Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 28. Juni 2016 - 8 Sa 528/15
Gericht
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 08.10.2015 - Az.: 3 Ca 1004/15 - unter teilweiser Abänderung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.017,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 04.08.2015 zu zahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10 zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Weitergabe von tariflichen Lohnerhöhungen und über den Ausschluss entsprechender Ansprüche aufgrund tarifvertraglicher Verfallfristen.
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Die am … 1985 geborene Klägerin ist seit dem 21.04.2003 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin - der Firma r.,- - als Verkäuferin in der Betriebsstätte K. beschäftigt. Ihr mit der Beklagten abgeschlossener Arbeitsvertrag vom 09.02.2010 enthält u.a. - hinsichtlich des weiteren Inhalts des formularmäßig abgeschlossenen Arbeitsvertrages wird auf Anlage 4 zur Klageschrift Bezug genommen - folgende Regelung:
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„12. Verweisungsklausel
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Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn- /Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverband oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsüberganges vom Zeitpunkt des Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge gewollt."
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Diese Regelung ist als einzige der insgesamt 13 Ziffern des Vertragstextes insgesamt im Fettdruck gehalten.
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Weiterhin enthält der Arbeitsvertrag folgende Regelung:
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„13. Schussbestimmungen
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Soweit einzelne Bestimmungen ganz oder teilweise unwirksam sind oder werden sollten, berührt dies die Wirksamkeit der Allgemeinen Regelungen im Übrigen nicht. An der Stelle der unwirksamen Bestimmung tritt eine Regelung, die dem Gewollten am nächsten kommt. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher aus unerlaubter Handlung - verfallen, wenn sie nicht spätestens sechs Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden.
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Unterbleibt eine Reaktion des Vertragspartners oder lehnt er die Ansprüche schriftlich ab, so verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von weiteren 3 Monaten nach Fristablauf oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden."
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Die Klägerin wurde in der Vergangenheit nach der Gehaltsgruppe G II Stufe 6 bei 129,6 Arbeitsstunden im Monat eingruppiert und vergütet. In der Folgezeit orientierte sich die Vergütung bis Juli 2013 stets an dem jeweils gültigen Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz.
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Vor dem Betriebsübergang von r.,- auf die Beklagte gab r.,- den Arbeitnehmern mit Schreiben vom 08.05.2008 die Information, dass der Betriebserwerber - die Beklagte - tarifgebunden sei und die Tarifverträge für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz Anwendung fänden. Der Betriebsübergang auf die Beklagte erfolgte am 01.07.2008.
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Mit Schreiben vom 16.06.2011 (Anlage 5 zur Klageschrift, Bl. 8 d. A.) wandte sich die Beklagte an die Beschäftigten, unter anderem auch an die Klägerin, und wies darauf hin, dass die Beklagte in K. nicht tarifgebunden sei. Dieses Schreiben lautet auszugsweise wie folgt:
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„Der Tarifvertrag wird weiter angewendet – Auch Ihr Gehalt soll steigen!
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Sehr geehrte Frau A.,
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wie Sie wissen, ist unser G. SB-Warenhaus in K. nicht tarifgebunden. Im August 2009 wurde gemeinsam mit dem Betriebsrat ein Betriebliches Bündnis geschlossen, in dem u.a. die Anwendung des rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages vereinbart wurde. Das Bündnis endet am 30.06.2011.
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In diesem Jahr wurde von Seiten der Gewerkschaft ver.di in unserem Haus eine Tarifkommission gebildet, mit dem Ziel, die tariflichen Rahmenbedingungen in unserem Haus ab dem 01.07.2011 zu verhandeln. Diese Verhandlungen wurden am 14.06.2011 ohne Ergebnis beendet.
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Wie geht es nun weiter?
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Wenngleich wir in K. nicht tarifgebunden sind und bis dato weder mit ver.di noch mit unserem Betriebsrat eine gemeinsame Lösung zu finden war, geben wir Ihnen hiermit freiwillig folgende Zusicherung:
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1. Wir werden Sie auch nach dem 30.06.2011 entsprechend den Regelungen des gültigen rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages vergüten.
