Landgericht Aachen Urteil, 13. Aug. 2014 - 11 O 24/11
Gericht
Tenor
Die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 923 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.02.2011 zu zahlen.
Der Beklagte zu 2) wird zudem verurteilt, Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 923 Euro für die Zeit vom 11.02.2011 bis zum 16.02.2011 an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 5,20 Euro freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Schmerzensgeld und Ersatz materieller Schäden in Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Behandlung und der Eingliederung von Zahnersatz. Die Beklagte zu 1) ist Trägerin des Krankenhauses, in dem die streitgegenständliche Behandlung durchgeführt wurde, die Beklagten zu 2) bis 4) waren zurzeit der Behandlung der Klägerin bei der Beklagten zu 1) angestellt.
3Die Klägerin ist unter anderem gegen Kunststoffe allergisch, die Metylmethacrylat enthalten, was zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Behandlung auch in ihrem Allergieausweis eingetragen war. Nachdem sie schon früher bei der Beklagten zu 1) behandelt wurde – 1971 noch von Prof. Dr. T2 und Anfang der 90er Jahre durch den Beklagten zu 3) –, stellte sie sich am 12. Mai 2009 erneut in der Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde der Beklagten zu 1) vor, um sich wegen einer andernorts verursachten Beschädigung einer Suprakonstruktion und einer Implantatfraktur behandeln zu lassen. Der Beklagte zu 3) besichtigte zunächst den Zustand des Gebisses, ließ eine Röntgenaufnahme anfertigen und bestätigte sodann den Bruch der Implantatschraube im Oberkiefer. Er beriet die Klägerin dahingehend, dass es eines neuen Zahnersatzes im Oberkiefer bedürfe und dafür Implantate gesetzt und zunächst ein Kurzzeitprovisorium eingegliedert werden müssten.
4Am 22. Juni 2009 entfernte der Beklagten zu 2) auf Weisung des Beklagten zu 3) die Zähne 16, 13, 12, 11, 33, 41 und 42. Ferner wurden sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer provisorische Versorgungen aus Kunststoff eingesetzt, deren genaues Material zwischen den Parteien streitig ist. Die Prothesen wurden sofort weichbleibend unterfüttert. In der folgenden Zeit beklagte die Klägerin Probleme mit den Provisiorien, einerseits im Hinblick auf ihre Größe, andererseits wegen der Kunststoffe, aus denen die Provisorien hergestellt worden waren.
5Spätestens bei einer Behandlung am 1. Juli 2009 wies die Klägerin die Behandler auf Überempfindlichkeiten gegen bestimmte Stoffe hin. An diesem Tag entfernte der Beklagte zu 2) auch den Zahn 17. Das angefertigte Langzeitprovisorium für den Oberkiefer konnte aus diesem Grund nur noch auf dem Implantat 23 und mit einer Doppelgeschiebekonstruktion verankert werden.
6Am 7. August 2009 setzte der Beklagte zu 2) der Klägerin ein Langzeitprovisorium aus Kunststoff ein, dessen genaues Material ebenfalls zwischen den Parteien streitig ist. Jedenfalls an diesem Tag lag den Behandlern der Allergieausweis der Klägerin vor. Am 19. August 2009 stellte sich die Klägerin erneut vor und bat wegen Beschwerden um Entfernung des Langzeitprovisoriums. Dies lehnte der Beklagte zu 2) unter Hinweis auf eine Weisung des Beklagten zu 4) ab. Am Folgetag, dem 20. August 2009, wurde das Langzeitprovisorium durch Herrn Dr. N entfernt. Die Beklagte zu 1) überwies der Klägerin daraufhin 2.923,- Euro zurück, die die Klägerin für das Langzeitprovisorium gezahlt hatte. Durch vorgerichtliches Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 10. Februar 2010 forderte die Klägerin die Beklagten zur Zahlung weiterer 35.177 Euro auf. Am 04. April 2011 zahlten die Beklagten der Klägerin auf ihre Eigenbeteiligung an vorgerichtlichen Anwaltskosten 150 Euro. Die Klage wurde dem Beklagten zu 2) am 10. Februar 2011 und der Beklagten zu 1) am 16. Februar 2011 zugestellt.
