutreffenden Übernahmebestätigung an der Täuschungshandlung mitgewirkt hat, so dass zumindest der Eindruck eines kollusiven Zusammenwirkens beider zum Nachteil der Klägerin auf der Hand liegt. Es kommt hinzu, dass nach der leasing - und mietkauftypischen Vertragskonstruktion, wie sie auch hier gemäß Ziffer 1 und 11 der zwischen den Parteien des Mietkaufvertrages vereinbarten Vertragsbedingungen anzutreffen ist, die r. treuhänderisch mit einer Reihe von Abwicklungsfunktionen von der Klägerin betraut worden ist. Insbesondere ist sie berechtigt worden, für die am Liefervorgang vertragstypisch nicht beteiligte Klägerin die Abnahme der zu liefernden Gegenstände von der Beklagten vorzunehmen und für die Klägerin zu bestätigen (vgl. dazu Senatsurteil vom 20. Oktober 2004 - VIII ZR 36/03, WM 2005, 756, unter II 2 a) sowie im weiteren Verlauf der Vertragsabwicklung für die Klägerin etwaige Gewährleistungsrechte auszuüben und geltend zu machen. Wenn die Mietkäuferin und die Lieferantin deshalb - wie hier - bereits bei Übergabe des Leasinggegenstandes durch Abgabe einer falschen Übernahmebestätigung/Liefererklärung allem Anschein nach kollusiv zum Nachteil der Klägerin zusammengewirkt haben, musste diese greifbar befürchten, dass es auch im Zuge der weiteren Vertragsabwicklung zu gleichartigen Verhaltensweisen kommen würde und ihr Interesse an einer redlichen Vertragsdurchführung nachhaltig gefährdet war. Ein ins Gewicht fallendes gegenläufiges Interesse der Beklagten, trotz ihrer schwer wiegenden Verfehlung am Vertrag festhalten zu können, ist nicht zu erkennen. Die Klägerin war deshalb berechtigt, sich durch sofortigen Rücktritt von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag über die zu liefernde Callcenterausstattung zu lösen und die Rückgewähr der von ihr bereits erbrachten Leistungen zu beanspruchen.
- 21
- 2. Die Beklagte ist weiterhin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Rückerstattung der von der Klägerin erhaltenen Vermittlungsprovision verpflichtet. Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fehlt es am Rechtsgrund für die geleistete Provision, weil die Klägerin zu ihrem Provisionsversprechen durch eine arglistige Täuschung der Klägerin veranlasst worden ist und deshalb ihr von der Beklagten gemäß § 151 BGB durch Entgegennahme des Provisionsschecks angenommenes Angebot auf Leistung der Provisionszahlung wirksam angefochten hat (§ 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1 BGB). Das Berufungsgericht hat den Sachverhalt zwar auch unter diesem Gesichtspunkt nicht näher gewürdigt. Der Senat kann dies auf Grund der seiner Nachprüfung unterliegenden tatsächlichen Grundlagen (§ 559 ZPO) aber ebenfalls nachholen, weil die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (vgl. Senatsurteil vom 13. Februar 2008, aaO).
- 22
- Dass die Klägerin der Beklagten - über eine allgemeine Bereitschaft zur Provisionszahlung hinaus - die geleistete Provision bereits vor Einreichung der Übernahmebestätigung vorab versprochen hat, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dafür besteht auch sonst kein Anhalt. Die Provision ist der Beklagten vielmehr erst nach Vorlage der von ihr erteilten Rechnung vom 27. Oktober 2005 und der Übernahmebestätigung der r. in der Weise versprochen worden , dass die Klägerin zeitgleich mit der Anweisung des Kaufpreises der Beklagten durch Schreiben vom 31. Oktober 2005 einen über den Provisionsbetrag ausgestellten Scheck "als sichtbares Zeichen unserer Anerkennung" übersandt hat. Bestimmend für dieses Provisionsversprechen war mithin neben der unrichtigen Übernahmebestätigung der r. die wahrheitswidrige Erklärung der Beklagten, dass die Lieferung der näher bezeichneten Callcenterausstattung am 26. Oktober 2005 erfolgt sei. Dementsprechend hat die auch auf die gezahlte Provision gerichtete Anfechtungserklärung der Klägerin vom 16. Januar 2006 das zugrunde liegende Provisionsversprechen gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend vernichtet, so dass der rechtsgrundlos geleistete Provisionsbetrag zurückzugewähren ist.
- 23
- 3. Die Klägerin ist jedoch ihrerseits gemäß § 348, § 320 Abs. 1, § 322 Abs. 1 BGB zur Rückgabe der in ihren Besitz gelangten Ausstattungsgegenstände verpflichtet. Auf die dahin gehend von der Beklagten im Berufungsrechtszug vorsorglich erhobene Einrede ist der Zahlungsausspruch deshalb unter Zurückweisung der weitergehenden Revision auf eine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug einzuschränken (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2008 - XII ZR 147/05, WM 2008, 1758, Tz. 13).
- 24
- 4. Da die Beklagte den Bestand des mit der Klägerin geschlossenen Kaufvertrages verteidigt und deshalb eine Verpflichtung zur Entgegennahme der ihr von der Klägerin mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2006 angebotenen Gegenstände in Abrede nimmt, ist auf Antrag der Klägerin festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Rücknahme im Annahmeverzug befindet, damit die Klägerin gemäß § 322 Abs. 3, § 274 Abs. 2 BGB ihren Anspruch ohne Bewirkung der ihr obliegenden Leistung im Wege der Zwangsvollstreckung verfolgen kann (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 1987 - VIII ZR 206/86, WM 1987, 1496, unter III).
III.