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2. Sobald in 2011 ein neuer Gehalts- und Lohntarifvertrag für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel abgeschlossen ist, wird auch dieser neue Tarifvertrag mit den darin enthaltenen Regelungen – insbesondere den Lohn- und Gehaltserhöhungen – Anwendung auf Ihr Arbeitsverhältnis finden."
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Mit Schreiben vom 12.09.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Zusage vom 16.06.2011 auch selbstverständlich für den MTV des rheinland-pfälzischen Einzelhandels gelte.
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Ab dem 01.08.2013 wurden die tariflichen Gehälter um 3 % angehoben und ab dem 01.05.2014 um weitere 2,1 %.
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Die Klägerin hat die Zahlung dieser Erhöhungen mit Schreiben vom 07.03.2014 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht. Das formularmäßig vorgefertigte Schreiben hat u.a. folgenden Wortlaut:
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"Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrages Einzelhandel Rheinlandpfalz
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Tariferhöhung Rückwirkend zum 01.08.2013 von 3 % sowie die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.14.
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Sehr geehrter Herr W.
Ich möchte sie bitten mir die vorgenannte Tariferhöhung mit der nächsten Gehaltsauszahlung auszuzahlen.
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Meinen Anspruch mache ich geltend auf Basis des von Ihnen an mich gesendeten Schreibens vom 16.06.2011 zum Gehaltstarifvertrag sowie dem Schreiben vom 12.09.11, zum Manteltarifvertrag Einzelhandel Rheinland-Pfalz.
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Ebenso ergibt sich der Anspruch aus meinem Arbeitsvertrag, der eine dynamische Verweisklausel enthält. Der Gesamtbetrag der Geltendmachung beläuft sich auf 408,55 Euro.
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Ich bitte sie mir bis zum ________ meinen Anspruch zu bestätigen."
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Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 18.03.2014 (Anlage 3 zur Klageschrift, Bl. 3 R. d. A.) zurückgewiesen.
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Mit der ursprünglichen Klage hatte die Klägerin Lohndifferenzen für die Monate August 2013 bis einschließlich Februar 2014 in Höhe von EUR 408,55 brutto geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 21.07.2015 hatte die Klägerin ihre Klage um weitere 1.095,00 EUR brutto als Differenzlohn für den Zeitraum März 2014 bis einschließlich Juni 2015 erweitert. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Klageerweiterungsforderung wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 21.07.2015 (Bl. 21, 21 R. d. A.) verwiesen.
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Das Arbeitsgericht hat im Kammertermin vom 13.08.2015 die Klageerweiterung vom 21.07.2015 abgetrennt und die Ursprungsklage durch Urteil beschieden (s. S. S. 2-5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.08.2015, Bl. 25-27 d. A.). Die abgetrennte Klageerweiterung ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
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Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.09.2015 die rechnerische Richtigkeit der Klageerweiterungsforderung bestritten hatte, hat die Klägerin ihre Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 24.09.2015 (Bl. 48-53 d. A.) modifiziert und nunmehr die – rechnerisch zwischen den Parteien unstreitige – Differenz von EUR 1017,88 EUR brutto für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015 geltend gemacht.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,
der von ihr zuletzt geltend gemachte Anspruch auf Differenzvergütung für den Zeitraum März 2014 bis einschließlich Juni 2015 folge aus dem Arbeitsvertrag selbst. Denn darin sei vereinbart, dass die jeweiligen rheinland-pfälzischen Lohn- und Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel Anwendung finden. Die dort vorgesehene Ausnahme bzw. das Ende der dynamischen Verweisungsklausel sei nicht gegeben. Daneben habe die Beklagte mit Schreiben vom 16.06.2011 zusätzlich ausdrücklich erklärt, dass die rheinland-pfälzischen Tarifverträge weiterhin Anwendung fänden. Diese Zusage habe die Beklagte in der Vergangenheit auch tatsächlich umgesetzt. Das Wort „freiwillig" in diesem Zusammenhang solle lediglich bedeuten, dass die Beklagte freiwillig diese Zusage gegeben habe. Es habe sie auch keiner dazu zwingen können, diese Zusage zu geben. Die Freiwilligkeit bedeute aber keineswegs, dass sich die Beklagte nicht verpflichtet habe.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 1017,88 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat vorgetragen,
aus dem Schreiben vom 16.06.2011 lasse sich keineswegs entnehmen, dass dynamisch und dauerhaft verbindlich die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel, insbesondere die Lohn- und Gehaltstarifverträge, auch über 2011 hinaus Anwendung finden sollten. Dies hätten die Arbeitnehmer auch so aufgefasst und sei von ver.di selbst gegenüber den Mitgliedern so kommuniziert worden. Es sei in dem Schreiben auch ausdrücklich nur im Singular von der Weitergeltung des nächsten Tarifvertrages die Rede und nicht von den folgenden Tarifverträgen.