7Die Klägerin behauptet, sie sei durch die Beklagten zu 2) bis 4) in der von der Beklagten zu 1) betriebenen Klinik insofern fehlerhaft behandelt worden, als diese ihr zunächst Kunststoffprovisorien und später Langzeitprovisorien aus Kunststoff eingegliedert hätten, die sie aufgrund ihrer Allergie gegen Metylmethacrylat nicht vertragen habe. Den Beklagten sei diese Allergie bekannt gewesen, weil sie sich aus der aufgrund früherer Behandlungen vorliegenden Dokumentation ergeben hätte und die Klägerin zudem vor jeder Vorstellung ihren Allergiepass vorgelegt und die Beklagten zu 2) und 3) zudem mündlich auf ihre Allergien hingewiesen habe. Ihr zuvor getragener Zahnersatz, den sie vertragen habe, sei aus Titan und Keramik gefertigt gewesen.
8Das angefertigte Kurzzeitprovisorium sei zu groß gewesen und trotz mehrmaliger Nachbesserungsversuche auch geblieben. Die betreffenden Unterfütterungen hätten nicht weitergeholfen und seien ebenfalls aus allergieauslösendem Material angefertigt worden. Ihre Mundschleimhaut sei nach der Eingliederung angeschwollen, sie habe ein Brennen im Mund verspürt und es hätten sich Herpesbläschen um den Mund herum gebildet. Nach dem Abklingen der Betäubung seien die stärker werdenden Schmerzen im Ober- und Unterkieferbereich kaum noch zu ertragen gewesen. Auch habe sich ein Juckreiz am ganzen Körper eingestellt. Sie, die Klägerin, habe sich schließlich zum ärztlichen Notdienst begeben. Dort habe die Ärztin sofort festgestellt, dass die Provisorien wegen einer Kunststoffallergie der Klägerin unverzüglich entfernt werden müssten. Auch ein am nächsten Tag aufgesuchter Kieferchirurg sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kunststoffprovisorien für die Klägerin völlig ungeeignet seien.
9Beim Extrahieren eines benachbarten Zahns habe der Beklagte zu 2) darüber hinaus den Zahn 17 angeschlitzt und irreparabel beschädigt. Dieser habe ebenso extrahiert werden müssen wie ein weiterer, vollkommen gesunder Backenzahn. Insgesamt seien 11 Zähne in unnötiger Weise entfernt worden.
10Anfang August 2009 habe man über die Langzeitprovisorien gesprochen. Man habe über allergiefreie Provisorien gesprochen. Als man ihr gesagt habe, dass die Langzeitprovisorien erneut aus Kunststoff hergestellt werden sollten, habe sie dies aus Angst abgelehnt. Man habe ihr, der Klägerin, auch fälschlich versichert, die Provisorien wüchsen mit. Das habe nicht gestimmt, weil einige Metallteile im Inneren derselben Anpassungen an folgende Implantate nicht zugelassen hätten. Vor der Eingliederung der Langzeitprovisorien am 7. August 2009 habe der Sohn der Klägerin, von Beruf Chemiker, gesagt, dass das angesichts der Allergien seiner Mutter nicht gut gehen werde, weil erneut ein Acrylat Verwendung gefunden habe. Nach der Eingliederung hätten sich sofort dieselben Symptome gezeigt wie bei den ersten Provisorien. Sie, die Klägerin, habe ihren Hausarzt und ihre Lungenfachärztin aufsuchen müssen. Dabei sei ein Ansteigen des Allergiewertes auf 249 festgestellt worden. Eine Hautärztin habe ihr außerdem erklärt, die eingesetzten Teile müssten wegen der Allergie wieder entfernt werden. Daraufhin habe sie mehrfach vergeblich um die Entfernung gebeten. Am 17. August 2009 sei dies unter Hinweis darauf abgelehnt worden, dass die Beklagten zu 3) und 4) nicht anwesend seien und der Beklagte zu 4) angeordnet gehabt habe, das festgeschraubte Provisorium bis zu seiner Rückkehr zu belassen. Er habe sich das Ganze am 22. August 2009 ansehen wollen. Am 19. August 2009 habe der Beklagte zu 2) mitgeteilt, ihm fehle das notwendige Werkzeug und er dürfe das Provisorium nicht gegen die Weisung des Beklagten zu 4) herausnehmen. Erst am 20. August 2009 habe Herr Dr. N der Entfernung des Provisoriums durch den Beklagten zu 2) zugestimmt. Sie habe 3.000,- Euro für das Langzeitprovisorium gezahlt, hiervon aber nur 2.923,- Euro zurückerhalten.
