Landgericht Essen Urteil, 24. März 2015 - 12 O 37/12
Gericht
Tenor
Die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage wird abgewiesen.
Der Zulässigkeit der gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Klage steht weder der Schiedsspruch des London Court of International Arbitration vom 25.10.2010 in dem Schiedsverfahren Nr. … noch die in dem Preliminary Agreement vom 14.03.2008 unter Ziffer 8 enthaltene Schiedsklausel entgegen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin. Die Kostenentscheidung im Übrigen bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Das Urteil ist wegen der Kosten für die Beklagte zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Teil- und Teilzwischenurteil
2Tatbestand
3Die Klägerin ist eine Gesellschaft zypriotischen Rechts aus der Unternehmensgruppe „T“, mittelbar von dem russischen Senator M kontrolliert. Die Gesellschaften Q; Q1 und Q2 sind 100 %ige Tochtergesellschaften der Klägerin. Die L ist weitere Gesellschaft aus dem T Unternehmensverband. Die Beklagte zu 1) ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in F, der Beklagte zu 2) ist der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten zu 1).
4Nach der Öffnung der russischen Märkte beabsichtigte die Beklagte zu 1) auf dem russischen Energiesektor aktiv zu werden. Als Zielgesellschaft wurde das russische Energieversorgungsunternehmen U in den Blick genommen. Im März 2008 verständigte sich die T-Unternehmensgruppe und die Beklagte zu 1) im Rahmen eines Joint Ventures an einem Bieterverfahren für ein Aktienpaket an dem regionalen Energieversorgungsunternehmen U (U1) teilzunehmen. Die Verhandlungen zwischen der T-Gruppe und der Beklagten zu 1) standen unter erheblichem zeitlichen Druck. Der erste diesbezügliche geschäftliche Kontakt fand am 20.02.2008 statt, wobei der Ablauf der Gebotsfrist bereits am 14.03.2008 war. Die zunächst gewollte Transaktionsstruktur sah vor, dass die H-GmbH, eine Gesellschaft aus dem S Konzernverbund ein Gebot für die U Anteile abgeben sollte. Am 11.03.2008 wurde der Letter of Intent unterzeichnet. Die Zielgesellschaft hat ihren Hauptfirmensitz im russischen K. Sie verfügte über mehrere Energieerzeugungseinrichtungen und versorgte sechs Gebiete in S1, im Bereich O zwischen N und T1. Das Joint Venture sollte, bei auch erwogenen anderen Gestaltungen, zu einer Beteiligung der Beklagten zu 1) zu 51 % und der T-Gruppe zu 49 % führen. Das Aktienpaket an der Zielgesellschaft wurde von der staatlich kontrollierten Holding S2 im Rahmen eines Bieterverfahrens zum Erwerb angeboten. Angeboten wurden rd. 372 Mrd. Stammaktien, sog. Secondary Shares, weiter verpflichtete sich der Bieter darüber hinaus noch bis zu rd. 440 Mrd. neue Stammaktien, sog. New Shares, zu übernehmen. Nach den Regeln des Bieterverfahrens war die Bildung formaler Bieterkonsortien nicht zulässig. Die Anteile an der Zielgesellschaft sollten auf die H-GmbH gehen. Bei dieser handelt es sich um eine Gesellschaft aus dem Konzernverbund der Beklagten zu 1). Letztlich sollten an ihr die Beklagte zu 1) zu 51 % und die T-Gruppe zu 49 % beteiligt sein.
5Am Nachmittag des 14.03.2008 unterzeichnete die Beklagte zu 1), die H-GmbH und die T Group das „Preliminary Agreement“, die „Vorläufige Vereinbarung im Hinblick auf U“. In diesem bekräftigten die Parteien die Absicht, die Verhandlungen über das Joint Venture fortzuführen und eine Änderung der beabsichtigten Transaktionsstruktur aufgrund der Gebotsabgabe durch L1. Unter Ziff. 2 ist die vorgesehene Transaktion unter Inbezugnahme auf den Letter of Intent sowie den jüngsten Entwurf der Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung, beschrieben. Für L1 war niemand anwesend, um zu unterzeichnen, T nahm das Dokument (Anlage B 25 in beglaubigter Übersetzung) mit und übersandte es im späteren Verlauf des Nachmittags vollständig unterzeichnet an die Rechtsberater der Beklagten zu 1). Nach dem Preliminary Agreement sollte L1 im Falle eines erfolgreichen Gebotes 51 % der erworbenen U-Aktien auf die Beklagte zu 1) übertragen. Diese U-Aktien sollte die Beklagte zu 1) dann in H-GmbH einbringen. L1 sollte seinerseits die restlichen 49 % der erworbenen U-Aktien in H-GmbH einbringen, so dass im Ergebnis sämtliche U-Aktien von H-GmbH gehalten werden sollten. An H-GmbH sollte die Beklagte zu 1) zu 51 % und L1 zu 49 % beteiligt sein. Weiter enthielt das Preliminary Agreement eine Klausel, wonach die Parteien ein definitives ISHA, aushandeln und vereinbaren wollten. Das Preliminary Agreement sah vor, dass die Verhandlungen über die Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung, das sog. Investment and Shareholders Agreement, kurz „ISHA“, „in good faith“ und auf exklusiver Basis geführt werden sollten. Die beiderseitige Verpflichtung zur Exklusivität sollte längstens bis zum 01.08.2008 gelten. In Ziffer 2 des Preliminary Agreement verwiesen die Parteien auf die in dem Letter of Intent beschriebene Transaktion und bestätigten, dass L1 [Gesellschaft aus der T-Gruppe] am 14.03.2008 beabsichtige, ein Gebot für den Erwerb von 372.338.967.050 im Umlauf befindlicher stimmberechtigter Stammaktien sowie für die Zeichnung von bis zu 440.550.372.763 neu ausgegebenen stimmberechtigten Stammaktien abzugeben.
6Ziffer 8 des Preliminary Agreement sah vor, dass das Agreement russischem Recht unterliegen sollte und gemäß russischem Recht auszulegen sei. Das Preliminary Agreement enthielt nachstehende Schiedsklausel: „Die Parteien vereinbaren, dass sämtliche Streitigkeiten, Meinungsverschiedenheiten oder Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit diesem PA (einschließlich Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Verletzung, dem Bestand, der Beendigung oder der Gültigkeit dieses PA) oder den hierin beschriebenen Sachverhalten einem Schiedsgericht zu unterbreiten und von diesem endgültig beizulegen sind, und zwar im Einklang mit den jeweils geltenden Regeln des Internationalen Schiedsgerichtshofs in London (London Court of International Arbitration) und durch einen in Übereinstimmung mit diesen Regeln ernannten Einzelschiedsrichter. Sitz und Ort dieses Schiedsgerichts ist London, England; das Schiedsverfahren unterliegt dem englischen Verfahrensrecht; die Sprache des Schiedsverfahrens ist Englisch und die Ernennungsbehörde ist der Internationale Schiedsgerichtshof in London. Die Entscheidung und der Schiedsspruch des Schiedsrichters sind für beide Parteien endgültig und verbindlich und vor jedem zuständigen Gericht durchsetzbar.“
7Unter Ziff. 9 haben die Parteien unter „Sonstige Bestimmungen“ vereinbart: „Keine Regelung dieses PA begründet eine Partnerschaft, ein Joint Venture oder eine ähnliche Beziehung zwischen den Parteien und überträgt einem Dritten Rechte oder Rechtsschutz irgendeiner Art. Weder dieses PA noch etwaige sich hieraus ergebende Rechte dürften in irgendeiner Art und Weise aufgegeben, geändert oder modifiziert werden, es sei denn, dies erfolgt durch ein schriftliches Dokument, das durch einen leitenden Angestellten (officer) oder einen bevollmächtigten Vertreter jeder Partei unterzeichnet wurde.
