Landgericht Düsseldorf Urteil, 30. Apr. 2015 - 14c O 183/13
Gericht
Tenor
1.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen am Geschäftsführer, zu unterlassen, das nachstehend abgebildete Felgendesign in Deutschland zu benutzen, insbesondere dieses anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen:
Abbildung
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch deren Handlungen gemäß Ziffer 1. entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß Ziffer 1. durch Vorlage eines verbindlich unterzeichneten Verzeichnisses, das Angaben zu enthalten hat über
a)
Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreise und gewerbliche Abnehmer sowie den erzielten Umsatz;
b)
Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreise und Angebotsempfänger;
c)
die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und den erzielten Gewinn;
d)
die betriebene Werbung, insbesondere unter Angabe der Werbemedien, der Auflagenhöhe von Werbeprospekten und der für die Werbung aufgewandten Kosten.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über Herkunft und W-X3 der Verletzungsgegenstände gemäß Ziffer 1. durch Vorlage eines verbindlich unterzeichneten Verzeichnisses, das Angaben zu enthalten hat über Namen und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Verletzungsgegenstände gemäß Ziffer 1., sowie über die Menge der erhaltenen und bestellten Verletzungsgegenstände gemäß Ziffer 1..
5.
Die Beklagte wird verurteilt, im Umfang der vorstehenden Auskunft gemäß Ziffern 3. und 4. Belege herauszugeben (insbesondere die jeweiligen Einkaufs- und Verkaufsbelege sowie Rechnungen und Lieferscheine, wobei Angaben über sonstige Ein- und Verkäufe sowie sonstige Preise auf den Belegen geschwärzt werden können).
6.
Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrem Besitz oder Eigentum stehenden Räder gemäß Ziffer 1. zur Vernichtung an einen hierzu bereiten Träger hoheitlicher Gewalt herauszugeben.
7.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
8.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110.000,- €.
T a t b e s t a n d
1Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Schadenersatzfeststellung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung aus einem eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster in Anspruch.
2Die Klägerin ist Automobilherstellerin. Sie ist unter anderem eingetragene Inhaberin des am 05.08.2009 angemeldeten und eingetragenen sowie am 14.01.2010 veröffentlichten Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nr. #####/####-0002 (im Folgenden: Klagegeschmacksmuster), welches für Deutschland eine Priorität zum 25.02.2009 in Anspruch nimmt und von dem nachfolgend zwei Abbildungen wiedergegeben sind:
3Abbildung
4Das nach dem Klagegeschmacksmuster gefertigte Felgenmodell vertreibt die Klägerin unter der Bezeichnung „T1“ ausschließlich in den Größen 8,5 x 20 Zoll mit der Einpresstiefe („ET“) 25 und 10 x 20 Zoll ET 41 und überdies ausschließlich für den C2 5er Gran Turismo und den C2 7er.
5Die Beklagte ist eine Felgenherstellerin für Kraftfahrzeuge. Sie produziert und vertreibt auch in Deutschland unter der Bezeichnung „X1“ Leichtmetallräder, unter anderem das Modell „Neptune GT“, wie es sich aus der Abbildung im Tenor zu Ziffer 1. ergibt. Die Beklagte bietet dieses Modell in den Größen 8 x 18 Zoll ET 20, 8 x 18 Zoll ET 30, 9 x 18 Zoll ET 32, 9 x 18 Zoll ET 44, 8,5 x 19 Zoll ET 25, 9,5 x 19 Zoll ET 39, 9 x 20 Zoll ET 42 und 9 x 20 Zoll ET 44 (Anlage K 157) an und vertreibt diese zumindest teilweise im Satz von vier Felgen und für Fahrzeuge, für welche die Klägerin das nach dem Klagegeschmacksmuster gefertigte Felgenmodell nicht anbietet. Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung ihres Klagegeschmacksmusters.
6Die Beklagte hat beim Tribunale di Napoli vor dem 25.01.2013 eine negative Feststellungsklage eingereicht, mit der u. a. die Feststellung der Nichtverletzung des hiesigen Klagegeschmacksmusters durch ein Handeln der Beklagten begehrt wird. Ob die Klageschrift der hiesigen Klägerin (dortigen Beklagten) ordnungsgemäß zugestellt wurde, ist ebenso im Streit wie die territoriale Reichweite des Feststellungsantrags. Zuvor war am 09.07.2012 eine von der Beklagten beim Tribunale di Napoli eingereichte negative Feststellungsklage gegen einen anderen deutschen Automobilhersteller aufgrund Unzuständigkeit des Tribunale di Napoli ohne Entscheidung in der Sache zurückgewiesen worden (Anlage K 9).
7Die Klägerin ist der Ansicht, das Verfahren sei nicht X-X3 der beim Tribunale di Napoli eingereichten negativen Feststellungsklage nach Art. 27 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 v. 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO a.F.) auszusetzen. Die dortige Klage habe schon keine zeitliche Priorität. Insoweit behauptet sie unter Bezugnahme auf die in Ablichtung als Anlage K 190 vorgelegten Dokumente, sie habe die Annahme der negativen Feststellungsklage binnen Wochenfrist am 21.02.2013 verweigert und die Schriftstücke zurückgesandt. Hierzu sei sie berechtigt gewesen, da die beigefügte Übersetzung in die deutsche Sprache in Teilen unvollständig gewesen sei (Seiten 40 und 48 der als Anlage K 8 überreichten Übersetzung der negativen Feststellungsklage); weiter seien der Zustellung keine Anlagen beigefügt gewesen. Hinzu kämen weitere Zustellungsmängel, die auch nach den italienischen Vorschriften die Rechtshängigkeit verhinderten, wie z.B. eine fehlende Datumsangabe und Beglaubigung der Klageschrift. Überdies sei die Klage in Neapel auf das Gebiet Italiens beschränkt, so dass eine territoriale Überschneidung der Streitgegenstände und damit „derselbe Anspruch“ im Sinne der Norm fehlten. Die Aussagen der Beklagten im hiesigen Verfahren zur Reichweite der negativen Feststellungsklage seien irrelevant. Jedenfalls sei die Berufung der Beklagten auf Art. 27 EuGVVO a.F. rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich. Diesbezüglich führt sie aus, die Beklagte habe die negative Feststellungsklage erkennbar nur zu dem Zweck eingereicht, weitere Verletzungsklagen der Klägerin zu blockieren. Dem Tribunale di Napoli fehle überdies offensichtlich die internationale Zuständigkeit, was der Beklagte angesichts der vom 09.07.2012 stammenden Entscheidung des Tribunale di Napoli auch bekannt sei.
8Ihre Ansprüche seien auch begründet. Art. 110 Abs. 1 Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV) sei im Hinblick auf die Rechtsetzungsgeschichte, die Vorschrift des Art. 26 Abs. 2 TRIPS-Abkommen und die Vorschrift des Art. 17 Abs. 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union eng auszulegen. Autofelgen seien schon keine Bauelemente eines komplexen Erzeugnisses im Sinne des Art. 110 Abs. 1 GGV, sondern etwas Hinzugefügtes. Sie seien – anders als beispielsweise Kotflügel, Motorhauben und Autotüren, also Karosserieteile, sowie Scheiben und Beleuchtung - optisch selbständig, frei austauschbar und nähmen daher in keiner Weise am ursprünglichen Erscheinungsbild des Fahrzeuges teil. Dem informierten Benutzer sei bewusst, dass es eine breite Palette von verschiedenen Felgenmodellen für das gleiche Fahrzeugmodell gebe und das gleiche Felgenmodell auch auf ganz unterschiedlichen Fahrzeugen – sogar unterschiedlicher Hersteller – verwendet werden könne. Felgen seien auch nie wirtschafts- oder verbandspolitisch oder juristisch Thema einer zukünftigen Liberalisierung des Ersatzteilmarkts gewesen.
