Landgericht Aachen Urteil, 13. Aug. 2014 - 11 O 24/11
Tenor
Die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 923 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.02.2011 zu zahlen.
Der Beklagte zu 2) wird zudem verurteilt, Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 923 Euro für die Zeit vom 11.02.2011 bis zum 16.02.2011 an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 5,20 Euro freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Schmerzensgeld und Ersatz materieller Schäden in Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Behandlung und der Eingliederung von Zahnersatz. Die Beklagte zu 1) ist Trägerin des Krankenhauses, in dem die streitgegenständliche Behandlung durchgeführt wurde, die Beklagten zu 2) bis 4) waren zurzeit der Behandlung der Klägerin bei der Beklagten zu 1) angestellt.
3Die Klägerin ist unter anderem gegen Kunststoffe allergisch, die Metylmethacrylat enthalten, was zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Behandlung auch in ihrem Allergieausweis eingetragen war. Nachdem sie schon früher bei der Beklagten zu 1) behandelt wurde – 1971 noch von Prof. Dr. T2 und Anfang der 90er Jahre durch den Beklagten zu 3) –, stellte sie sich am 12. Mai 2009 erneut in der Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde der Beklagten zu 1) vor, um sich wegen einer andernorts verursachten Beschädigung einer Suprakonstruktion und einer Implantatfraktur behandeln zu lassen. Der Beklagte zu 3) besichtigte zunächst den Zustand des Gebisses, ließ eine Röntgenaufnahme anfertigen und bestätigte sodann den Bruch der Implantatschraube im Oberkiefer. Er beriet die Klägerin dahingehend, dass es eines neuen Zahnersatzes im Oberkiefer bedürfe und dafür Implantate gesetzt und zunächst ein Kurzzeitprovisorium eingegliedert werden müssten.
4Am 22. Juni 2009 entfernte der Beklagten zu 2) auf Weisung des Beklagten zu 3) die Zähne 16, 13, 12, 11, 33, 41 und 42. Ferner wurden sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer provisorische Versorgungen aus Kunststoff eingesetzt, deren genaues Material zwischen den Parteien streitig ist. Die Prothesen wurden sofort weichbleibend unterfüttert. In der folgenden Zeit beklagte die Klägerin Probleme mit den Provisiorien, einerseits im Hinblick auf ihre Größe, andererseits wegen der Kunststoffe, aus denen die Provisorien hergestellt worden waren.
5Spätestens bei einer Behandlung am 1. Juli 2009 wies die Klägerin die Behandler auf Überempfindlichkeiten gegen bestimmte Stoffe hin. An diesem Tag entfernte der Beklagte zu 2) auch den Zahn 17. Das angefertigte Langzeitprovisorium für den Oberkiefer konnte aus diesem Grund nur noch auf dem Implantat 23 und mit einer Doppelgeschiebekonstruktion verankert werden.
6Am 7. August 2009 setzte der Beklagte zu 2) der Klägerin ein Langzeitprovisorium aus Kunststoff ein, dessen genaues Material ebenfalls zwischen den Parteien streitig ist. Jedenfalls an diesem Tag lag den Behandlern der Allergieausweis der Klägerin vor. Am 19. August 2009 stellte sich die Klägerin erneut vor und bat wegen Beschwerden um Entfernung des Langzeitprovisoriums. Dies lehnte der Beklagte zu 2) unter Hinweis auf eine Weisung des Beklagten zu 4) ab. Am Folgetag, dem 20. August 2009, wurde das Langzeitprovisorium durch Herrn Dr. N entfernt. Die Beklagte zu 1) überwies der Klägerin daraufhin 2.923,- Euro zurück, die die Klägerin für das Langzeitprovisorium gezahlt hatte. Durch vorgerichtliches Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 10. Februar 2010 forderte die Klägerin die Beklagten zur Zahlung weiterer 35.177 Euro auf. Am 04. April 2011 zahlten die Beklagten der Klägerin auf ihre Eigenbeteiligung an vorgerichtlichen Anwaltskosten 150 Euro. Die Klage wurde dem Beklagten zu 2) am 10. Februar 2011 und der Beklagten zu 1) am 16. Februar 2011 zugestellt.
7Die Klägerin behauptet, sie sei durch die Beklagten zu 2) bis 4) in der von der Beklagten zu 1) betriebenen Klinik insofern fehlerhaft behandelt worden, als diese ihr zunächst Kunststoffprovisorien und später Langzeitprovisorien aus Kunststoff eingegliedert hätten, die sie aufgrund ihrer Allergie gegen Metylmethacrylat nicht vertragen habe. Den Beklagten sei diese Allergie bekannt gewesen, weil sie sich aus der aufgrund früherer Behandlungen vorliegenden Dokumentation ergeben hätte und die Klägerin zudem vor jeder Vorstellung ihren Allergiepass vorgelegt und die Beklagten zu 2) und 3) zudem mündlich auf ihre Allergien hingewiesen habe. Ihr zuvor getragener Zahnersatz, den sie vertragen habe, sei aus Titan und Keramik gefertigt gewesen.
8Das angefertigte Kurzzeitprovisorium sei zu groß gewesen und trotz mehrmaliger Nachbesserungsversuche auch geblieben. Die betreffenden Unterfütterungen hätten nicht weitergeholfen und seien ebenfalls aus allergieauslösendem Material angefertigt worden. Ihre Mundschleimhaut sei nach der Eingliederung angeschwollen, sie habe ein Brennen im Mund verspürt und es hätten sich Herpesbläschen um den Mund herum gebildet. Nach dem Abklingen der Betäubung seien die stärker werdenden Schmerzen im Ober- und Unterkieferbereich kaum noch zu ertragen gewesen. Auch habe sich ein Juckreiz am ganzen Körper eingestellt. Sie, die Klägerin, habe sich schließlich zum ärztlichen Notdienst begeben. Dort habe die Ärztin sofort festgestellt, dass die Provisorien wegen einer Kunststoffallergie der Klägerin unverzüglich entfernt werden müssten. Auch ein am nächsten Tag aufgesuchter Kieferchirurg sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kunststoffprovisorien für die Klägerin völlig ungeeignet seien.
9Beim Extrahieren eines benachbarten Zahns habe der Beklagte zu 2) darüber hinaus den Zahn 17 angeschlitzt und irreparabel beschädigt. Dieser habe ebenso extrahiert werden müssen wie ein weiterer, vollkommen gesunder Backenzahn. Insgesamt seien 11 Zähne in unnötiger Weise entfernt worden.
10Anfang August 2009 habe man über die Langzeitprovisorien gesprochen. Man habe über allergiefreie Provisorien gesprochen. Als man ihr gesagt habe, dass die Langzeitprovisorien erneut aus Kunststoff hergestellt werden sollten, habe sie dies aus Angst abgelehnt. Man habe ihr, der Klägerin, auch fälschlich versichert, die Provisorien wüchsen mit. Das habe nicht gestimmt, weil einige Metallteile im Inneren derselben Anpassungen an folgende Implantate nicht zugelassen hätten. Vor der Eingliederung der Langzeitprovisorien am 7. August 2009 habe der Sohn der Klägerin, von Beruf Chemiker, gesagt, dass das angesichts der Allergien seiner Mutter nicht gut gehen werde, weil erneut ein Acrylat Verwendung gefunden habe. Nach der Eingliederung hätten sich sofort dieselben Symptome gezeigt wie bei den ersten Provisorien. Sie, die Klägerin, habe ihren Hausarzt und ihre Lungenfachärztin aufsuchen müssen. Dabei sei ein Ansteigen des Allergiewertes auf 249 festgestellt worden. Eine Hautärztin habe ihr außerdem erklärt, die eingesetzten Teile müssten wegen der Allergie wieder entfernt werden. Daraufhin habe sie mehrfach vergeblich um die Entfernung gebeten. Am 17. August 2009 sei dies unter Hinweis darauf abgelehnt worden, dass die Beklagten zu 3) und 4) nicht anwesend seien und der Beklagte zu 4) angeordnet gehabt habe, das festgeschraubte Provisorium bis zu seiner Rückkehr zu belassen. Er habe sich das Ganze am 22. August 2009 ansehen wollen. Am 19. August 2009 habe der Beklagte zu 2) mitgeteilt, ihm fehle das notwendige Werkzeug und er dürfe das Provisorium nicht gegen die Weisung des Beklagten zu 4) herausnehmen. Erst am 20. August 2009 habe Herr Dr. N der Entfernung des Provisoriums durch den Beklagten zu 2) zugestimmt. Sie habe 3.000,- Euro für das Langzeitprovisorium gezahlt, hiervon aber nur 2.923,- Euro zurückerhalten.
11Die Klägerin begehrt ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von insgesamt mindestens 12.750 Euro, von denen 3.000 Euro auf die Behandlung durch das angefertigte Langzeitprovisorium entfallen sollen. Sie macht zudem materielle Schäden in Höhe von 22.427,- Euro geltend, die sich aus dem ihr angeblich nicht zurücküberwiesenen Teil der Kosten für das Langzeitprovisorium von 77 Euro, den Kosten einer neuen, sachgerechten Zahnversorgung und Fahrtkosten in das - unstreitig - 123 km von ihrem Wohnort entfernte Haus der Beklagten zu 1) zusammensetzen sowie außergerichtliche Anwaltskosten. Für die Höhe und Berechnung der Schadensposten im Einzelnen wird auf die S. 6 ff. der Klageschrift Bezug genommen (Bl. 6 ff. der Akte).
12Die Klägerin beantragt,
131. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie Schadensersatz i.H.v. 22.427 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 10.03.2010 zu zahlen,
142. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt mindestens 12.750 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 10.03.2010 zu zahlen,
153. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin Anwaltskosten i.H.v. 1.119,19 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit Klagezustellung zu zahlen und die Klägerin von der Zahlung in Höhe ihrer Eigenbeteiligung im Rahmen ihrer Anwaltskosten i.H.v. 300 € abzüglich am 04.04.2011 gezahlter 150 € freizustellen.
16Die Beklagten beantragen,
17die Klage abzuweisen.
18Sie bestreiten, dass die Klägerin vor dem 1. Juli 2009 auf eine Überempfindlichkeit gegen Prothesenkunststoff hingewiesen habe. Da der zuvor getragene Zahnersatz ebenfalls unter Verwendung solcher Materialien hergestellt gewesen sei, hätten erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Mitteilung bestanden. Die Klägerin sei von den Beklagten zu 2) und 3) mehrfach vergeblich aufgefordert worden, einen Nachweis für ihre Allergien beizubringen. Das sei erst am vorletzten Tag der Behandlung geschehen. Hier hätten aber an der Richtigkeit der Eintragung weiter Zweifel bestanden, weil die Eintragung handschriftlich vorgenommen gewesen sei. Hinzu komme schließlich, dass sich bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt die für eine Allergie typischen Symptome gezeigt hätten. Die Behandler hätten, was als solches nicht streitig ist, den Schluss gezogen, dass es sich weniger um eine tatsächliche Allergie gehandelt habe als vielmehr um eine psychosomatische Unverträglichkeitsreaktion.
19Ferner habe man nach Vorlage des Allergieausweises und Rücksprache mit dem Dentallabor festgestellt, dass bei dem Metallgerüst des Langzeitprovisoriums ein hypoallergener Kunststoff Verwendung finden könne und müsse. Denn das Labor sei nicht in der Lage gewesen, hier das erforderliche Spritz-Gieß-Verfahren anzuwenden. Daher habe man notgedrungen einen Kunststoff auf der Basis eines Acrylats verwendet, der nach Herstellerangaben aber weniger allergen wirke.
20Die extrahierten acht Zähne seien kariös und teilweise zerstört, jedenfalls aber in einem nicht mehr erhaltungswürdigen Zustand gewesen. Kein erhaltungswürdiger Zahn sei entfernt worden. Auch sei der Zahn 17 nicht am 22. Juni 2009 beim Ziehen eines anderen Zahns angeschlitzt worden. Vielmehr habe sich nach Schlitzung und Entfernung der Krone am 1. Juli 2009 herausgestellt, dass der Zahn so stark kariös zerstört gewesen sei, dass er habe entfernt werden müssen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
22Das Gericht hat durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und Anhörung des Sachverständigen sowie durch Vernehmung der Zeugin C erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten von Priv.-Doz. Dr. C3 vom 26.10.2013 (Bl.178ff. d.A.) und das Sitzungsprotokoll vom 04.06.2014 (Bl. 295 ff. d.A.) verwiesen.
23Entscheidungsgründe:
24Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Die Beklagten zu 1) und 2) haben der Klägerin ein Schmerzensgeld zu zahlen und Fahrtkosten zu erstatten, weil sie die Klägerin am 07. August 2009 behandlungsfehlerhaft mit einem Langzeitprovisorium versorgten, das die Klägerin aufgrund einer bei ihr vorliegenden, den Beklagten bekannten Allergie nicht vertrug. Weitere Behandlungsfehler können nicht festgestellt werden.
251.
26Die Haftung der Beklagten zu 1) für die fehlerhafte Behandlung ergibt sich aus §§ 280 I, 278 BGB i.V.m. mit dem zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) geschlossenen Behandlungsvertrag, die Haftung des Beklagten zu 2) als Behandler aus § 823 Absatz 1 BGB.
272.
28Die Versorgung der Klägerin mit dem Langzeitprovisorium aus dem Material Wipo-Dur war behandlungsfehlerhaft.