8Das Gebot der L1 war erfolgreich. Die Verhandlungen zwischen der Beklagten zu 1) und der T-Gruppe wurden auch nach Auslaufen des Preliminary Agreement am 01.08.2008 fortgesetzt. So wurde am 28.05.2008 eine Ergänzungsvereinbarung, Amendment No. 1, über die Einräumung einer Aktienerwerbsoption an dem Zielunternehmen U geschlossen. Am 10.07.2008 gab es ein Top-Level Treffen in I. Bei dem persönlichen Telefonat des Beklagten zu 2) mit Senator M vom 17.09.2008 erklärte der Beklagte zu 2) schließlich die Verhandlungen für gescheitert.
9Mit „Request for Arbitration“ v. 30.10.2008 wandten sich die T2, L1 und die Klägerin gegen die Beklagte zu 1) und die H-GmbH an das London Court of International Arbitration – LCIA –. Besetzt war das LCIA-Schiedsgericht mit Herrn N1, der den Vorsitz führte, Herrn H1 und M1 als Beisitzer.
10Neben Ansprüchen auf Durchführung der Transaktion und Abschluss des ISHA machten die Schiedskläger auch Ansprüche auf Ersatz der Schäden und Aufwendungen geltend, die ihnen aufgrund des Nichtzustandekommens des Joint Venture entstanden seien und die sie auf bis zu USD 1,4 Mrd. (ca. EUR 1,1 Mrd.) bezifferten (Anlagen B 81 und B 82).
11In dem Schiedsantrag vom 30.10.2008 bezogen sich die Schiedskläger ausdrücklich auf die Schiedsvereinbarung in Ziffer 8 des Preliminary Agreements vom 14.03.2008. In dem Schiedsantrag schlugen die Schiedskläger vor, die Schiedsvereinbarung aus dem Preliminary Agreement im Wege einer Einigung zwischen den Parteien des LCIA-Schiedsverfahrens dergestalt abzuändern, dass das Schiedsgericht statt mit einem mit drei Schiedsrichtern besetzt wird (Anlage B 81 Abs. 39), was einvernehmlich erfolgte.
12In der Antragsschrift war die Klägerin bereits als Partei als Schiedsklägerin benannt. Die Beklagte zu 1) wies in ihrer Erwiderung im Schiedsverfahren (Respondents Statement of Defence vom 22.05.2009 (Anlage B 72, in späterer Fassung vom 06.11.2009) darauf hin, dass die Klägerin nicht Partei des Preliminary Agreements und auch nicht originär Partei der Schiedsvereinbarung sei, die Beklagte zu 1) jedoch vorbehaltlich der Erfüllung einiger Bedingungen (u. a. einem formellen Antrag auf Beitritt nach den LCIA –Schiedsregeln sowie einer Antragsstattgabe durch das LCIA-Schiedsgericht) gegen die Beteiligung der Klägerin am LCIA-Schiedsverfahren keinen Widerspruch erhebt. Im Juli 2009 stellte die Klägerin nach Art. 22.1(h) der LCIA-Schiedsregeln einen Antrag auf Beitritt zu dem Schiedsverfahren. Nach Zustimmung aller Parteien des LCIA-Schiedsverfahrens wurde der Beitritt der Klägerin mit Beschluss des Schiedsgerichts vom 09.09.2009 angeordnet (Anlagen B 83-86).
13Im Rahmen des Schiedsverfahren trug die Schiedsklägerseite die monatelangen Verhandlungen über das beabsichtigte Joint Venture zur Investition in U vom 20.02.2008 bis zur Beendigung der Gespräche am 17.09.2008 vor, wie sie im Kern auch den Sachvortrag der Klage bilden. Neben Ansprüchen auf Umsetzung des Joint Venture und Abschluss des ISHA machten die Schiedskläger auch Ansprüche auf Ersatz der Schäden und Aufwendungen geltend, die ihnen aufgrund des Nichtzustandekommens der Transaktion entstanden seien. Dabei machten die Schiedskläger als gewillkürte Prozessstandschafter auch die Aufwendungen für den Erwerb der U-Aktien durch die Q3-Gesellschaften geltend (Anlage B 82 Rdnr. 20).
14Die Schiedskläger stellten im Schiedsantrag vom 30.10.2008 u. a. nachstehende Anträge, die sie – zum Teil geringfügig modifiziert – in der Schiedsklageschrift (Claimants Amended Statement of Case) vom 29.01.2010 wiederholten:
15(1) Verpflichtung der Beklagten zu 1) (i) zum Kauf von 51 % der von T gehaltenen U-Aktien oder (ii) zum Abschluss des ISHA auf der Basis der vertraglichen Vereinbarung in den verhandelten ISHA-Entwürfen oder den entsprechenden Regelungen im Preliminary Agreement (Schiedsantrag Absatz 28.1; Anlage B 81; Schiedsklage Absatz 85 lit. a und b, Anlage B 82)
16„hilfsweise Entschädigung und Schadensersatz für die Verluste, die ihnen dadurch entstanden sind, dass die Beklagten das 51/49-Joint-Venture nicht durchgeführt haben, wodurch die Klägerinnen 100 % der Aufwendungen und Verbindlichkeiten zu tragen hatten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien am Zielunternehmen (Target) entstanden waren.“ (Schiedsantrag Absatz 28.2; Anlage B 81; Schiedsklage Absatz 85 lit. c, Anlage B 82).
17Ihren Schaden bezifferten die Schiedskläger – unter Berücksichtigung möglicher Kaufpreiszahlungen für den Erwerb der U-Aktien im Rahmen des Pflichtangebots – auf bis USD 1,4 Mrd. (ca. EUR 1,1 Mrd.). Die Schiedskläger hielten die entsprechenden Anträge (Haupt- und Hilfsanträge) bis zum Ende des LCIA-Schiedsverfahrens aufrecht (Anlage B 81, Anlage B 82, Anlage B 24, dort Ziff. 5 u. 6).
18Das Schiedsverfahren dauerte über zwei Jahre. Im Rahmen der nach den LCIA Rules geltenden „Discovery“ mussten die Parteien sämtliche für die Beurteilung der Auseinandersetzung relevanten Dokumente offenlegen. Die von der Beklagtenseite offengelegten nahezu 5.000 Dokumente nutzt die Klägerin im hiesigen Verfahren. Die Schiedsklägerseite legte im Rahmen der Discovery selbst knapp 2.200 Dokumente offen. Ferner gaben auf Seiten der Schiedskläger Herr M und der CEO von T, Herr L2 sowie auf Seiten der Schiedsbeklagten der hiesige Beklagte zu 2) sowie der Projektleiter der Beklagten zu 1), Herr L3, ausführliche schriftliche Stellungnahmen ab. Der Beklagte zu 2) war Zeuge in dem Schiedsverfahren. In dem Verfahren erstatteten die von den Parteien benannten Gutachter Gutachten zu der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche nach russischem Recht begründet seien. Schließlich fand im Mai 2010 über zwei Wochen eine mündliche Verhandlung vor dem LCIA-Schiedsgericht statt, in der die von den Parteien benannten Gutachter und Zeugen angehört und die rechtlichen und tatsächlichen Hintergründe des Rechtsstreits erörtert wurden.
