Landgericht Aachen Urteil, 28. Mai 2015 - 2 S 364/14
Gericht
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 05.11.2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Heinsberg (18 C 115/14) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Dieses Urteil ist wie auch das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
1
G r ü n d e
2I.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO abgesehen.
4II.
5Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung bleibt ohne Erfolg.
6Zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender, überzeugender Begründung hat das Amtsgericht die auf Wildschadensersatz gerichtete Klage wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
7Der Zugang des Schreibens der Stadt X vom 16.05.2013 an den Kläger (entspricht inhaltlich unstreitig dem Schreiben gleichen Datums an den Vertreter des Beklagten, Bl.45 d.A.), dem Kläger unbestritten spätestens zugegangen am 18.05.2013, einem Samstag, hat die zweiwöchige Klage-Notfrist des § 41 Landesjagdgesetz Nordrhein-Westfalen (LJG-NRW) ausgelöst. Die erst 2014 erhobene Klage ist damit wegen Nichteinhaltung dieser „materiellen Ausschlussfrist“ (Landgericht Aachen 6 T 86/08, Beschluss vom 04.11.2008) unzulässig (vgl. auch § 35 Abs.1 LJG-NRW).
8Ein etwa in der Klage zu sehender Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist ist seinerseits verfristet, weil er nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs.1 S.1, Abs.2 ZPO erfolgte, die ausgelöst wurde durch das mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Schreiben der Stadt X vom 12.06.2013 an den jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers (Bl.129 d.A.).
9Zur Berufungsbegründung im Einzelnen:
10a)
11Die „Niederschrift über das Scheitern des Vorverfahrens“ (§ 39 Abs.3, 2.Halbsatz LJG-NRW) muss – entgegen der Auffassung des Klägers – weder eine Schadensbeschreibung noch eine Schadensschätzung durch einen Wildschadensschätzer im Sinne von § 39 Abs.1 S.4 Nr.1 bis 4 LJG-NRW enthalten, derartiges muss dieser Niederschrift auch nicht tatsächlich vorausgegangen sein.
12Das Gesetz sieht dies nicht vor und es ist auch von der Sache her nicht naheliegend oder gar zwingend. Im Gegenteil: Sind – wie hier – die Verhandlungen gescheitert, so könnten solche Feststellungen bestenfalls beweissichernden Charakter haben. Das Vorverfahren hat aber eine Einigung zum Ziel oder eine schnelle Klage; bei gescheiterter Einigung bleibt der Hinweis auf ein selbständiges gerichtliches Beweisverfahren gemäß § 485 ff ZPO mit allen damit verbundenen Verfahrensgarantien für alle Beteiligten (Landgericht Aachen a.a.O.). Keinesfalls wäre der Kläger gezwungen gewesen, eine Klage „ins Blaue“ zu erheben, er hätte auch z.B. innerhalb der Klagefrist ein Privatgutachten einholen können (Landgericht Aachen a.a.O.) oder Feststellungsklage erheben können.
13Im vorliegenden Fall hat zunächst der „Termin am Schadensort“ (§ 37 LJG-NRW) am 09.01.2013 stattgefunden (Protokoll Bl.23 d.A.); eine gütliche Einigung (§ 38 LJG-NRW) gab es dabei nicht.
14Daraufhin fand – genau wie im LJG-NRW vorgesehen – ein „neuer Termin“ (§ 39 Abs.1 S.2 LJG-NRW) am 16.05.2013 statt, an dem ein Vertreter des Beklagten jedoch gar nicht erst nicht teilnahm, sondern nur – unter ausdrücklichem, überobligatorischen Hinweis auf Klagefristen – mitteilen ließ, „jeglicher Wildschadensersatz“ werde abgelehnt (Bl.24/25 d.A.).
15Noch am gleichen Tag verfasste die Stadt X die Mitteilung über das Scheitern des Vorverfahrens. Mit dem Zugang dieser Mitteilung war klar: das Vorverfahren war gescheitert, die Klagefrist begann zu laufen.
16Soweit sich in diesem Zusammenhang der Kläger auf das Landgericht Mönchengladbach (2 S 155/13, Urteil vom 04.06.2014) beruft, hilft ihm das nicht weiter. Das Gericht hat dort lediglich – auch nach Auffassung der Kammer zutreffend – festgestellt, dass „das vollständige Fehlen des Termins am Schadensort“ dem „zentralen gesetzgeberischen Anliegen des Feststellungsverfahrens“ nach §§ 36 bis 41 LJG-NRW widerspricht, so dass ein Vorverfahren im dort zu entscheidenden Fall gar nicht stattgefunden hat.
