Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 18. Nov. 2014 - 2 Sa 123/14
Gericht
Tenor
1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage streiten die Parteien insbesondere um Fragen der Sozialauswahl.
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Der im November 1965 geborene verheiratete Kläger ist seit Mai 1988 als Kfz-Schlosser in einer Autowerkstatt in A-Stadt beschäftigt, die seit Anfang der 90er Jahre von der Firma B. als markengebundene Werkstatt fortgeführt wurde. Die Beklagte, die auch schon viele Jahre in C-Stadt ein markengebundenes Autohaus betreibt, hat diesen Betrieb im Jahre 2007 erworben und hat die dort beschäftigten Arbeitnehmer einschließlich des Klägers weiter beschäftigt. Bei der Beklagten sind mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.
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Maßgebend war bis zum Ausspruch der Kündigung noch der ursprüngliche Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1988 (Kopie hier Blatt 9 f). In Ziffer 1 des Arbeitsvertrages heißt es wörtlich "Als Arbeitsort wird A-Stadt vereinbart“. Das Arbeitsentgelt des Klägers betrug zuletzt 1.745,00 EUR brutto monatlich.
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Die Beklagte hat sich entschlossen, die Betriebsstätte in A-Stadt zum 30. November 2013 zu schließen und hat daher alle dort beschäftigten Arbeitnehmer gekündigt bzw. ihnen – wie dem Kläger – eine Änderungskündigung ausgesprochen. Das Mietverhältnis über die Betriebsräume ist inzwischen gelöst. In den ehemaligen Betriebsräumen ist inzwischen ein Unternehmen der Landtechnik tätig.
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Schon im Vorfeld der Schließung des Standortes A-Stadt waren die dort beschäftigten drei Kfz-Schlosser nach Angaben der Beklagten nicht mehr voll ausgelastet. Die Beklagte hatte daher ihre in A-Stadt beschäftigten Kfz-Schlosser – also auch den Kläger – gebeten, in eine befristete Beschäftigung bei einem befreundeten Autohaus in S. einzuwilligen. Dies sollte – so die Beklagte im Rechtsstreit – auch dazu dienen, dort einen guten Eindruck zu hinterlassen, da das befreundete Autohaus seinerzeit auf der Suche nach Kfz-Schlossern gewesen sei. Vor diesem Hintergrund war der Kläger von Oktober bis einschließlich Dezember 2013 bei dem Autohaus in S. tätig.
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Obwohl die Beklagte meint, eine Sozialauswahl sei nicht durchzuführen, da alle Arbeitnehmer der Betriebsstätte gekündigt worden seien, hat sie vorsorglich anhand eines Punkteschemas die soziale Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer unter Einschluss der in C-Stadt tätigen Arbeitnehmer bewertet. Danach wird jedes vollendete Lebensjahr mit 1 Punkt bewertet und jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit mit 1,5 Punkten. Für Unterhaltspflichten gegenüber Kindern oder Ehegatten werden pro Unterhaltspflicht weitere 2 Punkte vergeben. In der mündlichen Verhandlung hat sich herausgestellt, dass für Ehegatten nur dann Punkte angesetzt wurden, wenn sie nicht selber berufstätig sind. Daher sind beim Kläger, allerdings auch bei seinen Sozialkonkurrenten, für die Ehefrauen keine Punkte vergeben worden.
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Der Kläger hat nach dem Punkteschema unter Berücksichtigung seiner beiden Kinder insgesamt 89,5 Punkte erhalten; dabei hat er für sein Lebensalter 48 Punkte zugeschrieben bekommen, obwohl er erst kurz nach Ausspruch der Kündigung das 48. Lebensjahr vollendet hat. Der Kollege L. - geboren im Februar 1953, verheiratet, beschäftigt als Kfz-Mechaniker seit Oktober 1994 im Stammhaus in C-Stadt - hat danach 88 Punkte erhalten.
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Trotz der nach Punkten größeren sozialen Schutzbedürftigkeit des Klägers hat sich die Beklagte entschlossen, ihn und nicht den Kollegen L. zu kündigen, wobei sie sich im Rechtsstreit darauf berufen hat, dass von einem sozialen Gleichstand auszugehen sei und sie bei der abschließenden Bewertung Herrn L. aufgrund seines deutlich höheren Lebensalters und der damit deutlich geringeren Erwerbschancen im Ergebnis als schutzbedürftiger angesehen habe. Außerdem wohne Herr L. betriebsnah und sei daher in der Lage, den Abschleppwagen außerhalb der regulären Arbeitszeiten bei Notwendigkeit schnell zum Einsatz zu bringen.