19Der LCIA-Schiedsspruch erfolgte am 25.10.2010. In ihm wurden die verfolgten Ansprüche zurückgewiesen. Sämtliche Ansprüche beurteilte das Schiedsgericht nach materiellem russischem Recht. Unter Rdnr. 121 (Seite 52 der Übersetzung des Schiedsspruchs, Anlage B 24) führte das Schiedsgericht aus:
20„[…] Wenngleich der Rückzug aus den Verhandlungen und die Art und Weise in der dies geschah, Anlass zu Kritik geben könnte, kann nach der Auffassung des Gerichts ein Rückzug aus Verhandlungen unter diesen Umständen nach vernünftigen Maßstäben weder als ein wie auch immer ausgelegter Rechtsmissbrauch noch als ein Verstoß gegen eine Verpflichtung, nach Treu und Glauben zu handeln, gewertet werden. Im Rahmen von Verhandlungen dieser Art sollten sich die Parteien im Klaren sein – und nach der Beweislage war dies auch der Fall –, das immer das Risiko besteht, dass sich eine der Parteien bei aus ihrer Sicht veränderten Umständen aus wirtschaftlichen Gründen zurückziehen könnte. T hatte mehrere Gelegenheiten, eine verbindliche Vereinbarung mit S zu schließen, entschied sich jedoch dagegen. T kann sich kaum darüber beschweren, wenn S unter solchen Umständen zu dem Entschluss kam, dass eine Weiterverfolgung der Unternehmung nicht mehr in ihrem wirtschaftlichen Interesse lag.“
21Das Schiedsgericht sprach aus:
22„12. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
23Wir haben alle Vorträge und insbesondere die Vorträge der Klägerinnen sorgfältig geprüft. Das Gericht hat sich insbesondere nur mit den Vorträgen beschäftigt, die nach Auffassung des Gerichts Fragen aufwerfen, die im Hinblick auf eine Klärung der Haftungsfragen zu berücksichtigen sind.
241. Beim PA handelte es sich nicht um einen verbindlichen Vorläufigen Vertrag (Preliminary Contract) im Sinne des russischen Zivilgesetzbuches, da das PA eine unterzeichnetes ISHA erforderte und die Parteien auf dieser Grundlage handelten; auch wurden darin nicht die wesentlichen Bedingungen im Hinblick auf den Aufschlag bestimmt.
252. Keines der ISHAs, deren Unterzeichnung durch die Beklagten vom Gericht auf Antrag der Klägerinnen angeordnet werden sollte, entspricht den im PA bestimmten Bedingungen.
263. Selbst wenn es sich um einen verbindlichen Vorläufigen Vertrag (Preliminary Contract) gehandelt hätte, ist dieser ausgelaufen, ohne dass er, wie entsprechend seinen Bestimmungen und nach russischem Recht erforderlich, schriftlich verlängert wurde.
274. Es wurde kein Recht festgestellt, das angeblich missbraucht worden wäre. Es lag keine verbindliche Vereinbarung vor. Jede Seite führte die Verhandlungen auf der Grundlage, dass bis zur Unterzeichnung eines ISHA oder einer ähnlichen schriftlichen Vereinbarung keine verbindliche Vereinbarung bestand.
2813. Schiedsspruch
29Aus dem oben genannten Grund ist das Gericht zu der Entscheidung gekommen, dass die Klägerinnen keinen der von ihnen geltend gemachten Ansprüche begründen konnten. Im Hinblick auf die Haftungsfragen ist dieser Schiedsspruch endgültig. Das Gericht hat diesen Schiedsspruch als Endgültigen Teilschiedsspruch (Partial Final Award) bezeichnet, da er nicht auf Kostenfragen eingeht, über die in einem weiteren Schiedsspruch zu entscheiden ist.“ (Anlage B 24, Kap. 12 und 13, Übersetzung des Schiedsspruchs Seite 53 f.).
30Nachfolgend wurden die Kosten des Verfahrens den Klägerinnen mit gesonderter Entscheidung aufgegeben.
31Mit der Klage, Antrag zu I.), verfolgt die Klägerin Zahlungsansprüche gerichtet auf Schaden- bzw. Aufwendungsersatz entstanden durch den Kauf und unterlassenen Weiterverkauf der Aktien der U. Es handelt sich um eigene Ansprüche sowie ihr von anderen Gesellschaften aus der T-Unternehmensgruppe abgetretene Ansprüche:
32
Einbußen Klägerin wegen Erwerbs von U |
1.717.787,98 EUR |
Einbußen L wegen Erwerbs von U Aktien |
431.314.403,10 EUR |
Einbußen Q wegen Erwerbs von U Aktien |
23.086.307,11 EUR |
Einbußen Q1 wegen Erwerbs von U Aktien |
18.548.668,45 EUR |
Einbußen Q2 wegen Erwerbs von U Aktien |
30.119.934,72 EUR |
504.787.101,36 EUR |
Mit dem Klageantrag zu II.) verfolgt die Klägerin Ansprüche wiederum aus eigenem und abgetretenem Recht wegen aufgewandter Finanzierungskosten und Kosten anwaltlicher Vertretung:
34
Aufwand L für Gebühren, Zinsen, Provisionen für von der T3 eingeräumte Kreditlinie |
174.332.804,95 EUR |
Strafzahlung L wegen verspäteter Zahlung |
5.299.140,81 EUR |
Aufwendungen L für Bankbürgschaft und Rechtsverfolgungskosten |
6.608.749,59 EUR |
Rechtsberatungskosten Klägerin |
156.598,24 EUR |
186.397.293,59 EUR |
Die Klägerin ist der Ansicht, die Klage sei zulässig. Die Schiedsklausel aus dem Preliminary Agreement v. 14.03.2008 führe nicht zur Unzulässigkeit, da die klageweise verfolgten Ansprüche nicht von der Schiedsklausel umfasst seien (Bl. 118 d. A.). Für einen Großteil der Ansprüche ergebe sich bereits aus dem persönlichen Anwendungsbereich, dass die Schiedsklausel einer Verhandlung und Entscheidung durch das hiesige Gericht nicht entgegenstehe. Da die Klägerin nicht Partei des Preliminary Agreement sei, könne sie von vornherein nicht dessen Bindungen unterliegen. Auch die von der Klägerin im Wege der Abtretung von den Q3-Gesellschaften erworbenen Ansprüche unterfielen nicht der Abrede aus dem Preliminary Agreement, da auch die Q3-Gesellschaften nicht an die Abrede gebunden seien. Da der Beklagte zu 2) ebenfalls nicht Vertragspartei des Preliminary Agreement sei, sei auch insoweit keine Sperrwirkung aus der Schiedsklausel abzuleiten. In sachlicher Hinsicht seien die hier verfolgten Ansprüche ebenfalls nicht von der Schiedsklausel erfasst. Die beispielhafte Aufzählung „breach, existence, termination or validity of this preliminary agreement“ belege, dass die Schiedsklausel alle vertraglichen Primär- und Sekundäransprüche im Zusammenhang mit der Verletzung des Preliminary Agreement erfassen solle. Deliktische Ansprüche wie auch Ansprüche aus culpa in contrahendo, die den deliktischen Ansprüchen zuzurechnen seien, unterfielen nicht der Schiedsklausel. Für die Zuordnung von Ansprüchen aus culpa in contrahendo akzentuiert die Klägerin die Differenzierung in der S3 Verordnung (Bl. 121-122 d. A.). Da im russischen Recht ein Rechtsinstitut der culpa in contrahendo nicht existiere, könne es auch nicht von der nach russischem Recht zu beurteilenden Schiedsklausel in dem Preliminary Agreement erfasst werden. Auch Ansprüche aus §§ 713, 670 BGB seien nicht erfasst. Die materiell verfolgten Ansprüche hat die Klägerin dem deutschen Sachrecht zugeordnet (Bl. 122 unten, Bl. 162 d. A.). Auch der Schiedsspruch des LCIA mache die Klage nicht unzulässig, da die Ansprüche im Rahmen des Schiedsverfahrens andere als die hiesigen Verfahren verfolgten gewesen seien (Bl. 124-128 d. A.). Gegenstand des Schiedsverfahrens sei ausschließlich die Frage der Reichweite der Bindungswirkungen des Preliminary Agreement gewesen und damit die Frage, ob den dortigen Klägern Erfüllungsansprüche zustehen, insbesondere, ob dem Preliminary Agreement die Verpflichtung der Beklagten zu 1) zum Erwerb von 51 % des