- 25
- Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache zu Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf die Revision der Klägerin ist danach der Klage mit Ausnahme der durch den Zug um ZugVorbehalt bedingten Einschränkung insgesamt stattzugeben. Ball Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer Dr. Bünger
LG Koblenz, Entscheidung vom 19.03.2007 - 5 O 355/06 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 05.06.2008 - 2 U 552/07 -
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 26.559,85 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2016 Zug-um-Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges Audi A1 Sportback 2.0 TDI, amtliches Kennzeichen: XXX, Fahrgestellnummer: XXX, zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich seit dem 24.03.2016 mit der Rücknahme des vorgenannten Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt im Rahmen des sog. VW-Abgasskandals nach ihrem Rücktritt von einem Kaufvertrag über einen Audi A1 mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises von 27.550,00 € unter Abzug der von ihr in der Klageschrift näher berechneten Nutzungsentschädigung von 953,18 €.
3Die Beklagte ist Vertragshändlerin des Pkw-Herstellers Audi, der dem VW-Konzern angehört. Sie ist nicht in die Konzernstruktur des Herstellers eingebunden. Im Rahmen des VW-Vertriebssystems handelt die Beklagte im eigenen Namen für eigene Rechnung.
4Die Parteien schlossen am 23.03.2015 einen Kaufvertrag über den im Tenor näher bezeichneten Pkw. Ausweislich der Auftragsbestätigung betrug der Kaufpreis 27.550,00 €. Das Fahrzeug wurde am 16.12.2014 erstmals zugelassen. Zum Zeitpunkt des Verkaufs hatte es eine Laufleistung von 1.015 km, zum Zeitpunkt des Rücktritts eine Laufleistung von 10.000 km.
5In dem Wagen ist ein 2,0-Liter-Dieselmotor vom Typ EA 189 eingebaut, dessen Motorsoftware zur Optimierung der Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren beigetragen hat. Die Software erkennt, ob sich das Kfz auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte oder im üblichen Straßenverkehr befindet. Auf dem Rollenprüfstand spielt die eingebaute Software beim Stickstoff-Ausstoß ein anderes Motorprogramm ab als im Normalbetrieb. Hierdurch werden auf dem Prüfstand geringere Stickoxidwerte (NOx) erzielt. Nur so wurden die nach der Euro-5-Abgasnorm vergebenen NOx-Grenzwerte eingehalten. Der Hersteller Audi bewirbt den Fahrzeugtyp im Rahmen der Auflistung der technischen Daten mit der Euro-5-Abgasnorm.
6Unter Bezugnahme auf den sog. VW-Abgasskandal erklärte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 16.03.2016 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen Zug-um-Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Kfz. Eine Frist zur Nacherfüllung hatte sie vorher nicht gesetzt.
7Mit Antwortschreiben vom 22.03.2016 verwies die Beklagte die Klägerin darauf, dass der Hersteller Audi dabei sei, ein Software-Update für die Motoren zu entwickeln, deren Ausstoß von NOx auf dem Prüfstand optimiert worden sei. Die Maßnahmen sollten für sämtliche Motorvarianten so schnell wie möglich abgeschlossen werden, bis dahin bitte man um Geduld. Der Zeitaufwand für das Aufspielen der Software werde etwa 30 Minuten betragen und auf Kosten von Audi durchgeführt. Ziel sei es, dass die Maßnahmen keinen Einfluss auf Verbrauch und Fahrleistung hätten. Die Beklagte verzichtete auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 31.12.2017 wegen etwaiger Ansprüche, die im Zusammenhang mit der eingebauten Software bestehen könnten.
8Die Beklagte ist für die Änderung der Motorsoftware auf die Handlungsanweisungen sowie die Bereitstellung des Software-Updates durch den Hersteller Audi angewiesen. Zum Zeitpunkt des erklärten Rücktritts hatte Audi nur eine sog. Konzeptsoftware entwickelt. Ein auf den spezifischen Fahrzeugtyp abgestimmtes Software-Update hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) noch nicht freigegeben und eine Rückrufaktion noch nicht genehmigt. Im Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts konnte die Beklagte keine Angaben über den konkreten Zeitplan der Mangelbeseitigung machen. Der Bescheid des KBA zur Freigabe des Updates für das klägerische Fahrzeug erging erst am 20.06.2016; danach werden die Grenzwerte für Schadstoffemissionen eingehalten, die Motorleistung bleibt unverändert und die ursprünglich vom Hersteller angegebenen Verbrauchswerte und CO2-Emissionen werden bestätigt.
9Auch ohne das Software-Update ist das streitgegenständliche Fahrzeug fahrbereit und verkehrssicher. Die EG-Typengenehmigung wurde bislang nicht entzogen. Das KBA betrachtet das Aufspielen des Software-Updates jedoch als verpflichtend.
