Landgericht Düsseldorf Urteil, 06. Nov. 2014 - 21 S 48/14
Gericht
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2014 (Az.: 35 C #####/####) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum Ablauf des 31. Januar 2015 gewährt.
1
Entscheidungsgründe:
2I.
3Die Kläger begehren die Räumung und Herausgabe der vom Beklagten gemieteten Wohnung, nachdem die Kläger das Mietverhältnis mit Schreiben vom 9. September 2013 fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt hatten. In dem Schreiben führten die Kläger als Kündigungsgründe eine Strafanzeige des Beklagten gegen die Kläger und einen Mietrückstand von € 4.722,29 an. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
4Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, mit der er seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
5II.
6Die zulässige Berufung ist unbegründet.
7Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von ihm bewohnten Räume im I-Straße in Düsseldorf. Der Anspruch folgt aus §§ 546, 985 BGB. Das Mietverhältnis wurde durch die wirksame Kündigung vom 9. September 2013 beendet.
81. Die Kläger konnten das Mietverhältnis mit dem Beklagten gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB fristlos kündigen, weil der Beklagte in einem Zeitraum von mehr als zwei Monaten mit der Entrichtung seiner Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate bei Weitem übersteigt. Nach den Feststellungen der Kammer in dem Verfahren 21 S 252/13 ist der Beklagte mit der Mietzinszahlung von € 4.597,83 in Verzug.
92. Darüber hinaus berechtigte die Erstattung der Strafanzeige durch den Beklagten die Kläger zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 543 Abs. 1 BGB.
10In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass eine grundlose Strafanzeige gegen den anderen Vertragspartner eine schwerwiegende Verletzung der Treuepflicht darstellen kann. Eine fristlose Kündigung ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn die erstattete Strafanzeige als leichtfertig und unangemessen zu bewerten ist oder auf erfundenen Tatsachen beruht. Eine schwerwiegende Vertragsverletzung liegt aber auch dann vor, wenn die Anzeige zwar auf wahren Tatsachen oder Tatsachen, die der Anzeigeerstatter für wahr hält, beruht, der Anzeigeerstatter aber nicht zur Wahrung eigener Interesse handelt, sondern um dem Angezeigten einen Schaden zuzufügen. Auf eine auf wahren oder möglicherweise wahren Tatsachen beruhende Strafanzeige kann sich danach als unangemessen darstellen, wenn sie Streitigkeiten über die Höhe der Miete, die Berechtigung einer Umlage von Betriebskosten und ähnliche Fälle zur Grundlage hat, da insoweit der Y-Weg zur Verfügung steht (OLG München, Urteil vom 17. März 2009 – 5 U #####/####).
11Gemessen daran war die Erstattung einer Strafanzeige unangemessen, weil der Beklagte hiermit letztlich seine Interessen weiterverfolgen wollte, die er auf dem Y-Weg nicht erfolgreich durchzusetzen vermochte. Der Berufung ist zwar zuzugeben, dass die Entscheidung, ob die Erstattung einer Strafanzeige einen schwer wiegenden Verstoß gegen die mietvertraglichen Pflichten darstellt, auch vom Verhalten des Angezeigten abhängig ist (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 02. Oktober 2001 – 1 BvR #####/####). Der Beklagte hat indes, worauf schon das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat, keine Gründe vorgetragen, die eine Strafanzeige aus Sicht des Beklagten nachvollziehbar erscheinen ließen. Sein diesbezüglicher Vortrag in der Berufungsbegründung ist im Hinblick auf §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 531 Abs. 2 ZPO verspätet und im Übrigen unerheblich. Die vom Beklagten behauptete „Zerstörung“ des Balkons stellt sich – wie der Beklagte selbst konzediert – in Wahrheit als Austausch des Fliesenbelags durch einen anderen Belag dar. Diese bauliche Veränderung mag dem Beklagten missfallen; sie in einen Zusammenhang mit dem Tod seiner Frau zu bringen und zur Grundlage eines strafrechtlichen Vorwurfs gegen Kläger zu machen, ist unangemessen und musste von den Klägern nicht hingenommen werden. Ebenso wenig rechtfertigen die seitens der Kläger veranlassten „Handwerkerbesuche“ den strafrechtlichen Vorwurf der Nötigung. Es verstößt gegen mietvertragliche Treuepflichten, wenn der Beklagte auf der einen Seite Reparaturstau in seiner Wohnung bemängelt und sich hierdurch in seiner Gesundheit gefährdet sieht, andererseits die „Handwerkerbesuche“ als Eingriff in seine Privatsphäre begreift und sie zum Anlass für eine Strafanzeige wegen „Schikane und Altersdiskriminierung“ nimmt.
123. Der Beklagte kann aus § 574 Abs. 1 BGB keinen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses herleiten, weil die Kündigung auf Gründen beruht, die zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigen (§ 574 Abs. 1 S. 2 BGB).
134. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
145. Die Kammer gewährt dem Beklagten gemäß § 721 Abs. 1 ZPO eine Räumungsfrist. Dabei berücksichtigt die Kammer zugunsten des Beklagten die lange, wenngleich problembehaftete Dauer des Mietverhältnisses sowie Alter und Gesundheitszustand des Beklagten.
15Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.
16Gegenstandswert: € 3.642,60
Rechtsanwalt
moreResultsText
Annotations
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird, - 2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder - 3.
der Mieter - a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder - b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn
- 1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht, - 2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder - 3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.
(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.
(2) Eine Härte liegt auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.
(3) Bei der Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters werden nur die in dem Kündigungsschreiben nach § 573 Abs. 3 angegebenen Gründe berücksichtigt, außer wenn die Gründe nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Wird auf Räumung von Wohnraum erkannt, so kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren. Der Antrag ist vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen, auf die das Urteil ergeht. Ist der Antrag bei der Entscheidung übergangen, so gilt § 321; bis zur Entscheidung kann das Gericht auf Antrag die Zwangsvollstreckung wegen des Räumungsanspruchs einstweilen einstellen.
(2) Ist auf künftige Räumung erkannt und über eine Räumungsfrist noch nicht entschieden, so kann dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewährt werden, wenn er spätestens zwei Wochen vor dem Tag, an dem nach dem Urteil zu räumen ist, einen Antrag stellt. §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß.
(3) Die Räumungsfrist kann auf Antrag verlängert oder verkürzt werden. Der Antrag auf Verlängerung ist spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Räumungsfrist zu stellen. §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß.
(4) Über Anträge nach den Absätzen 2 oder 3 entscheidet das Gericht erster Instanz, solange die Sache in der Berufungsinstanz anhängig ist, das Berufungsgericht. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Gegner zu hören. Das Gericht ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen.
(5) Die Räumungsfrist darf insgesamt nicht mehr als ein Jahr betragen. Die Jahresfrist rechnet vom Tage der Rechtskraft des Urteils oder, wenn nach einem Urteil auf künftige Räumung an einem späteren Tage zu räumen ist, von diesem Tage an.
(6) Die sofortige Beschwerde findet statt
- 1.
gegen Urteile, durch die auf Räumung von Wohnraum erkannt ist, wenn sich das Rechtsmittel lediglich gegen die Versagung, Gewährung oder Bemessung einer Räumungsfrist richtet; - 2.
gegen Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 2 oder 3.
(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten nicht für Mietverhältnisse über Wohnraum im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 3 sowie in den Fällen des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Endet ein Mietverhältnis im Sinne des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch außerordentliche Kündigung, kann eine Räumungsfrist höchstens bis zum vertraglich bestimmten Zeitpunkt der Beendigung gewährt werden.