Aktienpaketes sowie korrespondierend hierzu die Verpflichtung zum Abschuss des ISHA zu entnehmen sei. Die Schiedsklausel in dem Preliminary Agreement unterliege russischem Recht. Die Schiedsklausel beziehe sich inhaltlich ausschließlich auf das Preliminary Agreement, welches sich wiederum ausschließlich die geplante Etablierung einer Betreibergesellschaft bezüglich U zum sachlichen Gegenstand gehabt habe. In zeitlicher Hinsicht sei der Anwendungsbereich der Schiedsklausel in dem Preliminary Agreement auf den Zeitraum vom 14.03.2008 (am späten Nachmittag) bis zum 01.08.2008 begrenzt gewesen. In dem LCIA-Schiedsverfahren sei der Gegenstand der hiesigen Klage nicht entschieden worden und hätte dort auch nicht entschieden werden dürfen. Bei dem LCIA-Schiedsspruch handele es sich um eine rein obligatorisch wirkende Entscheidung, die nicht in den Anwendungsbereich des UNÖ falle und nicht anerkennungsfähig sei. Selbst im Falle seiner grundsätzlichen Anerkennungsfähigkeit hätte der Schiedsspruch allein die Rechtskraftwirkung einer inländischen Entscheidung, mit Blick auf den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff sowie der Dispositionsmaxime sei der hier zur Entscheidung gestellte Gegenstand bislang noch nicht entschieden. Die Klägerin behauptet, mit dem Schiedsverfahrensbeitritt sei keinerlei Rechtsbindungswillen der Klägerin in Bezug auf das Preliminary Agreement verbunden gewesen. Der Beitritt sei lediglich eine Erklärung gegenüber dem Schiedsgericht gewesen. Einen Regelungsgehalt hinsichtlich der Ereignisse oder den Zeitraum vor einem etwaigen Zuschlag der U-Aktien an L weise das Preliminary Agreement nicht auf und habe es nach dem Willen der Vertragsparteien auch nicht aufweisen sollen.
36Die Klägerin hat zunächst beantragt (Bl. 2 f. d. A.),
37I. die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin EUR 518.224.210,02 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.02.2008 Zug um Zug gegen Übertragung von insgesamt 731.635.477.667 Stück Stammaktien (Regnr. …) sowie 1.611.536.053 Stück Vorzugsaktien (Regnr. …) jeweils der U mit Sitz in K, Russische Föderation zu zahlen.
38II. die Beklagten weiter samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin EUR 156.734.629,59 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.04.2008 zu zahlen.
39III. festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Annahme der in Ziffer I näher bezeichneten Aktien in Annahmeverzug befinden.
40IV. festzustellen, dass die Beklagte zu 1) der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen hat, die dieser, der L, der Q4, der Q5 oder der Q6 mittelbar oder unmittelbar in Zusammenhang mit dem grundlosen Abbruch der Vertragsverhandlungen über das Joint Venture zum Erwerb von Aktien der U entstehen.
41V. festzustellen, dass der Beklagte zu 2) der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen hat, die dieser, der L, der Q4, der Q5 oder der Q6 mittelbar oder unmittelbar in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens und dem grundlosen Abbruch der Vertragsverhandlungen über das Joint Venture zum Erwerb von Aktien der U entstehen.
42Mit Schriftsatz v. 09.01.2014 hat die Klägerin die Klageanträge zu I. und zu II. teilweise geändert (Bl. 1423 f. d. A.), sie beantragt zuletzt
43I. die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin EUR 504.787.101,36 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.02.2008 Zug um Zug gegen Übertragung von insgesamt 731.635.477.667 Stück Stammaktien (Regnr. …) sowie 1.611.536.053 Stück Vorzugsaktien (Regnr. …) jeweils der U mit Sitz in K, Russische Föderation zu zahlen.
44II. die Beklagten weiter samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin EUR 186.397.313,59 nebst Zinsen aus EUR 156.734.629,59 seit dem 22.04.2008 sowie aus weiteren EUR 29.662.684,00 seit Rechtshängigkeit jeweils in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.
45Die Beklagten beantragen,
46die Klage abzuweisen.
47Die Beklagten erheben die Einrede der Schiedsvereinbarung und wenden ein, dass der rechtskräftige Schiedsspruch des London Court of International Arbitration einer Sachentscheidung durch das Gericht entgegenstehe. Die Beklagten sind der Ansicht, der Klage stehe bereits der rechtskräftige LCIA-Schiedsspruch entgegen. Da der Schiedsspruch auf Grundlage englischen Verfahrensrechts ergangen ist, bestimmten sich auch dessen Wirkungen nach englischem Verfahrensrecht und dessen Rechtskraftverständnis. In personeller Hinsicht seien auch der Beklagte zu 2) sowie die auf Klägerseite stehenden Gesellschaften von T erfasst. Eine Beschränkung der Schiedsklausel auf einzelne Anspruchsbegründungen sei nicht veranlasst, zumal auch in dem Schiedsverfahren Ansprüche gerade wegen des Nichtzustandekommens des Joint Venture klägerseitig verfolgt worden seien. Es erscheine widersprüchlich, wenn entgegen dem eigenen Erklärungsverhalten in dem Schiedsverfahren nunmehr eine sachliche Verengung, die nach Ansicht der Beklagten in der Schiedsklausel auch nicht angelegt sei, argumentiert werde. Auch die klägerseitig angenommene Beschränkung in zeitlicher Hinsicht sei nicht gegeben. Erfasst werde der Beklagte zu 2) von der Reichweite des Schiedsspruchs, aus dem Gesichtspunkt der privities, privity of interest, sowie dem Grundsatz des cause of action estoppel sowie abuse of process. Die Schiedsabrede sei nach englischem Recht und damit letztlich weit zu interpretieren. Der Beklagte zu 2) ist der Ansicht, die im Rahmen der Discovery des schiedsgerichtlichen Verfahren eingreichten Schriftstücke seien im hiesigen Verfahren wegen der Vertraulichkeit der Dokumente nicht zu verwenden (Bl. 373 u. 332 d. A.).
48Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Beide Parteiseiten haben Rechtsgutachten gerade hinsichtlich der berührten ausländischen Rechtsordnungen zur Gerichtsakte gereicht.
49Die Beklagten haben Gutachten des Herrn I1, Geschäftsführender Direktor des N2 Institute und Ordinarius an der S4-Universität I2 vorgelegt. Auf das Gutachten vom 24.09.2012, Anlage B 89 wird Bezug genommen, wie auf das Ergänzungsgutachten I1, v. 10.09.2013, Anlage B 99. Weiter haben die Beklagten Gutachten zum russischen Recht gerade betreffen die Anwendung russischen Rechts auf die Schiedsabrede eingeholt. Auf das Gutachten der Frau L4, wissenschaftliche Referentin, Leiterin des Referats „… am N3-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht I3, v. 24.09.2013, Anlage B 100, wird Bezug genommen, weiter wird auf die Gutachtenerstattung des Herrn L5, Anlage B 99, Bezug genommen. Die Klägerin hat ein Rechtsgutachten des Herrn T4, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung, Universität L6, (Anlage K 97) überreicht. Weiter hat die Klägerin ein Rechtsgutachten des Herrn U2, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Osteuropäisches Recht an der D-Universität zu L7 (Anlage K 86) vorgelegt, auf die Bezug genommen wird. Das Gericht hat nach Gehörsgewährung die abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung v. 12.02.2015 wird Bezug genommen.