10Die Klägerin behauptet:
11Sie habe sich auch wegen der positiven Abgaswerte für das Fahrzeug entschieden, weil dieses als umweltfreundlichstes Dieselfahrzeug seiner Klasse beworben worden sei. Es halte aber die Euro-5-Norm nicht ein. Tatsächlich überschritten die NOx-Werte im normalen Fahrbetrieb die Grenzwerte um ein Vielfaches. Auf einem Prüfstand hingegen werde - unstreitig - die Motorsteuerung automatisch so geschaltet, dass die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten würden. Es sei bei Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag für sie nicht absehbar gewesen, ob sich die Kraftstoffverbrauchswerte sowie die CO2-Emissionen ebenso wie die Motorleistung und das maximale Drehmoment des Fahrzeuges nach dem Software-Update verändern würden. Das sei auch nicht zu erreichen, da es bekanntermaßen einen Zielkonflikt zwischen günstigen Stickstoffwerten und günstigen Kohlendioxid-Abgaswerten gebe. Es sei zu vermuten, dass eine Verbesserung der Stickoxidwerte nur unter Inkaufnahme neuer Mängel beim CO2-Ausstoß oder beim Kraftstoffverbrauch oder unter Inkaufnahme von erhöhtem Motorverschleiß möglich sei. Sie befürchte daher, dass die Nacherfüllung wiederum zu einem Folgemangel an dem Pkw führe. Auch unter zeitlichen Aspekten sei ihr das Abwarten der Mangelbeseitigung nicht zumutbar gewesen, weil sie währenddessen mit einem Auto hätte fahren müssen, das die Umweltgesetze nicht einhalte. Ihr Vertrauensverhältnis zum Hersteller sei aufgrund der Vorfälle und der intransparenten Informationspolitik im Rahmen des VW-Abgasskandals nachhaltig gestört. Im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung sei nicht ausgeschlossen gewesen, dass dem Fahrzeug aufgrund der rechtswidrig erlangten EG-Typengenehmigung die Zulassung entzogen und es stillgelegt würde, da zu diesem Zeitpunkt - unstreitig - das KBA die Rückrufaktion noch nicht genehmigt habe. Ferner habe der Hersteller Audi die Käufer arglistig getäuscht, sodass ihr eine Nacherfüllung, die faktisch durch den Hersteller erfolge, unzumutbar sei. Schließlich sei im Falle der Nachbesserung ein merkantiler Minderwert von 20% zu befürchten, da sich ein Preisverfall bereits bei anderen Fahrzeugen zeige und allgemein beobachtet werde, dass Händler vom Abgasskandal betroffene Fahrzeuge nicht in Zahlung nehmen würden. Denn der durch die Softwareverwendung ausgelöste VW-Abgasskandal habe zu einem Vertrauensverlust nicht nur bei der Klägerin, sondern allgemein in der Bevölkerung in die Marken des VW-Konzerns geführt.
12Die Klägerin beantragt,
13die Beklagte zu verurteilen, an sie 27.550,00 € (bei dem im Antrag in der Klageschrift genannten Betrag von 28.500,00 € handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2016 Zug-um-Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges Audi A1 Sportback 2.0 TDI, amtliches Kennzeichen: XXX, Fahrgestellnummer: XXX, abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 953,18 € zu zahlen;
14festzustellen, dass sich die Beklagte spätestens seit dem 24.03.2016 mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde;
15die Beklagte zu verurteilen, an sie die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.564,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2016 zu zahlen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug sei technisch sicher, in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt und verfüge über alle notwendigen Genehmigungen. Es sei nicht mangelhaft. Die Emissionsgrenzwerte der Abgasnormen müssten im normalen Fahrbetrieb nicht erreicht werden. Eine unzulässige Abschalteinrichtung sei nicht zum Einsatz gekommen. Die bisherige Motorsteuerung habe auf dem Prüfstand vielmehr in den NOx-optimierten Modus 1 geschaltet, bei dem es eine erhöhte Abgasrückführungsrate gegeben habe; im normalen Fahrbetrieb habe sich der Motor im Partikel-optimierten Modus 0 befunden. Nach dem Software-Update gebe es nur noch den Modus 1. Selbst wenn aber ein Mangel vorliege, sei er unerheblich, da der Mangelbeseitigungsaufwand unter Einbeziehung der Entwicklungskosten mit weniger als 100,00 € zu kalkulieren sei und damit bei nur 0.4 % des Kaufpreises liege. Das Software-Update führe auch nicht zu irgendwelchen Nachteilen oder negativen Folgen für Verbrauch, Leistung, Abgaswerte oder Haltbarkeit. Abgesehen davon hätte die Klägerin eine Frist zur Nacherfüllung setzten müssen. Die Länge der angemessenen Frist hänge dabei auch von dem zwischen dem Hersteller und dem KBA abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplan ab.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die zulässige Klage hat ganz überwiegend Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 27.550,00 € abzüglich gezogener Nutzungen i.H.v. 990,15 € Zug-um-Zug gegen Rückgabe des im Tenor bezeichneten Fahrzeuges (§§ 346 Abs. 1, 348 i.V.m. § 437 Nr. 2, § 440 Satz 1 Mod. 3, 323 Abs. 1 BGB). Lediglich der Nutzungsersatz war geringfügig höher anzusetzen und es besteht kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten.
22I.
23Die Klägerin ist mit Schreiben vom 16.03.2016 wirksam wegen Mangelhaftigkeit von dem Kaufvertrag mit der Beklagten über den streitgegenständlichen Audi A1 zurückgetreten. Der Pkw wies bei Gefahrübergang einen Sachmangel auf. Eine Frist zur Nacherfüllung war entbehrlich und die Pflichtverletzung war nicht unerheblich; diese beiden Voraussetzungen des Rücktrittsrechts hängen eng miteinander zusammen.
241.
25Der Ist-Zustand des Wagens wich bei Gefahrenübergang vom Soll-Zustand ab. Das Kfz erfüllte die Euro-5-Abgasnorm nicht. Damit fehlte ihm jedenfalls eine Beschaffenheit, wie sie bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die ein Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB).
