Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 18. Okt. 2011 - 3 TaBV 10/11
Gericht
Tenor
Die Beschwerde des zu 1) beteiligten Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 16.12.2010 - 1 BV 20/09 - wird - unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags - als unzulässig verworfen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
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Der zu 1) beteiligte Antragsteller ist der bei der Insolvenzschuldnerin I. GmbH & Co. KG (I.) gebildete Gesamtbetriebsrat. In den Niederlassungen Berlin, Hamburg, Wittenberg und Lichtenstein bestehen Betriebsräte, die ihre Vertreter in den Gesamtbetriebsrat entsandten. Über das Vermögen der I. wurde am 30. Januar 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beteiligte zu 2) zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Betriebsparteien in den genannten Niederlassungen schlossen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Betriebsvereinbarungen über die Einrichtung von Arbeitszeitkonten ab. Die Betriebsparteien in Berlin, Hamburg und Wittenberg vereinbarten mit der Beteiligten zu 3), dass die I. die Zahlungsansprüche der Arbeitnehmer in voller Höhe an die Beteiligte zu 3) überweise und die Beteiligte zu 3) diese treuhänderisch halten werde. Die Beteiligte zu 3) verbürgte sich zur vollständigen Absicherung der ihr zu treuen Händen überwiesenen Zahlungsansprüche von Arbeitnehmern, die aus Ansparstunden resultierten.
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Der Gesamtbetriebsrat hat erstinstanzlich beantragt,
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1. den Beteiligten zu 2. zu verpflichten,
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a) durch Erklärung gegenüber der Beteiligten zu 3. die in der Anlage B3 genannten und den einzelnen Arbeitnehmern der Niederlassungen Berlin, Hamburg, Lichtenstein und Wittenberg zugeordneten Guthaben zu deren Gunsten freizugeben,
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hilfsweise zu a) seine Ansprüche gegen die Beteiligte zu 3. auf Herausgabe der Guthaben an die in der Anlage B 3 genannten Arbeitnehmer der Niederlassungen Berlin, Hamburg, Lichtenstein und Wittenberg zu deren Gunsten in den ihnen zugeordneten Beträgen abzutreten,
der Beteiligten zu 3. mitzuteilen, dass ein Absonderungsrecht / Aussonderungsrecht der in der Anlage B 3 genannten Arbeitnehmer der Niederlassungen Berlin, Hamburg, Lichtenstein und Wittenberg in dem in der Anlage B 3 genannten Umfang besteht.
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festzustellen, dass
die Ansparkonten der Arbeitnehmer der Niederlassungen Berlin, Hamburg, Lichtenstein und Wittenberg mit dem Stand 30. Januar 2009 gemäß Anlage B 3 nicht auf eine eventuelle Freistellung ab dem 30. Januar 2009 angerechnet werden können und insolvenzfest sind,
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der Beteiligte zu 2. verpflichtet ist, mit dem Beteiligten zu 1. eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die Auszahlungsmodalitäten der Ansparkonten / der Guthaben der in der Anlage B 3 genannten Arbeitnehmer der Niederlassungen Berlin, Hamburg, Lichtenstein und Wittenberg abzuschließen, hilfsweise mit den jeweiligen Betriebsräten der vier Niederlassungen,
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hilfsweise zu 1. festzustellen, dass der Beteiligte zu 2. verpflichtet ist, durch Erklärung gegenüber der Beteiligten zu 3. die in der Anlage B 3 genannten und den einzelnen Arbeitnehmern zugeordneten Guthaben zu deren Gunsten freizugeben,
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hilfsweise zu a) seine Ansprüche gegen die Beteiligte zu 3. auf Herausgabe der Guthaben an die in der Anlage B 3 genannten Arbeitnehmer zu deren Gunsten in den ihnen zugeordneten Beträgen abzutreten,
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der Beteiligten zu 3. mitzuteilen, dass ein Absonderungsrecht / Aussonderungsrecht der in der Anlage B 3 genannten Arbeitnehmer der Niederlassungen Berlin, Hamburg, Lichtenstein und Wittenberg in dem in der Anlage B 3 genannten Umfang besteht,
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festzustellen, dass
die von der Insolvenzschuldnerin I. GmbH & Co. KG an die Beteiligte zu 3. gezahlten Beträge von insgesamt 271.439,74 €, derzeit auf deren Konto Nr. 000 bei der B. H., BLZ 000 liegend, zur Absicherung der Ansparstunden der Arbeitnehmer der Niederlassungen Berlin, Hamburg, Lichtenstein und Wittenberg geleistet wurden, die namentlich in der Anlage B 3 genannt sind und deren Höhe aus der Anlage B 3 hervorgeht,
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und dass diese Arbeitnehmer gegen den Insolvenzverwalter insoweit ein Absonderungsrecht in der Höhe ihres jeweiligen Guthabens wie in Anlage B 3 genannt haben,
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hilfsweise zu 4 b)
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und dass die Beteiligte zu 3. insoweit ein Absonderungsrecht gegenüber dem Beteiligten zu 2. zugunsten dieser Arbeitnehmer in der Höhe ihres jeweiligen Guthabens wie in Anlage B 3 genannt hat.