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Aus dem Arbeitsvertrag werde außerdem deutlich, dass sie - die Beklagte - gerade keine dynamische Weitergeltung von Tarifverträgen gewollt habe. Jedenfalls seien die geltend gemachten Zahlungsansprüche vor Januar 2015 aufgrund der sich aus § 16 des Manteltarifvertrages des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz ergebenden Ausschlussfristen verfallen.
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Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Beklagte darauf hin durch Urteil vom 08.10.2015 - Az. 3 Ca 1004/15 - verurteilt, an die Klägerin 361,60 EUR brutto zuzüglich Zinsen ab dem 04.08.1015 zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat im zugesprochenen Umfang einen Anspruch der Klägerin auf Weitergabe der Tariflohnerhöhungen aus Ziff. 12 S. 1 des Arbeitsvertrages bejaht und die Klage im Übrigen mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin insoweit die tarifliche Ausschlussfrist gemäß § 16 des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz nicht gewahrt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten der der Entscheidung zugrunde liegenden rechtlichen Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 63-68 d. A.) Bezug genommen.
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Gegen das ihr am 05.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 04.12.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 05.02.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 30.12.2015 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 05.02.2016 verlängert worden war.
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Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor:
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Die Ansprüche seien für die Zukunft durch das Schreiben vom 07.03.2014, in dem auch die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab dem 01.05.2014 eingefordert worden sei, wirksam geltend gemacht worden. Sie – die Klägerin – habe hinreichend deutlich gemacht, auch zukünftig an der Tarifentwicklung partizipieren zu wollen. Eine entsprechende Geltendmachung bereits vor der Entstehung eines Anspruchs sei möglich, wenn - wie vorliegend - bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden könne. Durch die einmalige Geltendmachung könne die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein. Diese Auslegung von Ausschlussfristen sei insbesondere dann geboten, wenn um die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten werde. Davon sei vorliegend auszugehen. Zudem habe sich die Beklagte aufgrund der zahlreichen Parallelstreitigkeiten auf eine Geltendmachung der streitgegenständlichen Forderungen einstellen können und müssen.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 05.02.2016 (Bl. 97 - 101 d. A.) Bezug genommen.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 -8 Ca 899/15- teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 656,28 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und trägt vor:
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Ihrer Auffassung nach sei die Berufung bereits als unzulässig zu verwerfen, insbesondere, da eine Auseinandersetzung mit der zweiten arbeitsvertraglichen Rechtsgrundlage für den Verfall der Ansprüche nicht erfolgt sei.