50Entscheidungsgründe
51Gegenüber der Beklagten zu 1) ist die Klage unzulässig, da der Schiedsspruch des London Court of International Arbitration, Schiedsspruchnummer …, vom 25.10.2010, einer sachlichen Befassung mit den gegenüber der Beklagten zu 1) verfolgten Ansprüche durch das angerufene Gericht entgegensteht. Gegenüber dem Beklagten zu 2) hindert weder der vorgenannte Schiedsspruch noch die Schiedsklausel aus dem Preliminary Agreement v. 14.03.2008 die Zulässigkeit der Klage, da der Beklagte zu 2) weder von der Reichweite des Schiedsspruchs noch von der Reichweite der Schiedsklausel erfasst ist.
52I.
53Die Klage gegenüber der Beklagten zu 1) ist durch insoweit Endurteil abzuweisen, da sie unzulässig ist.
54Der Zulässigkeit der gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Klage steht der Schiedsspruch des London Court of International Arbitration entgegen, der anzuerkennen ist. Der Schiedsspruch ist ein ausländischer Schiedsspruch, § 1025 Abs. 2, Abs. 4 ZPO, da der vereinbarte Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Ausland, nämlich im Vereinigten Königreich, dort London, gelegen war.
551.
56Gem. § 1025 Abs. 4 ZPO gelten für Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche die §§ 1061 bis 1065 ZPO. Über § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der auf das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958 – UNÖ –, dessen Vertragsstaaten sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch das Vereinigte Königreich sind, die es beide ratifiziert haben, verweist, kommt das UNÖ zur Anwendung. Gem. Art. III UNÖ sind die Vertragsstaaten verpflichtet, Schiedssprüche anderer Vertragsstaaten anzuerkennen. Nicht erforderlich für die Anerkennung ist die Durchführung eines gesonderten Anerkennungsverfahrens, des Beschlussverfahrens vor dem Oberlandesgericht gem. §§ 1062 ff. ZPO, denn es geht vorliegend nicht um die Herbeiführung einer Vollstreckbarerklärung, sondern um die Frage der Rechtskraftwirkung als Sperre der Zulässigkeit für die vorliegend gegebene inländische Klage (vgl. etwa Geimer, in Zöller, ZPO, 30. Aufl., 2014, § 1061 Rdnr. 16).
57a) Bei der Gegenüberstellung der Entscheidungswirkungen nach deutschem und englischem Prozessrecht erweist sich die Entscheidung des London Court of International Arbitration als einer deutschen Entscheidung gleichzustellen. Nach der mit der zumindest deutlich überwiegenden Rechtsprechung zu Grunde zu legenden Gleichstellungstheorie, die auch die Kammer zu Grunde legt, werden ausländischen Entscheidungen die gleichen Wirkungen zuerkannt wie einer entsprechenden deutschen Entscheidung (vgl. etwa BGH, Urt. v. 01.06.1983, Az. IV b ZR 386/81, NJW 1983, 1976 [1977]). Die klageabweisende Sachentscheidung über eine Leistungsklage stellt nach deutschem Recht grundsätzlich fest, dass die begehrte Rechtsfolge aus dem Lebenssachverhalt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden kann. Und zwar auch dann, wenn das Gericht nicht alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen ins Auge gefasst hat. Unterscheidet sich jedoch der Streitgegenstand des neuen Rechtsstreits von dem des Vorprozesses, weil ein seinem Wesen nach anderer Sachverhalt vorgetragen wird, so steht die Rechtskraft des früheren Urteils der neuen Klage nicht entgegen, selbst wenn das Klageziel äußerlich unverändert geblieben ist und die Tatsachen, die der neuen Klage zu Grunde gelegt sind, schon im Vorprozess hätten geltend gemacht werden können (vgl. BGH, Urt. v. 18.07.2000, Az. X ZR 62/98, NJW 2000, 3492 [3494]; BGH, Urt. v. 13.12.1989, Az. IV b ZR 19/89, NJW 1990, 1795 [1796]; BGH, Urt. v. 08.02.1995, Az. VIII ZR 14/94, NJW 1995, 1757 [1758 f.]). Die Bindung der Klägerin an den Schiedsspruch folgt vom deutschen Recht aus betrachtet unmittelbar aus ihrer Stellung als Partei des Schiedsverfahrens, hinsichtlich der mit der hiesigen Klage verfolgten Ansprüche aus abgetretenem Recht der L folgt die Bindungswirkung aus der Parteistellung von L1 in dem schiedsgerichtlichen Verfahren. Denn die Bindung durch Rechtskraft erstreckt sich nach deutschem Zivilprozessrecht zunächst auf die Parteien, darüber hinaus auf Rechtnachfolger, § 325 ZPO, in Fällen der Abtretung ist der Abtretungsempfänger gebunden wie der Zedent, wobei auch Bindungen aus Schiedsabreden mit übergehen (vgl. BGH, Urt. v. 02.03.1978, Az. III ZR 99/76, NJW 1978, 1585 [1586]). Hinsichtlich der abgetretenen behaupteten Ansprüche der drei Q3 Gesellschaften folgte die subjektive Rechtskrafterstreckung weiter daraus, dass die Ansprüche in gewillkürter Prozessstandschaft in dem Schiedsverfahren durch die Schiedskläger verfolgt worden sind, ohne dass die gesondert aus Kreisen der T Gruppe erworbenen Anteile an der Zielgesellschaft gesondert den Q3 Gesellschaften zugeordnet worden wären (Schiedsspruch Rdnr. 33), in dieser Konstellation, erschien es widersprüchlich, diese Ansprüche aus der subjektiven Rechtskraftwirkung auszuschließen.
58b) Die Wirkungen von englischen Entscheidungen sind soweit hier relevant denen einer deutschen Entscheidung entsprechend. Das dem deutschen Prozessrecht gegenüber zu stellende Recht des Vereinigten Königreichs betreffend die Grenzen der Rechtskraft hat die Kammer gestützt auf die parteiseitig eingereichten Rechtsgutachten, insoweit die Gutachten des geschäftsführenden Direktors des N2 Institute, Professor an der Universität I2 Herr I1 (Anlage B 89 sowie die Gutachtenergänzung Anlage B 99) sowie das Gutachten des Herrn T4, M. Jur. (P), Professor an der Universität L6 ermittelt. Beide Gutachter sind renommierte Hochschuldozenten mit Profil im Bereich des internationalen Rechts einschließlich des internationalen Verfahrensrechts. Beide haben darüber hinaus praktische forensische Erfahrungen als Richter am Oberlandesgericht gesammelt. In Ansehung von Umfang und Tiefe der vorgelegten Begutachtungen konnte die Kammer davon absehen, weitere Rechtsgutachten gerichtlich einzuholen. Die Einholung weiterer Gutachten hat die Kammer erwogen, allerdings sind bei ihr in Ansehung der vorgelegten Gutachten keine von den bisher eingeschalteten Gutachtern nicht bereits abgearbeiteten Fragestellungen offen geblieben, weshalb auch in Übereinstimmung mit der Sicht der Parteien die Einholung weiterer Gutachten unterbleiben konnte.