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Mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 hat die Beklagte daher das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Mai 2014 gekündigt und ihm im gleichen Schreiben angeboten, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen ab dem 1. Juni 2014 als Kfz-Aufbereiter im Autohaus der Beklagten in C-Stadt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden bei einem monatlichen Entgelt in Höhe von 872,50 EUR brutto fortzusetzen. Dieses Angebot hat der Kläger nicht angenommen.
- 10
Die Kündigungsschutzklage, die der Kläger mit einem Weiterbeschäftigungsantrag verbunden hat, ist beim Arbeitsgericht Rostock am 13. November 2013 eingegangen. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25. März 2014 abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.
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Mit der Berufung, die keinen formalen Bedenken unterliegt, verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel in vollem Umfang weiter. Der Kläger meint, die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Sozialauswahl nach § 1 Absatz 3 KSchG hätten vor dem Gesetz keinen Bestand.
- 12
Zu Unrecht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, der Kläger wäre wegen der arbeitsvertraglichen Festlegung des Arbeitsortes auf A-Stadt nicht mit den am Stammsitz in C-Stadt tätigen Arbeitnehmern vergleichbar. Schon durch seine freiwillige Beschäftigung bei dem befreundeten Unternehmen in S. sei es zu einer konkludenten Abänderung des Arbeitsvertrages in diesem Punkt gekommen. Jedenfalls habe die Beklagte dadurch Kenntnis davon erlangt, dass er auf den Fortbestand dieser Vertragsklausel zum Arbeitsort keinen Wert lege.
- 13
Da der Kläger mit den Beschäftigten am Standort in C-Stadt vergleichbar sei, fehle der Kündigung die soziale Rechtfertigung, denn der Kollege Langer sei sozial weniger schutzbedürftig als der Kläger und hätte daher statt des Klägers gekündigt werden müssen. Dies ergebe sich schon nach der Punktetabelle. Die Punktetabelle spiegele die soziale Schutzbedürftigkeit auch zutreffend wieder. Angesichts des demographischen Wandels sei es spekulativ zu sagen, ein gut ausgebildeter Arbeitnehmer im Alter von Herrn L. habe am Arbeitsmarkt deutlich weniger Chancen auf neue Arbeit als der Kläger, der auch schon fast 50 Jahre alt ist. Demgegenüber liege die soziale Schutzbedürftigkeit des Klägers wegen seiner Kinder geradezu auf der Hand. Im Übrigen sei auch er – der Kläger – in der Lage, den Abschleppwagen zu fahren und könne ähnlich schnell auf Anforderungen reagieren, wenn ihm erlaubt werde, den Abschleppwagen mit nach Hause zu nehmen.
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Der Kläger beantragt, unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 30.10.2013 nicht zum 31.05.2014 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht;
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2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 31.05.2014 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
- 19
Die Beklagte verteidigt das ergangene Urteil. Zutreffend sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagten vorliegend keine Sozialauswahl habe durchführen müssen. Aber selbst dann, wenn man vorliegend alle fachlich vergleichbaren Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einbeziehe, bleibe die Kündigung sozial gerechtfertigt. Man müsse davon ausgehen, dass der Kläger und Herr L. nach dem Punkteschema annähernd gleich sozial schutzbedürftig seien. Bei gleicher oder annähernd gleicher sozialer Schutzbedürftigkeit bei Anwendung eines Punkteschemas sei der Arbeitgeber berechtigt und verpflichtet, eine umfassende Bewertung der sozialen Schutzbedürftigkeit jenseits des Punkteschemas unter Berücksichtigung aller nach dem Gesetz relevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Daher sei es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte vorliegend mit Rücksicht auf das Lebensalter Herrn L. als schutzbedürftiger bewertet habe als den Kläger.
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Im Übrigen habe die Beklagte berücksichtigt und auch berücksichtigen dürfen, dass Herr L. nahe am Arbeitsort wohnt und so kurzfristig für Abschleppaufträge zur Verfügung stehe. Selbst wenn man es dem Kläger erlauben würde, den Abschleppwagen mit zu sich nach Hause zu nehmen, was aber ohnehin schon verschiedenen Bedenken begegne, wäre der Standort des Wagens in A-Stadt am Wohnsitz des Klägers nicht so gut wie der Standort auf dem Betriebshof in C-Stadt.
- 21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 22
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zurecht hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Damit ist auch das übrige Begehren des Klägers nicht begründet.