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Darüber hinaus sei eine Wahrung der Ausschlussfrist durch das Geltendmachungsschreiben vom 07.03.2014 für die streitgegenständlichen Forderungen nicht anzunehmen, da von diesem Schreiben nur die bereits fälligen, entstandenen Ansprüche erfasst gewesen seien, eine hinreichend deutliche Geltendmachung der noch nicht fälligen Ansprüche sei weder erfolgt, noch nach dem Einzelhandelstarifvertrag zulässig. Dieser sehe nämlich gerade keine Möglichkeit der Geltendmachung zukünftiger Ansprüche vor. Auch seien im vorliegenden Verfahren nicht lediglich „auf dem selben Rechtsgrund basierende, wiederkehrende und in der Höhe unstreitige Beträge“ in Streit, für die das Bundesarbeitsgericht eine Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung ausnahmsweise für zulässig erachte. Die noch nicht fälligen Forderungen basierten auf einer anderen Anspruchsgrundlage als die bereits fälligen Forderungen. Zudem sei der Umstand, auf dem diese noch nicht fälligen Forderungen sich gründeten, noch nicht eingetreten. Die rechtserzeugenden Anspruchsvoraussetzungen müssten jedoch nach dem Vorbringen des Anspruchsstellers bei der Geltendmachung bereits erfüllt sein. Eine vollumfängliche Einhaltung der Ausschlussfrist sei auch nicht durch die Klage vom 30.07.2014, den Schriftsatz vom 21.07.2015 und den Schriftsatz vom 24.09.2015 erfolgt. Die mit der Berufung geltend gemachten, vom Arbeitsgericht abgewiesenen Ansprüche seien jedenfalls gemäß Ziff. 13 des Arbeitsvertrages verfallen, da die Klägerin erst mehr als 3 Monate nach Ablehnung des Anspruchs seine Ansprüche gerichtlich geltend gemacht habe und mithin die 2. Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist nicht gewahrt habe.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 15.03.2016 (Bl. 128-139 d. A) Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
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Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
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Insbesondere hat sich die Klägerin in hinreichender Weise mit den rechtlichen Erwägungen des Urteils auseinandergesetzt, indem sie gerügt hat, dass das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt habe, dass das Geltendmachungsschreiben vom 07.03.2014 auch eine zukunftsbezogene Geltendmachung enthalte und hierdurch nach ihrer Auffassung die Ausschlussfristen vollumfänglich gewahrt worden seien. Dass die Klägerin die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen nicht thematisiert hat, kann vor dem Hintergrund, dass sie für die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht von Relevanz waren und in den Entscheidungsgründen keine Erwähnung gefunden haben, nicht zur Unzulässigkeit der Berufung führen.
B.
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Das daher insgesamt zulässige Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts ist die Klage vollumfänglich begründet. Die Klägerin kann deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von EUR 1017,88 brutto nebst Zinsen verlangen.
I.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Monate März 2014 bis einschließlich Juni 2015 in Höhe des rechnerisch unstreitigen Differenzbetrages zwischen der tariflichen Vergütung der Klägerin nach Gehaltsgruppe II/ 6. Berufsjahr für die Angestellten im rheinland-pfälzischen Einzelhandel und des ihr von der Beklagten tatsächlich ausgezahlten Gehalts.
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1. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts ergibt sich aus Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages, wonach auf das Arbeitsverhältnis u.a. die Vorschriften des Gehaltstarifvertrages für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden. Im Hinblick auf die Verwendung der Formulierung "in der jeweils gültigen Fassung" beinhaltet diese Vertragsklausel zweifellos eine dynamische Bezugnahme.
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2. Ziffer 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages, wonach eine dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften bei Wegfall der Tarifbindung der Beklagten nicht mehr gegeben sein soll, steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Diese Klausel beinhaltet eine auflösende Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 2 BGB, wobei deren Eintritt jedoch bereits von vorneherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten unmöglich war. Die Wirksamkeit der in Ziffer 12 Satz 1 vereinbarten dynamischen Bezugnahme bleibt hiervon unberührt. Ein Rechtsgeschäft, das mit einer unmöglichen auflösenden Bedingung versehen wurde, ist nämlich (im Übrigen) von Anfang an voll wirksam (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 27 f. m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).
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3. Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - bei Auslegung der betreffenden Vertragsklausel. Bei dieser handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. von § 305 Abs. 1 BGB. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG v. 15.05.2013 - 10 AZR 325/12 - JURIS Rn. 17; LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 29; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klausel von der Klägerin in den Arbeitsvertrag eingeführt worden wäre (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB).