17Im hier zu entscheidenden Fall hat es sogar zwei Einigungsversuche nach Maßgabe des LJG-NRW vor Ort gegeben, letztlich ist eine Einigung am Beklagten gescheitert und das ist dem Kläger mitgeteilt worden. Von einem fehlenden Vorverfahren kann keine Rede sein.
18b)
19Eine entgegen § 39 Abs.3, 2.Halbsatz LJG-NRW fehlende Rechtsmittelbelehrung machte die „Niederschrift über das Scheitern des Vorverfahrens“ nicht unwirksam (vgl. BGH III ZR 360/12, Urteil vom 06.06.2013, zu § 37 des Hessischen Jagdgesetzes, der § 41 LJG-NRW entspricht).
20Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung hat „lediglich“ Bedeutung für ein rechtzeitiges Wiedereinsetzungsgesuch (so genannte „Wiedereinsetzungslösung“, vgl. BGH a.a.O. Rn.20, 25), insoweit entspricht die Rechtslage der ZPO-Novelle vom 05.12.2012 zur Rechtsmittelbelehrung bei angreifbaren Zivilurteilen.
21Ein Wiedereinsetzungsantrag innerhalb von zwei Wochen ab Beseitigung des Hindernisses (Kenntnis von der Klagefrist) ist – wie eingangs dargelegt – nicht gestellt worden.
22c)
23Die Stadt X war nicht gehalten, die „Niederschrift über das Scheitern des Vorverfahrens“ an den bestellten Vertreter des Klägers, also seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, zuzustellen. Eine entsprechende Norm fehlt.
24Der BGH bezeichnet Vorverfahren wie das vorliegende als „originär zivilrechtliche Materie“, nicht als eine „öffentlich-rechtliche Streitigkeit“ (BGH a.a.O.). Vor einem Zivilprozess ist aber grundsätzlich die Zustellung an den Vertretenen persönlich wie auch an den Bevollmächtigten zulässig.
25Selbst wenn man entsprechend § 7 Abs.1 S.2 VwZG-NRW bei Vollmachtvorlage eine Zustellung an den Bevollmächtigten fordern wollte, so wäre hier diese Zustellung mit Schreiben vom 12.06.2013 (Bl.129 d.A.) erfolgt, ohne dass fristgemäß Klage erhoben oder ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt worden wäre.
26d)
27Die rechtlich kaum einzuordnenden Schreiben der Stadt X vom 24.06.2013 (Bl.63 an den damaligen Vertreter des Beklagten; Bl.130 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers) und vom 01.04.2014 (Bl.31 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers) – sieht doch das LJG-NRW eine Vorbescheid „gemäß §§ 35 ff LJG-NRW“ nicht vor – konnten an der laufenden bzw. abgelaufenen Klagefrist nichts mehr ändern, insbesondere aber nicht die „alte“ Klagefrist beseitigen oder eine neue, zweite Klagefrist in Gang setzen.
28Mit der Mitteilung des „Scheiterns des Vorverfahrens“ war die Stadt X nicht mehr Herr des Verfahrens; einen Vollstreckungstitel nach §§ 38 Abs.2, 39 Abs.3, 1.Halbsatz LJG-NRW konnte sie nicht mehr schaffen.
29Eine Wiederaufnahme des Vorverfahrens – aus welchem Grund auch immer – sieht das LJG-NRW nicht vor, sondern nur die Klage.
30Andernfalls könnte beispielsweise einer zulässig innerhalb von zwei Wochen erhobenen Klage die Verwaltungsbehörde den Boden unter den Füssen entziehen, indem sie das Vorverfahren mit dem Ziel eines Vollstreckungstitels wieder aufnimmt. Andernfalls hätte es die Verwaltungsbehörde beispielsweise auch in der Hand, durch mehrere sukzessive Vorverfahren mehrere Klagefristen für denselben Streitgegenstand in Gang zu setzen oder gar einen eigenen Vollstreckungstitel während des parallel laufenden Klageverfahrens in die Welt zu setzen.
31Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.
32Für die beantragte Zulassung der Revision liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 S.1 ZPO nicht vor.
33Berufungsstreitwert: 1.200,74 EUR
34Cr |
Dr. Q |
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(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Zustellungen können an den allgemeinen oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Bevollmächtigten gerichtet werden. Sie sind an ihn zu richten, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Ist ein Bevollmächtigter für mehrere Beteiligte bestellt, so genügt die Zustellung eines Dokuments an ihn für alle Beteiligten.
(2) Einem Zustellungsbevollmächtigten mehrerer Beteiligter sind so viele Ausfertigungen oder Abschriften zuzustellen, als Beteiligte vorhanden sind.
(3) Auf § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung beruhende Regelungen und § 183 der Abgabenordnung bleiben unberührt.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
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Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.