29Der Begriff des ärztlichen Behandlungsfehlers bezeichnet ein – nach den zum Zeitpunkt der Behandlung allgemein anerkannten fachlichen Standards der Medizin – unsachgemäßes und schädigendes Verhalten des Arztes. Ein Behandlungsfehler kann danach in einem fehlerhaften Tun wie in einem Unterlassen liegen, in der Vornahme einer nicht indizierten wie auch in der Nichtvornahme einer medizinisch notwendigen Behandlung, in Fehlmaßnahmen und unrichtigen Dispositionen des Arztes in jedem Stadium der Behandlung oder sonstigen ärztlichen Betreuung. Ein Arzt hat sich hierbei insbesondere von dem Fachwissen und den empirisch gesicherten Standards nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft seines Fachbereiches leiten zu lassen, diese zu beachten und seinem ärztlichen Tun zugrunde zu legen.
30Im vorliegenden Fall steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Versorgung der Klägerin mit dem streitgegenständlichen Langzeitprovisorium behandlungsfehlerhaft war. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat, durften die Behandler das Langzeitprovisorium der Klägerin nicht aus dem Material mit dem Handelsnamen Wipo-Dur fertigen (a), weil ihr die Allergien der Klägerin gegen Metylmethacrylat bekannt waren (b). Denn bei Wipo-Dur handelt es sich um ein methylmethacrylathaltiges Material. Darauf, dass die Klägerin dieses Material vertragen würde, durfte der Beklagte zu 2) sich nicht verlassen (c).
31a)
32Das bei der Klägerin am 07. August 2009 eingesetzte Langzeiprovisorium bestand nach der Überzeugung der Kammer aus Material mit dem Handelsnamen Wipo-Dur. Denn die Klägerin hat eine Wipo-Dur-Gebrauchsanweisung vorgelegt (Bl. 259 f. der Akte), auf deren zweiter Seite ("Zertifikat") sich die Rechnungsnummer 2009.08.00002 und das Datum des 07. August 2009 finden, also des Tages des Einsatzes des Langzeitprovisoriums. Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Klägerin deswegen am Tag des Einsatzes des Langzeitprovisoriums eine Wipo-Dur-Gebrauchsanweisung ausgehändigt wurde, weil das bei ihr eingesetzte Langzeitprovisorium auch aus diesem Material gefertigt war. Die Klägerin gab auch nicht erst im gerichtlichen Verfahren an, dass das Langzeitprovisorium aus Wipo-Dur gefertigt worden sei. Ausweislich einer bei den Behandlungsunterlagen befindlichen Mail der Klägerin vom 13. August 2009, also 6 Tage nach dem Einsetzen des Langzeitprovisoriums, ging die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass es sich bei dem Material um Wipo-Dur handelte (Anlage I).
33Soweit der Sachverständige der Rechnung der Zahntechnik Humperdinck über das „OK und UK Langzeitrprovisorium“ vom 07. August 2009 entnommen hat, dass es sich bei dem Material um Polyan gehandelt habe (Anlage I), vermag dies keine ernstlichen Zweifel daran begründen, dass das Langzeitprovisorium aus Wipo-Dur bestand. Diese Rechnung trägt ebenfalls die Nummer 2009.08.00002 und bezieht sich offenbar auf dasselbe Provisorium wie die Gebrauchsanleitung. Die Zahntechnik Humperdinck korrigierte auf ihrer Gutschrift der Rechnungsbeträge vom 11. Dezember 2009 (Anlage I) ihre ursprüngliche Angabe auf der Rechnung dahingehend, dass es sich nicht um Polyan, sondern um Wipo-Dur gehandelt habe (Anlage I). Soweit der Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, er meine, dass nicht das Langzeit-, sondern das Kurzzeitprovisorium aus Wipo-Dur gefertigt worden sei, räumte er selbst ein, sich hieran nicht sicher erinnern zu können.
34b)
35Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass dem Beklagten zu 2) die Allergie der Klägerin gegen Metylmethacrylat bekannt war, als er ihr das Provisorium aus Wipo-Dur einsetzte. Er selbst hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass ihm die Klägerin die Angaben auf dem Allergiepass mündlich mitgeteilt habe. Somit kann dahinstehen, wann die Klägerin ihren Allergiepass vorgelegt hat.
36c)
37Dass der Beklagte zu 2) davon ausging, die Klägerin leide tatsächlich unter keiner Allergie gegen Metylmethacrylat, weil auch ihre frühere Zahnversorgung unter Verwendung metylmethacrylathaltigen Materials erstellt worden sei, vermag ihn nicht zu entlasten. Auf reine Mutmaßungen über das Material einer früheren Versorgung und darüber, dass die von der Klägerin angegebene Allergie tatsächlich nicht bestehe, durfte sich der Beklagte zu 2) nicht verlassen. Wie der Beklagte zu 2) im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, geht er inzwischen selbst davon aus, dass die frühere Versorgung wie von der Klägerin behauptet aus Keramik gefertigt wurde.
38Auch soweit der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat, dass die Mundschleimhaut weniger zu allergischen Reaktionen leidet als andere Körperregionen und es daher möglich sei, nach vorheriger Austestung mit einem metylmethacrylathaltigen Kurzzeitprovisorium auch metylmethacrylathaltige Langzeitprovisorien einzusetzen, war der Einsatz des Langzeitprovisoriums im vorliegenden Fall behandlungsfehlerhaft. Denn selbst wenn das Kurzzeitprovisorium bereits testweise Metylmethacrylat enthalten hätte, wäre der entsprechende Test erfolglos geblieben. Die Klägerin ließ das Kurzzeitprovisorium kurzfristig aufgrund von ihr angegebener Allergiebeschwerden entfernen, sodass der Beklagte zu 2) nicht von einer längerfristigen Verträglichkeit ausgehen durfte.
393.
40Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin vom 07. August 2009 bis zum 19. August 2009 wie von ihr behauptet unter Jucken und brennenden Schmerzen im Mund sowie unter herpesähnlichen Symptomen litt. Denn die Klägerin gab ausweislich einer bei den Behandlungsunterlagen befindlichen Mail vom Abend des 07. August 2009 sowie vom Abend des 13. August 2009 bereits zu diesem Zeitpunkt an, unter diesen Beschwerden zu leiden (Anlage I). Überdies gab sie laut Arztbrief ihrer Hausärztin vom 12. Dezember 2011 auch dieser gegenüber am 12. und am 14. August 2009 brennende Schmerzen und Jucken im Mund an (Bl. 99 der Akte). Am 19.08.2009 fanden sich – wie aus den Behandlungsunterlagen hervorgeht – im Mund der Klägerin keine klinische Auffälligkeiten mehr.
414.
42Dass die Beschwerden der Klägerin auf den Behandlungsfehler der Beklagten zurückzuführen sind, ergibt sich aus den Grundsätzen des Anscheinsbeweis. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH greift der C des ersten Anscheins bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (BGH, Urteil vom 01. Oktober 2013 – VI ZR 409/12 –, NJW-RR 2014, 270, mwN). Es obliegt dann dem in Anspruch Genommenen, Umstände vorzutragen und zu beweisen, die den Anschein entkräften.
43Ein derartiger typischer Geschehensablauf liegt hier vor. Im vorliegenden Fall wurde der Klägerin ein für sie ungeeignetes Langzeitprovisorium aus Wipo-Dur eingesetzt, gegen das sie nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen allergisch war. Sie zeigte noch am selben Tag Reaktionen, wie sie laut Sachverständigen bei einer Allergie zu erwarten wären. Darin, dass für ihre Symptome abstrakt auch andere Ursachen denkbar wären, liegt keine ernsthafte Möglichkeit einer anderen Verursachung der Symptome. Denn dafür, dass die Klägerin im unmittelbaren Anschluss an das Einsetzen des Langzeitprovisoriums beispielsweise an einem Pilz oder den Folgen der bereits zwei Wochen zurückliegenden Serienextraktion gelitten haben sollte, ist im konkreten Fall ernstlich nichts ersichtlich.
445.
45Der Klägerin steht wegen ihrer behandlungsfehlerbedingt erlittenen Beschwerden gemäß § 253 Absatz 2 BGB ein Betrag von 800 Euro als angemessene Entschädigung zu. Bei der Bemessung des Schmerzensgelds hat die Kammer berücksichtigt, dass die Klägerin nur für einen überschaubaren Zeitraum von 12 Tagen unter Beschwerden litt, diese der Klägerin jedoch überaus lästig waren. Zudem war die Beeinträchtigung durch Einbringen und Entfernen des Langzeitprovisoriums zu berücksichtigen. Die Kammer hat sich bei der Bemessung des Schmerzensgeldbetrags unter anderem an der Entscheidung des OLG Oldenburg orientiert, das 2007 für eine 14tägige, auf eine fehlerhafte Zahnbehandlung zurückzuführende allergische Lokalreaktion mit ähnlichen Symptomen wie Bläschen an den Lippen sowie für die Schmerzen der anschließenden Entfernung der Versorgung einen Schmerzensgeldbetrag von 1000 Euro zuerkannt hat (OLG Oldenburg, Urteil vom 04.07.2007 - 5 U 31/05, -juris).
466.
47Der Klägerin steht ebenfalls ein Anspruch auf Ersatz ihrer Fahrtkosten für die Fahrten in das Haus der Beklagten am 19. und 20. August 2009 zu, die zur Entfernung des Langzeitprovisoriums erforderlich waren. Die Kammer schätzt die der Klägerin entstandenen Fahrkosten für die 4 einfachen Fahrten á 123 km gemäß § 287 ZPO auf 123 Euro (4 x 123 km x 0,25 Euro).
487.
49Die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Schadensposten sind jedoch nicht auf den festgestellten Behandlungsfehler zurückzuführen. Dies gilt insbesondere für die von der Klägerin geltend gemachten Kosten einer neuen Zahnversorgung in Höhe von 21.991 Euro. Diese waren im vorliegenden Rechtsstreit als sogenannte „Sowiesokosten“ von vornherein nicht ersatzfähig. Denn eine neue prothetische Versorgung der Klägerin war unabhängig von möglichen Behandlungsfehlern der Beklagten bereits zu Beginn der Behandlung erforderlich und von der Klägerin auch gewünscht. Diese Kosten hätte sie auch bei behandlungsfehlerfreiem Vorgehen der Beklagten zu tragen gehabt. Die Klägerin hat auch nicht substantiiert unter Vorlage von Belegen dargelegt, den Beklagten für die streitgegenständliche Behandlung 3.000 Euro überwiesen zu haben und somit 77 Euro mehr, als sie im Anschluss unstreitig zurückerhielt.
508.
51Die Klägerin konnte nicht beweisen, gegen den Beklagten zu 4) einen Schadensersatzanspruch für das Verbleiben der Langzeitprothese vom 19. August 2009 auf den 20. August 2009 zu haben. Dass der Beklagte zu 4) den Beklagten zu 2) – wie von diesem am 19. August 2009 gegenüber der Klägerin angegeben – angewiesen hätte, das Langzeitprovisorium nicht zu entfernen, konnte nicht festgestellt werden.
529.
53Weitere Behandlungsfehler der Beklagten konnten nicht festgestellt werden.
54a)
55Es war zunächst nicht feststellbar, dass auch das bei der Klägerin eingesetzte Kurzzeitprovisorium aus einem ungeeigneten Material bestand. Das Provisorium selbst liegt ebenso wenig vor wie Unterlagen über das verwendete Material. Dass die Beklagten das Kurzzeitprovisorium im Bewusstsein seiner möglichen Eignung als Beweismittel unterdrückt hätten, konnte nicht festgestellt werden. Überdies wären den Beklagten Beeinträchtigungen der Klägerin aufgrund einer allergischen Reaktion gegen das Kurzzeitprovisorium nicht zuzurechnen, weil sie sich erfolgreich auf den Grundsatz rechtmäßigen Alternativverhaltens berufen könnten. Denn nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung wäre es nicht behandlungsfehlerhaft gewesen, der Klägerin ein Kurzzeitprovisorium unter Verwendung von Methylmethacrylat einzusetzen, um auszutesten, ob auch ihre – allergisch grundsätzlich weniger sensible – Mundschleimhaut hierauf reagierte.
56b)
57Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Zähne 11 und 34 der Klägerin ohne Indikation entfernt worden wären. Zwar fehlt es an der erforderlichen Dokumentation der Indikation, sodass den Beklagten der C einer ordnungsgemäßen Indikation obliegt. Diesen C einer Indikation vermochten die Beklagten jedoch zu führen. Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich die Zähne 11 und 34 gelockert hatten und deswegen – wie vom Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt – vor Schaffung eines dauerhaften, implantatgetragenen Zahnersatzes zu entfernen waren. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargegelegt hat, bestand keine Alternative dazu, dass sich die Zähne 11 und 34 bei dem von der Klägerin vor der streitgegenständlichen Behandlung getragenen Zahnersatz lockern würden. Denn aufgrund der kariösen Zerstörung der übrigen Zähne trugen sie jeweils die gesamte Last der ursprünglichen Brückenversorgung, Zahn 11 im Oberkiefer, Zahn 34 im Unterkiefer. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass die laut Sachverständigen unvermeidliche Lockerung zum Zeitpunkt der Extraktion dieser Zähne bereits eingetreten war und dass die Beklagten sich nicht ohne medizinische Veranlassung für eine Extraktion entschieden, zumal sie im Gegensatz dazu in demselben Termin den zunächst noch erhaltungsfähig erscheinenden Zahn 17 bewusst nicht entfernten.
58c)
59Dass der Zahn 17 bei der Extraktion der übrigen Zähne am 22. Juni 2009 beschädigt worden wäre, vermochte die Kammer nicht festzustellen. Die Vernehmung der Zeugin C war insoweit unergiebig und auch in den Behandlungsunterlagen finden sich für einen derartigen Verlauf keine Anhaltspunkte. Wie der Sachverständige dargelegt hat, kann der Zahn auch bei einer stärkeren Belastung vor dem 22. Juni 2009 frakturiert sein. Zudem könnten sich die Beklagten insoweit auf rechtmäßiges Alternativverhalten berufen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt, dass sie einen implantatgetragenen Zahnersatz wünschte. Wie der Sachverständige unmittelbar zuvor ausgeführt hatte, bedeutete dies jedoch notwendig, den Zahn 17 ohnehin zu entfernen, weil dieser Zahn nur bei herkömmlichen Prothese hätte integriert werden können.