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a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierenden Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (vgl. BAG 20.03.2013 - 10 AZR 636/11 - JURIS Rn. 20; LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 30; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Führt die objektive Auslegung zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, greift die Unklarheitenregelung (§ 305c Abs. 2 BGB) mit der Folge der arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung ein (BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10 - JURIS Rn. 23 m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Die Anwendung des § 305c As. 2 BGB setzt also zwingend voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient (BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10 - JURIS Rn. 23 m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).
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b) In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass der Wortlaut der auflösenden Bedingung in § 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages eindeutig ist. Danach soll der Wegfall der dynamischen Weitergeltung des Gehaltstarifvertrages bei Eintritt eines zukünftigen Ereignisses, nämlich des Wegfalls der Tarifbindung des Arbeitgebers eintreten. Die ausschließliche Zukunftsbezogenheit dieser Bedingung ergibt sich deutlich aus der Formulierung: "Dies gilt dann nicht mehr, wenn…", und der Formulierung: "…nicht mehr tarifgebunden ist." Anhaltspunkte dafür, dass die in Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages vereinbarte dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften von vornherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht zum Zuge kommen sollte, enthält die Vertragsklausel nicht. Die Rechtsansicht der Beklagten, unter deren Zugrundelegung vorliegend bereits von Anfang an keine dynamische Bezugnahme vereinbart sein könnte, hätte überdies nicht nur eine unauflösbare Widersprüchlichkeit der in Ziffer 12 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelungen zur Folge, sondern würde auch zu einer völligen Sinnentleerung der in Satz 1 dieser Verweisungsklausel enthaltenen Bestimmung führen (so auch LAG Rheinland- Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 31; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).
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4. Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht § 12 Satz 5 des Arbeitsvertrages entgegen, der ein Ende der dynamischen Weitergeltung der Tarifvorschriften für den Fall eines Betriebsübergangs auf einen "neuen Arbeitgeber" vorsieht. Bei der Beklagten handelt es sich nämlich nicht um einen "neuen" Arbeitgeber im Sinne der vertraglichen Abrede. Als solcher käme nur ein der Beklagten gemäß § 613 a BGB nachfolgender Betriebsinhaber in Betracht, nicht hingegen die Beklagte als vertragsschließende Arbeitgeberin selbst (vgl. LAG Rheinland- Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 32; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).
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Die streitgegenständlichen Ansprüche sind dem Umfang und der Höhe nach zwischen den Parteien in der Kammerverhandlung vom 08.10.2015 unstreitig gestellt worden.
II.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts sind die Ansprüche der Klägerin auch nicht insgesamt bzw. überwiegend nach Maßgabe einer anzuwenden Ausschlussfrist verfallen.
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Das Arbeitsgericht hat in Anwendung des § 16 des Manteltarifvertrags Einzelhandel einen teilweisen Verfall der streitgegenständlichen Ansprüche angenommen. Nach Ansicht der Beklagtenseite hat zumindest die fehlende gerichtliche Geltendmachung innerhalb von 3 Monaten nach Ablehnung des streitgegenständlichen Anspruchs zu einem Verfall der Ansprüche nach Ziff. 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrages geführt.
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1. Die Berufungskammer teilt die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach vorliegend eine gerichtliche Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche zum Anspruchserhalt erforderlich war, nicht.
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Zwar sieht Ziff. 13 des Arbeitsvertrages neben einer schriftlichen Geltendmachung innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit der Ansprüche für den Fall, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf einer gesetzten Frist oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden, einen Verfall dieser Ansprüche vor. Diese Regelung steht jedoch im Widerspruch zu der über die Verweisungsklausel aus Ziff. 12 des Arbeitsvertrags in Bezug genommenen tariflichen Ausschlussklausel (§ 16 MTV Einzelhandel), bei der die gerichtliche Geltendmachung gerade nicht erforderlich ist, um einen Anspruchsverfall zu verhindern.
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Dieser Widerspruch führt, dass zu, dass die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung im Hinblick auf die zweite Stufe der Ausschlussfrist einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht standhält.
