Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 09. Okt. 2015 - 12 Ta 319/15
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 12. August 2015 wird der Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 4. August 2015 aufgehoben.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die gerichtliche Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe.
4Mit der Klage vom 16. Mai 2014 wandte sich der Kläger gegen eine Kündigung der beklagten Arbeitgeberin. Er beantragte in dem Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Im Prozesskostenhilfeformular unterschrieb er, dass er eine Änderung seiner Anschrift unaufgefordert und unverzüglich mitteilen werde. In der Sitzung vom 14. Juni 2014 schlossen die Parteien einen Vergleich. Das Gericht bewilligte dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Rechtsanwalts ab dem 16. Mai 2014. In dem übersandten Güteterminsprotokoll befindet sich - anders als im Protokoll in der Hauptakte - ein Hinweis an den Kläger nach § 120a Abs. 2 Satz 4 ZPO, wonach er aufgefordert wird, Änderungen seiner Anschrift unverzüglich und unaufgefordert mitzuteilen.
5Am 14. Juli 2015 wandte sich das Arbeitsgericht Aachen automatisiert an den Kläger und forderte ihn auf, Angaben nach § 120 Abs. 4 ZPO zu machen. Dabei wies es ihn darauf hin, dass im Falle einer Nichterklärung bis zum 28. Juli 2015 die Prozesskostenhilfe ohne weitere Mahnung aufgehoben werden könne. Dieses Anschreiben an den Kläger kehrte am 24. Juli 2015 an das Arbeitsgericht wegen verzogenen Empfängers zurück. Eine am selben Tag vom Gericht selbst online vorgenommene Anfrage beim Melderegister ergab, dass der Kläger nunmehr unter anderer Anschrift wohnhaft war. Eine weitere Nachfrage des Gerichts ergab, dass dies seit dem 1. Februar 2015 der Fall war.
6Daraufhin hob das Arbeitsgericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 4. August 2015 auf. Der Kläger habe die Änderung seiner Anschrift nicht unverzüglich mitgeteilt, obwohl auf die Folgen des Unterlassens hingewiesen worden sei. Die bisher gestundeten Prozesskosten würden sofort fällig und von der Gerichtskasse eingezogen. Diesen Beschluss stellte das Arbeitsgericht dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 7. August 2015 zu.
7Unter dem 12. August 2015 hat der Klägervertreter gegen den Aufhebungsbeschluss sofortige Beschwerde erhoben. Die fehlende Angabe der neuen Anschrift habe sich nicht auf die gewährte Prozesskostenhilfe ausgewirkt. Zustellungen hätten unmittelbar an ihn erfolgen können. Durch Fax vom 12. August 2015 ist dem Arbeitsgericht ein Arbeitslosengeld-II Bescheid des Klägers mit seiner neuen Anschrift sowie ein Schreiben des Klägers persönlich übermittelt worden, worin er ausführt, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, eine geänderte Adresse anzugeben.
8Am 14. August 2015 wies das Arbeitsgericht den Klägervertreter darauf hin, dass seine Beschwerde unbegründet sei. Er habe nicht binnen zwei Monaten seinen Anschriftswechsel angezeigt. Hierauf sei er im Bewilligungsbeschluss und dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hingewiesen worden. Auf die gleichbleibenden Vermögensverhältnisse komme es nicht an, da die bewilligte Prozesskostenhilfe nicht aufgrund verbesserter Einkommenslage, sondern wegen Verstoßes gegen die Mitteilungspflicht aufgehoben worden sei. Trotz fortbestehender Bevollmächtigung habe der Kläger seine neue Anschrift mitteilen müssen.
9Durch Beschluss vom 21. September 2015 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen. Das Verschulden des Klägers sei maßgeblich, nicht das seines Prozessbevollmächtigten. Das schlichte Vergessen der Mitteilung des Anschriftswechsels sei nicht entschuldigend.
10II.
11Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG iVm. § 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 11a Abs. 1 ArbGG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO iVm. § 11a Abs. 1 ArbGG liegen nicht vor.