11Die Klägerin begehrt ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von insgesamt mindestens 12.750 Euro, von denen 3.000 Euro auf die Behandlung durch das angefertigte Langzeitprovisorium entfallen sollen. Sie macht zudem materielle Schäden in Höhe von 22.427,- Euro geltend, die sich aus dem ihr angeblich nicht zurücküberwiesenen Teil der Kosten für das Langzeitprovisorium von 77 Euro, den Kosten einer neuen, sachgerechten Zahnversorgung und Fahrtkosten in das - unstreitig - 123 km von ihrem Wohnort entfernte Haus der Beklagten zu 1) zusammensetzen sowie außergerichtliche Anwaltskosten. Für die Höhe und Berechnung der Schadensposten im Einzelnen wird auf die S. 6 ff. der Klageschrift Bezug genommen (Bl. 6 ff. der Akte).
12Die Klägerin beantragt,
131. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie Schadensersatz i.H.v. 22.427 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 10.03.2010 zu zahlen,
142. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt mindestens 12.750 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 10.03.2010 zu zahlen,
153. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin Anwaltskosten i.H.v. 1.119,19 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit Klagezustellung zu zahlen und die Klägerin von der Zahlung in Höhe ihrer Eigenbeteiligung im Rahmen ihrer Anwaltskosten i.H.v. 300 € abzüglich am 04.04.2011 gezahlter 150 € freizustellen.
16Die Beklagten beantragen,
17die Klage abzuweisen.
18Sie bestreiten, dass die Klägerin vor dem 1. Juli 2009 auf eine Überempfindlichkeit gegen Prothesenkunststoff hingewiesen habe. Da der zuvor getragene Zahnersatz ebenfalls unter Verwendung solcher Materialien hergestellt gewesen sei, hätten erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Mitteilung bestanden. Die Klägerin sei von den Beklagten zu 2) und 3) mehrfach vergeblich aufgefordert worden, einen Nachweis für ihre Allergien beizubringen. Das sei erst am vorletzten Tag der Behandlung geschehen. Hier hätten aber an der Richtigkeit der Eintragung weiter Zweifel bestanden, weil die Eintragung handschriftlich vorgenommen gewesen sei. Hinzu komme schließlich, dass sich bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt die für eine Allergie typischen Symptome gezeigt hätten. Die Behandler hätten, was als solches nicht streitig ist, den Schluss gezogen, dass es sich weniger um eine tatsächliche Allergie gehandelt habe als vielmehr um eine psychosomatische Unverträglichkeitsreaktion.
19Ferner habe man nach Vorlage des Allergieausweises und Rücksprache mit dem Dentallabor festgestellt, dass bei dem Metallgerüst des Langzeitprovisoriums ein hypoallergener Kunststoff Verwendung finden könne und müsse. Denn das Labor sei nicht in der Lage gewesen, hier das erforderliche Spritz-Gieß-Verfahren anzuwenden. Daher habe man notgedrungen einen Kunststoff auf der Basis eines Acrylats verwendet, der nach Herstellerangaben aber weniger allergen wirke.