- 72
a) Für eine den Inhalt des Entgeltanspruchs regelnde Allgemeine Geschäftsbedingung verlangt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung, der Arbeitnehmer müsse bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 48; BAG 16.05. 2012 - 5 AZR 331/11 - JURIS Rn. 2). Für eine die Art und Weise der Geltendmachung eines entstandenen Entgeltanspruchs - und damit zugleich dessen Untergang (zur rechtsvernichtenden Wirkung der Ausschlussfrist: BAG 28.09.2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 29, BAGE 116, 66) - regelnde Klausel gelten keine geringeren Anforderungen. Auch hier muss der Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss erkennen können, was ihn erwartet: Es muss aus der Klausel ersichtlich sein, welche Rechtsfolge eintreten wird und was er zu tun hat, um diese Rechtsfolge zu verhindern (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 48; BAG 31.08. 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 26, BAGE 115, 372). Eine Ausschlussfrist muss dem Gläubiger eine faire Chance lassen, seine Ansprüche durchzusetzen (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 52; BAG 28.05. 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 30, BAGE 116, 66).
- 73
b) Diesen Anforderungen genügt die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung vorliegend in Teilen nicht.
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§ 12 Satz 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Formulararbeitsvertrages enthält - wie dargelegt - eine für das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien rechtsverbindliche dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung. Dessen MTV sieht eine einstufige Ausschlussfrist vor, die vollinhaltlich der in Ziffer 13 des Formulararbeitsvertrages enthaltenen ersten Stufe der Ausschlussfrist entspricht; eine zweite Stufe, die eine gerichtliche Geltendmachung nach Ablehnung verlangt, ist dort nicht vorgesehen. Damit enthält der Formulararbeitsvertrag zwei Ausschlussfristenregelungen, die inhaltlich - hinsichtlich der zweiten Stufe - erheblich voneinander abweichen. Beide beanspruchen nach dem Wortlaut der vertraglichen Regelung jedoch Geltung. Die objektive Auslegung führt zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, nämlich dem gleichwertigen Geltungsanspruch beider inhaltlich unterschiedlicher Ausschlussfristen. Beide Ergebnisse erscheinen vertretbar, also sowohl die Anwendung von Ziffer 12, ebenso wie die Anwendung von Ziffer 13 des Formularvertrages, und von diesen verdient keine den klaren Vorzug. Dies hat zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, der sich nicht sicher ist, ob er nun die erste Stufe oder auch die zweite Stufe einhalten muss, möglicherweise von einer weiteren Rechtsverfolgung absehen würde, wenn er die erste Stufe der Ausschlussfrist gewahrt, jedoch zu spät geklagt hätte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die in Ziffer 13 enthaltene zweite Stufe der Ausschlussfrist nach Maßgabe des sog. Blue-Pencil-Tests zu streichen ist, denn die Unwirksamkeit der zweiten Stufe berührt die Wirksamkeit der ersten Stufe einer Ausschlussfristenregelung wie der vorliegenden nicht (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht; BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 54; BAG 16.05.2012 - 5 AZR 251/11 - JURIS Rn. 37; BAG 12.03.2008 - 10 AZR 152/07 - JURIS Rn. 26 ff.). Die diesbezüglichen Formulierungen im Tarifvertrag und im Arbeitsvertrag sind inhaltsgleich, ausreichend transparent und bleiben, ebenso wie die übrigen arbeitsvertraglichen Bestimmungen gemäß § 306 Abs. 1 BGB wirksam.
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c) Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass das Bundesarbeitsgericht in mehreren „equal-pay-Fällen“ (vgl. z. B. BAG 25.09.2013 - 5 AZR 815/12 - JURIS Rn. 18; BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 40) einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist gegenüber einer Ausschlussfrist aus einem in Bezug genommenen Tarifvertrag den Vorrang eingeräumt hat. Die diesen Entscheidungen zugrunde liegende Sachverhalte sind mit dem vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht vergleichbar:
- 76
Zum einen war in den den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegenden Sachverhalten zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits die Unwirksamkeit des in Bezug genommenen Tarifvertrages festgestellt. Es stand mithin fest, dass die im Tarifvertrag enthaltene Ausschlussfrist gar nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist und die Verweisung in der Konsequenz gleichsam „leer lief“ (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 35). Zum anderen enthielten die Arbeitsverträge in den betreffenden Verfahren ausdrückliche Kollisionsregelungen zum Verhältnis zwischen arbeitsvertraglicher und tariflicher Regelung. Nicht zuletzt standen – anders als im vorliegenden Fall – die tariflichen Ausschlussfristen zu den arbeitsvertraglichen Regelungen gerade nicht im Widerspruch.