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Der Insolvenzverwalter hat beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Die Beteiligte zu 3) hat keinen Sachantrag gestellt.
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Mit Beschluss vom 16. Dezember 2010 - 1 BV 20/09 - hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Antrag bereits unzulässig sei, weil der Gesamtbetriebsrat bezüglich der Anträge zu 1. a) bis c), 2. a), 3. a) bis c) und 4. b) nicht antragsbefugt sei und für die Anträge zu 2. b) und 4. a) kein Rechtsschutzinteresse vorliege. Im Übrigen wird hinsichtlich der Begründung des Arbeitsgerichts auf seine Ausführungen zu II. der Gründe des Beschlusses (S. 10 bis 13 = Bl. 348 bis 351 d. A.) verwiesen.
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Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 16. Dezember 2010 ist den Verfahrensbevollmächtigten des Gesamtbetriebsrats am 18. Februar 2011 zugestellt worden.
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Der Gesamtbetriebsrat hat gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 16. Dezember 2010 mit Schriftsatz vom 17. März 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag per Telefax eingegangen, Beschwerde eingelegt.
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Auf Antrag des Gesamtbetriebsrats ist die Beschwerdebegründungsfrist mit Beschluss vom 18. April 2011 bis zum 18. Mai 2011 verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag per Telefax eingegangen, hat der Gesamtbetriebsrat die Beschwerde begründet und wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
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Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hat der Gesamtbetriebsrat mit Schriftsatz vom 20. Mai 2011 ausgeführt, die Hilfsperson seines Verfahrensbevollmächtigten habe versehentlich die falsche Frist gestrichen, so dass die Frist nicht mehr eingetragen gewesen sei. Für die "Klägerin" würden hier mehrere Akten geführt. In beiden Akten habe es Fristen gegeben. Für die Begründung der Beschwerde sei die richtige Frist notiert worden. In der anderen Sache sei die Frist erledigt worden. Leider sei fälschlicherweise die Frist zur Begründung gestrichen worden. Dabei habe es sich um die stets zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte E. J. gehandelt, die auch insbesondere mit Ausfertigen von Schriftsätzen betraut sei und nach Wissen seines Verfahrensbevollmächtigten noch nie eine Frist versehentlich gestrichen habe sowie in der Position auch stets sehr zuverlässig sei. Auch seinen Verfahrensbevollmächtigten treffe kein Verschulden an dem Versäumnis, weil er seine Angestellte mit der erforderlichen Sorgfalt ausgewählt, angeleitet und auch überwacht habe. Dem Schriftsatz des Gesamtbetriebsrats vom 20. Mai 2011 war die eidesstattliche Versicherung der Frau J. vom 20. Mai 2011 (Bl. 392 d. A.) beigefügt, auf die Bezug genommen wird.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 23. Mai 2011 ist der Gesamtbetriebsrat darauf hingewiesen worden, dass die Begründung des Wiedereinsetzungsantrages nebst entsprechender Glaubhaftmachung noch weiter in eine Darstellung konkreter Einzelheiten in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht zergliedert werden müsse, was insbesondere für alle Tatsachen zur Büroorganisation bzw. zur Organisation und Durchführung der Fristenkontrolle gelte.