20Die extrahierten acht Zähne seien kariös und teilweise zerstört, jedenfalls aber in einem nicht mehr erhaltungswürdigen Zustand gewesen. Kein erhaltungswürdiger Zahn sei entfernt worden. Auch sei der Zahn 17 nicht am 22. Juni 2009 beim Ziehen eines anderen Zahns angeschlitzt worden. Vielmehr habe sich nach Schlitzung und Entfernung der Krone am 1. Juli 2009 herausgestellt, dass der Zahn so stark kariös zerstört gewesen sei, dass er habe entfernt werden müssen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
22Das Gericht hat durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und Anhörung des Sachverständigen sowie durch Vernehmung der Zeugin C erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten von Priv.-Doz. Dr. C3 vom 26.10.2013 (Bl.178ff. d.A.) und das Sitzungsprotokoll vom 04.06.2014 (Bl. 295 ff. d.A.) verwiesen.
23Entscheidungsgründe:
24Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Die Beklagten zu 1) und 2) haben der Klägerin ein Schmerzensgeld zu zahlen und Fahrtkosten zu erstatten, weil sie die Klägerin am 07. August 2009 behandlungsfehlerhaft mit einem Langzeitprovisorium versorgten, das die Klägerin aufgrund einer bei ihr vorliegenden, den Beklagten bekannten Allergie nicht vertrug. Weitere Behandlungsfehler können nicht festgestellt werden.
251.
26Die Haftung der Beklagten zu 1) für die fehlerhafte Behandlung ergibt sich aus §§ 280 I, 278 BGB i.V.m. mit dem zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) geschlossenen Behandlungsvertrag, die Haftung des Beklagten zu 2) als Behandler aus § 823 Absatz 1 BGB.
272.
28Die Versorgung der Klägerin mit dem Langzeitprovisorium aus dem Material Wipo-Dur war behandlungsfehlerhaft.
29Der Begriff des ärztlichen Behandlungsfehlers bezeichnet ein – nach den zum Zeitpunkt der Behandlung allgemein anerkannten fachlichen Standards der Medizin – unsachgemäßes und schädigendes Verhalten des Arztes. Ein Behandlungsfehler kann danach in einem fehlerhaften Tun wie in einem Unterlassen liegen, in der Vornahme einer nicht indizierten wie auch in der Nichtvornahme einer medizinisch notwendigen Behandlung, in Fehlmaßnahmen und unrichtigen Dispositionen des Arztes in jedem Stadium der Behandlung oder sonstigen ärztlichen Betreuung. Ein Arzt hat sich hierbei insbesondere von dem Fachwissen und den empirisch gesicherten Standards nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft seines Fachbereiches leiten zu lassen, diese zu beachten und seinem ärztlichen Tun zugrunde zu legen.
30Im vorliegenden Fall steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Versorgung der Klägerin mit dem streitgegenständlichen Langzeitprovisorium behandlungsfehlerhaft war. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat, durften die Behandler das Langzeitprovisorium der Klägerin nicht aus dem Material mit dem Handelsnamen Wipo-Dur fertigen (a), weil ihr die Allergien der Klägerin gegen Metylmethacrylat bekannt waren (b). Denn bei Wipo-Dur handelt es sich um ein methylmethacrylathaltiges Material. Darauf, dass die Klägerin dieses Material vertragen würde, durfte der Beklagte zu 2) sich nicht verlassen (c).
31a)
32Das bei der Klägerin am 07. August 2009 eingesetzte Langzeiprovisorium bestand nach der Überzeugung der Kammer aus Material mit dem Handelsnamen Wipo-Dur. Denn die Klägerin hat eine Wipo-Dur-Gebrauchsanweisung vorgelegt (Bl. 259 f. der Akte), auf deren zweiter Seite ("Zertifikat") sich die Rechnungsnummer 2009.08.00002 und das Datum des 07. August 2009 finden, also des Tages des Einsatzes des Langzeitprovisoriums. Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Klägerin deswegen am Tag des Einsatzes des Langzeitprovisoriums eine Wipo-Dur-Gebrauchsanweisung ausgehändigt wurde, weil das bei ihr eingesetzte Langzeitprovisorium auch aus diesem Material gefertigt war. Die Klägerin gab auch nicht erst im gerichtlichen Verfahren an, dass das Langzeitprovisorium aus Wipo-Dur gefertigt worden sei. Ausweislich einer bei den Behandlungsunterlagen befindlichen Mail der Klägerin vom 13. August 2009, also 6 Tage nach dem Einsetzen des Langzeitprovisoriums, ging die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass es sich bei dem Material um Wipo-Dur handelte (Anlage I).