26Zur Beschaffenheit eines Kaufgegenstands können alle Eigenschaften gehören, die der Sache selbst anhaften sowie alle Beziehungen einer Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsanschauung Einfluss auf die Wertschätzung haben oder die Brauchbarkeit der Sache beeinflussen und ihr unmittelbar anhaften (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 75. Aufl. § 434 Rdn. 10). Ein Emissionsverhalten des Motors entsprechend der Euro-5-Abgasnorm (bzw. allgemein der gesetzlichen Abgasvorschriften) stellt eine solche Eigenschaft dar. Die Klägerin durfte bei ihrer Kaufentscheidung davon ausgehen, dass der erworbene Audi A1 die für ihn geltenden Abgasvorschriften einhält und die dazugehörigen (und auch in der Werbung bzw. den Prospekten zum Fahrzeugtyp angegebenen) Emissionswerte korrekt ermittelt wurden. Tatsächlich wurde die Einhaltung der Euro-5-Norm nur wegen des Einsatzes manipulierender Software und damit nicht vorschriftsgemäß sichergestellt. Wäre die Software nicht eingesetzt worden, wären im Prüfverlauf die gesetzlichen vorgeschriebenen NOx-Emissionswerte überschritten worden (vgl. LG Münster, Urteil v. 14.03.2016 - 11 O 341/15; LG Lüneburg, Urteil vom 02.06.2016 - 4 O 3/16; LG Bochum, Urteil v. 16.03.2016 - 2 O 425/15).
27Allerdings leugnet die Beklagte einen Mangel. Sie beruft sich darauf, der Motor verfüge nicht über eine unzulässige Abschalteinrichtung des Emissionskontrollsystems, die im Prüfstandmodus geschaltet worden sei. Dieser Einwand greift jedoch aus mehreren Gründen nicht durch.
28Zunächst spricht der Hersteller Audi in der von der Klägerin als Anlage K2 vorgelegten Kundeninformation selbst davon, dass es Ziel der Nachbesserung sei, die Emissionsgrenzwerte einzuhalten, was nur bedeuten kann, dass sie ohne Nachbesserung nicht eingehalten wurden. Weiter hätte sich das KBA kaum veranlasst gesehen, die Nachbesserung für verpflichtend zu erklären, wenn die Emissionen ohnehin den gesetzlichen Vorgaben entsprochen hätten; und der Hersteller Audi (wie auch der gesamte VW-Konzern) hätte sich ohne Notwendigkeit wohl nicht veranlasst gesehen, eine derart aufwändige und kostspielige Nachbesserung aus reiner Kulanz anzubieten.
29Schließlich geht der Vortrag der Beklagten zur Mangelhaftigkeit schon am Kern des Problems vorbei. Der Mangel wird hierdurch sogar zugestanden, wenn sie behauptet, eine unzulässige Abschalteinrichtung sei nicht zum Einsatz gekommen, weil die bisherige Motorsteuerung auf dem Prüfstand in den NOx-optimierten Modus 1 (mit einer erhöhten Abgasrückführungsrate) geschaltet, während sich der Motos im normalen Fahrbetrieb im Partikel-optimierten Modus 0 befunden habe. Denn der Prüfstandmodus gibt zwar nicht den realen Fahrbetrieb wieder, die Motorsteuerung muss aber jedenfalls im Wesentlichen identisch wie dort funktionieren (ähnlich LG Bochum, Urteil v. 16.03.2016 - 2 O 425/15). Nur so wird gewährleistet, dass die Abgas- und Verbrauchswerte, die nicht mit denen des realen Fahrbetriebs übereinstimmen müssen, in einer gewissen Korrelation zueinander stehen und eine Aussage über den realen Fahrbetrieb sowie den Vergleich zu anderen Fahrzeugen zulassen: Niedrige Werte im Prüfstandmodus lassen auch niedrige Werte im realen Fahrbetrieb erwarten und umgekehrt. Die Fahrzeuge müssen die Prüfstandsituation zwar erkennen können und in einen Prüfstandmodus umschalten, damit die Fahrzeugassistenzsysteme nicht falsch reagieren (etwa deshalb, weil sich hier die Hinterräder nicht mitdrehen), der Prüfstandmodus dient aber nicht dazu, das Emissionskontrollsystem anders zu steuern. Letzteres geschah bei dem Motor im Wagen der Klägerin, der Motor wurde (so die Beklagte selbst in ihrem Schriftsatz vom 24.08.2016) - nur! - bei der Prüfstandfahrt in einen Modus mit höherer Abgasrückführung und dadurch bedingt geringeren NOx-Werten gebracht (den von der Beklagten sog. Modus 1), wohingegen der Motor im realen Fahrbetrieb (dem von der Beklagten sog. Modus 0) eine geringere Abgasrückführung und damit höhere NOx-Werte aufwies. Da nur die Prüfstandfahrt Grundlage der EG-Typengenehmigung ist und nur dessen Werte öffentlich (in Prospekten und der Werbung) bekannt gemacht werden, werden Kunden (und auch die Genehmigungsbehörde) über die Aussagekraft der Messwerte und die im realen Fahrbetrieb zu erwartenden Emissionswerte getäuscht (ähnlich LG Bochum, Urteil v. 16.03.2016 - 2 O 425/15).
302.
31Dem Rücktritt der Klägerin steht nicht entgegen, dass sie der Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung nach § 323 Abs. 1 BGB gesetzt hat. Denn eine Fristsetzung war gem. § 440 Satz 1 Mod. 3 BGB wegen Unzumutbarkeit entbehrlich (a.A. LG Frankenthal, Urteil v. 12.05.2016 - 8 O 208/15).
32Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 233 f.), eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien, die Art der Sache und der Zweck, für den der Verbraucher sie benötigt, die Art des Mangels und die Begleitumstände der Nacherfüllung; die Unzumutbarkeit ist allein aus der Perspektive des Käufers, also der Klägerin, zu beurteilen, eine Interessenabwägung findet nicht statt (vgl. Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, 2014, § 440 Rdn. 23 f.).
33a.
34Die Nachbesserung war der Klägerin schon deshalb unzumutbar, weil sie die begründete Befürchtung hegen durfte, dass das beabsichtigte Software-Update entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen würde.