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Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag per Telefax eingegangen, hat der Gesamtbetriebsrat vorgetragen, dass die Erledigung einer Frist (meist durch erfolgreichen Faxausgang) durch einen roten Haken im Fristenkalender kenntlich gemacht werde. Vor Dienstschluss der letzten anwesenden Rechtsanwaltsfachangestellten werde der Fristenkalender noch einmal auf Einhaltung aller Fristen kontrolliert. Fristen, die vor Ablauf erledigt würden, würden im Fristenkalender durchgestrichen. Hierbei werde durch die bearbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte grundsätzlich darauf geachtet, auch die richtige Frist zu streichen. Im vorliegenden Fall sei die Frist zur Beschwerdebegründung ordnungsgemäß notiert und seinem Verfahrensbevollmächtigten vorgelegt worden. Dieser habe die Begründung per E-Mail mit normaler Priorität zwei Tage vor Fristablauf am 16. Mai 2011 an das Sekretariat zur Ausarbeitung gesandt, weil er die restliche Woche ein Seminar gegeben habe und nicht in der Kanzlei gewesen sei. Zwischenzeitlich sei eine andere Frist vor ihrem eigentlichen Ablauf am 16. Mai 2011 (Berufungsfrist einer Mandantin gegen die I.) erledigt worden. Gewohnheitsmäßig sei die Frist gestrichen worden. Leider sei dabei von der Rechtsanwaltsfachangestellten, Frau E. J., die falsche Frist gestrichen worden, nämlich die zur Beschwerdebegründung, die einen Tag früher abgelaufen sei. Dies sei am nächsten Tag nicht aufgefallen, weil die Rechtsanwaltsfachangestellte, Frau J. Sch., am nächsten Tag die richtige Frist durchgestrichen habe, nachdem sie sich überzeugt hätte, dass sie auch wirklich erledigt gewesen sei. Seinem Verfahrensbevollmächtigten sei der Fristablauf auch nicht mehr am Ablauftag vorgelegt worden, weil sie vom Sekretariat als erledigt betrachtet worden sei. Dieser sei daher von einer Erledigung seines Auftrages ausgegangen.
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Der Gesamtbetriebsrat beantragt,
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I. ihm wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
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II. den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 16. Dezember 2010 - 1 BV 20/09 - abzuändern und
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1. den Beteiligten zu 2. zu verpflichten,
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durch Erklärung gegenüber der Beteiligten zu 3. die in der Anlage B3 genannten und den einzelnen Arbeitnehmern der Niederlassungen Berlin, Hamburg, Lichtenstein und Wittenberg zugeordneten Guthaben zu deren Gunsten freizugeben,
- 30
hilfsweise zu a) seine Ansprüche gegen die Beteiligte zu 3. auf Herausgabe der Guthaben an die in der Anlage B 3 genannten Arbeitnehmer der Niederlassungen Berlin, Hamburg, Lichtenstein und Wittenberg zu deren Gunsten in den ihnen zugeordneten Beträgen abzutreten,
- 31
der Beteiligten zu 3. mitzuteilen, dass ein Absonderungsrecht / Aussonderungsrecht der in der Anlage B 3 genannten Arbeitnehmer der Niederlassungen Berlin, Hamburg, Lichtenstein und Wittenberg in dem in der Anlage B 3 genannten Umfang besteht,
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2. festzustellen, dass die Ansparkonten der Arbeitnehmer der Niederlassungen Berlin, Hamburg, Lichtenstein und Wittenberg mit dem Stand 30. Januar 2009 gemäß Anlage B 3 nicht auf eine eventuelle Freistellung ab dem 30. Januar 2009 angerechnet werden können und insolvenzfest sind,
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der Beteiligte zu 2. verpflichtet ist, mit dem Beteiligten zu 1. eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die Auszahlungsmodalitäten der Ansparkonten / der Guthaben der in der Anlage B 3 genannten Arbeitnehmer der Niederlassungen Berlin, Hamburg, Lichtenstein und Wittenberg abzuschließen, hilfsweise mit den jeweiligen Betriebsräten der vier Niederlassungen,