9Jedenfalls könne sich die Beklagte vorliegend nicht auf Art. 110 GGV berufen, weil sie die von ihr hergestellten Felgen gerade nicht zu Reparaturzwecken veräußere. Wie von der Klägerin durchgeführte Testkäufe gezeigt hätten, vertreibe die Beklagte die Felgen in der Regel im Satz von vier Felgen, zudem für Fahrzeugmodelle, für die sie ihr Felgenmodell „T1“ gar nicht anbiete und überdies in Größen, in denen sie ihr Felgenmodell „T1“ nicht vertreibe. Dabei sei der Beklagten im Zeitpunkt der Durchführung der Testkäufe bekannt gewesen, in welchen Größen und für welche Fahrzeuge die Klägerin ihr Modell anbiete und vertreibe. Insoweit verweist sie auf den von ihr gegen die Firma L geführten Rechtsstreit vor der Kammer, Az. 14c O 29/12, an dem die Beklagte als Nebenintervenientin beteiligt war, sowie auf ihren Internetauftritt. Die Auswertung zahlreicher Auskünfte von Kunden der Beklagten in der Europäischen Union sowie Testkäufe bei diesen belegten zweifelsfrei, dass die Beklagte nicht nur im vorliegenden Fall, sondern auch generell eindeutig keinen Vertrieb zu Reparaturzwecken verfolge, sondern schlicht Felgen als Zubehör vertreibe. Hierzu führt sie näher aus. Der Beklagten gehe es stets und auschließlich darum, ob es technisch möglich sei, die vom Endkunden gewünschten Felgen auf dem Kundenfahrzeug zu montieren und ob die betreffenden Replika-Felgen eine Zulassung (Typengenehmigung) für das entsprechende Fahrzeug hätten. Weder auf ihrer Internetseite noch in ihren Katalogen informiere die Beklagte vollumfänglich über einen Reparaturzweck. Die Kunden der Beklagten seien auch keine Reparaturwerkstätten bzw. Händler, die Reparaturwerkstätten belieferten. Die Firma D.L., eine Kundin der Beklagten, habe zu keinem Zeitpunkt eine Reparaturwerkstatt betrieben und sei auch nicht von der Beklagten angewiesen worden, nur an solche zu liefern. Dies gelte auch für andere Kunden der Beklagten, wie z. B. die Firma L, DESIGN FELGEN, X2 und C. Auch durch das angeblich im August 2013 eingeführte Formblatt stelle die Beklagte einen Reparaturzweck nicht sicher. Denn nach dessen Formulierung sei die Erklärung des Kunden hinsichtlich des Reparaturzwecks stets unverbindlich und ohne Konsequenzen; die Gewährleistung entfalle nicht dann, wenn die betreffenden Replika-Felgen nicht zu Reparaturzwecken benutzt würden, sondern nur im Falle von deren Montage und Betrieb entgegen der Typengenehmigung des jeweiligen Fahrzeuges. Überdies werde die Erklärung erst nach Bestellung und Bezahlung der Replika-Felgen zur Unterschrift vorgelegt.
10Die Klägerin beantragt,
11zu erkennen wie geschehen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte rügt die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf und macht insoweit eine rechtsmissbräuchliche Wahl des Gerichtsortes geltend. Gemäß Art. 82 Abs. 1 GGV sei das für den Wohnsitz oder die Niederlassung der Beklagten maßgebliche Gericht zuständig, welches auch ein europaweites Verbot aussprechen könne. Zwar könne auch der Ort der Verletzungshandlung nach Art. 82 Abs. 5 GGV eine Zuständigkeit begründen. Die weltweite Abrufbarkeit eines Internetangebots sei indes nicht eine gewollte, sondern nur die technisch bedingte, zwangsläufige Gegebenheit der Verwendung dieses Mediums. Die Klägerin habe das hier eigentlich zuständige Gericht in Neapel, dessen für sie nachteilige Auffassung sie kenne und das sie vermeiden wolle, gezielt umgangen, und statt dessen bewusst eine Klage vor dem Landgericht Düsseldorf erhoben, vor dem die Beklagte gegen die Q AG in einer Geschmacksmusterstreitigkeit unterlegen sei. Hierdurch werde zugleich eine künstliche Zersplitterung der Verfahren herbeigeführt, um die Beklagte finanziell unter Druck zu setzen.
15Das Landgericht Düsseldorf habe sich außerdem aufgrund der seitens der Beklagten beim Tribunale di Napoli anhängig gemachten Klage, mit der die Feststellung begehrt werde, dass ihr Handeln u. a. nicht das hier streitgegenständliche Klagegeschmacksmuster verletze, für unzuständig zu erklären. Dies folge im X2 eines Erst-Recht-Schlusses aus Art. 95 Abs. 1 GGV.
16Zumindest habe sich das Landgericht Düsseldorf gemäß Art. 27 Abs. 2 EuGVVO a.F. für unzuständig zu erklären oder sei die Klage nach Art. 95 Abs. 2 GGV abzuweisen, weil die Klägerin unstreitig vor dem Berufungsgericht in Neapel im Jahre 2013 (Anlage B 2/B 81) mit einer Verletzungsklage, 19 andere Gemeinschaftsgeschmacksmuster und 5 internationale Eintragungen betreffend, gescheitert sei und kein Grund ersichtlich sei, weshalb sich das Klagegeschmacksmuster von den 19 bereits in den Verfahren vor den Gerichten in Neapel in erster und zweiter Instanz streitgegenständlichen unterscheiden solle.
17Jedenfalls sei das hiesige Verfahren auszusetzen. Dies folge zum einen aus Art. 27 Abs. 1 EuGVVO a.F.. Hierzu behauptet sie, die von ihr vor beim Tribunale di Napoli eingereichte Klage, mit der unionsweit die Feststellung der Nichtverletzung begehrt werde, sei der hiesigen Klägerin am 25.01.2013 wirksam zugestellt worden (Anlagen B 4, B 43). Sie sei nicht darüber informiert worden, dass die Klägerin die Annahme verweigert habe, was sie ohnehin mit Nichtwissen bestreite. Die Klägerin sei zu einer Annahmeverweigerung auch nicht berechtigt gewesen. Die Übersetzung sei vollständig gewesen; ihre Justiziarin habe auch alle Klageunterlagen vollständig zur Übermittlung bei Gericht eingereicht. Über etwaige Unregelmäßigkeiten der Zustellungen, sollten diese nicht ohnehin geheilt sein, habe nur der Tribunale di Napoli und nicht die hiesige Kammer zu befinden. Sie wehre sich auch entschieden gegen den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Ihr ginge es ausschließlich darum, eine Konzentration der Verfahren zu erreichen, um sich so gut es eben gehe davor zu schützen, von der Klägerin gestützt auf den fliegenden Gerichtsstand willkürlich mit Verfahren an unterschiedlichen Gerichtsständen überzogen zu werden. Es sei auch keineswegs geklärt, dass das Tribunale di Napoli sich für unzuständig erkläre. So ginge es in dem dortigen Verfahren auch um einen Schadenersatzanspruch X-X3 Verstoßes gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften, für den Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a.F. gelte. Hilfsweise beantrage sie die Aussetzung nach Art. 28 EuGVVO a.F.. Äußerst hilfsweise beantrage sie eine Aussetzung nach § 148 ZPO bis zum rechtskräftigen Abschluss des gleich gelagerten Rechtsstreits zwischen einem anderen deutschen Automobilhersteller und ihr (Landgericht Stuttgart, 17 O #####/####). Schließlich gebiete auch Art. 4 des Vertrages von Lissabon eine Aussetzung.
18Die Klage sei auch unbegründet. Ihr komme die sog. „Reparaturklausel“ in Art. 110 GGV zu Gute, die Herstellung und der Vertrieb der Leichtmetallräder seien somit rechtmäßig.
19Die von ihr vertriebenen Leichtmetallräder seien Bauelemente des komplexen Erzeugnisses „Kraftfahrzeug“. Sie seien sowohl aus technischer Sicht als auch unter Design-Aspekten integraler Bestandteil eines Kraftfahrzeuges. Art. 110 GGV müsse im Lichte der Geschmacksmusterrichtlinie (Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.10.1998) sowie der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 461/2010 der Kommission vom 27.05.2010, Verordnung (EG) Nr. #####/#### der Kommission vom 31.07.2002) ausgelegt werden, worin zum Ausdruck gebracht werde, dass ein Wettbewerb auf dem Markt für sichtbare Ersatzteile möglich sein solle. Auch die Regelung Nr. 124 UN/ECE der Vereinten Nationen bringe zum Ausdruck, dass der Markt für „Nachrüsträder“ gestärkt werden solle. Weiter ergebe sich aus einer Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 23.12.2009, dass auch Felgen als Ersatzteile im Sinne des Art. 110 GGV anzusehen seien. Auch die bezeichnete Rechtsprechung aus Italien, namentlich von Gerichten in Neapel und La Spezia, hätte dies bejaht. Diese Sicht bestätige auch ein Gutachten von Professor B. Stefano Sandri (Anlage B 48), nach dem die Reparaturklausel auf Felgen anwendbar sei, die erwiesenermaßen als Replica-Ersatz für Originalteile der Fahrzeuge dienten, sowie ein weiteres Gutachten von Professor G (Anlage B 49), nach dem Räder in technisch-funktionaler Hinsicht ebenso wie unter ästhetischen Gesichtspunkten ein wesentlicher Bestandteil des Fahrzeuges und nicht bloß Zubehör darstellten. Schließlich sei die Frage über die entsprechende Anwendung des Art. 110 GGV bei Zweifeln dem EuGH vorzulegen und das Verfahren entsprechend auszusetzen.