- 77
2. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der eingeklagten Differenzvergütung ist auch nicht (zum Teil) wegen zu später schriftlicher Geltendmachung verfallen.
- 78
Zwar sieht § 16 Ziff. 1 c) MTV Einzelhandel Rheinland-Pfalz ebenso wie Ziff. 13 Abs. 1 S. 3 des Arbeitsvertrages vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind, da sie ansonsten verfallen.
- 79
Diesem Erfordernis hat die Klägerin jedoch durch das Schreiben vom 07.03.2014 Genüge getan. Dieses Schreiben beinhaltet neben der rückwirkenden Geltendmachung von Ansprüchen auch eine wirksame Geltendmachung der vorliegend streitgegenständlichen Ansprüche auf Zahlung des Tarifgehalts für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015:
- 80
a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt daher voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (vgl. BAG 22.04.2004 - 8 AZR 652/02 - AP Nr. 28 zu §§ 22, 23 BAT-O; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 48; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (vgl. BAG 22.06.2005 - 10 AZR 459/04 - AP Nr. 183 zu § 4 TVG Ausschlussfrist; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 48; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).
- 81
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 07.03.2014 die Zahlung von Arbeitsvergütung auf der Grundlage der tariflichen Bestimmungen nicht nur rückwirkend zum 01.08.2013, sondern auch zukunftsbezogen geltend gemacht, indem sie sich nach dem eindeutigen Wortlaut des Geltendmachungsschreibens nicht nur darauf beschränkt hat, die Tariferhöhung rückwirkend zum 01.08.2013 geltend zu machen, sondern auch „die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.2014“ eingefordert hat. Diese Geltendmachung ist mithin ersichtlich nicht auf eine bestimmte zukünftige Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich, da die Höhe der Ansprüche auch über Mai 2014 hinaus aufgrund der bereits abgeschlossenen Tarifverhandlungen für die Beklagte durch die Nennung des Prozentsatzes ersichtlich und bei Einsichtnahme in die jeweiligen Gehaltstarifverträge im Übrigen ohne Weiteres errechenbar war.
- 82
b) Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung noch nicht fällig waren. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchssteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (vgl. BAG 11.12.2003 - 6 AZR 539/02 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 50; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).
- 83
c) Der wirksamen Geltendmachung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung noch nicht entstanden waren.
- 84
Zwar widerspricht eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs regelmäßig dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Eine Besonderheit liegt jedoch vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Eine tarifliche Ausschlussfrist kann deswegen ausnahmsweise durch Geltendmachung des Anspruchs auch vor dessen Entstehung gewahrt werden, wenn der Zweck der tariflichen Ausschlussfrist auch dann erreicht wird, wenn der Arbeitgeber also unzweifelhaft erkennen kann, welche Ansprüche der Arbeitnehmer geltend macht und von welchen tatsächlichen und rechtlichen Umständen diese abhängen (so BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12 - EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Hamburg 08.07.2014 - LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 3; BAG v. 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - NZA 2013, 975; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 51; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht). Das kommt z. B. dann in Betracht, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Besteht z.B. Streit ausschließlich über die Berechnungsgrundlage von tariflichen Zeitzuschlägen und werden Anzahl und Art der zuschlagpflichtigen Stunden durch Aufnahme in eine Lohnabrechnung streitlos gestellt, kann die einmalige Geltendmachung einer anderen Berechnung der Zeitzuschläge ausreichen, um den Verfall auch von künftigen Ansprüchen durch eine tarifliche Ausschlussfrist zu verhindern (BAG 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - EzA-SD 8/2013 S. 11 = NZA 2013, 976). Streiten die Parteien eines Arbeitsvertrages über die Höhe des monatlichen Entgelts und liegt diesem Streit lediglich und ausschließlich die Frage der - immer gleichbleibenden - Berechnungsweise zugrunde, kann die einmalige Geltendmachung der nach Auffassung des Arbeitnehmers zutreffenden Berechnungsgrundlage auch für später entstehende Zahlungsansprüche ausreichen. In einem solchen Fall besteht für den Schuldner kein Zweifel darüber, was der Gläubiger von ihm verlangt (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12 - EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 52; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht).