- 23
Die streitige betriebsbedingte Kündigung vom 30. Oktober 2013 hat vor dem Gesetz Bestand. Insbesondere fehlt ihr nicht die nach § 1 KSchG notwendige soziale Rechtfertigung. Im Berufungsrechtszug steht zwischen den Parteien nicht mehr in Streit, dass der Arbeitsplatz des Klägers durch die Schließung des Autohauses in A-Stadt weggefallen ist und damit im Sinne von § 1 Absatz 2 KSchG ein Anlass bestanden hat, Personal zu reduzieren. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist aber auch unter Berücksichtigung der Anforderungen der Sozialauswahl nach § 1 Absatz 3 KSchG sozial gerechtfertigt.
I.
- 24
Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass es vorliegend keiner Sozialauswahl bedurfte, weil im Arbeitsvertrag des Klägers A-Stadt als Arbeitsort festgelegt sei und er daher nicht einseitig per Weisung auf einen Arbeitsplatz eines fachlich vergleichbaren weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmers in C-Stadt hätte versetzt werden können (Seite 7 des Urteilsabdrucks).
- 25
Das Berufungsgericht lässt offen, ob sich die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf diese Überlegung stützen lässt. Immerhin hat der Kläger im Rahmen des Einsatzes bei dem befreundeten Autohaus in S. sich ohne weiteres freiwillig bereit erklärt, Arbeit für die Beklagte auch außerhalb von A-Stadt aufzunehmen. Das deutet darauf hin, dass er selbst die Arbeitsvertragsklausel zum Arbeitsort nicht mehr als gültig ansieht oder er jedenfalls auf der Einhaltung dieser Verabredung keinen besonderen Wert legt. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass der Arbeitsvertrag der Parteien noch unter Geltung des Arbeitsgesetzbuchs der DDR vom 16. Juni 1977 (GBl. I S. 371 – AGB DDR) abgeschlossen wurde und nach § 40 AGB DDR die Regelung des Arbeitsortes zum notwendigen Inhalt des Arbeitsvertrages gehörte. Die Regelung dürfte also weniger einem Regelungsbedürfnis der Vertragsparteien geschuldet gewesen sein, als vielmehr dem Willen, dem Gesetz zu genügen. Sollte die Regelung tatsächlich nur dem Willen geschuldet gewesen sein, dem Gesetz zu genügen, spricht viel dafür, dass die Regelung mit dem Außerkrafttreten des AGB DDR im Rahmen des Einigungsvertrages im Oktober 1990 ohnehin entfallen ist.
II.
- 26
Die Frage kann auf sich beruhen. Selbst wenn man hier zu Gunsten des Klägers annimmt, im Arbeitsverhältnis der Parteien gäbe es keine Festlegung auf den Arbeitsort A-Stadt, wäre die vorliegende Kündigung sozial gerechtfertigt, da Fehler im Rahmen der Sozialauswahl nicht erkennbar sind. Das hat das Arbeitsgericht in einer zusätzlichen Überlegung, der sich das Berufungsgericht ausdrücklich anschließt, zutreffend festgestellt.
- 27
Nach § 1 Absatz 3 KSchG fehlt einer Kündigung auch dann die soziale Rechtfertigung, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (Sozialauswahl).
- 28
Nach dem Gesetzeswortlaut sind die sozialen Gesichtspunkte "ausreichend“ zu berücksichtigen. Dem Arbeitgeber kommt damit bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein Wertungsspielraum zu. Die Auswahlentscheidung muss sozial vertretbar sein, muss aber nicht unbedingt der Entscheidung entsprechen, die das Gericht getroffen hätte, wenn es eigenverantwortlich soziale Erwägungen hätte anstellen sollen. Der dem Arbeitgeber vom Gesetz eingeräumte Wertungsspielraum führt dazu, dass nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl rügen können (BAG 22. März 2012 – 2 AZR 167/11 – NZA 2012, 1040 = AP Nr. 99 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; BAG 31. Mai 2007 – 2 AZR 276/06 – BAGE 123, 1 = AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl = DB 2008, 1106; BAG 18. Januar 2007 – 2 AZR 796/05 – AP Nr. 89 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl = DB 2007, 2097). Gerade bei einer ähnlich hohen sozialen Schutzbedürftigkeit verschiedener vergleichbarer Arbeitnehmer kann es daher mehrere unterschiedliche Entscheidungen im Rahmen der Sozialauswahl geben, die alle den gesetzlichen Anforderungen genügen.