12I. Die Bewilligung und die Aufhebung der Prozesskostenhilfe unterliegen im vorliegenden Fall dem nach dem 1. Januar 2014 geltenden Recht, da der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist, § 40 S. 1 EGZPO.
13II. Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei entgegen § 120a Abs. 2 Satz 1 ZPO dem Gericht die Änderung ihrer Anschrift absichtlich oder aus großer Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat.
141. Die Zwölfte Kammer schließt sich den Beschlüssen der Ersten und Vierten Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln an (22. Juni 2015 - 1 Ta 145/15 -; 3. August 2015 - 4 Ta 148/15 -; 14. September 2015 - 4 Ta 285/15 -) und führt lediglich ergänzend Folgendes aus:
15a) Zunächst ist festzuhalten, dass nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die nicht unverzügliche Mitteilung der geänderten Anschrift nicht genügt, um die Bewilligung aufzuheben. Die Merkmale absichtlich oder grob nachlässig bei der falschen Angabe beziehen sich auch auf die zweite Regelungsalternative der fehlenden Anzeige (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 11/11472 S. 35). Dafür spricht auch, dass das Verb „mitgeteilt“ erst am Satzende - und damit sämtliche Alternativen umfassend - steht. Das Auslegungsergebnis folgt zudem aus dem Sinn und Zweck der Sanktion. Es ist nicht ersichtlich, warum die Falschangabe einem großzügigeren Verschuldensmaßstab als die Nichtangabe unterliegen sollte. Zwar enthält das Merkmal „unverzüglich“ bereits einen Verschuldensmaßstab (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), der wird allerdings durch Absicht und grobe Nachlässigkeit gesteigert. Diese besondere Schuld muss vom Gericht geprüft und kann nicht unterstellt werden (aA LAG Düsseldorf 5. Dezember 2014 - 2 Ta 555/14 -).
16b) Es bestehen entgegen der Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg (20. Juli 2015 - 21 Ta 975/15 -) keine ausreichenden gesetzlichen Anhaltspunkte, dass im Fall der Bestellung eines Prozessbevollmächtigten die Norm an sich nicht greifen soll. Der Gesetzgeber hat die Bestellung eines Prozessbevollmächtigten im Gesetzgebungsverfahren gesehen und keine Ausnahme von den Meldepflichten geregelt - im Gegenteil (BT-Drucks. 17/11472 S. 34). Der Antragsteller wird auf die Pflichten bereits im Antragsformular hingewiesen, da ein Bevollmächtigter bestellt sein kann, der allein den Bewilligungsbeschluss erhält. Hinzu kommt, dass einer solchen restriktiven Auslegung allgemeine prozessuale Grundsätze entgegenstehen. Allerdings stellte sich das Problem in der Praxis nicht oder nicht in der Form, wenn sich das nachprüfende Gericht allein - wie nach § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO bei Fristsetzungen prozessual geboten - an den Prozessbevollmächtigten und nicht an den Antragsteller persönlich wenden würde(vgl. LAG Köln 22. September 2015 - 12 Ta 220/15 -).
17c) Bei der Anwendung des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist weiterhin Folgendes zu beachten: Grundsätzlich ist bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 ZPO zwar kein Raum für ein gerichtliches Ermessen. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass die völlige Aufhebung gerichtlicher Spielräume in besonders gelagerten Einzelfällen zu unangemessenen Ergebnissen führen kann. Deshalb ist Absatz 1 vom Gesetzgeber nicht als Muss-, sondern als Soll-Vorschrift ausgestaltet worden, die zwar bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Aufhebung als Regelfall vorsieht, in atypischen Fällen aber eine andere Entscheidung zulässt (BT-Drucks. 15/11472 S. 34).
18d) Die Pflicht zur Angabe der neuen Anschrift hat nach dem Willen des Gesetzgebers allein „ergänzenden“ Charakter.