35Es war vorliegend zum Zeitpunkt des Rücktritts, auf den allein abzustellen ist (BGH, Urteil v. 15.06.2011 - VIII ZR 139/09), nicht auszuschließen, dass die Beseitigung der Manipulations-Software negative Auswirkungen auf die übrigen Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung haben würde. Im Gegenteil, derartige Befürchtungen wurden gerichtsbekannt auch von Fachleuten mehrfach öffentlich geäußert und beruhten auf der naheliegenden Überlegung, warum der Hersteller Audi nicht schon bei der Entwicklung der Motoren zur Erstellung einer entsprechenden Software in der Lage gewesen sei bzw. warum Audi nicht schon viel früher, nämlich schon weit vor Bekanntwerden des Abgasskandals, die Entwicklung der jetzt in Aussicht gestellten Software unternommen habe. Sie beruhten weiter auf dem bekannten Zielkonflikt zwischen günstigen Stickoxidwerten und günstigen Kohlendioxidwerten. Die Beklagte selbst drückte diese Unsicherheit über die Möglichkeit einer erfolgreichen Nachbesserung ohne Inkaufnahme anderweitiger Nachteile in ihrem Schreiben vom 22.03.2016 dahingehend aus, Ziel sei es, dass die Maßnahmen keinen Einfluss auf Verbrauch und Fahrleistung haben werden. Sie hat den berechtigten Mangelverdacht der Klägerin auch nicht durch einen Gegenbeweis (etwa in Form eines unabhängigen Gutachtens) oder eine Garantieerklärung (seitens der Beklagten selbst oder von Audi) ausgeräumt. Das KBA kam erst am 20.06.2016 - also 3 Monate nach Rücktrittserklärung - zu dem Ergebnis, dass Folgemängel nicht zu befürchten seien.
36Der berechtigte Mangelverdacht reicht aus, um der Klägerin die Nachbesserung unzumutbar zu machen. Es genügt nämlich grundsätzlich nicht, einen Mangel abzustellen, wenn dafür ein anderer Mangel entsteht (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 75. Aufl., § 440 Rdn. 7). Dass dies geschehen wird, muss die Klägerin nicht beweisen oder auch nur als sicher eintretend behaupten. Das würde sie als Käuferin überfordern. Ihre Interessen sind vielmehr schon hinreichend beeinträchtigt, wenn sie aus Sicht eines verständigen Kunden konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die Möglichkeit anderer Mängel hat. Das ist für sog. Montagsautos anerkannt (vgl. BGH, Urteil v. 23.01.2013 - VIII ZR 140/12 Rdn. 24) und beruht dort auf der Überlegung, dass ein Auto, das schon einige Mängel zeigte, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit (aber nicht mit Sicherheit), weitere Mängel aufweisen wird. Ähnlich ist es vorliegend. Der Mangelverdacht ergibt sich aus plausiblen Überlegungen, die auf tatsächlichen Annahmen beruhen und die die Beklagte - jedenfalls zum Zeitpunkt des Rücktritts - nicht widerlegt hat.
37b.
38Es war für die Klägerin auch zeitlich unzumutbar, auf die Nacherfüllung zu warten (ähnlich LG Lüneburg, Urteil vom 02.06.2016 - 4 O 3/16).
39Die angemessene Wartezeit richtet sich vorrangig nach dem Interesse des Käufers, weil - wie dargelegt - allein aus seiner Sicht die Unzumutbarkeit zu beurteilen ist. Der Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass es nicht auf eine rein subjektive Betrachtung ankommt, was bereits daraus folgt, dass ein Käufer dem Verkäufer grundsätzlich eine angemessene Frist zu setzen hat, eine zweite Andienung also nicht in seinem Belieben steht (§ 323 Abs. 1 BGB). Bei der Bestimmung der Angemessenheit dieser Frist sind zunächst objektive Faktoren maßgeblich, was vordergründig im Streitfall dafür sprechen könnte, die Zeitspanne für Entwicklung, Prüfung, Genehmigung und (massenhaftes) Aufspielen der Software für angemessen zu halten. Die alleinige Maßgeblichkeit objektiver Faktoren im vorliegenden Fall würde aber die Interessen der Klägerin als Käuferin in unangemessener Weise hintanstellen. Die Beklagte war nämlich im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (noch) gar nicht in der Lage, den Mangel zu beseitigen, da ihr das erforderliche Software-Update bis dahin nicht zur Verfügung stand. Auch wenn sie hierbei auf die Unterstützung des Herstellers und die Freigabe durch das KBA angewiesen war, konnte die Nacherfüllungsfrist wegen dieser Umstände nicht zum Nachteil der Klägerin für eine zunächst ungewisse Zeit hinausgezögert werden. Erst später, nämlich im Verlauf des Prozesses, stellte sich Gewissheit über die Genehmigung des Software-Updates ein, ein konkreter Nachbesserungstermin für das Fahrzeug der Klägerin war aber auch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, also fast ein Jahr nach Bekanntwerden des Abgasskandals, noch nicht bekannt bzw. benannt. Angesichts dieser Unsicherheit war es der Klägerin überhaupt nicht möglich, sinnvoll eine Frist zu setzen. Schon allein das Abwarten ins Ungewisse hinein erscheint unzumutbar.
40Zwar war der Wagen fahrbereit, er entsprach aber nicht den für ihn geltenden Umweltvorschriften. Wollte man aber allein auf die objektiv notwendige Zeit zur Mängelbeseitigung abstellen, würde das bedeuten, dass die Klägerin mit dem mangelhaften Fahrzeug nach Bekanntwerden des Abgasskandals im Herbst 2015 noch ca. 1 Jahr hätte fahren müssen. Das würde man bei einem Wagen, der lediglich eine optische Beeinträchtigung wie etwa einen Lackschaden aufweist, als nicht hinnehmbar bezeichnen. Der Mangel am klägerischen Fahrzeug ist aber wegen der damit verbundenen Mehrbelastung für die Umwelt objektiv erheblich bedeutender, auch wenn man ihn nicht sieht und spürt und die Fahrbereitschaft nicht beeinträchtigt ist.