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3. hilfsweise zu 1. festzustellen, dass der Beteiligte zu 2. verpflichtet ist, durch Erklärung gegenüber der Beteiligten zu 3. die in der Anlage B 3 genannten und den einzelnen Arbeitnehmern zugeordneten Guthaben zu deren Gunsten freizugeben,
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hilfsweise zu a) seine Ansprüche gegen die Beteiligte zu 3. auf Herausgabe der Guthaben an die in der Anlage B 3 genannten Arbeitnehmer zu deren Gunsten in den ihnen zugeordneten Beträgen abzutreten,
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der Beteiligten zu 3. mitzuteilen, dass ein Absonderungsrecht / Aussonderungsrecht der in der Anlage B 3 genannten Arbeitnehmer der Niederlassungen Berlin, Hamburg, Lichtenstein und Wittenberg in dem in der Anlage B 3 genannten Umfang besteht,
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4. festzustellen, dass die von der Insolvenzschuldnerin I. GmbH & Co. KG an die Beteiligte zu 3. gezahlten Beträge von insgesamt 271.439,74 €, derzeit auf deren Konto Nr. 000 bei der B. H., BLZ 000 liegend, zur Absicherung der Ansparstunden der Arbeitnehmer der Niederlassungen Berlin, Hamburg, Lichtenstein und Wittenberg geleistet wurden, die namentlich in der Anlage B 3 genannt sind und deren Höhe aus der Anlage B 3 hervorgeht,
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und dass diese Arbeitnehmer gegen den Insolvenzverwalter insoweit ein Absonderungsrecht in der Höhe ihres jeweiligen Guthabens wie in Anlage B 3 genannt haben,
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hilfsweise zu 4 b)
- 40
und dass die Beteiligte zu 3. insoweit ein Absonderungsrecht gegenüber dem Beteiligten zu 2. zugunsten dieser Arbeitnehmer in der Höhe ihres jeweiligen Guthabens wie in Anlage B 3 genannt hat.
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Der Insolvenzverwalter beantragt,
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die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats zurückzuweisen.
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Die Beteiligte zu 3) hat keinen Antrag gestellt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Beschlusses (zu I. der Gründe, S. 2 bis 9 = Bl. 340 bis 347 d. A.), auf die Beschwerdebegründung des Gesamtbetriebsrats vom 20. Mai 2011 (Bl. 388 bis 391 d. A.), den Schriftsatz des Insolvenzverwalters vom 7. Juni 2011 (Bl. 401 bis 407 d. A.) und den Schriftsatz des Gesamtbetriebsrates vom 15. Juni 2011 nebst Anlagen (Bl. 418 bis 427 d. A.) Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht begründet worden ist. Der Antrag des Gesamtbetriebsrats, ihm wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, ist unbegründet.
- 46
1. Der Gesamtbetriebsrat hat die Beschwerdebegründungsfrist versäumt.
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Der angefochtene Beschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten des Gesamtbetriebsrats am 18. Februar 2011 zugestellt worden. Die Frist für die Begründung der Beschwerde beträgt zwei Monate nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses (§§ 87 Abs. 2 i.V.m. 66 Abs. 1 S. 1 u. 2 ArbGG). Diese Frist zur Begründung der Beschwerde ist im Streitfall auf Antrag des Gesamtbetriebsrates gemäß §§ 87 Abs. 2 i.V.m. 66 Abs. 1 S. 5 ArbGG bis zum 18. Mai 2011 (Mittwoch) verlängert worden. Die Beschwerdebegründung des Gesamtbetriebsrats ist aber nicht innerhalb der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist, sondern verspätet erst am 20. Mai 2011 (Freitag) beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangen.
