Landgericht Bonn Urteil, 20. Juni 2014 - 9 O 384/13
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der zwischenzeitlich verstorbene Ehemann der Klägerin, Herr C (Versicherungsnehmer), beantragte im Jahr 2001 bei der Beklagten den Abschluss einer sofort beginnenden Rentenversicherung mit einer Rentengarantiezeit von zehn Jahren nach Tarif R4. Gemäß des Vertrages (Versicherungsscheinnummer #########/##) leistete der Versicherungsnehmer eine Einmalzahlung in Höhe von 400.000,00 DM (204.516,75 €). Es wurde eine monatliche Rente ab dem 01.10.2001 in Höhe von 1.721,53 DM (880,20 €) garantiert. Daneben wurde die Zahlung einer nicht garantierten Rente vereinbart, die durch die Überschussbeteiligung finanziert wurde. Gemäß dem Versicherungsschein wurden in jedem Versicherungsjahr 70 % des laufenden Überschussanteils mit den fälligen Renten ausgezahlt. 30 % des laufenden Überschussanteils waren als Einmalbetrag für eine zusätzliche Rente (Bonusrente) zu verwenden, die zusammen mit der Rente fällig wurde. Die Überschussbeteiligung der Bonusrente war vollständig zur Bildung einer weiteren zusätzlichen Rente zu verwenden. Die Beteiligung des Versicherungsnehmers an den Überschüssen wurde in § 18 der Versicherungsbedingungen näher dargelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Versicherungsscheins und der Versicherungsbedingungen wird auf die Anlagen zur Gerichtsakte Bezug genommen. Die Rentenzahlungen begannen am 01.10.2001. Im Laufe der Rentenzahlungszeit kam es wiederholt zu einer Absenkung der Überschussbeteiligung und damit zu einer Reduzierung der nicht garantierten Rentenleistung. Die Beklagte unterrichtete den Versicherungsnehmer hierüber in jährlichen Wertmitteilungen und in weiteren Schreiben. Mit Schreiben vom 31.08.2004 unterrichtete die Beklagte den Versicherungsnehmer über die Grundsätze zur Überschussermittlung und stellte die Überschusssätze für den streitgegenständlichen Vertrag anhand der Zinsüberschussbeteiligung dar. Die Rentenzahlungen endeten mit dem Tod des Versicherungsnehmers im Oktober 2011. Die Klägerin ist neben ihrem Sohn zu 3/4 Erbin des Versicherungsnehmers. Bezüglich des Erbteils ihres Sohnes (1/4) ist die Klägerin als Testamentsvollstreckerin eingesetzt.
3Die Klägerin begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft und Zahlung. Sie trägt vor, sie habe als Erbin auf Grundlage des geschlossenen Versicherungsvertrages sowie aufgrund der gesetzlichen Neuregelung im VVG einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Überschussbeteiligung und hinsichtlich der Bewertungsreserven.
4Die Klägerin beantragt,
51. die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen hinsichtlich der Überschussbeteiligung (insbesondere der Berechnung, der Höhe, der Entwicklung und der Verwendung der erwirtschafteten Überschüsse) und ebenso hinsichtlich der Bewertungsreserven bezogen auf den Versicherungsvertrag mit der Versicherungsscheinnummer #########/## zwischen Herrn C und der Beklagten;
62. die Beklagte nach erteilter Auskunft zu verurteilen, an sie Zahlung zu leisten in Höhe des Fehlbetrages, der durch die nicht vertragskonforme bzw. gesetzeskonforme Ermittlung und Verwendung der Überschüsse sowie der Bewertungsreserven hinsichtlich des genannten Vertrages entstanden ist und diesen Betrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig, da der Klageantrag zu 1) nicht hinreichend bestimmt sei.
10Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten, vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
11Die zulässige Klage ist unbegründet.
12I. Der Klageantrag zu 1) ist hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es genügt, dass der Anspruch als solcher identifizierbar ist, indem er durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden kann, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzten will (vgl. BGH, Urt. v. 26.06.2013 – IV ZR 39/10, juris, Rn. 34 m.w.N.). Der geltend gemachte Anspruch auf Auskunftserteilung über die Berechnung, die Höhe, die Entwicklung und die Verwendung der erwirtschafteten Überschüsse sowie hinsichtlich der Bewertungsreserven ist hinreichend identifizierbar. Er lässt die begehrte Auskunft in Art und Umfang erkennen. Ob ein Anspruch auf diese Auskunft besteht, ist eine Frage der Begründetheit.
13II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf weitere Auskunftserteilung hinsichtlich der Überschussbeteiligung oder der Bewertungsreserven.
14Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 242 BGB. Im Rahmen einer Rechtsbeziehung trifft den Schuldner nach Treu und Glauben ausnahmsweise eine Auskunftspflicht, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (BGH, Urt. v. 26.06.2013 – IV ZR 39/10, juris, Rn. 24 m.w.N.).
15Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Ermittlung und Verwendung der Überschussbeteiligung durch die Beklagte den vertraglichen Vereinbarungen widerspricht und aus diesem Grund ein Nachzahlungsanspruch der Klägerin besteht. Weder aus dem Vorbringen der Klägerin noch aus den vorprozessualen Schreiben der Beklagten ergeben sich belastbare Anhaltspunkte, dass die Beklagte die Überschussbeteiligung nicht nur für die Bildung der nicht garantierten Rente, sondern etwa zum Auffüllen einer Deckungslücke im Bereich der in Höhe von 880,20 € garantierten Rente verwendet hat. Insofern kann sich die Klägerin nicht auf die Entscheidung des BGH vom 08.07.2009 (IV ZR 102/06, juris) berufen, wonach bei einer Leibrentenversicherung während einer Aufschubzeit erzielte Überschüsse nicht dazu verwendet werden dürfen, eine Lücke in der Deckungsrückstellung für die Garantierente aufzufüllen. Im dort zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um eine unzulässige Vermischung dreier Rentenkomponenten. Für eine solche Vermischung bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.
16Ein Auskunftsanspruch ergibt sich auch nicht aus den Bestimmungen zur Überschussbeteiligung in § 153 VVG n. F. Dies folgt bereits daraus, dass in § 153 VVG n. F. keine Auskunftspflicht normiert ist.
17Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Auskunftsansprüche nur bestehen, soweit der Berechtigte Informationen benötigt, um einen Anspruch geltend zu machen, soweit dem nicht Zumutbarkeitsgesichtspunkte oder andere Grenzen entgegenstehen (vgl. BGH, Urt. v. 26.06.2013 – IV ZR 39/10, juris, Rn. 25; Urt. v. 07.01.2014 ‑ IV ZR 216/13, juris, Rn. 19). Es sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 26.06.2013 – XIV ZR 39/10, juris, Rn. 26). Hieraus folgt insbesondere, dass der Auskunftsanspruch nicht die Verpflichtung zur Vorlage der fiktiven versicherungstechnischen Bilanzen oder anderer Geschäftsgrundlagen und auch kein Einsichtsrecht umfasst (vgl. BGH, Urt. v. 07.01.2014 ‑ IV ZR 216/13, juris, Rn. 19).
18Unter Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze sind die von der Beklagten bereits erteilten Auskünfte ausreichend. Aus diesen ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Beklagte die Überschussbeteiligung fehlerhaft bzw. vertragswidrig ermittelt hat. Die Beklagte hat im Versicherungsschein die Grundsätze der Überschussverwendung dargelegt. In § 18 der Versicherungsbedingungen wird näher erläutert, wie der Versicherungsnehmer an den Überschüssen beteiligt ist. Des Weiteren hat die Beklagte den Versicherungsnehmer in jährlichen Wertmitteilungen und in zahlreichen weiteren Schreiben über die Höhe der Überschussbeteiligung und der Bewertungsreserven unterrichtet. Zudem wurde dem Versicherungsnehmer in grundsätzlicher Hinsicht in den Schreiben der Beklagten mitgeteilt, welche Faktoren bei der Bestimmung der Überschussbeteiligung und der Bewertungsreserven eine Rolle spielen.
19Die von der Klägerin darüber hinaus begehrte Auskunft über die Berechnung, die Höhe, die Entwicklung und die Verwendung erwirtschafteten Überschüsse sowie hinsichtlich der Bewertungsreserven könnte von der Beklagten nur in einer Art und Weise erteilt werden, die auf eine nicht geschuldete Rechnungslegung i. S. d. § 259 Abs. 1 BGB hinausliefe. Unter Rücksichtname auf die berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Beklagten ist diese nicht verpflichtet, zu den Einzelpositionen der auf den konkreten Vertrag bezogenen Berechnung Auskunft zu erteilen.
20III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 2 ZPO.
21Streitwert: 20.000,00 €
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Annotations
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Dem Versicherungsnehmer steht eine Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) zu, es sei denn, die Überschussbeteiligung ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen; die Überschussbeteiligung kann nur insgesamt ausgeschlossen werden.
(2) Der Versicherer hat die Beteiligung an dem Überschuss nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchzuführen; andere vergleichbare angemessene Verteilungsgrundsätze können vereinbart werden. Die Beträge im Sinn des § 268 Abs. 8 des Handelsgesetzbuchs bleiben unberücksichtigt.
(3) Der Versicherer hat die Bewertungsreserven jährlich neu zu ermitteln und nach einem verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen. Bei der Beendigung des Vertrags wird der für diesen Zeitpunkt zu ermittelnde Betrag zur Hälfte zugeteilt und an den Versicherungsnehmer ausgezahlt; eine frühere Zuteilung kann vereinbart werden. Aufsichtsrechtliche Regelungen zur Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungen, insbesondere die §§ 89, 124 Absatz 1, § 139 Absatz 3 und 4 und die §§ 140 sowie 214 des Versicherungsaufsichtsgesetzes bleiben unberührt.
(4) Bei Rentenversicherungen ist die Beendigung der Ansparphase der nach Absatz 3 Satz 2 maßgebliche Zeitpunkt.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.