41Die (zeitlichen) Probleme auf Herstellerseite bei der Entwicklung des Software-Updates wirken allein zu Lasten der Beklagten und sind ihrem Risikobereich zuzuordnen, weil sie zur Nachbesserung auf den Hersteller Audi angewiesen ist. Wie bereits ausgeführt, wusste Audi seit der Entwicklung des Motors von dem Mangel und hätte seitdem an seiner Beseitigung arbeiten können und müssen.
42Für eine zeitliche Unzumutbarkeit spricht schließlich auch der Sinn und Zweck der Frist: Sie soll den Schuldner in die Lage versetzen, seine Leistung zu vollenden und nicht mit ihr zu beginnen (vgl. MünchKommBGB-Ernst, 7. Aufl. § 323 Rdn. 73). Dauert die Mangelbeseitigung aber unabsehbar an, so stellt sich die Lage für den Käufer dar, als würde der Schuldner mit Fristsetzung erstmals den Versuch der Bewirkung einer Leistung unternehmen.
43c.
44Schließlich gründet sich die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung auch auf eine nachhaltige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum Hersteller Audi. Aufgrund der tatsächlich engen Verbindung zwischen der Beklagten als Vertragshändlerin und Audi im Rahmen des selektiven Vertriebssystems strahlt dieser Vertrauensverlust gegenüber dem Hersteller auch auf die Beziehung der Klägerin zur Beklagten aus.
45In der Rechtsprechung des Bundegerichtshofes ist es anerkannt, dass einem Käufer die Nachbesserung durch den Verkäufer in der Regel unzumutbar ist, wenn dieser ihn arglistig über den Kaufgegenstand oder bei der Vertragsabwicklung getäuscht hat. Wegen der erwiesenen Unzuverlässigkeit des Verkäufers darf der Käufer von einer weiteren Zusammenarbeit Abstand nehmen, um sich vor eventuellen neuerlichen Täuschungsversuchen zu schützen (vgl. BGH, Urteil v. 10.03.2010 - VIII ZR 182/08 Rdn. 19/20). Wenn der Wagen direkt von Audi an die Klägerin verkauft worden wäre, wäre nach diesen Grundsätzen ohne Weiteres eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung anzunehmen. Audi hat die Behörden und massenhaft Kunden über die Umweltfreundlichkeit der Motoren des Typs EA 189 und dessen Abgaswerte getäuscht und sich hierdurch Wettbewerbsvorteile verschafft. Dabei ist es belanglos, ob der Vorstand von dem Einsatz der manipulierenden Software wusste, ihn gebilligt oder ihn gar angeordnet hat; denn in jedem Fall ist Audi das Handeln der im Unternehmen tätigen Personen zuzurechnen.
46Die erwähnte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist vorliegend allerdings nicht unmittelbar anwendbar, weil die Beklagte und nicht Audi Verkäuferin war, die Beklagte die Klägerin (oder andere Käufer) nicht selbst getäuscht hat und ihr die Täuschung von Audi auch nicht im rechtlichen Sinn zuzurechnen ist (so die h.M.; für einer weitergehende Zurechnung von Herstellerverschulden spricht sich mit erheblichen Argumenten Weller NJW 2012, 2312 aus). Dennoch führt die Täuschung durch Audi aufgrund der Besonderheiten des Vertriebssystems und der Besonderheiten der Mängelbeseitigung vorliegend zu einer Unzumutbarkeit der Nachbesserung. Entscheidend ist nämlich nicht das unmittelbare arglistige Verhalten, sondern die dadurch erwiesene Unzuverlässigkeit von Audi.
47Auch wenn das Software-Update von der Beklagten auf den Wagen der Klägerin aufgespielt werden soll, stellt sich dies als bloß untergeordneter Akt der gesamten Nachbesserung dar. Die wesentlichen Nachbesserungsschritte, die Entwicklung der Software, deren Test und die Einholung der Genehmigungen, werden hingegen von Audi geleistet, also von demjenigen, der getäuscht und sich dadurch als unzuverlässig erwiesen hat.
48Die Beklagte trägt das Risiko, dass die Klägerin den Hersteller Audi zu Recht für unzuverlässig hält. Die Klägerin selbst ist dem Hersteller allenfalls durch die Herstellergarantie verbunden; jedenfalls hat sie sich ihm nicht zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten bedient. Das ist bei der Beklagten entscheidend anders. Audi ist in Bezug auf das Software-Update Erfüllungsgehilfe der Beklagte im Sinne von § 278 BGB, da die Beklagte die Nachbesserung ohne diese allein vom Hersteller zur Verfügung gestellte Software nicht durchführen kann. Sie selbst dürfte wegen des dadurch hervorgerufenen Verlusts der Betriebserlaubnis gar nicht eigenständig nachbessern.