20Sie vertreibe Felgen auch ausschließlich auf dem sog. Sekundärmarkt, also zum Zwecke des Austauschs einer unfallbedingt oder aus sonstigen Gründen beschädigten Originalfelge. Die Felgen würden allein mit dem Ziel hergestellt und vertrieben, die Reparatur von Kraftfahrzeugen zu ermöglichen und damit das ursprüngliche Erscheinungsbild wiederherzustellen. Sie stelle insbesondere auf ihrer Internetseite, aber auch in ihren Katalogen ausreichend klar, dass es sich lediglich um Ersatzfelgen handele, die nur für den Austausch gegen Originalfelgen bestimmt seien. Entsprechend dieser Zweckbestimmung verkaufe sie insbesondere einzelne Felgen und zwar ausschließlich an Reparaturwerkstätten bzw. Händler, die Felgen an Reparaturwerkstätten weiterverkauften. Um sicherzustellen, dass die Reparaturwerkstätten und Endverbraucher, an die sie auf entsprechende Weisung der Reparaturwerkstätten auch direkt ausliefere, die Felgen tatsächlich nur zu Reparaturzwecken einsetzten, gebe sie bei jedem Verkauf ein „Formblatt zur Bestätigung der Nutzung als Reparaturteil“ heraus und lasse sich hierauf bestätigen, dass der Ersatz nur zu Reparaturzwecken erfolge, anderenfalls die Garantie entfalle (Anlage B 18). Hierdurch werde der ausschließliche Verwendungszweck hinreichend gesichert.
21Sie täusche auch nicht über die Herkunft der Felge. Zwar würden die Ersatzfelgen den „Originalfelgen“ nachgebildet, es handele sich aber nicht um Plagiate, sondern um klar als Produkte der Beklagten gekennzeichnete Waren. Die von ihr hergestellten Felgen wiesen alle erforderlichen Genehmigungen auf und erfüllten alle Sicherheitsstandards. Die Beklagte lege bei der Herstellung der Felgen die von der Klägerin der Genehmigungsbehörde offiziell im Typengenehmigungsverfahren vorzulegenden und von dieser in der Datenbank der Schweizer Eidgenossenschaft veröffentlichten Daten zugrunde und stelle entsprechend – was unstreitig ist – Felgen nur in den von der Klägerin in der Datenbank hinterlegten Größen her. Sie habe sich an diesen technischen Daten orientieren müssen, da die Klägerin nicht bereit gewesen sei, ihr nähere Angaben, unter anderem bezüglich der Größen der Räder mitzuteilen, die die Klägerin bei Erstauslieferung der Fahrzeuge verwende.
22Überdies stellte die angegriffene Felge deshalb keine Verletzung des Klagegeschmacksmusters dar, da es zur Gewährleistung der Sicherheit des Fahrzeuges erforderlich sei, dass die Ausstattung und das Design der Ersatzfelge identisch mit demjenigen von dem Hersteller für die Originalfelge gewählten Design seien.
23Schließlich sei das Vorgehen der Klägerin rechtsmissbräuchlich. Der Verband der Automobilindustrie habe gegenüber dem deutschen Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Geschmacksmusterreformgesetzes im Jahre 2003 zugesichert, Schutzrechte nicht geltend zu machen, um den Wettbewerb im Ersatzteilhandel nicht zu beeinträchtigen. Hieran sei auch die Klägerin gebunden. Überdies liege in dem Vorgehen der Klägerin der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 AEUV.
24Mit nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen und nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 05.02.2015 und 19.03.2015 (Klägerin) sowie vom 23.02.2015 (Beklagte) haben die Parteien weiter vorgetragen.
25X-X3 des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
26Die Klage ist zulässig und vollumfänglich begründet.
27A.
28Die Klage ist zulässig. Die Kammer ist zuständig. Ein Abweisungsgrund nach Art. 95 Abs. 2 GGV besteht nicht und das Verfahren ist auch nicht im Hinblick auf das vor dem Tribunale di Napoli geführte negative Feststellungsverfahren auszusetzen.
29I.
30Die internationale Zuständigkeit der Kammer folgt aus Art. 82 Abs. 5 GGV; Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a.F. ist gemäß Art. 79 Abs. 3 lit. a) GGV für den hier vorliegenden Fall einer Verletzungsklage im Sinne von Art. 81 lit. a) GGV nicht anzuwenden. Art. 82 Abs. 5 GGV begründet eine Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedsstaates, in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht. Dabei ist unter dem Ort der begangenen Verletzung sowohl der Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort) als auch der Ort, an dem der Handlungserfolg eingetreten ist (Erfolgsort), zu verstehen. Die Beklagte hat unstreitig einen Satz Felgen „Neptune GT“ von Italien nach Deutschland, und zwar an Herrn I in Hilden und damit in den Gerichtsbezirk des Landgerichts Düsseldorf geliefert. Dass die Lieferung der Beklagten auf einem Testkauf beruht, steht dem nicht entgegen. Da es mithin auf einen durch das Internetangebot der Beklagten begründeten Verletzungsort für die Frage der internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf nicht ankommt, bedarf es einer näheren Auseinandersetzung mit dem Vortrag der Beklagten, sie sei bloßes Opfer der technischen Reichweite dieses Mediums, nicht.
31Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich damit aus § 32 ZPO. Das Landgericht Düsseldorf ist aufgrund der Verordnung vom 02.06.2004 (GV.NRW S. 291) i.V.m. der Verordnung vom 11.05.2004 (GV.NRW S. 244) als Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht für alle nordrhein-westfälischen Landgerichtsbezirke ausschließlich zuständig.
32Die Kammer ist überdies, obwohl nicht mehr mit der Spezialzuständigkeit für Kartellsachen betraut, trotz des von der Beklagten erhobenen Kartelleinwands nach Art. 102 AEUV, funktionell zuständig. Denn ein Nicht-Kartellgericht hat trotz § 87 S. 2 GWB seine Zuständigkeit zu bejahen, wenn es die kartellrechtlichen Fragen ohne Weiteres beantworten kann, beispielsweise weil die kartellrechtlichen Einwendungen eindeutig unbegründet sind oder die Fragen aufgrund höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt sind (vgl. Lange/Bunte, Kartellrecht Kommentar Band 1, 12. Aufl. 2014, § 87 GWB Rz. 17 und 19). Beides ist hier der Fall, wie später noch ausgeführt werden wird.
33Die Kammer hat sich nicht im Hinblick auf die von der Beklagten beim Tribunale di Napoli eingereichte negative Feststellungsklage gemäß Art. 95 Abs. 1 GGV für unzuständig zu erklären. Art. 95 Abs. 1 GGV setzt voraus, dass zwei Verfahren anhängig sind, von denen eines ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster und das andere ein nationales Geschmacksmusterrecht (einschließlich eines internationalen Geschmacksmusters mit Benennung eines Mitgliedstaates), das gleichzeitig Schutz gewährt, betreffen. Art. 95 GGV ist indes nicht einschlägig, soweit beispielsweise nur aus einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster geklagt wird, dies aber mehrmals. In solchen Fällen kommt eine Aussetzung nach Art. 27 EuGVVO a.F. oder Art. 28 EuGVVO a.F., die gemäß Art. 66 Abs. 1 EuGVVO für das vorliegende Verfahren zur Anwendung kommen, in Betracht. Angesichts dieser Möglichkeiten besteht auch kein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung des Art. 95 Abs. 1 GGV für den hier vorliegenden Fall.
34Schließlich hat sich die Kammer nicht gemäß Art. 27 Abs. 2 EuGVVO a.F. aufgrund des zwischen den Parteien geführten und inzwischen vom Berufungsgericht in Neapel entschiedenen Verletzungsverfahrens (Anlagen B 2/B 81), 19 andere Gemeinschaftsgeschmuster und 5 internationale Eintragungen betreffend, für unzuständig zu erklären, da beide Verfahren nicht „denselben Anspruch“ i.S.v. Art. 27 EuGVVO a.F. betreffen. Es ist unstreitig, dass das dortige Verfahren Geschmacksmuster der Klägerin und Beklagtenerzeugnisse betrifft, die mit dem hier streitgegenständlichen Klagegeschmacksmuster und streitbefangenen Felgendesign der Beklagten nicht identisch sind.
35II.