60d)
61Auch hinsichtlich der weiteren acht Zähne, die laut Klägerin behandlungsfehlerhaft entfernt worden sein sollen (12, 13, 16, 31, 33, 41, 42, 43), konnte dies nicht festgestellt werden. Wie sich nach den überzeugenden und anhand der Röntgenbilder nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten ergibt, bestand für die Extraktion der sechs Zähne 12, 13, 16, 31, 41, 42 jeweils eine Indikation. Die Zähne 12, 13, 31, 41 und 42 waren zurzeit der Entfernung stark kariös zerstört, die Zähne 31, 41 und 42 litten zudem unter massiven chronischen Entzündungen der Wurzelspitzen. Der Zahn 16 wies ebenfalls eine chronische Entzündung an der Wurzelspitze auf. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, begründet es keinen Zweifel am Bestehen der chronischen Entzündung, dass die Klägerin zur Zeit der Entfernung des Zahnes 16 insoweit keine Beschwerden verspürte und der extrahierte Zahn selbst intakt ist. Die verbleibenden beiden Zähne 33 und 43 waren nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen bereits am 09.09.1999 und damit vor der streitgegenständlichen Behandlung entfernt worden.
6210.
63Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Absatz 1 Satz 2 BGB. Ein Anspruch auf frühere Zinszahlungen aus dem Gesichtspunkt des Verzugs besteht nicht, weil es hierzu am erforderlichen Verschulden der Beklagten fehlt, §§ 286 Absatz 4, 276 BGB. Denn eine unverhältnismäßig hohe, weit übersetzte Zuvielforderung kann den zu Recht angemahnten Teil so in den Hintergrund treten lassen, dass dem Schuldner kein Schuldvorwurf zu machen ist, wenn er sich nicht als wirksam gemahnt ansieht (BGH, Urteil vom 12.07.2006 - X ZR 157/05, -juris). So lag es hier. Denn die Klägerin verlangte von den Beklagten die Zahlung von über 35.000 Euro, obwohl ihr tatsächlich lediglich ein Anspruch in Bereich von 1.000 Euro zustand. Die unterschiedlichen Zeitpunkte der Rechtshängigkeit gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) resultieren aus den unterschiedlichen Zeitpunkten, zu denen ihnen jeweils die Klage zugestellt wurde.
6411.
65Die Klägerin hat nur in Höhe von 5,30 Euro einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten, weil die Beklagten den Anspruch auf Zahlung oder Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten im Übrigen am 04.04.2011 durch Zahlung von 150 Euro erfüllt haben. Im Rahmen ihres materiellen Schadensersatzanspruchs sind der Klägerin im Grundsatz vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten aus dem der Klägerin zustehenden Anspruch in Höhe von 923 € als Gegenstandswert zu ersetzen. Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen auch die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten (BGH, Urteil vom 10. Januar 2006 – VI ZR 43/05 –, juris). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, aaO, mwN). Dem Erstattungsanspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen Anwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger somit grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH, Urteil vom 07. November 2007 – VIII ZR 341/06 –, juris). Denn der tatsächliche Umfang der Beauftragung eines Rechtsanwalts ist nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (BGH, Urteil vom 07. November 2007 – VIII ZR 341/06 –, juris). Kosten, die dadurch entstehen, dass der Geschädigte einen Anwalt zur Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs beauftragt, können dem Schädiger nicht mehr als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden (BGH, Urteil vom 18. Januar 2005 – VI ZR 73/04 –, juris).
66Bei einer von der Klägerin geltend gemachten Geschäftsgebühr von 1,3 (104,00 Euro) zuzüglich Auslagen (20 Euro) und Mehrwertsteuer (24,80 Euro) ergeben sich bei einem Gegenstandswert von 923 Euro ersatzfähige vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 155,20 Euro. Diesen Anspruch haben die Beklagten durch Zahlung von 150 Euro überwiegend erfüllt.
6712.
68Die Kostenentscheidung folgt aus der analogen Anwendung des § 92 Absatz 2 Nr. 1 ZPO, der nach allgemeiner Ansicht auch auf ein geringfügiges Unterliegen der Beklagten anzuwenden ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, 2, 711 ZPO.
69Der Streitwert wird auf 35.177,00 EUR festgesetzt.
70D |
Dr. C2 |
I |
Urteilsbesprechung zu Landgericht Aachen Urteil, 13. Aug. 2014 - 11 O 24/11
Urteilsbesprechungen zu Landgericht Aachen Urteil, 13. Aug. 2014 - 11 O 24/11
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Landgericht Aachen Urteil, 13. Aug. 2014 - 11 O 24/11 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerinnen zu 1 und 2 nehmen die Beklagten auf Schadensersatz wegen eines Brandschadens in Anspruch.
- 2
- Die Klägerin zu 1 ist der Feuerversicherer der Klägerin zu 2, deren Fabrik bei einem Brandschaden erheblich beschädigt wurde.
- 3
- Im Sommer 2002 sollte das Holzständerwerk des von der Klägerin zu 2 als Lagerhalle benutzten Flachdachgebäudes, welches teilweise schadhaft war, saniert werden. Hierzu beauftragte die Klägerin zu 2 die ehemalige Beklagte zu 4, deren Zimmerleute die Holzkonstruktion teilweise erneuern sollten. Anschließend sollten die Dachdecker der Beklagten zu 1 im Auftrag der Klägerin zu 2 neue Bitumenbahnen verlegen. Diese wurden nach Vernagelung und Fixierung mit einem Kaltklebestreifen an der Anstoßstelle mittels eines Brenners bis zum Schmelzen des Bitumens erhitzt und durch Andrücken verbunden. Diese Tätigkeiten verrichteten die Beklagten zu 2 und 3, wobei der Beklagte zu 3, ein Mitarbeiter einer von der Beklagten zu 1 beauftragten Subunternehmerin, den Nahtbrenner führte und der Beklagte zu 2, ein Mitarbeiter der Beklagten zu 1, das erhitzte Bitumen mit dem Fuß festtrat. Die Arbeiten erfolgten abschnittsweise , nachdem die Zimmerleute dort, wo es notwendig war, die Holzkonstruktion ausgebessert hatten. Am 30. August 2002 kam es während der Dacharbeiten zu einem Brand, der auf das Nachbargebäude übergriff und dieses mit den darin befindlichen Einrichtungen und Vorräten stark beschädigte. Die Klägerin zu 1, die der Klägerin zu 2 im Rahmen des bestehenden Versicherungsverhältnisses den entstandenen Schaden ersetzt hat, hat aus übergegangenem bzw. abgetretenem Recht von den Beklagten zu 1 bis 4 Schadensersatz verlangt, die Klägerin zu 2 in Höhe des von ihr zu tragenden Selbstbehalts.
- 4
- Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der Beklagten zu 4 durch Teilurteil abgewiesen und im Übrigen die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung der Beklagten zu 1 bis 3 hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Klage dem Grunde nach hinsichtlich der Beklagten zu 1 bis 3 zu einem Anteil von 50 % für gerechtfertigt erklärt. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten zu 1 bis 3 ihre Anträge auf vollständige Klageabweisung weiter. Mit ihren Anschluss- revisionen erstreben die Klägerinnen eine Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil erkannt hat.
Entscheidungsgründe:
I.
- 5
- Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das klageabweisende Teilurteil des Landgerichts hinsichtlich der Beklagten zu 4 habe zwar wegen der Gefahr widersprechender Entscheidungen nach § 301 Abs. 1 ZPO nicht ergehen dürfen. Gleichwohl sieht es sich jedoch nicht veranlasst, das landgerichtliche Urteil gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO aus diesem Grunde aufzuheben, weil das inzwischen rechtskräftige Teilurteil gegenüber der Beklagten zu 4 die Beklagten zu 1 bis 3 nicht beschwere. In der Sache hält das Berufungsgericht die Klageanträge dem Grunde nach für gerechtfertigt, wobei nach seiner Auffassung allerdings - im Gegensatz zum Landgericht - ein Mitverschulden auf Klägerseite zu einem Anteil von 50 % gegeben sei. Die Klägerin zu 2 habe gegen die Beklagte zu 1 dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 631, 280 Abs. 1, § 249 BGB, der - soweit die Klägerin zu 1 den Schaden reguliert habe - gemäß § 67 Abs. 1 VVG a.F. bzw. aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Abtretung gemäß § 398 BGB auf diese übergegangen sei. Gegen die Beklagten zu 2 und 3 hätten die Klägerinnen einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, die Klägerin zu 1 i.V.m. § 67 Abs. 1 VVG a.F. Im vorliegenden Fall stehe nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises fest, dass die Ursache des Schadens allein aus dem Verantwortungsbereich der Beklagten zu 1 bis 3 stamme, so dass aufgrund der vorhandenen Schädigungen des Eigentums der Klägerin zu 2 auf eine kausale Pflichtverletzung durch die Beklagten geschlossen werden könne. Der Brand sei in zeitlichem und räumli- chem Zusammenhang mit den feuergefährlichen Arbeiten der Beklagten zu 2 und 3 als Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu 1 entstanden. Konkrete Anhaltspunkte für einen elektrotechnischen Defekt als Brandursache seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Entsprechendes gelte auch für eine Brandursache aus dem Verantwortungsbereich der ehemaligen Beklagten zu 4 durch Funkenflug beim Durchsägen eines Nagels mittels einer Kreissäge, was der gerichtliche Sachverständige für absolut unwahrscheinlich gehalten habe. Aufgrund dieser Umstände könne im Ergebnis davon ausgegangen werden, dass eine objektive Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 bis 3 für den Brandschaden am Eigentum der Klägerin zu 2 ursächlich geworden sei. Der Beklagten zu 1 sei es nicht gelungen, die daraus nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB folgende Verschuldensvermutung zu entkräften, wobei sie sich auch für das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen, der Beklagten zu 2 und 3, entlasten müsse. Vielmehr wäre die Beklagte zu 1 verpflichtet gewesen, das Dach und seine Umgebung vor Beginn der feuergefährlichen Arbeiten auf risikoerhöhende Gegebenheiten zu untersuchen und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zur Verhinderung einer Brandgefahr zu ergreifen. Hätte die Beklagte zu 1 die ihr solchermaßen obliegende Sorgfalt eingehalten, hätte sie den eingetretenen Erfolg vorhersehen und verhindern können. Auch die Beklagten zu 2 und 3, welche die feuergefährlichen Arbeiten durchgeführt hätten, hätten erkennen können und müssen, dass das unter der Holzverschalung liegende papierkaschierte Dämmmaterial leicht entzündbar gewesen sei, und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen. Hätten die Beklagten zu 2 und 3 die ihnen obliegende Sorgfalt eingehalten , hätten auch sie den eingetretenen Erfolg vorhersehen und verhindern können. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei auf Seiten der Klägerinnen allerdings ein Mitverschulden von 50 % zu berücksichtigen. Die Klägerin zu 2 habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil sie die Beklagten nicht über die ihr bekannte Dämmung des Flachdachs mit Material einer leicht ent- flammbaren Papierkaschierung und der damit einhergehenden besonderen Brandgefahr in Kenntnis gesetzt habe. Selbst wenn die Klägerin zu 2 keinerlei Kenntnis von der konkret vorhandenen Dämmung gehabt habe, könne sie dies nicht entlasten, weil sie sich umfassende Kenntnis vom Untergrund der Dachkonstruktion hätte verschaffen müssen, bevor sie erheblich gefahrenträchtige Arbeiten in Auftrag gegeben habe. Dass die vorgenommenen Dachausbesserungsarbeiten gefahrenträchtig gewesen seien, ergebe sich bereits aus der beauftragten Ausbesserung eines über 30 Jahre alten Holzständerwerks, auf das mit Hilfe von Flämmarbeiten unmittelbar Bitumenbahnen aufgebracht werden sollten. Dabei komme es nicht darauf an, ob das Gebäude bauordnungsrechtlich genehmigt gewesen sei. Entsprechendes gelte auch hinsichtlich der fehlenden Brandmauer zum angrenzenden Gebäude. Gerade weil die Klägerin zu 2 das Grundstück im Wege der Einzelrechtsnachfolge erworben habe, habe sie sich nicht einfach auf die ursprünglich im Jahre 1969 erteilte Genehmigung zurückziehen dürfen, sondern hätte sich vor Beauftragung der feuergefährlichen Arbeiten zur aktiven Überprüfung des tatsächlich vorhandenen Brandschutzes veranlasst sehen müssen. Die Versäumnisse beider Parteien einerseits im Vorfeld der gefahrenträchtigen Arbeiten bzw. andererseits bei Durchführung derselben , rechtfertigten die Annahme eines jeweils hälftigen Verschuldensanteils.
II.
- 6
- Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revisionen stand. Die Anschlussrevisionen der Klägerinnen haben Erfolg.
- 7
- A) Zu den Revisionen der Beklagten:
- 8
- 1. Entgegen der Auffassung der Revisionen unterliegt das Berufungsurteil nicht bereits deshalb der Aufhebung, weil das erstinstanzliche Teilurteil, mit dem das Landgericht die Klage gegen die Beklagte zu 4 abgewiesen hat, unzulässig gewesen wäre.