49Abgesehen davon hätte die Beklagte ohne Audi den Wagen erst gar nicht liefern können und sie ist für sämtliche Reparatur- und Serviceleistungen in der Zukunft auf Audi angewiesen. Das allein zeigt die enge Verbindung zwischen Audi als Hersteller und der Beklagten als Verkäuferin. Die Beklagte will als Teil eines selektiven Vertriebssystem beim Verkauf ihrer Fahrzeuge vom guten Ruf des Herstellers profitieren, muss dann aber im Fall des erheblichen Ansehensverlustes des Herstellers und dessen arglistigem Verhalten im Gegenzug hinnehmen, dass der Kunde eine Nachbesserung durch den Hersteller ablehnt. Wegen der Brisanz des Abgasskandals, des im Raum stehenden Vorwurfs eines millionenfachen Betrugs und stets neuen Enthüllungen über das Ausmaß des Skandals ist nachvollziehbar, dass die Klägerin nicht mehr darauf vertraut, dass die Nacherfüllung in ihrem Interesse erfolgt und sie objektiv über alle Umstände und mögliche Folgemängel informiert wird. Aufgrund der faktischen Nähe der Beklagten als Vertragshändlerin zu Audi und dem VW-Konzern darf die Klägerin die Befürchtung haben, dass die Beklagte eher im Lager des VW-Konzerns steht und dessen wirtschaftliche Interessen verfolgt bzw. bevorzugt, als ihren berechtigten Belangen als Kundin nachzukommen. Dies umso mehr als die Beklagte (und wohl auch der Hersteller Audi selbst) den Mangel noch während des Prozesses leugnet (zuletzt im nachgelassenen Schriftsatz vom 24.08.2016) und damit offenbar das angekündigte Software-Update als bloße Kulanzmaßnahme hinstellen will.
50Die Nachbesserung wird für die Klägerin nicht deshalb zumutbar, weil das KBA das Software-Update genehmigt und in dieser Genehmigung vom 20.06.2016 die Grenzwerte für Schadstoffemissionen als eingehalten sowie die Motorleistung als unverändert bezeichnet und die ursprünglich vom Hersteller angegebenen Verbrauchswerte und CO2-Emissionen bestätigt hat. Zwar ist es vorstellbar, dass die Nachbesserung durch eine an sich unzuverlässige Person einem Käufer deshalb zumutbar werden kann, weil sie unter behördlicher Aufsicht vorgenommen wird. Vorliegend ist die (erst nach dem Rücktritt erteilte) Genehmigung des KBA aber schon nicht zur Vertrauensbildung geeignet, weil das KBA bei der ursprünglichen Typengenehmigung des Wagens versagt hat, indem es die manipulierende Software nicht erkannt hat. Auch später ist das KBA nicht tätig geworden, obwohl es entsprechende Anzeichen gegeben haben muss, die zu den entsprechenden Untersuchungen in den USA geführt haben. Schließlich dürfte die Genehmigung des KBA allein auf öffentlich-rechtliche Belange hin erteilt worden sein (die Abgasvorschriften), aus ihr ergibt sich jedenfalls nicht, ob und ggf. inwieweit ein Fahrzeug mit dem Software-Update von dem kaufrechtlich Geschuldeten abweicht.
513.
52Nach den Umständen des vorliegenden Falles ist im Rahmen der Interessenabwägung auch nicht von einer nur unerheblichen Pflichtverletzung im Sinne § 323 Abs. 5 S. 2 BGB auszugehen, die einen Rücktritt ausschließen würde (ebenso LG Lüneburg, Urteil vom 02.06.2016 - 4 O 3/16; a.A. 16; LG Bochum, Urteil v. 16.03.2016 - 2 O 425/15).
53Wann von einer Unterschreitung der Erheblichkeitsschwelle im Sinne dieser Vorschrift auszugehen ist, bedarf einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen, wobei die Bedeutung des Mangels in der Verkehrsanschauung und alle Umstände des Einzelfalles zu würdigen sind (vgl. BGH, Urteil v. 15.06.2011 - VIII ZR 139/09). Für die Beurteilung ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen (vgl. BGH, Urteil v. 15.06.2011 - VIII ZR 139/09 Rdn. 9). Insbesondere sind dabei der für die Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand, die Qualität des Vertragsgegenstandes, die Anzahl der Mängel, die Auswirkung auf die beeinträchtigte Leistung und die für die Kaufentscheidung maßgeblichen Kriterien heranzuziehen (vgl. Beck'scher Online-Kommentar BGB-Schmidt, Stand 01.08.2016, § 323 Rdn. 39).
54Der Bundegerichtshof stellt unter anderem auf die Kosten der Mangelbeseitigung ab; danach ist im Rahmen der nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmenden Interessenabwägung von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel dann nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand mehr als 5 % des Kaufpreises beträgt (vgl. Urteil v. 28.05.2014 - VIII ZR 94/13). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen starren Grenzwert. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die Bestimmung der Erheblichkeitsgrenze unter Heranziehung der Mängelbeseitigungskosten bei einem Prozentsatzes von 5 % des Kaufpreises nur in der Regel gilt (vgl. Urteil v. 28.05.2014 - VIII ZR 94/13 Rdn. 38). Demnach ist also weiterhin eine flexible und den Umständen des Einzelfalles gerecht werdende Handhabung der Erheblichkeitsschwelle angezeigt. Eine schematische Betrachtung verbietet sich.
55a.
56Im Rahmen der Interessenabwägung sind aus Sicht der Beklagten als Verkäuferin die Relation von Kaufpreis und Kosten der Nachbesserung sowie der Zeitaufwand der Nachbesserung zu berücksichtigen. Die Kosten des 30-minütigen Software-Updates samt Arbeitskosten belaufen sich nach Behauptung der Beklagten auf ca. 100,00 €. Das Verhältnis zum Kaufpreis von 27.550,00 € betrüge demnach ca. 0,4 %.
57b.
58Aus der Sicht der Klägerin muss im Rahmen der Interessenabwägung beachtet werden, wie schwer sie der Mangel trifft und was eine Nacherfüllung für sie konkret bedeutet. Danach liegt ein erheblicher Mangel schon allein deshalb vor, weil zum Zeitpunkt der Rücktritterklärung - wie ausgeführt - bei der Klägerin trotz des damals schon angekündigten (aber noch nicht genehmigten) Software-Updates ein erheblicher und berechtigter Mangelverdacht verblieben ist und damals noch nicht konkret absehbar war, wann der Wagen der Klägerin nachgebessert werden würde. Hier greifen die Gründe, die der Klägerin eine Nachbesserung unzumutbar machen und die den Mangel erheblich machen, ineinander.