36Die Klage ist auch nicht nach Art. 95 Abs. 2 GGV X-X3 dieses Verletzungsverfahrens vor dem Tribunale di Napoli abzuweisen. Es fehlt wiederum an der auch im Rahmen von Art. 95 Abs. 2 GGV erforderlichen Identität der Streitgegenstände. Art. 95 Abs. 2 GGV setzt voraus, dass Klagen X-X3 „derselben Handlungen“ erhoben wurden. Damit ist klargestellt, dass sich die Klagen auf ein und dieselben Beklagtenerzeugnisse beziehen müssen (vgl. Ruhl, GGV, 2. Aufl., Art. 95 Rz. 11).
37III.
38Das Verfahren ist nicht auszusetzen.
391.
40Das Verfahren ist nicht nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO a.F. im Hinblick auf die seitens der Beklagten beim Tribunale die Napoli eingereichte negative Feststellungsklage der Beklagten auszusetzen.
41Art. 27 Abs. 1 EuGVVO a.F. bestimmt, dass, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen X-X3 desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden, das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts X-X3 aussetzt, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.
42Zwar sind die Parteien der beiden Verfahren dieselben. Auch dürfte bereits eine Auslegung der beim Tribunale di Napoli eingereichten Klageschrift ungeachtet der seitens der Beklagten später erfolgten dahingehenden Klarstellung ergeben, dass das dort geführte Verfahren nicht auf Italien beschränkt ist, sondern sich vielmehr auf die Europäische Union bezieht. Hierfür sprechen beispielsweise der argumentative Rückgriff der Beklagten auf Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a.F. sowie das in der Klageschrift zum Ausdruck kommende Begehren, Rechtssicherheit zu erlangen. Damit liegt bezogen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und bezogen auf das hiesige Klagegeschmacksmuster derselbe Anspruch wie im hiesigen Verfahren im Sinne von Art. 27 Abs. 1 EuGVVO a.F. vor.
43Allerdings ist nach Auffassung der Kammer das Tribunale die Napoli nicht als das zuerst angerufene Gericht anzusehen (a)). Jedenfalls erachtet die Kammer im vorliegenden Fall eine Berufung der Beklagten auf Art. 27 Abs. 1 GGV a.F. für rechtsmissbräuchlich (b)).
44a)
45Im Rahmen von Art. 27 EuGVVO a.F. gilt das sog. Prioritätsprinzip: Das spätere Verfahren wird durch das frühere Verfahren blockiert. Maßgebend ist dabei, wann die Klage anhängig gemacht wurde und damit die Rechtshängigkeit im autonomen Sinne des Art. 30 Nr. 1 EuGVVO a.F. eingetreten ist, bei der die Einreichung des bestimmenden Schriftsatzes bei Gericht genügt, wenn die Klägerin es in der Folge nicht versäumt hat, die ihr obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstückes an die Beklagte zu bewirken.
46Die hiesige Klage ist am 14.10.2013 bei Gericht eingegangen. Gleichzeitig zahlte die Klägerin den Gerichtskostenvorschuss und einen Vorschuss für die Übersetzung ein. Nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens durch Verfügung vom 30.10.2013 wurde zum Zwecke der Zustellung der Klage die Übersetzung der Klageschrift und eines Teils der Anlagen in Auftrag gegeben. Nach Eingang der Übersetzung wurde unverzüglich die Zustellung der Klage nebst Anlagen inkl. Übersetzungen durch Einschreiben mit Rückschein veranlasst, die sodann am 13.01.2014 erfolgte.
47Da mithin die Klägerin des hiesigen Verfahrens ihrerseits alles getan hat, um die Zustellung an die Beklagte zu bewirken, wirkt der Zeitpunkt der Zustellung der Klage vorliegend auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage am 14.10.2013 zurück.
48Zu diesem Zeitpunkt war die beim Tribunale di Napoli eingereichte negative Feststellungsklage der Beklagten gegen die Klägerin nicht i.S.d. Art. 30 Nr. 1 EuGVVO a.F. anhängig, da die Beklagte es versäumt hat, die ihr obliegenden Maßnahmen zur schnellstmöglichen Zustellung des Schriftstücks an die Klägerin zu bewirken. Das erkennende deutsche Gericht hat die Frage, ob die im anderen (ausländischen) Prozess veranlasste Zustellung nach dem maßgeblichen ausländischen Recht wirksam war und deshalb eine zeitlich frühere Rechtshängigkeit begründet hat, selbständig – ohne Bindung an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des ausländischen Gerichts – zu prüfen (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 30. Aufl. 2014, Art. 27 EuGVVO Rz. 15). Hiernach kann von einer wirksamen Zustellung der negativen Feststellungsklage an die Klägerin bislang nicht ausgegangen werden.
49Die von der Beklagten in Bezug genommene Anlage B 4 (in Übersetzung Anlage B 43) beinhaltet lediglich die Bestätigung des Gerichtsvollziehers beim Berufungsgericht Neapel, dass er zwei Ausfertigungen der Klageschrift per Einschreiben an die zentrale ausländische Behörde zwecks Zustellung gemäß EWG-Vorschrift #####/#### gesandt habe. Die Klägerin hatte schon in der Klageschrift vom 10.10.2013 vorgetragen, die Annahme der negativen Feststellungsklage, deren Zustellung gemäß § 1068 Abs. 2 ZPO sodann im X2 deutscher Rechtshilfe durch das Amtsgericht München veranlasst wurde, gemäß Art. 8 EuZVO verweigert und die Schriftstücke zurückgesandt zu haben. Dieses Vorbringen hat sie im Termin zur mündlichen Verhandlung durch Vorlage einer Ablichtung einer Empfangsbestätigung des Amtsgerichts München vom 21.02.2013 nebst anliegender Erklärung der Verweigerung der Annahme vom 20.02.2013 (nachgereicht als Anlage K 190) näher substantiiert. Hierauf hat die Beklagte nicht beachtlich erwidert. Ihr Einwand, ihr seien diese Unterlagen bislang nicht bekannt gewesen und sie sei auch nicht darüber informiert worden, dass die Klägerin sich geweigert habe, die Zustellung anzunehmen, weshalb sie dies mit Nichtwissen bestreite, überzeugen angesichts ihres eigenen Vorbringens in der mündlichen Verhandlung, die Klägerin habe in dem Verfahren in Italien Einwände gegen die Zustellung erhoben, nicht. Es hätte der Beklagten oblegen darzulegen, welche anderen Einwände, wenn nicht die hier vorgetragenen, dies gewesen sein sollen.
50Die Klägerin war auch zur Verweigerung der Annahme gemäß Art. 8 EuZVO berechtigt. Hiernach darf der Empfänger die Annahme eines zuzustellenden Schriftstücks verweigern, wenn das Schriftstück weder in einer Sprache, die der Empfänger versteht, noch in der Amtssprache des Empfangsstaates abgefasst ist und auch keine entsprechende Übersetzung vorliegt. Diese Voraussetzung ist vorliegend schon deshalb gegeben, weil die Übersetzung der Klageschrift, vorgelegt als Anlage K 8, erkennbar auf ihren Seiten 40 und 48 Lücken, sprich nicht übersetzte Teile beinhaltet. Dass die Übersetzung lückenhaft ist, hat die Beklagte nicht beachtlich bestritten. Sie hat zwar eingewandt, die Übersetzung sei vollständig gewesen, und hat eine eidesstattliche Versicherung der Übersetzerin vorgelegt, nach der diese ihre Aufgabe ordnungsgemäß und nach bestem Wissen ausgeführt habe. Dies reichte indes nicht aus. Die Beklagte hätte konkret vortragen müssen und durch Vorlage der entsprechenden Seiten näher belegen müssen, dass die von der Übersetzerin gefertigte Übersetzung die von der Klägerin gerügten Lücken nicht enthalten hat.
51Die wenn auch nur in sehr geringem Umfang lückenhafte Übersetzung gab der Klägerin das Recht, die Annahme zu verweigern. Auch wenn streitig sein mag, in welchem Umfang auch Anlagen zum verfahrenseinleitenden Schriftstück übersetzt werden müssen, um ein Annahmeverweigerungsrecht des Empfängers auszuschließen, ist unstreitig, dass jedenfalls das verfahrenseinleitende Schriftstück selbst übersetzt werden muss. Wenn der EuGH (NJW 2008, 1721 – Ingenieurbüro X) den Begriff des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nun dahin auslegt, dass es das Schriftstück oder die Schriftstücke bezeichnet, deren rechtzeitige Zustellung an den Beklagten diesen in die Lage versetzt, seine Rechte in einem gerichtlichen Verfahren des Übermittlungsstaates geltend zu machen, kann hieraus nicht der Schluss gezogen werden, dass auch eine nur teilweise Übersetzung eines einheitlichen Schriftsatzes, hier der Klageschrift, genügt, wenn sich dieser Übersetzung noch mit Bestimmtheit Gegenstand und Grund des Antrags entnehmen lassen. Vielmehr ist jedenfalls hinsichtlich des verfahrenseinleitenden Schriftstückes eine vollständige und lückenlose Übersetzung zu fordern.
52Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Klägerin Anlagen zugegangen sind oder nicht und inwieweit es auch insoweit einer Übersetzung bedurft hätte, kommt es hiernach nach Auffassung der Kammer nicht an.
53Der Fehler der fehlenden Übersetzung kann weiter nur durch Nachreichen einer Übersetzung korrigiert werden, die ebenfalls zugestellt werden muss, Art. 8 Abs. 3 S. 1 EuZVO, wobei gemäß Art. 8 Abs. 3 S. 2 EuZVO von einer wirksamen Zustellung ab dem Zeitpunkt ausgegangen werden kann, zu dem auch die fehlende Übersetzung eingegangen ist. Dies ist bislang nicht erfolgt, obwohl die Beklagte spätestens seit Zustellung der hiesigen Klageschrift von den Gründen der Annahmeverweigerung Kenntnis hatte.
54Somit kann von einer wirksamen Zustellung der negativen Feststellungsklage an die Klägerin bislang nicht ausgegangen werden. Da hierzu zumindest auch die Beklagte beigetragen hat, indem sie jedenfalls eine lückenhafte Übersetzung zur Zustellung überreicht hat, kann für die für Art. 27 Abs. 1 EuGVVO a.F. entscheidende Frage der Priorität auch nicht auf den Zeitpunkt der Einreichung der negativen Feststellungsklage beim Tribunale die Napoli abgestellt werden.
55b)
56Überdies erachtet die Kammer im vorliegenden Fall eine Berufung der Beklagten auf Art. 27 Abs. 1 EuGVVO a.F. als rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich. Die Kammer verkennt nicht, dass es dem später angerufenen Gericht nach der Systematik der Verordnung grundsätzlich verwehrt ist, die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts zu prüfen (vgl. Musielak, ZPO, 11. Aufl. 2014, Art. 27 VO (EG) 44/2001 Rz. 7). Eine Berufung auf Art. 27 Abs. 1 EuGVVO a.F. kann aber ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des Verbots unzulässiger Rechtsausübung dann zu versagen sein, wenn die Erhebung der negativen Feststellungsklage vor einem offensichtlich unzuständigen Gericht eines anderen Mitgliedstaates erfolgte und dies dem Kläger bekannt war. Dieser Fall liegt hier vor.
57Die von der Beklagten beim Tribunale di Napoli eingereichte Klage, mit der unionsweit die Feststellung der Nichtverletzung einer Vielzahl von Gemeinschaftsgeschmacksmustern der Klägerin begehrt wird, ist offensichtlich beim unzuständigen Gericht erhoben. Ohne Deutungsmöglichkeit ergibt sich dies zwingend aus dem Gesetz: Die Anwendung von Art. 5 Abs. 3 EuGVVO a.F. ist nach Art. 79 Abs. 3 lit. a) GGV ausgeschlossen. Art. 82 Abs. 5 GGV ist für negative Feststellungsklagen ebenfalls nicht anwendbar, da diese Vorschrift nicht auf Art. 81 lit. b) GGV verweist. Auch durch eine wie auch immer geartete Verbindung der negativen Feststellungsklage mit weiteren Ansprüchen wird eine Zuständigkeit des Tribunale di Napoli für erstere nicht begründet.
58Die fehlende Zuständigkeit war der Beklagten auch positiv bekannt aufgrund einer bereits zuvor beim Tribunale die Napoli eingereichten negativen Feststellungsklage gegen einen anderen deutschen Automobilhersteller, die das Tribunale di Napoli bereits mit Urteil vom 09.07.2012 in der Sache ohne Entscheidung X-X3 Unzuständigkeit zurückgewiesen hatte. Es ist kein Grund ersichtlich und auch nicht dargetan, weshalb die Beklagte berechtigten Anlass zur Annahme haben sollte, das Tribunale di Napoli werden nunmehr anders entscheiden.
59Der Einwand der Beklagten, ihr gehe es darum, von der Klägerin nicht willkürlich europaweit an unterschiedlichen Gerichtsständen mit Verfahren überzogen und damit wirtschaftlich unter Druck gesetzt zu werden, rechtfertigt sein Vorgehen vor dem Tribunale di Napoli nicht. Der X3 der negativen Feststellungsklage steht ihm durchaus offen, gemäß Art. 82 Abs. 1 GGV indes vor einem Gericht am Sitz der hiesigen Klägerin.
602.
61Die Kammer sieht auch keinen Grund für eine Aussetzung nach Art. 28 Abs. 1 EuGVVO a.F. für gegeben, da mangels Zuständigkeit des Tribunale di Napoli eine Entscheidung in der Sache im dortigen Verfahren nicht zu erwarten ist.
623.
63Auch Art. 4 des Vertrages von Lissabon gebietet keine Aussetzung; das Gericht ist bereits nicht Adressat dieser Vorschrift. Es besteht auch keine Veranlassung, das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des gleich gelagerten Rechtsstreits zwischen einem anderen deutschen Automobilhersteller und ihr (Landgericht Stuttgart, 17 O #####/####) gemäß § 148 ZPO auszusetzen. Die Entscheidung des hiesigen Verfahrens hängt weder ganz noch zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, welches Gegenstand des dortigen Verfahrens ist; dass die Rechtsfrage der Anwendbarkeit von Art. 110 GGV auf Felgen auch in diesem Verfahren streitgegenständlich ist, reicht nach dem Wortlaut des § 148 ZPO für eine Aussetzung nicht aus. Überdies lässt sich die Frage der Anwendbarkeit des Art. 110 GGV - wie noch auszuführen ist – nach Auffassung der Kammer eindeutig beantworten, so dass auch deshalb eine Aussetzung nicht in Betracht zu ziehen ist.
64IV.
65Schließlich ist in der Gerichtswahl der Klägerin kein rechtsmissbräuchliches Verhalten zu sehen. Der Gesetzgeber hat der Klägerin mit Art. 82 Abs. 1 und Abs. 5 GGV grundsätzlich die Wahl zwischen verschiedenen Gerichten eröffnet. Eröffnet das Gesetz einer Partei im Ansatz diese Wahlmöglichkeit, darf sie sie auch ausüben.
66B.
67Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche in vollem Umfang gegen die Beklagte zu.
68I.
69Die Klägerin als Inhaberin des Klagegeschmacksmusters hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung in der beantragten Form gemäß Art. 19 Abs. 1, 10 Abs. 1, 89 Abs. 1 lit. a) GGV. Denn die Beklagte benutzt das Klagegeschmacksmuster, an dessen Rechtsbeständigkeit kein Zweifel besteht.
701.
71Das Klagegeschmacksmuster steht in Kraft. Seine Rechtsgültigkeit wird gemäß Art. 85 Abs. 1 GGV vermutet. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht in statthafter Weise durch die Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage angegriffen.
722.
73Die im Tenor unter Ziffer 1. abgebildete, von der Beklagten angebotene und vertriebene Felge ruft denselben Gesamteindruck wie die durch das Klagegeschmacksmuster geschützte Felge hervor, indem sie deren Merkmale 1:1 übernimmt. Dies stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Keines der das Klagegeschmacksmuster prägenden Erscheinungsmerkmale ist dabei ausschließlich technisch bedingt, Art. 8 Abs. 1 GGV. Der konkrete Durchmesser und die Einpresstiefe mögen ausschließlich technisch bedingt sein. Diese Merkmale lassen sich dem Klagegeschmacksmuster indes nicht entnehmen, prägen somit auch nicht seinen Gesamteindruck. Wie die vielfältigen Felgendesigns zeigen, führt die Einhaltung technischer Normen auch nicht zwingend zu einer bestimmten Gestaltung.
743.
75In der Folge steht der Klägerin aus Art. 19 Abs. 1 GGV das Recht zu, der Beklagten die Benutzung des Klagegeschmacksmusters ohne ihre Zustimmung zu verbieten.