- 9
- a) Zwar darf ein Teilurteil nur dann ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so dass die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht, was auch bei Klagen gegen mehrere einfache Streitgenossen gilt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 30. November 2012 - V ZR 245/11, NJW 2013, 1009 Rn. 9; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 301 Rn. 7; jeweils mwN). Ob im Streitfall die Gefahr widerstreitender Erkenntnisse bestand, kann letztlich offen bleiben.
- 10
- b) Die Mängel eines an sich unzulässigen Teilurteils können nämlich geheilt werden, wenn das Teilurteil rechtskräftig geworden ist. Auch ein unzulässiges Teilurteil kann in volle Rechtskraft erwachsen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1996 - V ZR 246/94, BGHZ 131, 376, 381 f.). Durch den Erlass des Teilurteils gegen einen Streitgenossen ist der Rechtsstreit in selbständige Verfahren getrennt worden, die nach Erlass des Teilurteils so zueinander stehen, als wären von vornherein die Teile isoliert eingeklagt worden (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Januar 1977 - VI ZR 82/76, NJW 1977, 1152).
- 11
- c) So liegt der Fall hier. Nach der Rechtskraft des klageabweisenden Teilurteils gegen die Beklagte zu 4 kommt es auf die Möglichkeit einer Widersprüchlichkeit der Entscheidungen im Streitfall nicht mehr an. Die Beklagten zu 1 bis 3 sind auch - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - durch dieses Teilurteil nicht beschwert, sondern können ihren Standpunkt, dass nicht sie sondern die Mitarbeiter der Beklagten zu 4 den Brand durch Funkenflug beim Durchtrennen eines Nagels infolge von Arbeiten mit einer Handkreissäge verursacht haben, ungehindert weiterverfolgen.
- 12
- 2. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 2 aus eigenem Recht und die Klägerin zu 1 aus abgetretenem bzw. übergegangenem Recht der Klägerin zu 2 gemäß § 823 Abs. 1, §§ 631, 280 Abs. 1, § 249 BGB, die Klägerin zu 1 jeweils i.V.m. § 67 Abs. 1 VVG a.F. bzw. § 398 BGB, gegen die Beklagten zu 1 bis 3 dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch wegen des Brandschadens vom 30. August 2002 haben.
- 13
- a) Entgegen der Ansicht der Revisionen ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerinnen im Wege des Anscheinsbeweises bewiesen haben, dass die Beklagten zu 2 und 3, deren Verhalten sich die Beklagte zu 1 zurechnen lassen muss, den Brand verursacht haben.
- 14
- aa) Nach ständiger Rechtsprechung greift der Beweis des ersten Anscheins bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist, was grundsätzlich auch bei der Feststellung von Brandursachen in Betracht kommen kann (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 1974 - VI ZR 53/71, VersR 1974, 750; vom 18. Oktober1983 - VI ZR 55/82, VersR 1984, 63, 64; vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, VersR 2010, 392 Rn. 8; BGH, Urteile vom 9. November 1977 - IV ZR 160/76, VersR 1978, 74, 75; vom 28. Februar 1980 - VII ZR 104/79, VersR 1980, 532; vom 12. Mai 1993 - IV ZR 120/92, VersR 1993, 1351, vom 6. März 1991 - IV ZR 82/90, VersR 1991, 460, 461; OLG Düsseldorf, r+s 1993, 138 f.; OLG Hamm, VersR 2000, 55, 56 f.; OLG Köln, VersR 1994, 1420, 1421; OLG Rostock, OLGR Rostock 2008, 736 f. und OLG Celle, VersR 2009, 254, 255). Dieser Schluss setzt eine Typizität des Geschehensablaufs voraus, was in diesem Zusammenhang allerdings nur bedeutet, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Falles sehr groß ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, aaO mwN).
- 15
- bb) Der vom Anspruchsteller vorzutragende typische Lebenssachverhalt beschränkt sich danach in den Fällen der vorliegenden Art darauf, dass es nach dem Hantieren mit einem feuergefährdeten Gegenstand in einer extrem brandgefährdeten Umgebung zur Entwicklung offenen Feuers gekommen ist, in dessen unmittelbarer zeitlicher Folge ein Brand ausgebrochen ist, und dass konkrete Anhaltspunkte für eine andere Brandursache fehlen. Es obliegt dann dem in Anspruch Genommenen, Umstände vorzutragen und zu beweisen, die den Anschein entkräften (Senatsurteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, aaO Rn. 14). Werden feuergefährliche Arbeiten vorgenommen und besteht ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang, so ist ein weiterer Vortrag des Geschädigten für das Eingreifen der Grundsätze über den Anscheinsbeweis nicht erforderlich. Insbesondere muss nicht der konkrete Kausalverlauf geklärt werden (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 1974 - VI ZR 53/71, VersR 1974, 750, 751). Der Anscheinsbeweis unterscheidet sich von den Feststellungen nach allgemeinen Beweisregeln gerade dadurch, dass der konkrete Geschehensablauf nicht geklärt werden muss, weil von einem typischen Hergang auszugehen ist, solange nicht vom Gegner Tatsachen bewiesen werden, welche die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Verursachung begründen (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 1974 - VI ZR 53/71, aaO; vom 18. Oktober 1983 - VI ZR 55/82, aaO; OLG Celle, aaO).
- 16
- cc) Nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts haben die für die Beklagte zu 1 tätigen Beklagten zu 2 und 3 am Brandtag auf dem Dach des Lagergebäudes der Klägerin zu 2 auf einer Holzkonstruktion liegende Bitumenbahnen mittels eines Brenners mit offener Flamme verschweißt. Solche Heißklebearbeiten bei der Verlegung von Bitumen-Schweißbahnen sind nach der Lebenserfahrung typischerweise geeignet, in der Nähe befindliches brennbares Material zu entflammen (BGH, Urteil vom 28. Februar 1980 - VII ZR 104/79, aaO; OLG Celle, aaO; LG Leipzig, r+s 2000, 164, 165). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts befand sich unter der Holzkonstruktion eine papierkaschierte Dämmung, die leicht entflammbar war, wodurch sich ein Brand rasend schnell ausbreiten konnte, wozu auch die gute Belüftung des Dachhohlraums beitrug. Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, dass der Brand nur fünf Minuten nach Wiederaufnahme der Flämmarbeiten durch die Beklagten zu 2 und 3 bemerkt wurde. Schließlich hat das Berufungsgericht auch rechtsfehlerfrei den räumlichen Zusammenhang zwischen den Arbeiten der Beklagten zu 2 und 3 und der Entstehung des Brandes bejaht. Das Berufungsgericht hat sich diesbezüglich in tatrichterlicher Würdigung seine Überzeugung auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen W. im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gebildet, dessen Gutachten es nach § 411a ZPO verwerten durfte. Danach lag die Brandausbruchstelle entsprechend den im Gutachten enthaltenen Lichtbildern im Stoßbereich der vierten und fünften Bahn, wo sich eine größere Zerstörungsrate gezeigt habe. Die Holzverschalung sei oberseitig erkennbar mit angeschmolzenem Bitumen beschmiert gewesen, was auf eine erhöhte Wärmewirkung zurückzuführen sei. Der Lokalisierung dieser Brandausgangsstelle habe sich auch der gerichtlich bestellte Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten angeschlossen. An dieser Stelle sei durch den Gutachter W. festgestellt worden, dass vier Lagen neue Bitumenbahnen übereinanderlappten, so dass zum Schweißen ein größe- rer Energieaufwand mit entsprechend höherer Hitzewirkung notwendig geworden sei. Es habe sich dabei um den Arbeitsbereich der Dachdecker, nicht jedoch um denjenigen der Zimmerleute, gehandelt. Gut zu erkennen sei auf den Lichtbildern des Gutachtens W., dass der Arbeitsbereich der Zimmerer von der Brandausbruchstelle deutlich entfernt gelegen habe. In der Nähe der Brandausbruchstelle seien keine neuen Schalbretter zu erkennen. Nach dem Gutachten des Gerichtssachverständigen L. seien im Bereich der Zimmererarbeiten keine Brandspuren feststellbar.
- 17
- dd) Entgegen der Auffassung der Revisionen sind im Zusammenhang mit dieser Beweiswürdigung keine Verfahrensfehler erkennbar. Dass die Brandwache S. entsprechend den Behauptungen der Beklagten den Rauch in einem anderen Bereich bemerkt haben will und zudem "gleichzeitig, nämlich innerhalb von Sekunden", auch an der angrenzenden aufsteigenden Giebelwand des Nachbargebäudes Rauch aus der Fassade aufgestiegen sein soll, lässt keine hinreichenden Rückschlüsse auf einen Brandherd in der Fassade statt auf dem Flachdach zu. Dies hat das Berufungsgericht sachverständig beraten aus den Grundregeln der Thermik gefolgert. Ob der Privatsachverständige B. in seiner zusammenfassenden Beurteilung in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt ist, es sei unmöglich, die genaue Brandursache zu ermitteln, ist - abgesehen davon, dass es sich insoweit nur um qualifizierten Parteivortrag der Beklagtenseite handelt - unerheblich, denn im Zusammenhang mit dem Anscheinsbeweis ist es gerade nicht erforderlich, den konkreten Kausalverlauf zu klären. Schließlich vermögen auch die allgemeinen Ausführungen der Revisionen , der Arbeitsbereich der Zimmerleute der Beklagten zu 4 sei mit demjenigen der Beklagten zu 2 und 3 "praktisch identisch" gewesen, weil die Beteiligten "Hand in Hand" gearbeitet hätten, so dass die Zimmerleute der Beklagten zu 4 unmittelbar zuvor stets in demselben Bereich gearbeitet hätten wie die Beklagten zu 2 und 3, keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen. Denn nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts war dies an der Brandausbruchstelle gerade nicht der Fall.
- 18
- ee) Da nach den das Revisionsgericht insoweit bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen ist, dass die Zimmerleute der Beklagten zu 4 an der Brandausbruchstelle nicht gearbeitet haben, trägt bereits diese Tatsache die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass eine Verursachung des Brandes durch Funkenflug beim Durchtrennen eines Nagels mit der Handkreissäge nicht verursacht worden sein kann. Deshalb gehen die Angriffe der Revisionen gegen die den Ausschluss dieser Alternative betreffenden Hilfsbegründungen ins Leere. Abgesehen davon ist aber auch - entgegen der Auffassung der Revisionen - im Zusammenhang mit der weitergehenden tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts kein Rechtsfehler erkennbar. Nach den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen - denen das Berufungsgericht insoweit folgt - erreichen Funken, die bei dem Durchsägen eines Nagels mittels einer Kreissäge entstehen, nicht die erforderliche Zündtemperatur , um Papier in Brand zu setzen. Denn die Funken kühlten sich aufgrund der Umgebungstemperatur wieder ab. Nur wenn längere Zeit auf einem Nagel gesägt werde und hierdurch eine sehr hohe Reibung erzeugt werde, würde dadurch eine relativ hohe Temperatur erreicht, die grundsätzlich geeignet wäre, die Kaschierung des Dämmmaterials in Brand zu setzen. Diesen Vorgang indes habe der gerichtliche Sachverständige für absolut unwahrscheinlich gehalten. Allein die theoretische Möglichkeit, dass unter außergewöhnlichen Umständen, etwa wenn über längere Zeit auf einem Nagel herumgesägt wird, durch Funkenflug ein Brand verursacht werden kann, hinderte das Berufungsgericht im Rahmen des § 286 ZPO nicht daran, sich eine gegenteilige Überzeugung zu bilden, zumal sich die Brandausbruchstelle nach den getroffenen Feststellungen nicht im Bereich der Zimmererarbeiten befand.
- 19
- ff) Das Berufungsgericht hat auch rechts- bzw. verfahrensfehlerfrei als alternative Brandentstehungsursache einen elektrotechnischen Defekt ausgeschlossen. Der bloße Hinweis auf Defekte oder Kurzschlüsse in nicht näher bezeichneten elektrischen Leitungen genügt dabei nicht. Es müssen vielmehr konkrete Spuren ernsthaft die Möglichkeit eines derartigen Geschehensablaufs nahelegen (vgl. OLG Celle, aaO). Eine entsprechende Möglichkeit hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der Ausführungen des Gerichtssachverständigen L. jedoch verfahrensfehlerfrei ausgeschlossen. Dieser hat unter den Umständen des Streitfalles eine Brandausbreitung ausgehend von der Fassade in das Flachdach nach den Regeln der Thermik nicht für denkbar erachtet, weil ein Brand aufgrund der Regeln der Thermik grundsätzlich von unten nach oben und nicht umgekehrt entstehe. Das Berufungsgericht hat es unter Zugrundelegung der Zeugenaussagen, des Bildmaterials sowie der Ausführungen des Gerichtssachverständigen L. für einleuchtend erachtet, dass sich der Brand infolge der vorhandenen Hohlräume und der Zugluft durch eine "Kaminwirkung" vom Flachdach schnell auch in den Bereich der Fassade habe ausbreiten können.
- 20
- b) Den Revisionen kann auch nicht in der Auffassung beigetreten werden , der vom Berufungsgericht zu Lasten der Beklagten angenommene Anscheinsbeweis sei jedenfalls erschüttert.
- 21
- aa) Soweit die Revisionen meinen, die Beklagten hätten die Vermutung des Berufungsgerichts, das Feuer rühre von einem brennenden Bitumentropfen her, durch die unter Beweis gestellte Behauptung widerlegen können, dass es weder Zwischenräume in der Holzverschalung, durch die ein Tropfen auf die papierkaschierte Dämmung hätte fallen können, noch brennende Bitumentropfen gegeben habe, geht dieser Angriff bereits deshalb ins Leere, weil das Berufungsgericht mit Recht davon ausgegangen ist, dass aufgrund des zugunsten der Klägerseite eingreifenden Anscheinsbeweises die genaue Ursache gerade nicht aufgeklärt werden muss. Aus diesem Grunde ist es unerheblich, ob die - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts naheliegende - Vermutung zutrifft, dass das Feuer durch einem brennenden Bitumentropfen verursacht worden ist oder durch andere Umstände, etwa eine Zündung von brennbarem Material durch die Flamme des Brenners oder den vor der Flamme liegenden Heißgasstrom (vgl. OLG Celle, aaO).