33Soweit der Sachverständige der Rechnung der Zahntechnik Humperdinck über das „OK und UK Langzeitrprovisorium“ vom 07. August 2009 entnommen hat, dass es sich bei dem Material um Polyan gehandelt habe (Anlage I), vermag dies keine ernstlichen Zweifel daran begründen, dass das Langzeitprovisorium aus Wipo-Dur bestand. Diese Rechnung trägt ebenfalls die Nummer 2009.08.00002 und bezieht sich offenbar auf dasselbe Provisorium wie die Gebrauchsanleitung. Die Zahntechnik Humperdinck korrigierte auf ihrer Gutschrift der Rechnungsbeträge vom 11. Dezember 2009 (Anlage I) ihre ursprüngliche Angabe auf der Rechnung dahingehend, dass es sich nicht um Polyan, sondern um Wipo-Dur gehandelt habe (Anlage I). Soweit der Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, er meine, dass nicht das Langzeit-, sondern das Kurzzeitprovisorium aus Wipo-Dur gefertigt worden sei, räumte er selbst ein, sich hieran nicht sicher erinnern zu können.
34b)
35Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass dem Beklagten zu 2) die Allergie der Klägerin gegen Metylmethacrylat bekannt war, als er ihr das Provisorium aus Wipo-Dur einsetzte. Er selbst hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass ihm die Klägerin die Angaben auf dem Allergiepass mündlich mitgeteilt habe. Somit kann dahinstehen, wann die Klägerin ihren Allergiepass vorgelegt hat.
36c)
37Dass der Beklagte zu 2) davon ausging, die Klägerin leide tatsächlich unter keiner Allergie gegen Metylmethacrylat, weil auch ihre frühere Zahnversorgung unter Verwendung metylmethacrylathaltigen Materials erstellt worden sei, vermag ihn nicht zu entlasten. Auf reine Mutmaßungen über das Material einer früheren Versorgung und darüber, dass die von der Klägerin angegebene Allergie tatsächlich nicht bestehe, durfte sich der Beklagte zu 2) nicht verlassen. Wie der Beklagte zu 2) im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, geht er inzwischen selbst davon aus, dass die frühere Versorgung wie von der Klägerin behauptet aus Keramik gefertigt wurde.
38Auch soweit der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat, dass die Mundschleimhaut weniger zu allergischen Reaktionen leidet als andere Körperregionen und es daher möglich sei, nach vorheriger Austestung mit einem metylmethacrylathaltigen Kurzzeitprovisorium auch metylmethacrylathaltige Langzeitprovisorien einzusetzen, war der Einsatz des Langzeitprovisoriums im vorliegenden Fall behandlungsfehlerhaft. Denn selbst wenn das Kurzzeitprovisorium bereits testweise Metylmethacrylat enthalten hätte, wäre der entsprechende Test erfolglos geblieben. Die Klägerin ließ das Kurzzeitprovisorium kurzfristig aufgrund von ihr angegebener Allergiebeschwerden entfernen, sodass der Beklagte zu 2) nicht von einer längerfristigen Verträglichkeit ausgehen durfte.
393.
40Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin vom 07. August 2009 bis zum 19. August 2009 wie von ihr behauptet unter Jucken und brennenden Schmerzen im Mund sowie unter herpesähnlichen Symptomen litt. Denn die Klägerin gab ausweislich einer bei den Behandlungsunterlagen befindlichen Mail vom Abend des 07. August 2009 sowie vom Abend des 13. August 2009 bereits zu diesem Zeitpunkt an, unter diesen Beschwerden zu leiden (Anlage I). Überdies gab sie laut Arztbrief ihrer Hausärztin vom 12. Dezember 2011 auch dieser gegenüber am 12. und am 14. August 2009 brennende Schmerzen und Jucken im Mund an (Bl. 99 der Akte). Am 19.08.2009 fanden sich – wie aus den Behandlungsunterlagen hervorgeht – im Mund der Klägerin keine klinische Auffälligkeiten mehr.
414.