76a)
77Die Reichweite des Schutzes des Klagegeschmacksmusters ist nicht durch Art. 110 GGV eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift besteht bis zum Inkrafttreten von Änderungen der GGV kein Schutz als Gemeinschaftsgeschmacksmuster für ein Muster, das als Bauelement eines komplexen Erzeugnisses verwendet wird, um die Reparatur dieses komplexen Erzeugnisses zu ermöglichen, damit dessen Erscheinungsbild wieder hergestellt wird. Das Nichtbestehen eines Schutzes bezieht sich dabei nicht auf den Bestand des Gemeinschaftsgeschmacksmusters, sondern nur auf die Verwendung eines Bauteils mit dem Ziel der wiederherstellenden Reparatur (Eichmann/von Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 4. Aufl. 2010, § 73 Rz. 2). Es ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden, inwieweit Art. 110 GGV auf Felgen Anwendung findet. Nach Auffassung der Kammer gebietet eine Auslegung der Vorschrift den Schluss, dass Felgen nicht unter die Privilegierung des Art. 110 GGV, mithin in dessen Anwendungsbereich fallen.
78aa)
79Bei Art. 110 GGV handelt es sich um eine eng auszulegende Übergangs- und Ausnahmevorschrift, die eine entsprechend restriktive Auslegung der Tatbestands-voraussetzungen gebietet.
80Eine restriktive Auslegung gebieten zum einen die Entstehungsgeschichte und Formulierung der Vorschrift. Nachdem die Einführung einer dauerhaften Reparaturklausel im Gesetzgebungsverfahren am politischen Widerstand gescheitert war, wählte man die Form einer Übergangsbestimmung, die bis zur Annahme eines Änderungsvorschlags der Kommission Geltung haben sollte. Die Kommission brachte bereits 2004 einen entsprechenden Vorschlag ein, der über die derzeitige Regelung insoweit hinausging, als zusätzlich eine Informationspflicht gegenüber den Verbrauchern über den Ursprung der Ersatzteile vorgesehen war. Dieser Vorschlag wurde indes bislang nicht umgesetzt, im Gegenteil jetzt zurückgezogen (Amtsblatt der Europäischen Union vom 21.05.2014, 2014/ C 153/3, im Auszug vorgelegt als Anlage K 62), so dass die „Übergangsvorschrift“ entgegen der ursprünglichen Intention immer noch in Kraft ist (vgl. Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl. 2010, Art. 110 Rz. 3; LG Stuttgart, Urteil vom 15.10.2013, 17 O #####/####, S. 11, vorgelegt als Anlage K 13.5).
81Darüber hinaus ist eine restriktive Auslegung aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschrift geboten. Seiner Natur nach erstreckt sich der Geschmacksmusterschutz grundsätzlich auch auf die Verwendung als sichtbares Ersatzteil (Ruhl, a.a.O., Art. 10 Rz. 9); nur innere, nicht sichtbare Teile eines komplexen Erzeugnisses erfüllen bereits nicht die Schutzvoraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 GGV, sind also von vornherein vom Geschmacksmusterschutz ausgenommen. Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass der Schutz zur Verwendung als Ersatzteil zum spezifischen Gegenstand eines Geschmacksmusterrechts gehört (EuGH, Rs. C-144/81 – Keurkoop gg. Nancy Kean Gifts, Slg. 1982, 2853; eingehend Straus, Ende des Geschmacksmusterschutzes für Ersatzteile in Europa? Vorgeschlagene Änderungen der EU Richtlinie: Das Mandat der Kommission und seine zweifelhafte Ausführung, GRUR Int 2005, 965, 968 f.). Der BGH erkennt ebenfalls in ständiger Rechtsprechung die grundsätzliche Schutzfähigkeit von äußeren Ersatzteilen an (BGH GRUR 1987, 518 f. – Kotflügel, zum alten deutschen Geschmacksmusterrecht).
82Gilt demnach der Geschmacksmusterschutz grundsätzlich auch für Ersatzteile, stellt eine Abweichung hiervon eine Ausnahme und zugleich einen entschädigungslosen Eingriff in die Rechte des Schutzinhabers dar. Insoweit bedarf es einer besonderen Begründung der Rechteeinschränkung, die eine möglichst zurückhaltende Anwendung der Vorschrift verlangt (vgl. LG Stuttgart, a.a.O., S. 12).
83Eine restriktive Auslegung des Art. 110 GGV im Sinne einer Ausnahmevorschrift gebieten auch Art. 25 und 26 TRIPS. Nach Art. 25 Abs. 1 S. 1 TRIPS sehen die Mitgliedsstaaten den „Schutz unabhängig geschaffener gewerblicher Muster und Modelle, die neu sind oder Eigenart haben“ vor. Eine Ausnahme ist nach Art. 25 Abs. 1 S. 3 TRIPS nur zulässig, wenn die fragliche Gestaltungsform „im Wesentlichen aufgrund technischer und funktionaler Überlegungen“ vorgegeben ist. Darunter fallen jedoch nicht die außen liegenden Teile, da deren Gestaltung in aller Regel und auch hier nicht im Einzelnen von ihrer Funktion diktiert wird. Für diese können allenfalls nach Art. 26 Abs. 2 TRIPS die „Mitglieder begrenzte Ausnahmen vom Schutz gewerblicher Muster und Modelle vorsehen, sofern solche Ausnahmen nicht unangemessen im Widerspruch zur normalen Verwertung geschützter gewerblicher Muster oder Modelle stehen“ und „die berechtigten Interessen des Inhabers des geschützten Musters oder Modells nicht unangemessen beeinträchtigen“, „wobei auch die berechtigten Interessen Dritter zu berücksichtigen sind“.
84bb)
85Zweck des Art. 110 GGV ist die Liberalisierung des Handels mit Ersatzteilen (vgl. hierzu allg. Drexl, Hilty, Kur, Designschutz für Ersatzteile – Der Kommissionsvorschlag zur Einführung einer Reparaturklausel, GRUR Int 2005, 449 ff.). Die Schutzausnahme wird damit begründet, dass anderenfalls kein Preiswettbewerb stattfände, sondern der Schutzinhaber ungebührlich hohe Preise verlangen könnte (vgl. Ruhl, a.a.O., Art. 110 Rz. 12). Selbst wenn eine solch wirtschaftspolitisch motivierte Schutzeinschränkung im Grundsatz zu billigen ist, ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob sich aus der konkreten Schutzeinschränkung überhaupt gesamtwirtschaftlich nachweisbar ein erheblicher Nutzen ergeben kann. Denn die Begründung der überdies entschädigungslos hinzunehmenden Schutzeinschränkung trägt nur, wenn sich die Preise gerade einer Zwangssituation verdanken, nicht aber, soweit schutzrechtsgeschützte Waren ohnehin teurer sind als andere. Dies wird man, und entsprechend eng ist demnach auch die Vorschrift des Art. 110 GGV auszulegen, nur hinsichtlich solcher Ersatzteile annehmen können, deren originalgetreues Erscheinungsbild zur Reparatur objektiv notwendig („must match“) ist. Denn nur dann ist eine Monopolisierung des Sekundärmarktes für Reparaturen und Wartung, sprich ein Produktmonopol überhaupt denkbar. Für Teile, die über eine eigenständige und unabhängige Stilfunktion verfügen, die das Ergebnis einer Wahl des Designs darstellt und die vom Design des übrigen Erzeugnisses unbeeinträchtigt bleibt, stellt sich die Frage und Notwendigkeit der Öffnung des Sekundärmarktes gar nicht. Denn die Verhinderung eines bloßen Formenmonopols ist nicht beabsichtigt.
86Im vorliegenden Fall fehlt es an der objektiven Notwendigkeit, das ursprüngliche Erscheinungsbild wiederherzustellen. Insoweit schließt sich die Kammer der Auffassung des Landgerichts Stuttgart in dessen bereits zitierten Urteil vom 15.10.2013 an, dass Felgen Teile des Fahrzeuges sind, die nicht dergestalt das Fahrzeug in seiner äußeren Form kennzeichnen, dass die Notwendigkeit eines originalgetreuen Ersatzes besteht.