- 22
- bb) Soweit schließlich die Revisionen meinen, der Anscheinsbeweis sei auch dadurch erschüttert, dass die Arbeiten der Beklagten zu 2 und 3 gerade nicht feuergefährlich gewesen seien, weil das Dämmmaterial nicht leicht entflammbar gewesen sei, setzen sie sich in Widerspruch zu den gegenteiligen Feststellungen des Berufungsgerichts und begeben sich damit auf das ihr verschlossene Gebiet der tatrichterlichen Würdigung, ohne relevante Verfahrensfehler aufzuzeigen. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
- 23
- cc) Des Weiteren kann der Auffassung der Revisionen, dass die Grundsätze des Anscheinsbeweises wegen einer Beweisvereitelung durch die Klägerin zu 2 nicht zur Anwendung kommen, aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat mit Recht den Sachvortrag der Beklagten als zu wenig konkret erachtet. Soweit die Revisionen darauf hinweisen, der Privatsachverständige B. habe in seinem Gutachten ausgeführt, ihm sei durch die Firmenleitung der Klägerin zu 2 am 3. September 2002 "eine Tatbestandsaufnahme entsprechend den Anweisungen des Versicherers" untersagt worden, vermag dies keinen Verfahrensfehler zu begründen. Denn das Berufungsgericht hat sich darauf gestützt, dass sich aus der Akte Gegenteiliges ergibt und hierzu ausgeführt, aus der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft sei ersichtlich, dass ein Vertreter der Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 1, für die der Sachverständige B. gutachterlich tätig geworden sei, am 2. September 2002 vor Ort gewesen sei. Dies hätten die Klägerinnen unwidersprochen vorgetragen. Auch sei der Beklagte zu 3 am 3. September 2002 persönlich vor Ort gewesen. Aus der vorgelegten und inhaltlich nicht bestrittenen Korrespondenz des damaligen Vertreters der Klägerin zu 1 mit dem Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 lasse sich ebenso ersehen, dass die Klägerin zu 1 diese Versicherung bereits am 2. September 2002 zur Schadensbesichtigung eingeladen habe, und dass am 12. September 2002 ein weiteres Gespräch hätte stattfinden sollen, auch unter Beteiligung der Sachverständigen. Unter diesen Umständen war die in Bezug genommene Äußerung des Sachverständigen B. nicht hinreichend substantiiert , da bereits nicht ersichtlich ist, was mit einer "Tatbestandsaufnahme entsprechend den Anweisungen des Versicherers" gemeint sein soll. Eine Vernehmung des Zeugen B. wäre ein unzulässiger Ausforschungsbeweis gewesen , zu dessen Erhebung das Berufungsgericht nicht verpflichtet war.
- 24
- c) Die Revisionen nehmen zwar hin, dass das Berufungsgericht hinsichtlich des Verschuldens der Beklagten zu 1, die für die Beklagten zu 2 und 3 als ihre Erfüllungsgehilfen insoweit einstehen muss, die Vermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB herangezogen hat. Sie meinen jedoch, an den insoweit bei unaufklärbarer Ursache für den Schuldner möglichen Entlastungsbeweis, dass er alle ihm obliegende Sorgfalt beobachtet hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 1989 - X ZR 116/88, NJW-RR 1990, 446, 447; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 280 Rn. 40), habe das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen gestellt. Dies trifft indes nicht zu. Das Berufungsgericht hat sich in tatrichterlicher Würdigung im Rahmen der Abwägung der Möglichkeiten einer von der Beklagten zu 1 verschuldeten oder nicht verschuldeten Brandentstehung die Überzeugung gebildet, dass unter den besonderen Umständen des Streitfalles bei der bestehenden erhöhten Brandgefahr zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen beim Arbeiten mit offener Flamme in der Nähe brennbarer Stoffe erforderlich gewesen wären, was der Beklagten zu 1 und ihren Mitarbeitern erkennbar ge- wesen sei. Da das Berufungsgericht insbesondere auf die hier nach den örtlichen Gegebenheiten besonders hohe Brandgefahr abstellt, ist es im Ergebnis auch ohne Belang, ob das Berufungsgericht zu Unrecht die Unfallverhütungsvorschrift "Verwendung von Flüssiggas" (BGV D 34) statt der Unfallverhütungsvorschrift "Dachdeckerarbeiten" (BGR 203) herangezogen hat. Dass die Beklagten beim Arbeiten mit einem Brenner in der Nähe besonders feuergefährlicher Stoffe alle Sicherheitsvorkehrungen treffen mussten, um einen Brand zu verhindern, ist ein allgemeiner Grundsatz, der unabhängig von Unfallverhütungsvorschriften zu beachten ist. Das Berufungsgericht stellt im Rahmen seiner Beweiswürdigung in diesem Zusammenhang insbesondere darauf ab, dass der Brand an einer Stelle entstanden ist, an der vier Lagen Bitumenbahnen verschweißt worden sind, wozu naturgemäß ein größerer Energieaufwand mit einer größeren Hitzeeinwirkung erforderlich gewesen sei, was zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen , etwa durch Unterlegung von nicht brennbarem Abdeckmaterial oder ein Arbeiten mit Heißluft oder mit einem kleineren Handbrenner, erfordert hätte. Dass das Berufungsgericht unter diesen Umständen eine Nichtbeachtung der erforderlichen Sorgfalt und ein damit einhergehendes Verschulden angenommen hat, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
- 25
- d) Das Berufungsgericht ist - entgegen der Auffassung der Revisionen - mit Recht von einer Mithaftung des Beklagten zu 2 ausgegangen, weil dieser bei dem Verschweißen der Bitumenbahnen mit dem Beklagten zu 3 "Hand in Hand" zusammengewirkt habe. Soweit die Revision meint, eine Zurechnung gemäß § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB scheide aus, weil der Beklagte zu 3 den Brenner geführt und der Beklagte zu 2 lediglich das verflüssigte Bitumen festgetreten habe, was zur Herbeiführung der Rechtsgutverletzung "offenkundig" nicht geeignet gewesen sei, greift dies zu kurz. Denn das Berufungsgericht stellt zutreffend darauf ab, dass die ohne hinreichende Sicherheitsvorkehrungen in feuergefährdeter Umgebung durchgeführten Schweißarbeiten der Beklagten zu 2 und 3 einen tatsächlich zusammenhängenden einheitlichen Vorgang bilden, der sich nicht in selbständige Tätigkeiten aufspalten lässt. Darüber hinaus ist die Auffassung der Revisionen, der Beitrag des Beklagten zu 2 sei "offenkundig" zur Herbeiführung der Rechtsgutverletzung nicht geeignet gewesen, nicht durch hinreichenden Sachvortrag belegt, der die Möglichkeit ausschließt, dass gerade das Betreten der Nahtstelle durch den Beklagten zu 2 der Flamme, dem Heißgasstrom oder brennendem Bitumen einen Weg durch die darunter liegende Holzverschalung eröffnet haben könnte.
- 26
- B) Zu den Anschlussrevisionen der Klägerinnen:
- 27
- Die zulässigen Anschlussrevisionen der Klägerinnen haben Erfolg. Der Klägerin zu 2 kann - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - kein Mitverschulden an der Entstehung des Brandschadens zur Last gelegt werden.
- 28
- 1. Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu 2 ein Mitverschulden in Höhe von 50 % angerechnet, weil diese die Beklagten zum einen nicht darüber informiert habe, dass das in Brand geratene Dach mit einer leicht entflammbaren Papierkaschierung gedämmt gewesen sei und deshalb eine besondere Brandgefahr bestanden habe und zum anderen, weil sie nicht darauf hingewiesen habe, dass das angrenzende Fabrikationsgebäude über keine Brandmauer verfügt habe. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Anschlussrevisionen haben Erfolg.
- 29
- 2. Zwar kommt ein Mitverschulden auch dann in Betracht, wenn sich das Verschulden des Geschädigten auf die Unterlassung beschränkt, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen , die der Schuldner weder kannte noch kennen musste (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB).
- 30
- a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war den Beklagten aber aufgrund der vorangegangenen Öffnung eines Teilbereichs des Daches eine erhöhte Brandgefahr durch das Vorhandensein des papierkaschierten Dämmstoffes bekannt. Deshalb konnte der vom Berufungsgericht vermisste Hinweis seitens der Klägerin zu 2 auf diesen Umstand keinen Mitverschuldensvorwurf im Sinne des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB begründen.
- 31
- b) Auch der unterlassene Hinweis auf die zum Nachbargebäude hin fehlende Brandmauer vermag keinen Mitverschuldensvorwurf zu rechtfertigen. Denn eine Warnpflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB besteht nicht, wenn die Erkenntnismöglichkeiten des Schädigers gleich gut oder besser waren als die des Geschädigten (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1952 - II ZR 56/52, VersR 1953, 14, 15).
- 32
- aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nichts dafür ersichtlich , dass die Klägerin zu 2 insoweit über einen Wissensvorsprung oder über bessere Erkenntnismöglichkeiten verfügte als die Beklagten. Das Berufungsgericht geht nicht davon aus, dass der Klägerin zu 2 das Fehlen einer Brandmauer bekannt war. Es meint lediglich, diese habe sich in Anbetracht der Umstände zur aktiven Überprüfung des tatsächlich vorhandenen Brandschutzes veranlasst sehen müssen. Dieser Auffassung kann jedoch aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden.
- 33
- bb) Das Berufungsgericht nimmt - im Ansatz zutreffend - an, dass für die sichere Ausführung der Dachdeckerarbeiten grundsätzlich der Fachbetrieb sowie die ausführenden Handwerker verantwortlich sind. Soweit in diesem Zusammenhang eine Pflicht zur Überprüfung des bestehenden Brandschutzes bestand, traf diese mithin die Beklagten. Sie konnten das Vorhandensein einer Brandmauer zum Nachbargebäude ebenso gut überprüfen wie die Klägerin zu 2.
- 34
- 3. Da insoweit keine weiteren Feststellungen mehr zu treffen sind, kann der erkennende Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und - soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerinnen entschieden hat - das erstinstanzliche Urteil wiederherstellen. Galke Wellner Pauge Stöhr von Pentz
LG Wuppertal, Entscheidung vom 15.04.2010 - 4 O 452/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.08.2012 - I-21 U 74/10 -
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über die zugesprochenen Zinsen hinaus weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 538.123,85 € seit dem 12. Januar 2002 und aus weiteren 115.672,07 € seit dem 1. Juli 2002 bis jeweils zum 13. Juni 2003 zu zahlen.
Die weitergehenden Rechtsmittel der Klägerin werden zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, welche die Abfallentsorgung und Straßenreinigung im Land Berlin betreibt, hat den beklagten Grundstückseigentümer, das Land Berlin, auf rückständiges Straßenreinigungsentgelt für die Jahre 1998 bis 2002 nebst Verzugszinsen in Anspruch genommen. Die Parteien streiten inzwischen nur noch über einen Teil der Zinsen.
- 2
- Die Klägerin hatte dem Beklagten für das 1.137.251 qm große Grundstück "Waldpark Wuhlheide" mit Rechnungen vom 14. Dezember 2001 für das Jahr 1998 558.208,28 €, für 1999 554.595,39 €, für 2000 540.057,76 € und für 2001 517.471,96 € in Rechnung gestellt, die laut Vermerk auf den Rechnungen jeweils am 31. Dezember 2001 fällig sein sollten, sowie mit Rechnung vom 17. Januar 2002 für das Jahr 2002 509.943,36 €, fällig zum 30. Juni 2002. Mit Sondergutschriften vom 22. April 2003 ermäßigte die Klägerin wegen rückwirkend geänderter Tarife ihre Rechnungen für 1999 auf 482.455,99 €, für 2000 auf 477.918,36 €, für 2001 auf 455.503,14 € und für 2002 auf 448.031,40 €. Der Beklagte zahlte auf alle Rechnungen jeweils nur Teilbeträge. Von der Klägerin auf den Rest verklagt, hat er unter anderem eingewandt, dass Teile seines Grundstücks als Forst genutzt würden, weshalb er gemäß § 7 Abs. 5 StrRG Berlin, wonach Eigentümer von Grundstücken, die als Forst genutzt werden, vom Entgelt befreit sind, für das ganze Grundstück nichts zu bezahlen brauche. In diesem Punkt hat das Landgericht ihm teilweise Recht gegeben und der Klägerin Entgelt nur für die nicht forstlich, sondern als Grünfläche oder Privatstraße genutzten Grundstücksteile zur Größe von 726.087 qm zuerkannt.
- 3
- Verzugszinsen hat das Landgericht der Klägerin erst ab Zustellung des Mahnbescheids am 14. Juni 2003 zugesprochen. Nur insoweit hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie im Hinblick auf die in ihren Rechnungen bestimmten Fälligkeitsdaten ihren Anspruch auf Zinsen schon ab 1. Januar bzw. ab 1. Juli 2002 weiterverfolgt hat. Die Berufung ist vom Berufungsgericht zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision hat im Wesentlichen Erfolg. Der Anspruch der Klägerin auf Verzugszinsen ist aufgrund des zum Teil durch Mahnung, zum Teil durch Bestimmung der Leistungszeit nach dem Kalender herbeigeführten Verzuges des Beklagten begründet (§§ 288 Abs. 1 Satz 1, 284 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung - im Folgenden: a.F.; Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB).