42Dass die Beschwerden der Klägerin auf den Behandlungsfehler der Beklagten zurückzuführen sind, ergibt sich aus den Grundsätzen des Anscheinsbeweis. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH greift der C des ersten Anscheins bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (BGH, Urteil vom 01. Oktober 2013 – VI ZR 409/12 –, NJW-RR 2014, 270, mwN). Es obliegt dann dem in Anspruch Genommenen, Umstände vorzutragen und zu beweisen, die den Anschein entkräften.
43Ein derartiger typischer Geschehensablauf liegt hier vor. Im vorliegenden Fall wurde der Klägerin ein für sie ungeeignetes Langzeitprovisorium aus Wipo-Dur eingesetzt, gegen das sie nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen allergisch war. Sie zeigte noch am selben Tag Reaktionen, wie sie laut Sachverständigen bei einer Allergie zu erwarten wären. Darin, dass für ihre Symptome abstrakt auch andere Ursachen denkbar wären, liegt keine ernsthafte Möglichkeit einer anderen Verursachung der Symptome. Denn dafür, dass die Klägerin im unmittelbaren Anschluss an das Einsetzen des Langzeitprovisoriums beispielsweise an einem Pilz oder den Folgen der bereits zwei Wochen zurückliegenden Serienextraktion gelitten haben sollte, ist im konkreten Fall ernstlich nichts ersichtlich.
445.
45Der Klägerin steht wegen ihrer behandlungsfehlerbedingt erlittenen Beschwerden gemäß § 253 Absatz 2 BGB ein Betrag von 800 Euro als angemessene Entschädigung zu. Bei der Bemessung des Schmerzensgelds hat die Kammer berücksichtigt, dass die Klägerin nur für einen überschaubaren Zeitraum von 12 Tagen unter Beschwerden litt, diese der Klägerin jedoch überaus lästig waren. Zudem war die Beeinträchtigung durch Einbringen und Entfernen des Langzeitprovisoriums zu berücksichtigen. Die Kammer hat sich bei der Bemessung des Schmerzensgeldbetrags unter anderem an der Entscheidung des OLG Oldenburg orientiert, das 2007 für eine 14tägige, auf eine fehlerhafte Zahnbehandlung zurückzuführende allergische Lokalreaktion mit ähnlichen Symptomen wie Bläschen an den Lippen sowie für die Schmerzen der anschließenden Entfernung der Versorgung einen Schmerzensgeldbetrag von 1000 Euro zuerkannt hat (OLG Oldenburg, Urteil vom 04.07.2007 - 5 U 31/05, -juris).
466.
47Der Klägerin steht ebenfalls ein Anspruch auf Ersatz ihrer Fahrtkosten für die Fahrten in das Haus der Beklagten am 19. und 20. August 2009 zu, die zur Entfernung des Langzeitprovisoriums erforderlich waren. Die Kammer schätzt die der Klägerin entstandenen Fahrkosten für die 4 einfachen Fahrten á 123 km gemäß § 287 ZPO auf 123 Euro (4 x 123 km x 0,25 Euro).
487.
49Die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Schadensposten sind jedoch nicht auf den festgestellten Behandlungsfehler zurückzuführen. Dies gilt insbesondere für die von der Klägerin geltend gemachten Kosten einer neuen Zahnversorgung in Höhe von 21.991 Euro. Diese waren im vorliegenden Rechtsstreit als sogenannte „Sowiesokosten“ von vornherein nicht ersatzfähig. Denn eine neue prothetische Versorgung der Klägerin war unabhängig von möglichen Behandlungsfehlern der Beklagten bereits zu Beginn der Behandlung erforderlich und von der Klägerin auch gewünscht. Diese Kosten hätte sie auch bei behandlungsfehlerfreiem Vorgehen der Beklagten zu tragen gehabt. Die Klägerin hat auch nicht substantiiert unter Vorlage von Belegen dargelegt, den Beklagten für die streitgegenständliche Behandlung 3.000 Euro überwiesen zu haben und somit 77 Euro mehr, als sie im Anschluss unstreitig zurückerhielt.
508.