87Anders als bei Motorhauben, Kotflügeln oder Autoteilen, sprich Karosserieteilen, die unmittelbar die Fahrzeugsilhouette bestimmen und bei deren Austausch das Design des komplexen Erzeugnisses „Kraftfahrzeug“ insgesamt verändert wird, hat der Austausch der Felgen keinen für den Verbraucher maßgeblichen Einfluss auf das Karosseriedesign. Baute man etwa an ein Fahrzeug der Marke Q die Kotflügel eines solchen der Marke G2 an, veränderte sich das Gesamtprodukt dergestalt, dass das ursprüngliche Erscheinungsbild verloren ginge. Der Einbau eines Kotflügels, einer Motorhaube oder eines sonstigen Karosserieteils mit einem veränderten Design ist erkennbar unsinnig und wird nicht nachgefragt werden. Ist eine Marktfähigkeit eines im Design abweichenden Ersatzteils aber zu bejahen, dann fehlt es an der objektiven Notwendigkeit der Wiederherstellung des ursprünglichen Erscheinungsbildes. So liegt es bei Felgen. Die Felge ist zwar ein technisch unverzichtbares, im Gesamterscheinungsbild des Kraftfahrzeuges aber eigenständiges Gestaltungsmerkmal. Ihr Design ist unstreitig schon bei Ersterwerb des Fahrzeuges frei wählbar. Unstreitig ist auch, dass ein bedeutender Markt für Zubehörfelgen existiert, der von namhaften Unternehmen wie C1 und S4 bedient wird, und zahllose Formen von Leichtmetallrädern unabhängig von der jeweiligen Karosserieform des Fahrzeugs und für alle gängigen Automobilmarken angeboten werden. Im Schadensfall muss die Felge daher zwar zwingend ersetzt werden, nicht aber zwingend durch dasselbe Felgendesign. Dies zeigt nicht zuletzt auch das Geschäftsmodell der Beklagten. Denn wenn, wie nicht, im Schadensfall zwingend eine Felge durch eine optisch identische Felge ersetzt werden müsste, so bestünde nur ein Bedarf an solchen Felgen, für die es korrespondierende OE-Felgen gibt. Unstreitig bietet die Beklagte das angegriffene Felgendesign aber in Größen und auch für Fahrzeuge an, zu denen keine korrespondierende OE-Felge der Klägerin existiert. Hierfür gäbe es dann keine Nachfrage. Dies behauptet indes die Beklagte nicht, so dass ihre Argumentation insoweit widersprüchlich ist.
88Aus der Erteilung von Typengenehmigungen für ihre Felgen kann die Beklagte auch nichts für sie Günstiges herleiten. Die Genehmigung für ein Nachrüstrad wird entsprechend Ziffer 4.1 der Regelung Nr. 124 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE) erteilt, wenn das zur Genehmigung vorgeführte Rad „den Vorschriften entspricht“. Diese werden in Ziffer 6 der Regelung genannt, sind technischer Natur und dienen der Sicherheit. Demgegenüber hat die Regelung nicht zum Gegenstand, dass ein Nachrüstrad folgenlos von einem Schutzrecht, insbesondere einem solchen, das sich auf die Erscheinungsform bezieht, Gebrauch machen darf (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2015, I-20 U 267/12, S. 8 f.).
89cc)
90Darüber hinaus hat die Beklagte schon nicht hinreichend darzulegen vermocht, dass ihr Ziel der Benutzung ausschließlich ist, die Reparatur eines komplexen Erzeugnisses zu ermöglichen. Nach dem Wortlaut des Art. 110 GGV ist der Nachweis der Absicht zur Benutzung als Reparaturaustauschteil durch den Ersatzhersteller zu führen. Dabei kann der Ersatzteilhersteller eine derartige Absicht nur beweisen, indem er darlegt, wie er sicherstellen kann, dass das von ihm gelieferte Teil nur als Reparaturaustauschteil verwendet wird (vgl. Ruhl, a.a.O., Art. 110 Rz. 30). Der Hinweis der Beklagten in ihrem Internetauftritt, dass es sich um „nachgebaute Nachrüsträder“ oder „ähnlich gebaute Nachrüsträder“ handele, „die vollkommen kompatibel mit einem bestimmten Fahrzeug sind, für das sie ausschließlich bestimmt sind, um es zu reparieren, um so sein ursprüngliches Erscheinungsbild wieder herzustellen“ (Anlage B 7; Übersetzung Bl. 59 GA), vermag nicht sicherzustellen, dass sich der Besteller an diese Vorgaben auch hält (so auch OLG Stuttgart, Urteil vom 11.09.2014, 2 U 46/14, S. 24, vorgelegt als Anlage K 188). Noch weniger vermag dies der im (Online-)Felgenkatalog der Beklagten zu findende Hinweis „spare wheels adaptable only for C2“ sicherzustellen. Auch das von der Beklagten angeführte „Formblatt zur Bestätigung der Nutzung als Reparaturteil“ (Anlage B 18) ist untauglich, die Verwendung als Reparaturaustauschteil sicherzustellen. Denn entgegen der Behauptung der Beklagten ist eine seitens des Erwerbers der Felgen fälschlicherweise abgegebene Bestätigung an keine Konsequenzen geknüpft. So entfällt ausweislich des Wortlauts der Bestätigung die Garantie nicht bereits dann, wenn die betreffenden Felgen nicht zu Reparaturzwecken benutzt werden, sondern nur im Falle deren Montage und Betrieb entgegen der Typengenehmigung des jeweiligen Fahrzeuges.
91b)
92Die Klägerin ist auch nicht daran gehindert, sich auf eine Verletzung ihrer Geschmacksmusterrechte zu berufen.
93Die Kammer vermag nicht der Ansicht der Beklagten zu folgen, die Klägerin könne sich X-X3 einer (angeblichen) Erklärung der Automobilhersteller gegenüber dem deutschen Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Geschmacksmusterreformgesetzes im Jahre 2003, die Nichtgeltendmachung von Schutzrechten zuzusichern, auf ihre Rechte nicht berufen. Den von den Beklagten vorgelegten Unterlagen können keine der Klägerin zuzurechnenden rechtsverbindlichen Erklärungen der Automobilindustrie entnommen werden. Insoweit kann zunächst vollumfänglich den Ausführungen des OLG München im Urteil vom 12.05.2005 (BeckRS 2005, 07902) gefolgt werden: „Bei den vorstehenden Erklärungen der Automobilindustrie handelt es sich um Lobbyistenerklärungen im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens ohne Rechtsverbindlichkeit. Hiervon geht implizit auch die vorstehend genannte Begründung an anderer Stelle (BT-Drucks. 15/1075, S. 66) aus; dort wird ausgeführt: „Sollte sich herausstellen, dass die Automobilhersteller in höherem Maße als bisher Einzelteile der Gesamtkarosserie eines Fahrzeuges schützen lassen und versuchen, vermehrt Rechte dazu durchzusetzen, um auf diese Weise den Ersatzteilmarkt zu beeinflussen, wäre ein Einschreiten des Gesetzgebers erforderlich…“ .“
94Überdies gilt, dass, wenn überhaupt eine auch die Klägerin bindende Erklärung jenes Verbandes vorliegt, die Verlautbarung sich allenfalls auf das deutschrechtliche Geschmacksmusterrecht bezogen haben kann, während vorliegend ein Anspruch auf europarechtlicher Grundlage geltend gemacht wird (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O., S. 21).
95c)
96Die Geltendmachung der Verletzung des Klagegeschmacksmusters stellt auch keinen Verstoß gegen Art. 102 AEUV dar.
97Der EuGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass der bloße Erwerb eines von der Rechtsordnung gewährten ausschließlichen Rechts, dessen Substanz in der Befugnis besteht, die Herstellung und den Verkauf der geschützten Erzeugnisse durch unbefugte Dritte zu untersagen, grundsätzlich nicht als ein missbräuchliches Mittel zur Ausschaltung des Wettbewerbs angesehen werden kann, selbst wenn sie von einem Unternehmen in einer beherrschenden Stellung ausgehen sollte (vgl. EuGH, GRUR Int. 1990, 141 – Volvo; GRUR Int. 1995, 490 – Magill). Die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber kann hiernach vielmehr nur unter außergewöhnlichen Umständen ein missbräuchliches Verhalten des Rechtsinhabers darstellen (vgl. EuGH a.a.O.). So kommt eine solche Schutzeinschränkung nach Auffassung des EuGH etwa dann in Betracht, wenn der Rechteinhaber willkürlich die Belieferung bestimmter Werkstätten verweigert, unangemessene Ersatzteilpreise verlangt oder die Lieferung von Ersatzteilen einstellt, obwohl die entsprechenden Fahrzeuge noch im Gebrauch sind (vgl. EuGH, GRUR Int. 1990, 140 – CICRA/Régie Renault). Weiter können außergewöhnliche Umstände dann gegeben sein, wenn die Inanspruchnahme des eingeräumten Immaterialgüterrechts ohne rechtfertigenden Grund in einer Weise ausgeübt wird, der jeglichen Wettbewerb ausschließt und die Einführung neuer Produkte verhindert (vgl. EuGH, GRUR 2004, 524 – IMS/Health).