- 85
Vorliegend stritten die Parteien bereits im Zeitpunkt des Geltendmachungsschreibens vom 07.03.2014 im Hinblick auf die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf tarifliche Arbeitsvergütung hat, ausschließlich über die Anwendbarkeit der maßgeblichen Tarifverträge. Zwar bestand im Nachgang zur Geltendmachung der künftigen Ansprüche prozessual kurzzeitig Unklarheit darüber, ob die vom Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum eingeklagten Beträge korrekt waren. Ursache dafür, war aber nicht, dass sich die Parteien über die geschuldete Arbeitszeit, die Eingruppierung, die prozentuale Tariflohnerhöhung oder sonstige Berechnungsgrundlagen uneinig waren. Vielmehr waren und sind die für die Berechnung der Klageforderung maßgeblichen Faktoren zwischen den Parteien unstreitig, durch die Lohnabrechnungen streitlos gestellt und es handelte sich schlicht um einen Rechenfehler. Die Beklagte konnte aufgrund der Tatsache, dass ihr Arbeitszeit und Eingruppierung bekannt war, unproblematisch erkennen, welche finanzielle Forderung bei der geltend gemachten Tariflohnerhöhung um 2,1 % ab dem 01.05.2014 auf sie zukommen würde. Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Ansprüche ausreichend. Das Schreiben vom 07.03.2014 wahrt daher auch die Ausschlussfrist für die künftigen Ansprüche der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Gewährung dieser Leistung verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen und vorsorglich Rücklagen bilden; eine wiederholte Geltendmachung hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich eine überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, die Klägerin habe zwischenzeitlich von ihrer Forderung Abstand genommen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 53; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht).
- 86
Nach alledem war der Klage auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Zeit von Mai 2014 bis Juni 2015 unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils insgesamt stattzugeben.
III.
- 87
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten waren aufgrund der Reduzierung der Klageforderung in erster Instanz und der teilweisen Berufungsrücknahme in zweiter Instanz wie ausgeurteilt zu quoteln.
- 88
Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben. Insbesondere liegt keine Abweichung von den durch die Beklagten in der Berufungsbegründung vom 15.03.2016 (S. 7-9) zitierten Entscheidungen vor. Soweit sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung sowie in der Kammerverhandlung vom 28.06.2016 insbesondere auf die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30.10.2013 – 2 Sa 744/13 – bezogen hat, wird darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung bereits deswegen nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar ist, weil der Kläger Ansprüche aus einer Höhergruppierung begehrt. Überdies stellt auch das LAG Hessen in seiner Entscheidungsbegründung (vgl. Juris Rn. 39) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar, dass eine tarifliche Ausschlussfrist ausnahmsweise auch durch Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung gewahrt werden kann, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Genau diese Ausnahme war vorliegend gegeben, so dass die zitierte Rechtsprechung gerade einschlägig, nicht aber divergierend zur getroffenen Entscheidung ist.
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(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.
(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein.
(2) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen, so endigt mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts; mit diesem Zeitpunkt tritt der frühere Rechtszustand wieder ein.
(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.
(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss
- 1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und - 2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.
(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.
(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.
(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:
- 1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden; - 2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte; - 3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.
(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam.
(2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.
(3) Der Vertrag ist unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Absatz 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.
(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.
(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.
(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.