- 5
- I. Das Berufungsgericht hat einen Verzug des Beklagten aufgrund der in den Rechnungen genannten Fälligkeitsdaten wegen eines entschuldigenden Rechtsirrtums des Beklagten abgelehnt. Die Klägerin habe erstmalig unter dem 14. Dezember 2001 bzw. 17. Januar 2002 für die Jahre ab 1998 Beträge in Rechnung gestellt, von denen nunmehr rechtskräftig feststehe, dass sie überhaupt nur in Höhe von zwei Dritteln berechtigt seien. Der Beklagte sei damals nicht in der Lage gewesen, die tatsächlich geschuldeten Entgelte festzustellen. Zum einen seien später nicht unerhebliche Korrekturen der Rechnungshöhe wegen nachträglicher Tarifänderungen erfolgt, zum anderen habe die Klägerin die Herausrechnung der Waldstücke erst im Verlauf des vorliegenden Prozesses akzeptiert. Vergeblich berufe sich die Klägerin darauf, dass der Beklagte zumindest eigene Berechnungen unter Abzug der Forstflächen hätte anstellen müssen. Dies sei dem Beklagten in Anbetracht der Tatsache, dass über die richtige Entgelthöhe noch ein langwieriger Prozess vor dem Landgericht geführt worden sei, nicht möglich und auch nicht zumutbar gewesen.
- 6
- II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 7
- 1. Wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, war die Klägerin berechtigt , in ihren Rechnungen die Leistungszeit nach dem Kalender zu bestimmen und so gemäß § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (jetzt: § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) zu bewirken, dass der Beklagte mit dem Ablauf dieser Leistungszeit ohne Mahnung in Verzug geriet. Grundsätzlich erfordert die Bestimmung der Leistungszeit zwar eine Vereinbarung der Vertragsparteien. Der erkennende Senat hat indessen bereits klargestellt, dass auch ein einseitiges Bestimmungsrecht des Gläubigers nach §§ 316 Abs. 1, 315 BGB in Betracht kommt und dass der Klägerin ein solches einseitiges Bestimmungsrecht hinsichtlich der Leistungszeit zusteht. Dabei kann die Klägerin die Festlegung der Leistungszeit nicht etwa nur in Form von Allgemeinen Leistungsbedingungen vornehmen, sondern auch individuell in Einzelfällen, wenn die in ihren Leistungsbedingungen enthaltenen Fälligkeitstermine mangels rechtzeitiger Rechnungstellung bereits verstrichen sind. Dann kann die Klägerin die Leistungszeit auch in ihren Rechnungen bestimmen (Urt. v. 15.02.2005 - X ZR 87/04, NJW 2005, 1772).
- 8
- Das hat sie hier getan. In ihren Rechnungen hieß es zwar: "Der Betrag in EUR ist wie folgt fällig: Fällig am ...". Damit wollte die Klägerin aber erkennbar nicht im buchstäblichen Sinne des Wortes "Fälligkeit" den Zeitpunkt bestimmen, von dem ab der Gläubiger, die Leistung fordern kann, sondern den Zeitpunkt, bis zu dem der Schuldner leisten soll. Die Klägerin setzte dem Beklagten also ein Zahlungsziel.
- 9
- 2. Gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung der Leistungszeit bestehen bei der Rechnung vom 17. Januar 2002, fällig zum 30. Juni 2002, keine Bedenken. Hinsichtlich der Rechnung vom 14. Dezember 2001 wendet der Beklagte hingegen zu Recht ein, dass er die ihm obliegende Berechnung des nach Abzug der Forstflächen geschuldeten Entgelts nicht in der Zeit zwischen dem Empfang der Rechnung am 21. Dezember und der darin genannten Leistungszeit , dem 31. Dezember, bewerkstelligen konnte. In diesen Zeitraum fielen nur zwei Werktage, nämlich der 27. und der 28. Dezember. Diese reichten für die vom Beklagten anzustellenden Ermittlungen und Berechnungen ersichtlich nicht aus. Infolgedessen war die Bestimmung der Leistungszeit unbillig und damit unwirksam (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB), so dass der Beklagte nicht aufgrund kalendermäßiger Bestimmung der Leistungszeit in Verzug geraten konnte.
- 10
- Stattdessen trat jedoch Verzug durch Mahnung ein (§§ 284 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.; jetzt: § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). In der einseitigen Bestimmung eines Zahlungsziels durch den Gläubiger liegt eine Mahnung (vgl. Staudinger/Bittner, BGB (2004), § 271 Rdn. 19; Staudinger/Löwisch aaO § 286 Rdn. 68), wenn - wie hier - der Gläubiger den Schuldner auffordert, die Rechnung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu begleichen, und damit die für eine Mahnung erforderliche eindeutige Leistungsaufforderung zum Ausdruck bringt (Staudinger /Löwisch § 286 Rdn. 41). Der Wirksamkeit dieser Mahnung steht nicht entgegen , dass sie im Text der Rechnung stand, welche Voraussetzung für die Fälligkeit der Entgeltforderung war (Sen.Urt. NJW 2005, 1772). Denn die Mah- nung kann mit der Erklärung verbunden werden, welche die Fälligkeit erst herbeiführt.
- 11
- Der durch die Mahnung bewirkte Verzug des Beklagten trat allerdings nicht schon am Tage nach Fristablauf, dem 1. Januar 2002, ein, weil zu diesem Zeitpunkt noch das Verschulden des Beklagten fehlte (§ 285 BGB a.F.; jetzt: § 286 Abs. 4 BGB). Da die Klägerin in ihrer Rechnung Entgelt auch für die Waldflächen forderte, die nach der rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts aufgrund einer Ausnahmevorschrift vom Entgelt befreit waren, war der Beklagte zunächst durch eine von ihm nicht zu vertretende Ungewissheit über Bestehen und Umfang seiner Schuld an der Leistung verhindert. Ihm war eine angemessene Frist zur Überprüfung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Ansprüche der Klägerin zuzubilligen (Staudinger/Löwisch § 286 Rdn. 144, 147); denn er musste aus ihren Rechnungen erst den Waldanteil herausrechnen, bevor er zahlen konnte. Hierfür angemessen war eine Frist von zwei normalen, nicht durch Festtage geschmälerten Wochen, das heißt von zehn Werktagen. Ein verzugsbegründendes Verschulden des Beklagten konnte erst mit Ablauf der angemessenen Frist eintreten, also am 12. Januar 2002.
- 12
- 3. Der Ansicht des Berufungsgerichts, Verzug scheitere insgesamt am fehlenden Verschulden des Beklagten, weil dieser seinerzeit die tatsächlich von ihm geschuldete Entgelthöhe nicht habe ermitteln können, kann nicht beigetreten werden. Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung wegen eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat (§ 285 BGB a.F.; jetzt: § 286 Abs. 4 BGB). Zu vertreten hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB). Hier handelte der Beklagte zumindest fahrlässig , also unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.; jetzt: § 276 Abs. 2 BGB), als er die Forderungen der Klägerin auch, soweit sie berechtigt waren, zum Teil nicht bezahlte.
- 13
- a) Der vom Berufungsgericht als Entschuldigungsgrund angesehene Umstand, dass die Klägerin die anfänglichen Rechnungssummen später durch Sondergutschriften herabsetzte, nachdem am 31. März 2003 die Tarife für die Jahre 1999 bis 2002 mit Rückwirkung abgesenkt worden waren, vermag den Beklagten nicht zu entlasten. Dem Zahlungsverzug des Kunden eines Versorgungsunternehmens , der nicht bis zu der in der ursprünglichen Rechnung genannten Fälligkeitszeit bezahlt hat, steht nicht entgegen, dass das Versorgungsunternehmen seine Tarife und infolgedessen seine Rechnungen nachträglich herabsetzt. Denn dies ändert nichts daran, dass die ursprünglichen Tarife bis zu ihrer Änderung gültig und deshalb die darauf beruhenden Rechnungsbeträge geschuldet waren. Etwas anderes gilt nur in dem Sonderfall einer unbilligen Leistungsbestimmung (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB), der durch eine nachträgliche Tarifermäßigung aber nicht indiziert wird und im Übrigen hier schon deshalb nicht angenommen werden kann, weil der Beklagte die Einrede der unbilligen Tariffestsetzung nicht erhoben hat. Es ist somit davon auszugehen , dass bis zu der Tarifänderung keine Zuvielforderung der Klägerin vorlag. Deshalb stellt sich an dieser Stelle auch nicht die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Zuvielforderung des Gläubigers den Verzugseintritt hindert. Denn eine Zuvielforderung liegt insoweit nicht vor.
- 14
- b) Die Nichtzahlung des Beklagten wird ebenso wenig dadurch entschuldigt , dass die Klägerin ihm auch für die mit Wald bestandenen Teilflächen das Reinigungsentgelt in Rechnung stellte, obwohl diese gemäß der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 5 StrRG Berlin davon befreit waren. Insoweit lag eine Zu- vielforderung vor, jedoch hätte der Beklagte den berechtigten Teil der Rechnungen gleichwohl fristgerecht begleichen müssen.
- 15
- aa) Für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Schuldner trotz einer Zuvielforderung des Gläubigers in Verzug gerät, gelten auch im Falle eines durch Überschreitung der kalendermäßig bestimmten Leistungszeit herbeigeführten Verzuges die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof zum Verzug durch eine Zuvielmahnung entwickelt hat. Denn in beiden Fällen geht es gleichermaßen darum, ob die Säumnis des Schuldners wegen der teilweise fehlenden Berechtigung des vom Gläubiger geltend gemachten Leistungsanspruchs entschuldigt ist.
- 16
- bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt eine Zuvielforderung die Wirksamkeit der Mahnung und damit den Verzug hinsichtlich der verbleibenden Restforderung nicht in Frage, wenn der Schuldner die Erklärung des Gläubigers nach den Umständen des Falles als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist (Urt. v. 25.06.1999 - V ZR 190/98, NJW 1999, 3115 m.w.N; v. 28.01.2000 - V ZR 252/98, WM 2000, 586). So lag es hier, wo der Beklagte mit Rücksicht darauf, dass die Klägerin erkennbar auf Liquidität angewiesen war und deshalb in jedem Fall den berechtigten Teil ihrer Rechnungen bis zum angegebenen Fälligkeitsdatum bezahlt sehen wollte und in diesem Zusammenhang auch zur Annahme einer geringeren Leistung als gefordert bereit war, wie die Tatsache zeigt, dass sie die von dem Beklagten erbrachten Teilleistungen nicht zurückwies. Allerdings kann eine unverhältnismäßig hohe, weit übersetzte Zuvielforderung den zu Recht angemahnten Teil so in den Hintergrund treten lassen, dass dem Schuldner kein Schuldvorwurf zu machen ist, wenn er sich nicht als wirk- sam gemahnt ansieht. Am Verschulden fehlt es auch dann, wenn der Schuldner die wirklich geschuldete Forderung nicht allein ausrechnen kann, weil sie von ihm unbekannten internen Daten des Gläubigers abhängt (BGH, Urt. v. 13.11.1990 - XI ZR 217/89, NJW 1991, 1286; v. 09.02.1993 - XI ZR 88/92, NJW 1993, 1260).
- 17
- cc) Jedoch kommt keiner dieser beiden Entschuldigungsgründe dem Beklagten zugute. Um eine weit übersetzte Forderung, die den berechtigten Teil in den Hintergrund treten ließ, handelte es sich nicht, weil die Rechnungen der Klägerin auch unter Berücksichtigung der Entgeltfreiheit der Waldflächen noch zu 64 % berechtigt waren. Der Beklagte konnte dies auch ohne unzumutbare Mühe selbst errechnen. Da er das Größenverhältnis der Waldflächen zum Gesamtgrundstück anhand des Liegenschaftskatasters ermitteln konnte, hätte er die Rechnungsbeträge lediglich um den entsprechenden Bruchteil zu kürzen brauchen. Diese Berechnung hing nicht von internen, dem Beklagten nicht zugänglichen Daten der Klägerin ab.
- 18
- c) Schließlich ist die Nichtzahlung des Beklagten auch nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum zurückzuführen. Sollte das Berufungsgericht mit seinem Hinweis, dass über die endgültige Entgelthöhe vor dem Landgericht noch etwa ein Jahr lang gestritten worden sei, dem Beklagten einen Rechtsirrtum des Inhalts zugutegehalten haben, dass er wegen der teilweise forstlichen Nutzung für das Gesamtgrundstück kein Entgelt zahlen müsse, so hätte ein solcher Irrtum den Beklagten nicht entlastet, weil er nicht unverschuldet gewesen wäre.
- 19
- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fordert der Geltungsanspruch des Rechts grundsätzlich, dass der Verpflichtete das Risiko ei- nes Irrtums über die Rechtslage selbst trägt; an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind daher strenge Maßstäbe anzulegen. Der Schuldner muss die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten (vgl. nur Urt. v. 04.07.2001 - VIII ZR 279/00, NJW 2001, 3114). Entschuldigt ist ein Rechtsirrtum nur dann, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte (Urt. v. 18.04.1974 - KZR 6/73, NJW 1974, 1903, 1905; v. 26.01.1983 - IVb ZR 351/81, NJW 1983, 2318, 2321; v. 18.12.1997 - I ZR 79/95, NJW 1998, 2144, 2145; MünchKomm./Ernst, BGB, 4. Aufl., § 286 Rdn. 112).