59c) Mit den überzeugenden Ausführungen beider Rechtsgutachter, die unter gründlicher Rechtsprechungsauswertung erfolgt sind, sollen auch nach englischen Vorstellungen Gerichtsverfahren Rechtsstreitigkeiten endgültig regeln, um Parteien vor doppelter Inanspruchnahme zu schützen und Rechtsfrieden wiederherzustellen. Die hierzu in dem englischen Zivilprozessrecht vorgehaltenen Institute, nämlich res iudicata, estoppel und abuse of process sind mit den Rechtsgutachten (GA T4, insbes. Seiten 73-86; GA I1, insbes. Seiten 20-60) erschöpfend wie überzeugend dargestellt. Die vorgenannten englischen Institute sind hierbei nicht unmittelbar einer einheitlichen Kategorie „Rechtskraft“ zugeordnet, sie hindern aber bei ihrer einredeweisen Geltendmachung, hinsichtlich cause of action estoppel, die Geltendmachung der früher entschiedenen Klage in einem neuen Prozess. Bei der Klageabweisung erfasst die cause of action estoppel nicht lediglich einzelne Anspruchsgrundlagen, sondern den gesamten Sachverhalt unter Einschluss von im Einzelnen nicht vorgetragenen Klagegründen (überzeugend GA I1 Seite 25-27m. w. N.). Allerdings ist Voraussetzung auch nach englischem Recht, dass eine Identität zwischen der früheren und der späteren Klage gegeben ist. Diese ist vorliegend anzunehmen. Mit der Schiedsklage haben die Schiedskläger unstreitig den Sachverhalt um die Vertragsverhandlungen bis zu der telefonischen Mitteilung des Beklagten zu 2), dass die Verhandlungen gescheitert wären, vorgetragen. Das Schiedsgericht hat mit dem Schiedsspruch auch nicht lediglich über Erfüllungsansprüche erkannt, sondern vielmehr umfassend die Haftung der Beklagten zu 1) verneint. Eine Differenzierung zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung ist in dem Schiedsspruch nicht angelegt, auch das englische Zivilprozessrecht sperrt einander nachgelagerte Klage aus Delikt und aus Vertrag (GA I1 Seite 27 f.). Als Partei des Schiedsverfahrens, nämlich Schiedsklägerin, ist die Klägerin an den Schiedsspruch gebunden. Soweit sie abgetretene behauptete Ansprüche der L als weiterer Klägerin des Schiedsverfahrens verfolgt, ergibt sich ihre Bindung an den Schiedsspruch weiter aus dem Gesichtspunkt der sog. privity of interest, der in Fällen der Rechtsnachfolge den Rechtsnachfolger in die Bindung eintreten lässt (vgl. GA I1 Seite 35 u. Seite 57). Gleiches gilt auch für abgetretene behauptete Ansprüche der drei Q3 Gesellschaften, die ohne als solche im Schiedsspruch gesondert ausgewiesen worden zu sein, ebenfalls als 100 %ige Töchter der Klägerin unmittelbar in die Transaktion eingebunden waren, und die ebenfalls als privy of interest an die Ergebnisse des Schiedsverfahrens gebunden sind (vgl. GA I1 Seite 57 f.).
60d) Dem Schiedsspruch des London Court of International Arbitration fehlt nicht etwa die Anerkennungsfähigkeit, weil es sich um einen bloß schuldrechtlich wirkenden Schiedsspruch, angenähert dem italienischen lodo di arbitrato irrituale (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 08.10.1981, Az. III ZR 42/80, NJW 1982, 1224 [1225]), handeln würde. Anders nämlich als in den Fällen des lodo di arbitrato irrituale bedarf es eines Eingreifens der staatlichen Gerichte nicht, um dem Schiedsspruch zur Verbindlichkeit zu verhelfen. Sec. 66 des Arbitration Act regelt die Vollstreckung bzw. Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs, wobei Sec. 66 Abs. 1 Arbitration Act die unmittelbare Vollstreckung des Schiedsspruchs betrifft, während Sec. 66 Abs. 2 Arbitration Act die Vollstreckung aus Urteil nach wörtlicher Übernahme des Schiedsspruchs in das Urteil vorsieht. Beide Möglichkeiten stehen nebeneinander zur Wahl des Gläubigers, ohne dass die Verbindlichkeit von einem Vorgehen nach Sec. 66 Abs. 2 Arbitration Act abhinge (vgl. Erg.GA I1 Seite 9-12). Im Übrigen erscheint das Verlangen einer Gerichtsentscheidung zur Begründung der Vollstreckungsfähigkeit des Schiedsspruchs im hier gegebenen Fall eines Schiedsspruchs ohne vollstreckungsfähigen Inhalt überflüssig. Der Schiedsspruch hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, zumal die Kostenentscheidung gesondert getroffen worden ist. Ganz auf der Linie der hiesigen Rechtsprechung liegen auch die Anerkennungsentscheidungen deutscher Gerichte betreffend Schiedssprüche des London Court of International Arbitration (vgl. OLG Köln, VersUrt. v. 15.02.2000, Az. 9 Sch 13/99, BeckRS 2011, 19891 unter II. 2.).
612.
62§ 1061 ZPO i. V. m. Art. III des New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958 – UNÖ – führt ipso iure zur Anerkennung, Anerkennungshindernisse, Art. V UNÖ, stehen der Anerkennung des Schiedsspruchs des London Court of International Arbitration nicht entgegen, insbesondere ist die Reichweite des Schiedsspruchs von der Schiedsvereinbarung des Preliminary Agreement gedeckt.
63a) Der Schiedsspruch überschreitet nicht die inhaltliche Reichweite der Schiedsklausel, Art. V Abs. 1 lit. c UNÖ, denn der Schiedsspruch betrifft keine Streitigkeit, die in der Schiedsabrede nicht erwähnt ist oder nicht unter die Bestimmungen der Schiedsklausel fällt, auch enthält er keine Entscheidung, welche die Grenzen der Schiedsabrede oder der Schiedsklausel überschreitet.
64aa) Auszulegen ist Ziff. 8 des Preliminary Agreement nach russischem Recht, da die Parteien mit der Rechtswahlvereinbarung hinsichtlich des auf das Preliminary Agreement an zu wendende Sachrechts zumindest konkludent auch die Geltung des russischen Rechts hinsichtlich der Schiedsklausel vereinbart haben, Art. VI Abs. 2 Europäisches Übereinkommen über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Bei der Schiedsklausel handelt es sich um einen materiell rechtlichen Vertrag mit prozessrechtlicher Wirkung. Von daher steht er der vereinbarungsgemäßen Unterstellung des Preliminary Agreements unter russisches Sachrecht bei vereinbarungsgemäßer Auslegung des Preliminary Agreement nach russischem Recht gem. Ziff. 8 des Preliminary Agreements denkbar nahe. Die Rechtswahl für das Preliminary Agreement befindet sich in der Formulierung der Klausel allerdings unmittelbar vor der Schiedsklauselpassage, während sich die Vereinbarung zu Schiedsverfahrensrecht, Schiedsverfahrenssprache und Schiedsverfahrensort hinter der inhaltlichen Schiedsklausel befindet. Diese systematische Abfolge, in der zunächst allgemein das „PA“ ohne Einschränkung dem russischen Recht unterstellt wird, wobei noch hinzugesetzt ist, dass die Auslegung nach russischem Recht erfolgen soll und dann punktuell eine Verknüpfung der Durchführung des Schiedsverfahrens nach Sprache und Ort mit England sowie der Wahl des englischen Verfahrensrechts, spricht für die Kammer für die Maßgeblichkeit russischen Rechts bei der Auslegung der Schiedsklausel. Diese Sichtweise findet Bestätigung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die wenn keine besonderen Gründe dagegen sprechen, in der ausdrücklichen Wahl des in der Sache anwendbaren – hier russischen – Rechts eine konkludente Wahl auch des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts sieht (vgl. nur BGH, Urt. v. 28.11.1963, Az. VII ZR 112/62, NJW 1964, 591 [592]).