59c.
60Abgesehen davon nimmt allein der Umstand, dass die Klägerin auf die Nacherfüllung praktisch nicht verzichten könnte, sondern im Rahmen der mit dem KBA ausgearbeiteten Rückrufaktion des Herstellers dazu verpflichtet wäre, das Software-Update aufspielen zu lassen, um die Zulassung des Fahrzeuges zukünftig nicht zu gefährden, dem Mangel den Anschein der Unerheblichkeit (vgl. auch LG München, Urteil v. 14.04.2016 - 23 O 23033/15). Die Klägerin würde ohne einen Rücktritt faktisch zu einer Nachbesserung gezwungen, die ihr nach den obigen Ausführungen an sich unzumutbar ist. Deshalb scheidet eine Minderung als alternatives Gewährleistungsrecht praktisch aus.
61d.
62Ferner war es im Zeitpunkt des Rücktritts nicht auszuschließen, dass der Sachmangel einen merkantilen Minderwert verursacht, weil sich der mit dem Abgasskandal verbundene erhebliche Imageverlust von Audi und dem ganzen VW-Konzern bei der Preisbildung auf dem Gebrauchtwagenmarkt niederschlägt. Selbst zum heutigen Zeitpunkt ist dies noch nicht endgültig absehbar, da noch nicht alle Motoren über die neue Software verfügen und von unabhängigen Fachleuten noch nicht auf negative Veränderungen geprüft wurden. Außerdem dürften Fahrzeuge mit nachgebesserten Motoren noch nicht in aussagekräftiger Zahl auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu finden sein.
63e.
64Schließlich ist zu bedenken, dass der Vertrauensverlust, der die konkrete Nachbesserung mit dem Software-Update unzumutbar macht, auch Auswirkungen auf das zukünftige Vertrauen in das Fahrzeug zeigt. Ein Autokauf ist zwar zunächst ein zeitlich begrenzter Leistungsaustausch und kein Dauerschuldverhältnis. Ein Auto ist aber ein langlebiges, hochwertiges Wirtschaftsgut, das im Laufe seiner Nutzung ständig gepflegt, gewartet und repariert werden muss. Hierzu bedarf es der ständigen Leistung des Herstellers, weil dieser Wartungsintervalle und -maßnahmen vorgibt und die Ersatzteile produziert. Das erfordert ebenfalls ein gewisses Vertrauen in dessen Zuverlässigkeit, das durch das arglistige Handeln von Audi gestört ist.
654.
66Aufgrund des wirksamen Rücktritts sind gemäß § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Die Beklagte hat den Kaufpreis zu erstatten und erhält neben dem Wagen auch die durch Fahrleistung eingetretene Wertminderung des Kfz ersetzt (§ 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Auf den zurückzuerstattenden Kaufpreis in Höhe von 27.550,00 € hat sich die Klägerin deshalb eine Nutzungsentschädigung anrechnen zu lassen. Das Fahrzeug wies im Zeitpunkt des Rücktritts eine Laufleistung von 10.000 km auf. Das Gericht schätzt die Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges auf mindestens 250.000 km (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1199). Die Klägerin hat mit dem Fahrzeug 8.985 km zurückgelegt, da der Kilometerstand bei Vertragsschluss 1.015 km betrug. Für den Gebrauchsvorteil (Bruttokaufpreis x gefahrene KM ÷ Gesamtlaufleistung) muss sie daher einen Nutzungsersatz von 990,15 € leisten. Mithin besteht ein Anspruch auf Zahlung i.H.v. 26.559,85 € Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Kfz.
67II.
68Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
69III.
70Ferner hat die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten. Diese war wegen der verweigerten Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Kfz gem. §§ 298, 293 BGB in Verzug. Die Klägerin hat der Beklagten mit Schreiben vom 16.03.2016 unter Fristsetzung bis zum 23.03.2016 den Pkw ordnungsgemäß abholbereit angeboten. Mit Schreiben vom 22.03.2016 wies die Beklagte die Rückabwicklung zurück. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin besteht, weil die Feststellung der erleichterten Vollstreckung des geltend gemachten Leistungsanspruchs dient und hierzu erforderlich ist, siehe § 756 ZPO (vgl. BGH, Urteil v. 13.12.2001 - VII ZR 27/00 Rdn. 27).
71IV.
72Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückerstattung außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.564,26 € als Verzugsschaden nach §§ 286, 288 BGB nicht zu. Das Anwaltsschreiben vom 16.03.2016 hat den Verzug der Beklagten erst begründet. Eine andere Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich.
73V.
74Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
75Der Streitwert wird auf 26.596,82 € festgesetzt.
(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.
(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.
(1) Verbrauchsgüterkäufe sind Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine Ware (§ 241a Absatz 1) kauft. Um einen Verbrauchsgüterkauf handelt es sich auch bei einem Vertrag, der neben dem Verkauf einer Ware die Erbringung einer Dienstleistung durch den Unternehmer zum Gegenstand hat.
(2) Für den Verbrauchsgüterkauf gelten ergänzend die folgenden Vorschriften dieses Untertitels. Für gebrauchte Waren, die in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung (§ 312g Absatz 2 Nummer 10) verkauft werden, gilt dies nicht, wenn dem Verbraucher klare und umfassende Informationen darüber, dass die Vorschriften dieses Untertitels nicht gelten, leicht verfügbar gemacht wurden.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
Kommt es nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Wert des Streitgegenstandes, des Beschwerdegegenstandes, der Beschwer oder der Verurteilung an, so gelten die nachfolgenden Vorschriften.