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2. Der Wiedereinsetzungsantrag des Gesamtbetriebsrats ist unbegründet.
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Nach §§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 233 ZPO ist einem Beteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren, wenn er ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.
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Im Streitfall hat der Gesamtbetriebsrat die Beschwerdebegründungsfrist nicht ohne Verschulden im Sinne von § 233 ZPO versäumt. Das Versäumnis beruht auf einem Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten, das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird. Die Ausgangskontrolle setzt, wie bereits dem Begriff Kontrolle zu entnehmen ist, eine nochmalige, selbständige Prüfung voraus (vgl. BGH 13. September 2007 - III ZB 26/07 - BB 2007, 2316, zu II 1 b bb (2) (a) der Gründe).
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Alle Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zu der Versäumung der Frist gekommen ist, sind grundsätzlich mit dem Wiedereinsetzungsgesuch innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist, die im Falle der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist einen Monat beträgt (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO), darzulegen und ggf. glaubhaft zu machen (BGH 17. Oktober 1990 - XII ZB 84/90 - [juris]).
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b) Die innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist mit Schriftsatz vom 20. Mai 2011 und Schriftsatz vom 15. Juni 2011 erfolgte Begründung des Wiedereinsetzungsantrages des Gesamtbetriebsrats räumt ein Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten an der Fristversäumung (§ 233 ZPO), das sich der Gesamtbetriebsrat nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, nicht aus.
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Der diesbezügliche Vortrag des Gesamtbetriebsrats zur Ausgangskontrolle beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass die Erledigung einer Frist durch einen roten Haken im Fristenkalender kenntlich gemacht werde und der Fristenkalender vor Dienstschluss der letzten anwesenden Rechtsanwaltsfachangestellten noch einmal auf Einhaltung aller Fristen kontrolliert werde. Fristen, die vor Ablauf erledigt würden, würden im Fristenkalender durchgestrichen. Hierbei werde durch die bearbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte grundsätzlich darauf geachtet, auch die richtige Frist zu streichen.
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Eine weisungsgemäße abendliche Kontrolle nur des Fristenkalenders, die sich auf die Prüfung beschränkt, ob die Fristen im "Häkchen-Verfahren" als erledigt gekennzeichnet sind, aber nicht die Prüfung einschließt, ob die Fristen durch Erstellung und Absendung des fristwahrenden Schriftsatzes tatsächlich eingehalten wurden, stellt ein anwaltliches Organisationsverschulden dar (BGH 02. Dezember 1996 - II ZB 19/96 - NJW-RR 1997, 562). Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass am Ende eines jeden Arbeitstages von einer dazu beauftragten Bürokraft geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen (BGH 02. Dezember 1996 - II ZB 19/96 - NJW-RR 1997, 562). Eine Frist darf daher nur gestrichen werden, wenn die mit der Kontrolle betraute Angestellte sich anhand der Akte selbst vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist; sie dazu anzuhalten, ist Sache des Rechtsanwalts selbst (BGH 14. März 1996 - III ZB 13/96 - [juris]).
