Landgericht Dortmund Urteil, 24. Juni 2016 - 17 S 282/15
Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Schwerte vom 04.11.2015 dahingehend abgeändert, dass die in der Eigentümerversammlung vom 22.09.2014 zu den TOP 2, 3 und 4 gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt werden.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
I.
2Auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wird zunächst Bezug genommen.
3Die Beklagten sind in der Ansicht, das erstinstanzliche Urteil sei mit Blick auf die dort ausgewiesene Versäumung der Anfechtungsfrist gemäß § 46 WEG rechtsfehlerhaft ergangen.
4Darüber hinaus stützen sie ihre Beschlussanfechtungsklage – wie auch bereits erstinstanzlich – unter anderem darauf, dass der Jahresabrechnung 2012 und der Jahresabrechnung 2013, der auch der Wirtschaftsplan 2014 beigefügt war, keine oder erkennbar fehlerhafte Anlagen beigefügt waren. Daher sind sie der Auffassung, dass das Gesamtrechenwerk nicht nachvollziehbar sei.
5Die Berufungskläger beantragen,
6unter Abänderung des am 04.11.2015 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Schwerte Az. 6 C 13/14 die auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 22.09.2014 zu den Tagesordnungspunkten TOP 2 ( (- Jahresabrechnung 2012-), TOP 3 Jahresabrechnung 2013 und TOP 4 ( - Gesamt/Einzelwirtschaftsplan - ) gefassten Beschlüsse aufzuheben.
7Die Beklagten beantragen,
8die Berufung zurückweisen.
9II.
10Die Berufung ist zulässig und begründet.
11Das Amtsgericht ist nicht zutreffend davon ausgegangen, dass die Klagefrist des § 46 WEG versäumt worden ist.
12Die Berechnung des Zeitraumes, in dem der Klägervertreter „untätig“ geblieben ist, entspricht nicht der auch hier bevorzugte Vorgehensweise des Bundesgerichtshofs. Dieser ist in seinem Urteil vom 25.09.2015, Az. V ZR 203/14 davon ausgegangen, dass das Merkmal "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO nur erfüllt ist, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Im Zusammenhang mit der unterbliebenen Anforderung eines Kostenvorschusses und einem Zuwarten eines Anwaltes hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil entschieden, dass ein Tätigwerden vor Ablauf von drei Wochen völlig ausreichend ist. Deshalb beginnt der dem Kläger zuzurechnende und damit für eine Verzögerung relevante Zeitraum frühestens nach Ablauf von drei Wochen. Ein vorwerfbares Fehlverhalten des Klägervertreters ist vorliegend daher allenfalls für einen Zeitraum von zwei Tagen anzunehmen. Da aber eine Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen üblicherweise hinnehmbar ist ( - um eine Überforderung des Klägers auszuschließen - ), ist das Tatbestandsmerkmal "demnächst" im Sinne des " 167 ZPO - anders als vom Amtsgericht angenommen - ohne Weiteres erfüllt.
13Die sodann zur Entscheidung des Gerichts gestellte Beschlussanfechtung hat in vollem Umfang Erfolg.
14Im Einzelnen:
15Die Beschlussanfechtung zu TOP 2 ( - Jahresabrechnung 2012 - ) hat bereits deshalb Erfolg, weil ein Teil der Jahresabrechnung 2012 bei der Beschlussfassung gar nicht vorlag. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung lag den Eigentümern die "Übersicht über die Abrechnungsergebnisse aller Wohnungen und Ausweis der Rückstände" ( - für das Jahr 2012 - ) nicht vor. Die Hausverwaltung hat allerdings in ihrem als Anlage K 2 zur Akte gereichten Anschreiben diese Anlage als Bestandteil der Jahresabrechnung für den Zeitraum 01.01.2012 bis zum 31.12.2012 ausgewiesen. Die Kammer verkennt bei dieser Bewertung nicht, dass die Anfertigung und Übersendung einer solchen Übersicht eine freiwillige Leistung der Hausverwaltung darstellt ( - vgl. Jennißen WEG, § 28 Rz, 102 - ). Allerdings muss die Anlage im Falle der freiwilligen Übernahme auch tatsächlich bei Beschlussfassung vorliegen und auch inhaltlich zutreffend sein. Dies ist hier nicht der Fall. Auf dieser Grundlage war der Beschluss zu TOP 2 insgesamt für unwirksam zu erklären, da mit Blick auf die fehlende Anlage nicht nur die Plausibilität der Gesamtabrechnung keiner Überprüfung unterzogen werden könnte, sondern vielmehr eine Plausiblitätsprüfung des Gesamtwerkes - samt Einzelabrechnung - nicht möglich war.
16Die Beschlussanfechtung des TOP 3 ( - Jahresabrechnung 2013 - ) hat unter identischen Erwägungen ebenfalls Erfolg. Die Kläger haben vorgetragen, dass die als Anlage K 9 zur Akte gereichte Übersicht über die Abrechnungsergebnisse aller Wohnungen und Ausweis der Rückstände" ( - für das Jahr 2013 - ) bei Beschlussfassung - zumindest in der korrigierten Fassung - nicht vorlag. Diesem Einwand sind die Beklagten nicht mit der notwendigen Substantiierung entgegengetreten.
17Die Beschlussanfechtung bezüglich TOP 4 ( - Wirtschaftsplan 2014 - ) hat ebenfalls Erfolg. Der Wirtschaftsplan ist zur Überzeugung der Kammer bereits deshalb für unwirksam zu erklären, weil das Fehlen der Aufstellung der Gesamtkosten für das Jahr 2013 und die damit verbundene fehlende Möglichkeit einer Plausibilitätsprüfung des Gesamtrechenwerkes für das Jahr 2013 die in dem Wirtschaftsplan für das Jahr 2014 getroffene Prognoseentscheidung ( - § 28 Nr.1 WEG: "voraussichtlich" - ) nicht nachvollziehbar werden lässt.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.
19Der Streitwert wird auf 24.478,55 EUR festgesetzt.
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Fehlt eine nach § 12 erforderliche Zustimmung, so sind die Veräußerung und das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen wirksam, wenn die Eintragung der Veräußerung oder einer Auflassungsvormerkung in das Grundbuch vor dem 15. Januar 1994 erfolgt ist und es sich um die erstmalige Veräußerung dieses Wohnungseigentums nach seiner Begründung handelt, es sei denn, dass eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung entgegensteht. Das Fehlen der Zustimmung steht in diesen Fällen dem Eintritt der Rechtsfolgen des § 878desBürgerlichen Gesetzbuchs nicht entgegen. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen der §§ 30 und 35 des Wohnungseigentumsgesetzes.
Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.
(1) Die Wohnungseigentümer beschließen über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den nach § 19 Absatz 2 Nummer 4 oder durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen. Zu diesem Zweck hat der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der darüber hinaus die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben enthält.
(2) Nach Ablauf des Kalenderjahres beschließen die Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Zu diesem Zweck hat der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan (Jahresabrechnung) aufzustellen, die darüber hinaus die Einnahmen und Ausgaben enthält.
(3) Die Wohnungseigentümer können beschließen, wann Forderungen fällig werden und wie sie zu erfüllen sind.
(4) Der Verwalter hat nach Ablauf eines Kalenderjahres einen Vermögensbericht zu erstellen, der den Stand der in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Rücklagen und eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens enthält. Der Vermögensbericht ist jedem Wohnungseigentümer zur Verfügung zu stellen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.