51Die Klägerin konnte nicht beweisen, gegen den Beklagten zu 4) einen Schadensersatzanspruch für das Verbleiben der Langzeitprothese vom 19. August 2009 auf den 20. August 2009 zu haben. Dass der Beklagte zu 4) den Beklagten zu 2) – wie von diesem am 19. August 2009 gegenüber der Klägerin angegeben – angewiesen hätte, das Langzeitprovisorium nicht zu entfernen, konnte nicht festgestellt werden.
529.
53Weitere Behandlungsfehler der Beklagten konnten nicht festgestellt werden.
54a)
55Es war zunächst nicht feststellbar, dass auch das bei der Klägerin eingesetzte Kurzzeitprovisorium aus einem ungeeigneten Material bestand. Das Provisorium selbst liegt ebenso wenig vor wie Unterlagen über das verwendete Material. Dass die Beklagten das Kurzzeitprovisorium im Bewusstsein seiner möglichen Eignung als Beweismittel unterdrückt hätten, konnte nicht festgestellt werden. Überdies wären den Beklagten Beeinträchtigungen der Klägerin aufgrund einer allergischen Reaktion gegen das Kurzzeitprovisorium nicht zuzurechnen, weil sie sich erfolgreich auf den Grundsatz rechtmäßigen Alternativverhaltens berufen könnten. Denn nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung wäre es nicht behandlungsfehlerhaft gewesen, der Klägerin ein Kurzzeitprovisorium unter Verwendung von Methylmethacrylat einzusetzen, um auszutesten, ob auch ihre – allergisch grundsätzlich weniger sensible – Mundschleimhaut hierauf reagierte.
56b)
57Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Zähne 11 und 34 der Klägerin ohne Indikation entfernt worden wären. Zwar fehlt es an der erforderlichen Dokumentation der Indikation, sodass den Beklagten der C einer ordnungsgemäßen Indikation obliegt. Diesen C einer Indikation vermochten die Beklagten jedoch zu führen. Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich die Zähne 11 und 34 gelockert hatten und deswegen – wie vom Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt – vor Schaffung eines dauerhaften, implantatgetragenen Zahnersatzes zu entfernen waren. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargegelegt hat, bestand keine Alternative dazu, dass sich die Zähne 11 und 34 bei dem von der Klägerin vor der streitgegenständlichen Behandlung getragenen Zahnersatz lockern würden. Denn aufgrund der kariösen Zerstörung der übrigen Zähne trugen sie jeweils die gesamte Last der ursprünglichen Brückenversorgung, Zahn 11 im Oberkiefer, Zahn 34 im Unterkiefer. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass die laut Sachverständigen unvermeidliche Lockerung zum Zeitpunkt der Extraktion dieser Zähne bereits eingetreten war und dass die Beklagten sich nicht ohne medizinische Veranlassung für eine Extraktion entschieden, zumal sie im Gegensatz dazu in demselben Termin den zunächst noch erhaltungsfähig erscheinenden Zahn 17 bewusst nicht entfernten.
58c)
59Dass der Zahn 17 bei der Extraktion der übrigen Zähne am 22. Juni 2009 beschädigt worden wäre, vermochte die Kammer nicht festzustellen. Die Vernehmung der Zeugin C war insoweit unergiebig und auch in den Behandlungsunterlagen finden sich für einen derartigen Verlauf keine Anhaltspunkte. Wie der Sachverständige dargelegt hat, kann der Zahn auch bei einer stärkeren Belastung vor dem 22. Juni 2009 frakturiert sein. Zudem könnten sich die Beklagten insoweit auf rechtmäßiges Alternativverhalten berufen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt, dass sie einen implantatgetragenen Zahnersatz wünschte. Wie der Sachverständige unmittelbar zuvor ausgeführt hatte, bedeutete dies jedoch notwendig, den Zahn 17 ohnehin zu entfernen, weil dieser Zahn nur bei herkömmlichen Prothese hätte integriert werden können.