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Dass eine solche selbständige und abschließende Prüfung der Fristen im Büro seines Verfahrensbevollmächtigten durchgeführt wird, hat der Gesamtbetriebsrat nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht. Wäre im vorliegenden Fall so verfahren worden, dann hätte die hiermit beauftragte Angestellte rechtzeitig festgestellt, dass eine Berufungsbegründung in dieser Sache noch nicht gefertigt und dem Gericht zugeleitet worden war, so dass die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist hätte vermieden werden können. Der Vortrag des Gesamtbetriebsrates enthält keine Angaben dazu, ob und ggf. auf welche Weise eine solche Ausgangskontrolle im Sinne einer selbständigen und abschließenden Prüfung an jedem Abend durchgeführt wird und diese nur ausnahmsweise an dem betreffenden Abend unterlassen worden sei. Insbesondere ist nicht dargelegt, ob und ggf. welche mit der Kontrolle betraute Angestellte sich anhand der vorliegenden Akte zu vergewissern hatte, dass nichts mehr zu veranlassen ist und aus welchen Gründen dies unterblieben sein soll. Unerheblich ist, dass am nächsten Tag in der angeführten anderen Sache (Berufungsfrist einer Mandantin gegen die I.) die damit betraute Rechtsanwaltsfachangestellte, Frau J. Sch., die richtige Frist durchgestrichen hat, weil sie sich überzeugt hatte, dass sie auch wirklich erledigt war. Das besagt lediglich, dass in der anderen Sache, die vor ihrem eigentlichen Ablauf erledigt worden war, nunmehr die betreffende Frist gestrichen worden ist. Aus dem Vortrag des Gesamtbetriebsrates lässt sich nicht entnehmen, ob und ggf. in welcher Weise sein Verfahrensbevollmächtigter Vorsorge dafür getroffen hat, dass am Abend jedes Arbeitstages nicht nur der Fristenkalender darauf überprüft wird, ob die Fristen als erledigt gekennzeichnet sind, sondern eine damit betraute Angestellte anhand der Akte nochmals selbständig kontrolliert, dass die Fristen durch Erstellung und Absendung des fristwahrenden Schriftsatzes tatsächlich eingehalten wurden.
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Mithin ist der Wiedereinsetzungsantrag unbegründet, so dass die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist gemäß § 89 Abs. 3 S. 1 ArbGG als unzulässig zu verwerfen war.
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Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 92 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.
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Annotations
(1) Gegen die das Verfahren beendenden Beschlüsse der Arbeitsgerichte findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht statt.
(2) Für das Beschwerdeverfahren gelten die für das Berufungsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des § 85 über die Zwangsvollstreckung entsprechend, soweit sich aus den §§ 88 bis 91 nichts anderes ergibt. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 entsprechend. Der Antrag kann jederzeit mit Zustimmung der anderen Beteiligten zurückgenommen werden; § 81 Abs. 2 Satz 2 und 3 und Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.
(3) In erster Instanz zu Recht zurückgewiesenes Vorbringen bleibt ausgeschlossen. Neues Vorbringen, das im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 83 Abs. 1a gesetzten Frist nicht vorgebracht wurde, kann zurückgewiesen werden, wenn seine Zulassung nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verzögerung nicht genügend entschuldigt. Soweit neues Vorbringen nach Satz 2 zulässig ist, muss es der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung, der Beschwerdegegner in der Beschwerdebeantwortung vortragen. Wird es später vorgebracht, kann es zurückgewiesen werden, wenn die Möglichkeit es vorzutragen vor der Beschwerdebegründung oder der Beschwerdebeantwortung entstanden ist und das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und auf dem Verschulden des Beteiligten beruht.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung; § 85 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Für die Einlegung und Begründung der Beschwerde gilt § 11 Abs. 4 und 5 entsprechend.
(2) Die Beschwerdeschrift muß den Beschluß bezeichnen, gegen den die Beschwerde gerichtet ist, und die Erklärung enthalten, daß gegen diesen Beschluß die Beschwerde eingelegt wird. Die Beschwerdebegründung muß angeben, auf welche im einzelnen anzuführenden Beschwerdegründe sowie auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird.
(3) Ist die Beschwerde nicht in der gesetzlichen Form oder Frist eingelegt oder begründet, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Der Beschluss kann ohne vorherige mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden ergehen; er ist unanfechtbar. Er ist dem Beschwerdeführer zuzustellen. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung ist nicht anwendbar.
(4) Die Beschwerde kann jederzeit in der für ihre Einlegung vorgeschriebenen Form zurückgenommen werden. Im Falle der Zurücknahme stellt der Vorsitzende das Verfahren ein. Er gibt hiervon den Beteiligten Kenntnis, soweit ihnen die Beschwerde zugestellt worden ist.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.