- 20
- Im vorliegenden Fall hätten der Beklagte bzw. sein Prozessbevollmächtigter , für dessen Verschulden er nach § 278 BGB einzustehen hat, erkennen können, dass mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 5 StrRG Berlin, die Grundstücke mit Erholungswert privilegieren will, eine Auslegung dahin, dass bei einer lediglich teilweise forstlichen Nutzung des Grundstücks auch nur eine anteilige Entgeltbefreiung zuzubilligen ist, in Betracht kam. Der Beklagte musste daher mit der entsprechenden Gesetzesauslegung und Entscheidung des Landgerichts von vornherein rechnen. An die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, es habe sich um einen unverschuldeten Rechtsirrtum gehandelt, ist der Senat nicht gebunden, weil sie durch Rechtsfehler beeinflusst ist. Das Berufungsgericht hat sich allein auf die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens gestützt, die indessen für die entscheidende Frage, ob der Beklagte mit der vom Landgericht vorgenommenen Auslegung des § 7 Abs. 5 StrRG Berlin rechnen musste, nichts hergibt. Den sonstigen Prozessstoff hat das Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 286 ZPO nicht ausgeschöpft.
- 21
- 4. Nach alledem war dem Anspruch der Klägerin auf Verzugszinsen im Wesentlichen stattzugeben. Nur hinsichtlich der Differenz zwischen dem von der Klägerin geltend gemachten Verzugsbeginn am 1. Januar 2002 und dem tatsächlichen Beginn am 12. Januar 2002 und hinsichtlich eines geringfügigen Minderbetrages der zu verzinsenden Hauptforderung - 231,32 € - war die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat Zinsen auf 538.123,85 € und weitere 115.903,39 €, insgesamt also auf 654.027,24 € verlangt. Das Landgericht hat ihr indes nur 653.795,92 € zugesprochen.
- 22
- 5. Die vom Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einer nach Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens geleisteten Überzahlung von 1.510,32 € auf die Hauptforderung stellt neues Vorbringen dar, das im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann (§ 559 Abs. 1 ZPO). Als neue Tatsache ist es auch anzusehen, wenn sich die materielle Rechtslage durch Ausübung eines Gestaltungsrechts wie der Aufrechnung verändert hat (BGHZ 1, 234, 239).
- 23
- 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Ambrosius Asendorf
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 22.07.2004 - 9 O 319/03 -
KG Berlin, Entscheidung vom 12.10.2005 - 24 U 128/04 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 12. Februar 2000, bei dem er erheblich verletzt wurde. Die Beklagte ist der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners, dessen volle Haftung außer Streit steht. Der Kläger beauftragte seinen Rechtsanwalt auch mit der Geltendmachung von Ansprüchen gegen seine private Unfallversicherung. Diese zahlte ihm nach Begutachtung seines Gesundheitszustands eine Invaliditätsentschädigung von 57.258,71 €. Der Kläger verlangt Ersatz des insoweit angefallenen Anwaltshonorars von 1.098,69 €. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
- 2
- Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass Rechtsanwaltskosten, die dem Geschädigten aufgrund der Geltendmachung von Ansprüchen gegen den eigenen Unfallversicherer entstehen, nicht zu den infolge des Schadensereignisses adäquat kausal angefallenen und gemäß § 249 Satz 2 BGB a.F. zu ersetzenden Rechtsverfolgungskosten zählen, weil es dabei nicht um die Durchsetzung eines auf Schadensersatz gerichteten Anspruchs gehe, sondern um die Geltendmachung einer vertraglichen Leistung. Im Übrigen habe der Kläger auch nicht dargetan, weshalb die Einschaltung eines Rechtsanwalts im Streitfall erforderlich gewesen sei.
II.
- 3
- Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 4
- 1. Da das schädigende Ereignis vor dem 1. August 2002 eingetreten ist, bestimmt sich der Umfang der auf §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 PflVG beruhenden Ersatzpflicht der Beklagten nach den Vorschriften der §§ 249 ff. BGB in der seinerzeit geltenden Fassung (Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB). Ist wegen der Verletzung einer Person Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte gemäß § 249 Satz 2 BGB a.F. Ersatz der erforderlichen Herstellungskosten verlangen, d.h. insbesondere die Kosten für notwendige Heilbehandlungen sowie Kur- und Pflegekosten. Daneben umfasst der zu ersetzende Schaden gemäß § 252 BGB auch den entgangenen Gewinn. Wird infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit des Verletzten aufgehoben oder gemindert oder tritt eine Vermehrung seiner Bedürfnisse ein, so ist ihm darüber hinaus gemäß § 843 BGB Schadensersatz durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten.
- 5
- Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen grundsätzlich auch die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile BGHZ 127, 348, 350 ff. und vom 1. Oktober 1968 - VI ZR 159/67 - VersR 1968, 1145, 1147; BGHZ 39, 73, 74 und Urteil vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 249/02 - VersR 2004, 869, 871, jeweils m.w.N.) hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.
- 6
- Teil der Schadensabwicklung ist auch die Entscheidung, den Schadensfall einem Versicherer zu melden. Ist es aus Sicht des Geschädigten erforderlich , anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, so gilt dies grundsätzlich auch für die Anmeldung des Versicherungsfalles bei dem eigenen Versicherer (vgl. zur Kaskoversicherung OLG Hamm, ZfS 1983, 12; OLG Karlsruhe, VRS 77, 6, 9; VersR 1991, 1297 und NZV 1990, 431; LG Kaiserslautern, DAR 1993, 196, 197; Böhm, DAR 1988, 213 f.; Notthoff, VersR 1995, 1399, 1401 f.; Gerold /Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., Rdn. 33 zu § 118; Gött- lich/Mümmler/Rehberg/Xanke, BRAGO, 20. Aufl., Stichwort: "Kaskoversicherung" , Anm. 2, jeweils m.w.N.; Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB, Rdn. 75 zu § 249; zur Sachversicherung bei Brandschäden LG Münster, VersR 2003, 98 f.). Auch die dadurch anfallenden Rechtsverfolgungskosten können entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ersatzfähig sein, nämlich dann, wenn sie adäquat kausal auf dem Schadensereignis beruhen und die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe unter den Umständen des Falles erforderlich war (Senatsurteil vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04 - VersR 2005, 558). Macht der Geschädigte gegenüber seinem Versicherer eine Forderung geltend, die zwar nach den Versicherungsbedingungen begründet ist, vom Schädiger aber nicht zu ersetzen ist, weil es insoweit an einem Schaden des Geschädigten fehlt, ist allerdings auch zu prüfen, inwieweit die durch die Anmeldung entstandenen Anwaltskosten dem Schädiger als Folgen seines Verhaltens zugerechnet werden können. Im Vordergrund steht dabei das Interesse des Geschädigten an einer vollständigen Restitution (Senatsurteile vom 20. April 2004 - VI ZR 109/03 - VersR 2004, 876 und vom 6. Juli 2004 - VI ZR 266/03 - VersR 2004, 1180, 1181 m.w.N.; BGH, Urteil vom 25. Oktober 1996 - V ZR 158/95 - NJW 1997, 520).
- 7
- 2. Im Falle der Verletzung einer Person ist die Grenze der Ersatzpflicht dort zu ziehen, wo die Aufwendungen des Geschädigten nicht mehr allein der Wiederherstellung der Gesundheit, dem Ersatz entgangenen Gewinns oder der Befriedigung vermehrter Bedürfnisse dienen. Dies kann der Fall sein, wenn der Geschädigte Kosten aufwendet, um von seinem privaten Unfallversicherer Leistungen zu erhalten, die den von dem Schädiger zu erbringenden Ersatzleistungen weder ganz noch teilweise entsprechen. Das ist zu erwägen, wenn dem Geschädigten nach den Vertragsbedingungen seiner Unfallversicherung ein Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung zusteht, insoweit ein Ersatzanspruch - etwa unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs vermehrter Be- dürfnisse - gegen den Schädiger nach Lage des Falles aber nicht besteht. Ob diese Voraussetzungen hier gegeben sind, lässt sich den bisher getroffenen Feststellungen nicht entnehmen. Dies wird das Berufungsgericht zu klären haben.
- 8
- 3. Eine Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten kann im Einzelfall aber auch dann in Betracht kommen, wenn es an einer derartigen Entsprechung zwischen der Leistung des eigenen Versicherers und dem vom Schädiger zu ersetzenden Schaden fehlt. Ein solcher Fall kann gegeben sein, wenn der Geschädigte etwa aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden bei seinem Versicherer selbst anzumelden (vgl. Senatsurteil vom 8. November 1994, VersR 1995, 183, 184). Vorliegend hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen seinen privaten Unfallversicherer verneint und ausgeführt, die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe sei hierfür nicht erforderlich gewesen, denn der Kläger hätte die Ansprüche selbst geltend machen können. Zu den erheblichen Verletzungen, dem Inhalt der Gutachten und dem Verhalten des Unfallversicherers fehle es an substantiiertem Sachvortrag.
- 9
- Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Das Berufungsgericht überspannt die Darlegungslast des Klägers. Dieser hat nämlich vorgetragen, er sei aufgrund seiner schweren Verletzungen, von denen die Beklagte gewusst habe, auf unbestimmte Zeit nicht in der Lage gewesen, sich selbst um die Geltendmachung und Wahrung seiner Ansprüche zu kümmern. Nach den erstinstanzlichen Feststellungen, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, befand sich der Kläger für längere Zeit in stationärer Krankenhausbehandlung. Diese Umstände hat das Berufungsgericht nicht ausreichend bedacht. Seine Beurteilung, die Rechtsverfolgungskosten seien nicht erforderlich gewesen, begegnet bei dieser Sachlage durchgreifenden Bedenken und kann deshalb keinen Bestand haben. Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die Umstände des Streitfalls umfassend zu würdigen und gegebenenfalls noch fehlende Feststellungen zur Erforderlichkeit der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe nachzuholen. Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
AG Meppen, Entscheidung vom 10.09.2004 - 3 C 720/04 -
LG Osnabrück, Entscheidung vom 26.01.2005 - 2 S 678/04 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten um den Ersatz von Anwaltskosten.
- 2
- Mit Mietvertrag vom 4. April 2005 vermieteten die Kläger zu 1 bis 3 eine Wohnung an die Beklagten. Die Miete betrug monatlich 750 € zuzüglich einer Nebenkostenpauschale von 85 €. Da die Beklagten mit der Miete in Verzug gerieten und auch die Kaution nicht zahlten, beauftragten die Kläger im November 2005 einen Rechtsanwalt, der die Beklagten zur Zahlung der rückständigen Miete sowie der Kaution aufforderte. Da die Beklagten auch die Miete für Januar 2006 nicht zahlten, erklärte der Rechtsanwalt der Kläger mit Schreiben vom 19. Januar 2006 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses. In der Folgezeit zahlten die Beklagten die rückständige Miete und die Kaution.
- 3
- Die Kläger haben die Beklagten auf Ersatz der Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 1.852,52 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.
- 4
- Das Amtsgericht hat den Klägern Ersatz der Anwaltskosten in Höhe von 1.062,78 € nebst Zinsen zugesprochen, die ihnen infolge der Kündigung und aufgrund der Beitreibung der rückständigen Mieten entstanden seien. Hinsichtlich des Anteils der Anwaltskosten für die Zahlungsaufforderung bezüglich der Kaution hat das Amtsgericht die Klage mangels Verzugs der Beklagten abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Kläger hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision haben die Kläger zunächst die Zahlung weiterer 789,74 € geltend gemacht. Nach Rücknahme der Revision in Höhe von 670,02 € nehmen die Kläger die Beklagten jetzt noch auf Zahlung weiterer 119,72 € in Anspruch.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision der Kläger hat Erfolg.
I.
- 6
- Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt:
- 7
- Das Amtsgericht habe von der errechneten Honorarforderung zu Recht nur den prozentualen Anteil zugesprochen, der nicht die Geltendmachung des Kautionsrückstands betreffe, und nicht die Anwaltsgebühren aufgrund eines um den Kautionsbetrag verminderten Gegenstandswertes berechnet. Nur dieses Verfahren trage dem nicht linearen Ansteigen der Anwaltsgebühren nach Maßgabe der Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG und dem mit der Klage geltend gemachten einheitlichen Gebührenanspruch Rechnung.
II.
- 8
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 9
- Den Klägern steht gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung der ihnen entstandenen Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit ihres Rechtsanwalts in Höhe weiterer 119,72 € gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 2, § 286 i.V.m. § 249 BGB zu.
- 10
- 1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die geltend gemachten Anwaltsgebühren "streitwertanteilig" verteilt, d.h. den Gegenstandswert zunächst unter Einbeziehung des Betrags für die Kaution berechnet und anschließend den den Klägern zugesprochenen Betrag um den prozentualen Anteil, der dem Verhältnis des Kautionsbetrags zum Gesamtgegenstandswert entspricht, gekürzt. Die Berechnung des Berufungsgerichts führt aufgrund der degressiv ausgestalteten Gebührentabelle der Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG zu einem geringeren Betrag als die Berechnung nach dem Gegenstandswert, wie er sich ohne den Kautionsbetrag ergibt. Dies führt zu einer unzulässigen Reduzierung des Erstattungsanspruchs der Kläger.
- 11
- a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der den Klägern entstandene Schaden im Sinne von § 249 BGB nicht aus der "Einheitlichkeit" des Gebührenanspruchs des Rechtsanwalts hergeleitet werden. Zu unterscheiden ist das Innenverhältnis zwischen Auftraggeber und Rechtsanwalt einerseits und der schadensersatzrechtliche Erstattungsanspruch im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger andererseits.