60d)
61Auch hinsichtlich der weiteren acht Zähne, die laut Klägerin behandlungsfehlerhaft entfernt worden sein sollen (12, 13, 16, 31, 33, 41, 42, 43), konnte dies nicht festgestellt werden. Wie sich nach den überzeugenden und anhand der Röntgenbilder nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten ergibt, bestand für die Extraktion der sechs Zähne 12, 13, 16, 31, 41, 42 jeweils eine Indikation. Die Zähne 12, 13, 31, 41 und 42 waren zurzeit der Entfernung stark kariös zerstört, die Zähne 31, 41 und 42 litten zudem unter massiven chronischen Entzündungen der Wurzelspitzen. Der Zahn 16 wies ebenfalls eine chronische Entzündung an der Wurzelspitze auf. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, begründet es keinen Zweifel am Bestehen der chronischen Entzündung, dass die Klägerin zur Zeit der Entfernung des Zahnes 16 insoweit keine Beschwerden verspürte und der extrahierte Zahn selbst intakt ist. Die verbleibenden beiden Zähne 33 und 43 waren nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen bereits am 09.09.1999 und damit vor der streitgegenständlichen Behandlung entfernt worden.
6210.
63Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Absatz 1 Satz 2 BGB. Ein Anspruch auf frühere Zinszahlungen aus dem Gesichtspunkt des Verzugs besteht nicht, weil es hierzu am erforderlichen Verschulden der Beklagten fehlt, §§ 286 Absatz 4, 276 BGB. Denn eine unverhältnismäßig hohe, weit übersetzte Zuvielforderung kann den zu Recht angemahnten Teil so in den Hintergrund treten lassen, dass dem Schuldner kein Schuldvorwurf zu machen ist, wenn er sich nicht als wirksam gemahnt ansieht (BGH, Urteil vom 12.07.2006 - X ZR 157/05, -juris). So lag es hier. Denn die Klägerin verlangte von den Beklagten die Zahlung von über 35.000 Euro, obwohl ihr tatsächlich lediglich ein Anspruch in Bereich von 1.000 Euro zustand. Die unterschiedlichen Zeitpunkte der Rechtshängigkeit gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) resultieren aus den unterschiedlichen Zeitpunkten, zu denen ihnen jeweils die Klage zugestellt wurde.
6411.
65Die Klägerin hat nur in Höhe von 5,30 Euro einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten, weil die Beklagten den Anspruch auf Zahlung oder Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten im Übrigen am 04.04.2011 durch Zahlung von 150 Euro erfüllt haben. Im Rahmen ihres materiellen Schadensersatzanspruchs sind der Klägerin im Grundsatz vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten aus dem der Klägerin zustehenden Anspruch in Höhe von 923 € als Gegenstandswert zu ersetzen. Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen auch die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten (BGH, Urteil vom 10. Januar 2006 – VI ZR 43/05 –, juris). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, aaO, mwN). Dem Erstattungsanspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen Anwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger somit grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH, Urteil vom 07. November 2007 – VIII ZR 341/06 –, juris). Denn der tatsächliche Umfang der Beauftragung eines Rechtsanwalts ist nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (BGH, Urteil vom 07. November 2007 – VIII ZR 341/06 –, juris). Kosten, die dadurch entstehen, dass der Geschädigte einen Anwalt zur Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs beauftragt, können dem Schädiger nicht mehr als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden (BGH, Urteil vom 18. Januar 2005 – VI ZR 73/04 –, juris).
66Bei einer von der Klägerin geltend gemachten Geschäftsgebühr von 1,3 (104,00 Euro) zuzüglich Auslagen (20 Euro) und Mehrwertsteuer (24,80 Euro) ergeben sich bei einem Gegenstandswert von 923 Euro ersatzfähige vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 155,20 Euro. Diesen Anspruch haben die Beklagten durch Zahlung von 150 Euro überwiegend erfüllt.
6712.
68Die Kostenentscheidung folgt aus der analogen Anwendung des § 92 Absatz 2 Nr. 1 ZPO, der nach allgemeiner Ansicht auch auf ein geringfügiges Unterliegen der Beklagten anzuwenden ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, 2, 711 ZPO.
69Der Streitwert wird auf 35.177,00 EUR festgesetzt.
70D |
Dr. C2 |
I |
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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.