98Dass solche außergewöhnlichen Umstände im Streitfall gegeben sind, ist weder dargetan noch ersichtlich. Wie bereits ausgeführt, ist das konkrete Design nicht ausschließlich technisch bedingt. Der Beklagten bleibt es damit unbenommen, qualitativ gleichwertige aber optisch abweichende Ersatzteile zu fertigen und hiermit in Wettbewerb zur Klägerin auf dem Ersatzteilmarkt zu treten. Die Klägerin vermag mit der Berufung auf ihr Klagegeschmacksmuster daher nicht jeglichen Wettbewerb auszuschließen. Zwar beansprucht sie Schutz für eine bestimmte Felgengestaltung und schließt damit für konkret dieses Felgenmodell einen Wettbewerb aus. Dies ist aber das Charakteristikum des Geschmacksmusterrechts. Die Klägerin missbraucht die ihr von Gesetzes X-X3 eingeräumte Monopolstellung aber nicht, wenn sie dem Verbraucher zumutet, ein von ihr stammendes Kraftfahrzeugradset durch ein bei ihr nachgekauftes Rad zu ergänzen oder ein komplett neues Radset von einem anderen Hersteller zu erwerben (vgl. insoweit auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2015, I-20 U 267/12, S. 12 f.). Dies ist hinzunehmen und bei vielen Produkten der Fall, von denen der Verbraucher eine größere Anzahl besitzt (wie z. B. Gläser, Besteck, Stühle u.v.m.).
994.
100Die Androhung des Ordnungsmittels beruht auf § 88 Abs. 2 GGV i.V.m. § 890 ZPO.
101II.
102Die Beklagte ist überdies gemäß Art. 19 Abs. 1, 88 Abs. 2 GGV i.V.m. §§ 38, 42 Abs. 2 DesignG dem Grunde nach zum Schadenersatz verpflichtet. Die Beklagte handelte jedenfalls unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt und damit fahrlässig, § 276 BGB. Sie kannte das Klagegeschmackmuster und hat dieses bewusst für ihr Felgendesign übernommen. Ein etwaiger Rechtsirrtum über die Reichweite des Geschmacksmusterschutzes bei Felgen entlastet sie nicht (vgl. insoweit auch LG Stuttgart, Urteil vom 15.10.2013, 17 O #####/####, S.17). An der Feststellung der Schadenersatzpflicht hat die Klägerin ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 ZPO, da sie Art und Umfang der rechtsverletzenden Handlungen bisher nicht kennt.
103III.
104Der Auskunfts- und Rechnungslegungs- und Belegherausgabeanspruch der Klägerin (Ziffern 3. bis 5. des Tenors) folgt aus Art. 19 Abs. 1, 88 Abs. 2 GGV i.V.m. § 46 Abs. 1 und 3 DesignG und §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin ist auf die Auskünfte angewiesen, um ihren Schadensersatzanspruch ermitteln und weitere Verletzungen ihres Geschmacksmusters verhindern zu können.
105IV.
106Der Herausgabeanspruch zum Zwecke der Vernichtung (Ziffer 6. des Tenors) ist begründet aus Art. 19 Abs. 1, 89 Abs. 1 lit. d) GGV i.V.m. § 43 Abs. 1 DesignG.
107C.
108Schließlich sah die Kammer keinen Anlass, im Streitfall die Sache auszusetzen und ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten. Die Kammer ist zunächst als erstinstanzliches Gericht nicht zu einer Vorlage verpflichtet, Art. 267 AEUV. Sie hält überdies eine Vorlage nicht für erforderlich, da die Auslegung des Art. 110 GGV nicht derart zweifelhaft ist, dass eine Vorlage geboten erscheint. Im Gegenteil ist aufgrund der angeführten Argumente ohne Weiteres davon auszugehen, dass Leichtmetallfelgen nicht der Ausnahmevorschrift des Art. 110 GGV unterfallen.
109D.
110Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 ZPO.
111Streitwert: 100.000,- €
112Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 51 Abs. 1 GKG. Zwar hat die Klägerin ihr Interesse mit 400.000,- € beziffert, was zunächst als Ausgangspunkt für die Streitwertfestsetzung heranzuziehen ist. Auf den Einwand der Beklagten, der Streitwert sei übersetzt, hat sie indes nichts Konkretes vorgetragen, was dieses Interesse rechtfertigt, insbesondere hat sie keine Umsatzzahlen genannt, die sie mit den nach dem Klagedesign gefertigten Felgen erzielt.
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(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die die Anwendung von Vorschriften des Teils 1, des Artikels 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder des Artikels 53 oder 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betreffen, sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands die Landgerichte ausschließlich zuständig. Satz 1 gilt auch, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung, die nach diesem Gesetz zu treffen ist, oder von der Anwendbarkeit des Artikels 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder des Artikels 53 oder 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum abhängt.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.
(2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.
(3) Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlungen entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden.
(1) Das eingetragene Design gewährt seinem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht, es zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen. Eine Benutzung schließt insbesondere die Herstellung, das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Einfuhr, die Ausfuhr, den Gebrauch eines Erzeugnisses, in das das eingetragene Design aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, und den Besitz eines solchen Erzeugnisses zu den genannten Zwecken ein.
(2) Der Schutz aus einem eingetragenen Design erstreckt sich auf jedes Design, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt. Bei der Beurteilung des Schutzumfangs wird der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Designs berücksichtigt.
(3) Während der Dauer der Aufschiebung der Bekanntmachung (§ 21 Absatz 1 Satz 1) setzt der Schutz nach den Absätzen 1 und 2 voraus, dass das Design das Ergebnis einer Nachahmung des eingetragenen Designs ist.
(1) Wer entgegen § 38 Absatz 1 Satz 1 ein eingetragenes Design benutzt (Verletzer), kann von dem Rechtsinhaber oder einem anderen Berechtigten (Verletzten) auf Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.
(2) Handelt der Verletzer vorsätzlich oder fahrlässig, ist er zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des eingetragenen Designs eingeholt hätte.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Der Verletzte kann den Verletzer auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse in Anspruch nehmen.
(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
- 1.
rechtsverletzende Erzeugnisse in ihrem Besitz hatte, - 2.
rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm, - 3.
für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder - 4.
nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Erzeugnisse beteiligt war,
(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über
- 1.
Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse oder Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und - 2.
die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse oder Dienstleistungen bezahlt wurden.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist.
(5) Erteilt der zur Auskunft Verpflichtete die Auskunft vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch oder unvollständig, so ist er dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(6) Wer eine wahre Auskunft erteilt hat, ohne dazu nach Absatz 1 oder Absatz 2 verpflichtet gewesen zu sein, haftet Dritten gegenüber nur, wenn er wusste, dass er zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet war.
(7) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung kann die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden.
(8) Die Erkenntnisse dürfen in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten wegen einer vor der Erteilung der Auskunft begangenen Tat gegen den Verpflichteten oder gegen einen in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des Verpflichteten verwertet werden.
(9) Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nummer 70 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat, ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bleiben im Übrigen unberührt.
(10) Durch Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 9 wird das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
(1) Der Verletzte kann den Verletzer auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Erzeugnisse in Anspruch nehmen. Satz 1 ist entsprechend auf die im Eigentum des Verletzers stehenden Vorrichtungen anzuwenden, die vorwiegend zur Herstellung dieser Erzeugnisse gedient haben.
(2) Der Verletzte kann den Verletzer auf Rückruf von rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Erzeugnissen oder auf deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen in Anspruch nehmen.
(3) Statt der in Absatz 1 vorgesehenen Maßnahmen kann der Verletzte verlangen, dass ihm die Erzeugnisse, die im Eigentum des Verletzers stehen, gegen eine angemessene Vergütung, welche die Herstellungskosten nicht übersteigen darf, überlassen werden.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 sind ausgeschlossen, wenn die Maßnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind auch die berechtigten Interessen Dritter zu berücksichtigen.
(5) Wesentliche Bestandteile von Gebäuden nach § 93 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie ausscheidbare Teile von Erzeugnissen und Vorrichtungen, deren Herstellung und Verbreitung nicht rechtswidrig ist, unterliegen nicht den in den Absätzen 1 bis 3 vorgesehenen Maßnahmen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) In Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 14) und in Verfahren über Ansprüche nach dem Patentgesetz, dem Gebrauchsmustergesetz, dem Markengesetz, dem Designgesetz, dem Halbleiterschutzgesetz und dem Sortenschutzgesetz ist der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen.
(2) In Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(3) Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten als der nach Absatz 2 ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1 000 Euro anzunehmen. Dieser Wert ist auch anzunehmen, wenn die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt. Der nach Satz 2 oder Satz 3 anzunehmende Wert ist auch maßgebend, wenn in den dort genannten Fällen die Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung nebeneinander geltend gemacht werden.
(4) Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der sich aus den Absätzen 2 und 3 ergebende Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen.
(5) Die Vorschriften über die Anordnung der Streitwertbegünstigung (§ 12 Absatz 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, § 144 des Patentgesetzes, § 26 des Gebrauchsmustergesetzes, § 142 des Markengesetzes, § 54 des Designgesetzes, § 22 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen) sind anzuwenden.