65bb) Nach Auslegung der Schiedsklausel bewegt sich der Schiedsspruch in den Grenzen der Schiedsklausel. Das für die Auslegung maßgebliche russische Recht hat die Kammer unter Beachtung des § 293 ZPO bestimmt. Nach dieser Vorschrift bedarf das in einem anderen Staate geltende Recht, einschließlich Gewohnheitsrechten und Statuten nur insofern des Beweises, als es dem Gericht unbekannt ist. Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen. Die Kammer hat die Bestimmung des maßgeblichen russischen Rechts anhand der parteiseitig vorgelegten Rechtsgutachten, insoweit Gutachten der Frau L4, wissenschaftliche Referentin, Leiterin des Referats „… am N3-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht I3, v. 24.09.2013, Anlage B 100, Gutachtenerstattung des Herrn L5, Anlage B 99, und Rechtsgutachten des Herrn U2, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Osteuropäisches Recht an der D-Universität zu L7 (Anlage K 86), vorgenommen. Die Rechtsgutachter, bei denen es sich um Fachleute gerade mit Blick auf russisches Recht handelt, haben die maßgeblichen Auslegungsgrundsätze allgemein, sowie gerade mit Blick auf die Auslegung von Schiedsklauseln herausgearbeitet, wobei sie die russische Rechtspraxis aus Sicht der Kammer umfassend wie überzeugend haben einfließen lassen. Angesichts dessen, besteht auch in Ansehung des Beschleunigungsgebotes aus Sicht der Kammer keine Veranlassung weitere Gutachten hinsichtlich des russischen Rechts zu beauftragen. Den Ausgangspunkt für die Auslegung bildet Art. 431 ZGB, dessen Abs. 1 bestimmt, dass „Bei der Auslegung der Bedingungen eines Vertrages durch ein Gericht wird die buchstäbliche Bedeutung der in ihm enthaltenen Worte und Ausdrücke berücksichtigt. Die buchstäbliche Bedeutung einer Vertragsbedingung wird im Fall ihrer Unklarheit durch die Gegenüberstellung mit anderen Bedingungen und dem Sinn des Vertrages im Ganzen festgestellt.“ Während Art. 431 Abs. 2 ZGB lautet: „Wenn die im ersten Teil dieses Artikels enthaltenen Regeln es nicht gestatten, den Inhalt des Vertrages zu ermitteln, muss der wirkliche gemeinsame Wille der Parteien unter Berücksichtigung des Ziels des Vertrages festgestellt werden. Dabei werden alle entsprechenden Umstände berücksichtigt, unter Einschluss der dem Vertrag vorausgehenden Verhandlungen und einer Korrespondenz, einer in den gegenseitigen Beziehungen der Parteien bestehenden Praxis, von Handelsbräuchen und eines nachfolgenden Verhaltens der Parteien.“ Gemessen daran spricht der Wortlaut der Schiedsklausel dafür, dass – wie durch den London Court of International Arbitration in dem Schiedsspruch entschieden – nicht lediglich Erfüllungsansprüche bzw. vertragliche Ersatzansprüche, sondern auch die sonstigen schiedsgerichtlich umfassend verneinten Haftungsansprüche von der Schiedsklausel bereits ihrem klaren Wortlaut nach erfasst sind. Der sehr weit gefasste Wortlaut der Schiedsklausel, der sich auf sämtliche Streitigkeiten, Meinungsverschiedenheiten oder Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit diesem PA (einschließlich Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Verletzung, dem Bestand, der Beendigung oder der Gültigkeit dieses PA) oder den hierin beschriebenen Sachverhalten, erstreckt, umfasst nicht lediglich vertragliche Erfüllungs- oder Ersatzansprüche, da eine derartige Restriktion dem Wortlaut der Klausel bereits im Ansatz nicht entnehmen lässt. Soweit die Klägerin eine Auslegung bevorzugt, bei der Ansprüche im Zusammenhang mit dem PA nur solche seien, bei denen wenigstens eine Kausalität des PA für die entsprechenden Ansprüche gegeben sei, die bei Ansprüchen etwa aus culpa in contrahendo und Delikt nicht gegeben sei, überzeugt dies nicht. Bereits die implizierte Gleichstellung von „Zusammenhang“ mit „Kausalität“ ist nicht gegeben, da Kausalität eben ursächlichen Zusammenhang und damit lediglich eine Form des Zusammenhangs meint. Jedenfalls über die Erstreckung der Schiedsklausel auch auf Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit den hierin beschriebenen Sachverhalten werden bereits nach dem Wortlaut auch die damals beschiedenen und im Ergebnis umfänglich verneinten Haftungsansprüche erfasst, da alle Ansprüche aus dem Zusammenhang mit dem Erwerb des Zielunternehmens erfasst sind und nicht lediglich diejenigen, die sich auf die Anteilsverteilung beziehen.
66Soweit die Klägerin eine zeitliche Lücke zwischen Letter of Intent und Preliminary Agreement argumentiert und betont, dass das PA nebst Schiedsklausel am 14.03.2008 nachmittags in Kraft getreten ist und ihre Wirksamkeit am 01.08.2008 endete, mit der Folge, dass nachfolgende Vorgänge nach dem Willen der Parteien vom PA und der sich auf das PA beziehende Schiedsklausel nicht erfasst werden, spricht dies nicht für eine Überschreitung der Schiedsklausel durch das Schiedsgericht, da die wiedergegebenen Elemente für ein weites Verständnis der Klausel sprechen, angesichts dessen eine zeitliche Aufspaltung willkürlich erscheint, gerade das Abstellen auf die „Beendigung“ und auf „die in dem PA enthaltenen Sachverhalte“ sprechen vielmehr für ein Verständnis, nach dem auch die nunmehr verfolgten Ansprüche unter Berücksichtigung auch von Verhalten nach Auslaufen des PA erfasst sind.
67Im Übrigen wäre es der Klägerin nach Ansicht der Kammer bei einer unterstellten Überschreitung der Schiedsklausel verwehrt, sich hierauf zu berufen, da sie nämlich mit der Stellung des wiedergegebenen Hilfsantrages überhaupt erst die Reichweite des Schiedsspruchs mit Blick auf Haftungsansprüche herbeigeführt hat. In dieser Konstellation ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens (vgl. etwa BGH, Urt. v. 17.04.2008, Az. III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196 [197 f.]; Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl., 2013, § 1061 Rdnr. 6) gegeben, da sich die Klägerin in unüberbrücklichen Widerspruch zu ihrem vorherigen Verhalten setzt. Denn einem klägerischen Sachvortrag im Schiedsverfahren, der sich auf den Zeitraum bis zur telefonischen Mitteilung des Scheiterns der Verhandlungen erstreckte und der gerade mit Blick auch auf die Verfolgung von Ersatzansprüchen, wie dem Hilfsantrag zu Grunde gelegt, erfolgt ist, steht die nunmehrige Annahme, das Schiedsgericht sei nicht befugt gewesen, über Haftungsansprüche außerhalb von vertraglichen Ansprüchen zu entscheiden, diametral entgegen.
68b) Auch sonst bestehen keine Anerkennungshindernisse, insbesondere nicht aus Art. V Abs. 1 lit. b und lit. d UNÖ. Auch besteht kein Widerspruch zum nationalen ordere public. Dass das Schiedsgericht über nicht gestellte Anträge entschieden haben würde, lässt sich nicht feststellen, denn mit dem auf Entschädigung und Schadensersatz für die Verluste, die dadurch entstanden seien, dass die Beklagten das 51/49-Joint-Venture nicht durchgeführt haben, wodurch die Klägerinnen 100 % der Aufwendungen und Verbindlichkeiten zu tragen hatten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien am Zielunternehmen (Target) entstanden waren, gerichteten Hilfsantrag haben die Schiedskläger, darunter die hiesige Klägerin, gerade die Entscheidung über diesen Antrag herbeigeführt. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ist nicht gegeben, da Sachverhalt nebst Antrag geraden von den Schiedsklägern dem Schiedsgericht unterbreitet worden ist. Dass das Schiedsgericht andere als vereinbarte Verfahrensvorschriften angewandt haben würde ist nicht ersichtlich, im Übrigen auch nicht gegenüber dem Schiedsverfahren gerügt worden. Obschon eine Aufhebung wegen schwerer Verfahrensverstöße nach Section 68 des englischen Arbitration Act 1996, nach LCIA-Verfahrensregeln nicht ausgeschlossen ist, sind vorliegend etwaige schwere Verfahrensverstöße nicht innerhalb Frist von 28 Tagen ab Erlass bzw. Zustellung des Schiedsspruchs geltend gemacht worden.