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Gemessen an diesem Maßstab fehlt der Auswahlentscheidung zu Lasten des Klägers vorliegend die soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 Absatz 3 KSchG nicht, denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger gegenüber seinem Kollegen L. deutlich schutzbedürftiger ist.
- 30
Zum einen ergibt sich dies nicht aus der Rangfolge unter Zugrundelegung des Punkteschemas, nach dem beide Arbeitnehmer auf nahezu 90 Punkte kommen. Der Unterschied zwischen beiden beträgt nur 1,5 Punkte. Das ist kein Unterschied, der den Kläger deutlich schutzbedürftiger macht.
- 31
Die Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht schon allein aus dem Umstand, dass die Beklagte eine Auswahlentscheidung getroffen hat, die von der nach dem Punktesystem sich ergebenden Rangfolge abweicht. Insoweit trifft es zwar zu, dass das Bundesarbeitsgericht zu der jetzt gültigen Gesetzesfassung von § 1 Absatz 3 KSchG mehrfach entschieden hat, dass eine abschließende umfassende Einzelfallbetrachtung nicht mehr notwendig sei, der Arbeitgeber also berechtigt ist, seine Auswahl allein nach der Rangfolge aufgrund des Punktestands vorzunehmen (BAG 24. Oktober 2013 – 6 AZR 854/11 – BAGE 146, 234 = AP Nr. 12 zu § 125 InsO = DB 2014, 66; BAG 9. November 2006 – 2 AZR 812/05 – BAGE 120, 137 = AP Nr. 87 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl = DB 2007, 1087). Daraus kann aber nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, es sei nach der heutigen Gesetzeslage gar nicht mehr erlaubt, im Grenzbereich bei vergleichbar hoher sozialer Schutzbedürftigkeit im Einzelfall eine Entscheidung zu treffen, die vom reinen Punktewert abweicht.
- 32
Eine deutlich höhere Schutzbedürftigkeit des Klägers ergibt sich auch nicht bei Betrachtung der Faktoren, die hier die Schutzbedürftigkeit der beiden Arbeitnehmer begründen. Die soziale Schutzbedürftigkeit des Klägers resultiert insbesondere aus seinen beiden unterhaltsbedürftigen Kindern und seiner langen Betriebszugehörigkeit. Die Schutzbedürftigkeit von Herrn L. ergibt sich aus seinem hohen Lebensalter. Keiner dieser drei Gesichtspunkte hat einen eindeutigen Vorrang vor den anderen. Die Rechtsprechung verlangt vielmehr nur, dass diese drei Gesichtspunkte wie alle gesetzlich genannten Gesichtspunkte überhaupt berücksichtigt werden. Dabei hat der Arbeitgeber einen Spielraum, wie er die Gesichtspunkte im Verhältnis zueinander gewichtet. Unter diesem Blickwinkel ist die starke Betonung des hohen Lebensalters und damit der schlechten Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt durch die Beklagte zumindest noch vertretbar. Jedenfalls sieht sich das Gericht außer Stande, den Kläger angesichts seiner sozialen Situation als deutlich schutzbedürftiger anzusehen.
III.
- 33
Da das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet ist, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf weitere Beschäftigung (Klageantrag zu 2). Aus demselben Grund kann auch offen bleiben, welche nähere Bedeutung der letzte Halbsatz im klägerischen Kündigungsschutzantrag ("sondern darüber hinaus fortbesteht“) hat.
IV.
- 34
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger, da sein Rechtsmittel keinen Erfolg hatte (§ 97 ZPO).
- 35
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.
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Annotations
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn
- 1.
in Betrieben des privaten Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat, - 2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.
(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
(1) Ist eine Betriebsänderung (§ 111 des Betriebsverfassungsgesetzes) geplant und kommt zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat ein Interessenausgleich zustande, in dem die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich bezeichnet sind, so ist § 1 des Kündigungsschutzgesetzes mit folgenden Maßgaben anzuwenden:
- 1.
es wird vermutet, daß die Kündigung der Arbeitsverhältnisse der bezeichneten Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb oder einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen entgegenstehen, bedingt ist; - 2.
die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten und auch insoweit nur auf grobe Fehlerhaftigkeit nachgeprüft werden; sie ist nicht als grob fehlerhaft anzusehen, wenn eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird.
(2) Der Interessenausgleich nach Absatz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 des Kündigungsschutzgesetzes.
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn
- 1.
in Betrieben des privaten Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat, - 2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.
(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.