- 12
- Der den Klägern entstandene Schaden besteht in der anwaltlichen Vergütung , die sie ihrem Rechtsanwalt für dessen außergerichtliche Tätigkeit - Aufforderung der Beklagten zur Zahlung rückständiger Miete und Erklärung der Kündigung des Mietverhältnisses - schulden. Denn die Beklagten befanden sich mit Mietzahlungen für mehrere Monate in Verzug. Die Einschaltung des Rechtsanwalts zur außergerichtlichen Wahrnehmung der Interessen der Kläger beruhte auf dieser Pflichtverletzung.
- 13
- b) Zwar beauftragten die Kläger ihren Rechtsanwalt gleichzeitig auch mit der Geltendmachung der Kaution. Mangels Verzugs der Beklagten insoweit sind diese hierfür - wie vom Berufungsgericht zutreffend zugrunde gelegt - jedoch nicht schadensersatzpflichtig. Der Umfang der Beauftragung ist jedoch nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (Innenverhältnis). Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte dagegen insoweit verlangen , als seine Forderung diesem gegenüber besteht (BGH, Urteil vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04, NJW 2005, 1112, unter II 2). Dem Erstattungs- anspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen Anwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger somit grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH, aaO, m.w.N.).
- 14
- 2. Der Berechnung der von den Beklagten als Verzugsschaden zu erstattenden Anwaltsgebühren sind folglich der Gegenstandswert der Kündigung, der sich gemäß § 23 RVG, § 41 Abs. 2 GKG (Senatsurteil vom 14. März 2007 - VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050, unter II 2 c) nach dem einjährigen Betrag der Nettomiete richtet (12 x 750 € = 9.000 €), sowie der Betrag für die rückständigen Mieten (2.505 €) zugrunde zu legen, mithin insgesamt 11.505 €.
- 15
- Es kann dahinstehen, ob die Nebenkostenpauschale in Höhe von (12 x 85 € =) 1.020 €, wie die Revision meint, hier dem Gegenstandswert hinzuzurechnen ist. Selbst wenn dies der Fall wäre, berührte dies die Gebührenforderung nicht, weil hinsichtlich der Erhöhung des Gegenstandswerts von 11.505 € auf 12.525 € kein Gebührensprung zu verzeichnen ist.
- 16
- Danach steht den Klägern gegen die Beklagten ein Erstattungsanspruch für eine 1,3 Geschäftsgebühr nach §§ 13, 14 RVG i.V.m. Nr. 2400 aF (jetzt Nr. 2300) VV RVG zuzüglich einer 0,6 Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG in Höhe von (1,9 x 526 € =) 999,40 € sowie der Auslagenpauschale von 20 € - jeweils zuzüglich der seinerzeit geltenden Mehrwertsteuer von 16 % -, somit insgesamt in Höhe von 1.182,50 € zu. Abzüglich des den Klägern von den Vorinstanzen zugesprochenen Betrags von 1.062,78 € verbleibt ein den Klägern zu ersetzender Restbetrag von 119,72 €.
III.
- 17
- Da die Revision in dem zuletzt noch weiterverfolgten Umfang Erfolg hat, ist das Berufungsurteil insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Über die entscheidungsreife Sache hat der Senat selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf die Berufung der Kläger ist das angefochtene Urteil des Amtsgerichts abzuändern und der Klage, soweit sie noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, stattzugeben. Die Klage ist in Höhe eines weiteren Betrags von 119,72 €, wie ausgeführt, begründet. Ball Wiechers Hermanns Dr. Milger Dr. Hessel
AG Gießen, Entscheidung vom 26.06.2006 - 48-M C 308/06 -
LG Gießen, Entscheidung vom 15.11.2006 - 1 S 238/06 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, das mit einem Wohnhaus bebaut war. Dessen Fundament wurde im Januar 2002 infolge eines Bruchs der von der Beklagten betriebenen Frischwasserleitung unterspült. Das Gebäude stürzte teilweise ein und mußte abgerissen werden. Es entstand wirtschaftlicher Totalschaden. Die Haftung der Beklagten dafür steht außer Streit. Die Klägerin unterhielt für dieses Gebäude eine Leitungswasserversicherung , nach deren Bedingungen der Neuwert des Gebäudes ohne einen Abzug „neu für alt“ sowie ein pauschaler Mietausfallschaden von 18.000 € zu ersetzen waren. Sie ließ den Schaden durch ihre Rechtsanwälte bei dem Versicherer anmelden, der daraufhin insgesamt 533.399,46 € erstattete. Diesen Betrag ha-ben die Rechtsanwälte als Geschäftswert ihrer Schadensanmeldung zugrunde gelegt und Zahlung von 7.349,76 € verlangt. Die Klägerin begehrt die Freistellung von dieser Gebührenforderung. Die Beklagte hat 5.632,96 € ersetzt. Sie berechnet den Gegenstandswert nach dem Wert des Hauses unter Berücksichtigung eines Abzuges „neu für alt“ mit nur 347.560,34 €. Das Amtsgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß zu den infolge eines Schadensereignisses adäquat kausal angefallenen und gemäß § 249 Satz 2 BGB a.F. zu ersetzenden Rechtsverfolgungskosten auch die Rechtsanwaltskosten zählen, die dem Geschädigten aufgrund der Geltendmachung des Schadens bei seinem eigenen Versicherer entstehen. Dies gelte allerdings nur, soweit der Schaden von dem Schädiger zu ersetzen sei. Denn durch die Entscheidung des Geschädigten, seinen eigenen Versicherer in Anspruch zu nehmen, dürfe der Ersatzpflichtige nicht schlechter gestellt werden, als wenn er oder sein Haftpflichtversicherer direkt in Anspruch genommen worden wäre. Soweit der bei dem Versicherer angemeldete Schaden den Zeitwert des Hauses übersteige, sei die Beklagte aber nicht ersatzpflichtig. Deshalb bestehe insoweit auch kein Kostenerstattungsanspruch. Das gelte auch hinsichtlich des Mietausfalls, den die Klägerin nicht dargetan habe.II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. 1. Da das schädigende Ereignis vor dem 1. August 2002 eingetreten ist, bestimmt sich der Umfang der auf §§ 2, 10 HPflG beruhenden Ersatzpflicht der Beklagten nach den Vorschriften der §§ 249 ff. BGB in der seinerzeit geltenden Fassung (Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB). Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Wiederherstellung des zerstörten Hauses möglich ist und die Klägerin deshalb nach § 249 Satz 2 BGB a.F. den zum Wiederaufbau erforderlichen Geldbetrag verlangen kann. Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen grundsätzlich auch die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile BGHZ 127, 348, 350 ff. und vom 1. Oktober 1968 - VI ZR 159/67 - VersR 1968, 1145, 1147; BGHZ 39, 73, 74 und Urteil vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 249/02 - NJW 2004, 444, 446; jeweils m.w.N.) hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Dabei sind an die Voraussetzungen des materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt nämlich darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt. Ist die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar, daß aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, daß der Schädiger ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde, so wird es grundsätzlich nicht erforderlich sein, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (Senatsurteil BGHZ 127, 348, 351 f.). Einesolche Fallgestaltung hat das Berufungsgericht vorliegend angesichts des Schadensumfangs und der Schwierigkeiten seiner Berechnung rechtsfehlerfrei verneint. Teil der Schadensabwicklung ist auch die Entscheidung, den Schadensfall einem Versicherer zu melden. Ist es aus Sicht des Geschädigten erforderlich , anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, so gilt dies grundsätzlich auch für die Anmeldung des Versicherungsfalles bei dem eigenen Versicherer (vgl. zur Kaskoversicherung OLG Hamm, ZfS 1983, 12; OLG Karlsruhe, VRS 77, 6, 9; VersR 1991, 1297 und NZV 1990, 431; LG Kaiserslautern, DAR 1993, 196, 197; Böhm, DAR 1988, 213 f.; Notthoff, VersR 1995, 1399, 1401 f.; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., Rdn. 33 zu § 118; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, BRAGO, 20. Aufl., Stichwort: „Kaskoversicherung“ , Anm. 2, jeweils m.w.N.; Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB, Rdn. 75 zu § 249; zur Sachversicherung bei Brandschäden LG Münster, VersR 2003, 98 f.). 2. Beauftragt der Geschädigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer, so ist der Umfang des Ersatzverlangens nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (Innenverhältnis ). Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte vom Schädiger dagegen grundsätzlich nur insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber objektiv auch berechtigt ist. Denn Kosten, die dadurch entstehen, daß er einen Anwalt zur Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs beauftragt, können dem Schädiger nicht mehr als Folgen seines Verhaltens zugerechnet werden (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1968 - VI ZR 159/67 - aaO; BGH, Urteil vom 13. April 1970 - III ZR 75/69 - NJW 1970, 1122, 1123).
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Geschädigte eine Ersatzforderung nicht gegen den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer, sondern (zunächst) gegen den eigenen Versicherer geltend machen läßt und später den Ersatz der dadurch entstandenen Rechtsverfolgungskosten von dem Schädiger begehrt. Übersteigt die von dem Geschädigten bei seinem Versicherer angemeldete und nach den Versicherungsbedingungen begründete Forderung den Betrag, den der Schädiger zu ersetzen hat, ist zu prüfen, inwieweit die durch die Anmeldung entstandenen Anwaltskosten dem Schädiger als Folgen seines Verhaltens zugerechnet werden können. Im Vordergrund steht dabei das Interesse des Geschädigten an einer vollständigen Restitution (Senatsurteile vom 20. April 2004 - VI ZR 109/03 - VersR 2004, 876 und vom 6. Juli 2004 - VI ZR 266/03 - VersR 2004, 1180, 1181 m.w.N.; BGH, Urteil vom 25. Oktober 1996 - V ZR 158/95 - NJW 1997, 520). Deshalb müssen die nach § 249 Satz 2 BGB a.F. zur Verfügung zu stellenden Mittel so bemessen sein, daß sich die Vermögenslage des Geschädigten , sofern er nur wirtschaftlich vernünftig verfährt, nicht besser, aber auch nicht schlechter darstellt, als wenn der Schadensfall nicht eingetreten wäre. Der danach „erforderliche“ Herstellungsaufwand wird nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens sowie die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung , sondern auch von den Erkenntnis- und Einflußmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt. In diesem Sinne ist der Schaden nicht „normativ“ zu bestimmen, sondern subjektbezogen (Senatsurteile BGHZ 63, 182, 184 und vom 6. Juli 2004 - VI ZR 266/03 - aaO, jeweils m.w.N.). Deshalb darf der Geschädigte zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1968 - VI ZR 159/67 - aaO; BGH, Urteil vom 13. April 1970 - III ZR 75/69 - aaO; jeweils m.w.N.). Die Grenze der Ersatzpflicht ist dort zu ziehen, wo die Aufwendungen des Geschädigten nicht mehr allein der Wie-
derherstellung der zerstörten Sache dienen, sondern eine Wertsteigerung bewirken , denn der Geschädigte, dem ein Zahlungsanspruch nach § 249 Satz 2 BGB a.F. zusteht, kann die Herstellungskosten insoweit nicht verlangen, als sie zu einem Wertzuwachs des Gebäudes, zu dessen erhöhter Lebensdauer oder zur Ersparung von Aufwendungen durch Hinausschieben künftiger Reparaturen führen (Senatsurteile BGHZ 30, 29, 34; 102, 322, 331; BGH, Urteile vom 28. Mai 1962 - III ZR 213/60 - VersR 1962, 765, 767). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts belaufen sich die gemäß § 249 Satz 2 BGB a.F. für die Wiederherstellung des Gebäudes erforderlichen Kosten (mit Ausnahme der Rechtsverfolgungskosten) unter Berücksichtigung des gebotenen Abzugs „neu für alt“ (vgl. Senatsurteil BGHZ 102, 321, 331) auf insgesamt 347.560,34 €. Soweit die Versicherungsleistung diesen Betrag übersteigt , führt sie bei der Klägerin zu einem Wertzuwachs, der von der Beklagten nicht auszugleichen ist. Bei den auf der Geltendmachung des Mehrbetrages beruhenden Rechtsanwaltskosten handelt es sich mithin nicht um Kosten, die zur Wiederherstellung des zerstörten Gebäudes erforderlich sind. Die höheren Anwaltskosten sind vielmehr durch die Wertsteigerung veranlaßt und deshalb ebenso wie andere Nebenkosten, soweit diese zu einem Wertzuwachs führen (vgl. Senatsurteil BGHZ 102, 322, 331), von der Beklagten nicht zu ersetzen. Der Umstand, daß die Einschaltung eines Rechtsanwalts aus der Sicht der Klägerin vorliegend insgesamt notwendig gewesen sein mag, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Zwar kann auch die Belastung mit einer Verbindlichkeit einen ersatzfähigen Schaden darstellen (vgl. BGHZ 59, 148, 150), doch ist der Erstattungsanspruch des Geschädigten hinsichtlich seiner Anwaltskosten grundsätzlich auf die Gebühren nach demjenigen Geschäftswert beschränkt, welcher der letztlich festgestellten oder unstreitig gewordenen Schadenshöhe entspricht (Senatsurteil vom 1. Oktober 1968 - VI ZR 159/67 - VersR 1968,
1145, 1147; BGHZ 39, 60, 72; 39, 73, 76 und BGH, Urteil vom 13. April 1970 - III ZR 75/69 - NJW 1970, 1122, 1123). 3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten, die ihr durch die Anmeldung eines pauschalen Mietausfallschadens bei ihrem eigenen Versicherer entstanden sind. Mietausfall kann der Geschädigte von dem Schädiger nach § 249 Satz 2 BGB a.F. nur dann erstattet verlangen, wenn ein solcher Schaden tatsächlich eingetreten ist. Das ist nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts vorliegend nicht der Fall. Mithin steht der Klägerin insoweit auch kein Anspruch auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten zu.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Pauge Stöhr Zoll
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.