69II.
70Gegenüber dem Beklagten zu 2) ist in aus dem Tenor ersichtlichen Umfange im Wege des Zwischenurteils erkannt. Der Zulässigkeit der Klage gegenüber dem Beklagten zu 2) steht weder der Schiedsspruch des London Court of International Arbitration noch die Schiedsklausel aus dem Preliminary Agreement entgegen.
71Der Schiedsspruch des London Court of International Arbitration wirkt nicht gegenüber dem Beklagten zu 2). Der Beklagte zu 2) war nicht an dem Schiedsverfahren beteiligte Partei, sondern in dem Verfahren gehörter Zeuge. Die Kammer hat Zweifel daran, ob der Beklagte zu 2) nach englischem Prozessrecht als privy (of Interest) oder aus Sec. 58 des Arbitration Act oder aus dem Gesichtspunkt des abuse of process von der Bindungswirkung des Schiedsspruchs erfasst wäre. Diese Zweifel machen sich an den vorgelegten Rechtsgutachten (GA T4 insbes. Seiten 46, GA I1 insbes. Seiten 60-65) fest. Das Gutachten I1 führt unter Darstellung von Rechtsprechung aus, dass eine Bindung von Gesellschaftsorganen an einen Schiedsspruch der gegenüber der Gesellschaft ergangen ist, grundsätzlich möglich ist, allerdings als Ausnahme angesehen wird (Seite 61 f.). Soweit in dem Gutachten I1 (Seite 63) eine Bindung aus Sec. 58 i. V. m. Sec. 82 Abs. 2 Arbitration Act abgeleitet wird und auf seine Stellung als Vorstandsvorsitzender sowie als an dem Verhandlungsabbruch beteiligte Person abgehoben wird, dürfte dies wohl mangels einer ausdrücklichen oder funktionsäquivalenten Entsprechung im deutschen Recht einer Anerkennung nicht zugänglich sein. Gleiches gilt auch hinsichtlich einer Begründung einer Bindungswirkung nach englischem Recht über abuse of process. Zwar gibt es punktuell Rechtsprechung, die davon ausgeht, dass Schiedsabreden auch auf Leitungsorgane von juristischen Personen erstreckt sind (vgl. OLG München, Urt. v. 13.02.1997, Az. 29 U 4891-96, NJW-RR 1998, 198 [198 f.], indes betraf die Entscheidung einerseits die Reichweite einer Schiedsabrede und nicht die Wirkung eines ausländischen Schiedsspruchs und andererseits eine Konstellation bei der es sich nach dem mitgeteilten Sachverhalt um eine vereinsrechtliche handelte, in der das Gericht eine Vergleichbarkeit zu der Rechtsprechung betreffend die OHG und die Einbeziehung des persönlich in Anspruch genommenen Gesellschafters angenommen hat, die hier fraglich erscheint.
72Letztlich kann dies indes auf sich beruhen, da bei Annahme einer schiedsgerichtlichen Entscheidung, die sich auch auf den Beklagten zu 2) erstreckte, jedenfalls von einem Anerkennungshindernis gem. Art. V Abs. 1 lit. c, Abs. 2 lit. b UNÖ auszugehen ist. Die Schiedsvereinbarung erstreckt sich in personaler Hinsicht zunächst auf die vertragsschließenden Parteien, zu denen der Beklagte zu 2) nicht gehört. Auch hat er das Preliminary Agreement nicht für die Beklagte zu 1) unterzeichnet. Dass das bei der Auslegung der Schiedsvereinbarung maßgebliche russische Recht in einer derartigen Konstellation abseits des Wortlauts der Bestimmung eine Verbindlichkeit der Schiedsvereinbarung für den Beklagten zu 2) annimmt, schließt die Kammer aus. Dies macht sich daran fest, dass in Ziff. 9 des Preliminary Agreement ausdrücklich ausgeführt ist, dass aus diesem PA Dritte keine Rechte herleiten können.
73Im Übrigen konnte und musste die Klägerseite mit einer Einbeziehung des Beklagten zu 2) in die „Rechtskraftwirkung“ des Schiedsspruchs nicht rechnen, da dieser lediglich als Zeuge in dem Verfahren war, ohne jeden Anhalt für eine Einbeziehung stellte sich die Erstreckung des Schiedsspruchs auf den Beklagten als überraschend dar.
74Aus vorgenannten Gründen ist es dem Beklagten zu 2) auch verwehrt, sich auf die Schiedsklausel zu berufen, da diese ihn nicht einbezieht.
75Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klägerin vom 16.03.2015 und der Beklagten zu 1) und 2) vom 18.03.2015 rechtfertigen den Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung nicht. Sie enthalten lediglich eine Zusammenfassung der bereits geäußerten Rechtsansichten.
76III.
77Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Eine Teilkostenentscheidung kann ergehen, da sie unabhängig davon ist, wie der Rechtsstreit im Übrigen letztlich ausgeht, denn die Beklagte zu 1) scheidet mit dem Endurteil aus dem Rechtsstreit aus (vgl. OLG Düsseldorf, Teilurt. v. 18.11.1969, Az. 20 U 90/69, NJW 1970, 568 [569]). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 2 i. V. m. Satz 1 ZPO.
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Die Rechte und Verpflichtungen der geschäftsführenden Gesellschafter bestimmen sich nach den für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 664 bis 670, soweit sich nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis ein anderes ergibt.
Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.
(1) Die Vorschriften dieses Buches sind anzuwenden, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Sinne des § 1043 Abs. 1 in Deutschland liegt.
(2) Die Bestimmungen der §§ 1032, 1033 und 1050 sind auch dann anzuwenden, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Ausland liegt oder noch nicht bestimmt ist.
(3) Solange der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens noch nicht bestimmt ist, sind die deutschen Gerichte für die Ausübung der in den §§ 1034, 1035, 1037 und 1038 bezeichneten gerichtlichen Aufgaben zuständig, wenn der Beklagte oder der Kläger seinen Sitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.
(4) Für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche gelten die §§ 1061 bis 1065.
(1) Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche richtet sich nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 II S. 121). Die Vorschriften in anderen Staatsverträgen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen bleiben unberührt.
(2) Ist die Vollstreckbarerklärung abzulehnen, stellt das Gericht fest, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist.
(3) Wird der Schiedsspruch, nachdem er für vollstreckbar erklärt worden ist, im Ausland aufgehoben, so kann die Aufhebung der Vollstreckbarerklärung beantragt werden.
(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.
(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.
(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.
(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.
(1) Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche richtet sich nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 II S. 121). Die Vorschriften in anderen Staatsverträgen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen bleiben unberührt.
(2) Ist die Vollstreckbarerklärung abzulehnen, stellt das Gericht fest, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist.
(3) Wird der Schiedsspruch, nachdem er für vollstreckbar erklärt worden ist, im Ausland aufgehoben, so kann die Aufhebung der Vollstreckbarerklärung beantragt werden.
Das in einem anderen Staat geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.