19aa) Die Pflicht tritt ergänzend zur Pflicht, nachträgliche Verbesserungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mitzuteilen. Teilt die Partei einen Anschriftenwechsel nicht von sich aus mit, ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers das Gericht nicht oder nur nach aufwändigen Ermittlungen in der Lage, ein Verfahren zur Änderung oder Aufhebung der Bewilligung zu betreiben (BT-Drucks. 15/11472 S. 34). Auch die systematisch eng verknüpfte Anzeigepflicht nach § 120a Abs. 2 Satz 2 ZPO knüpft an eine Erheblichkeitsschwelle(100,00 Euro).
20bb) Daraus lassen sich zwei Folgen ableiten: Wenn die neue Anschrift unschwer ermittelt werden kann, etwa weil sich der Kläger ordnungsgemäß amtlich umgemeldet hat, und es für das Gericht leicht ist, seine neue Anschrift aus zugänglichen Registern zu ermitteln, scheidet nach dem Sinn und Zweck eine Aufhebung mangels echter Erheblichkeit aus. Jedenfalls handelt es sich dann um einen als atypisch einzuordnenden Sachverhalt: Das Gericht muss keine aufwändigen Ermittlungen anstellen. Es kann im Einwohnermeldeamtsregister (EMA), das ihm idR zur Verfügung steht, nachsehen. Die Aufhebung der Bewilligung wäre dann reine Förmelei und machte erheblich mehr Arbeit, als die einfache EMA-Abfrage. Andernfalls wird der Betroffene in aller Regel Beschwerde einlegen oder einen neuen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen. Der Wille des Gesetzgebers zu Beschleunigung, Effizienz und Kostenreduzierung im neuen Verfahren nach dem 1. Januar 2014 wäre durch eine vorschnelle oder unnötige Aufhebung erheblich konterkariert (vgl. BT-Drucks. 11/11742 S. 24).
21e) Nach dem Wortlaut des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO schadet direkter Vorsatz oder grobe Nachlässigkeit. Eine grobe Nachlässigkeit kann in Anlehnung an den materiell-rechtlich entwickelten Begriff der groben Fahrlässigkeit angenommen werden, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, weil schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was in gegebenem Fall jedem einleuchten muss. Den Handelnden muss also auch in subjektiver Hinsicht ein besonders schweres Verschulden treffen (BGH 11. Juli 2007 - XII ZR 197/05 -; OLG Karlsruhe 6. Juni 2014 - 18 WF 76/14 -; LAG Köln 3. August 2015 - 4 Ta 148/15 -). Die gemeinsame Benennung von Absicht und Nachlässigkeit verdeutlicht, dass die Anforderungen hoch sind. Auch wegen des besonderen Sanktionscharakters ist bei der Prüfung des Verschuldens mit „Augenmaß“ zu prüfen (LAG Köln 22. Juni 2015 - 1 Ta 145/15 -; LAG Köln 3. August 2015 - 4 Ta 148/15 -; LAG Baden-Württemberg 10. Juni 2015 - 4 Ta 8/15 -). Denn anders etwa als §§ 32, 59 SGB II führt § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zum vollen Wegfall der Bewilligung und zur sofortigen Fälligstellung der Kosten.
222. Aus diesen Auslegungsaspekten lässt sich ableiten, dass die fehlende Mitteilung des Wechsels der Anschrift nur unter besonderen Voraussetzungen die Aufhebung der Bewilligung rechtfertigen kann. Zwar ist es nicht erforderlich, dass die fehlende Angabe Auswirkungen in der Sache hat. Allerdings können nur Antragsteller in Fällen bestraft werden, in denen auch mithilfe des bestellten Anwalts eine neue Anschrift nicht oder nur mit aufwändigen Ermittlungen festgestellt werden kann. Das Gericht hat sich wegen des scharfen Sanktionscharakters bei Adresswechseln zunächst der ihm zustehenden Auskunftsmöglichkeiten des Melderegisters zu bedienen. Erst wenn diese einfachen und schnellen Recherchen - auch mit Hilfe des Bevollmächtigten - scheitern, kommt eine Aufhebung in Betracht. Weiterhin sind dann an den Verschuldensmaßstab erhebliche Anforderungen zu stellen. Das schwere Verschulden ergibt sich idR nicht aus der fehlenden Meldung allein. Verspätete oder unterbliebene Meldungen des Umzugs zu den Melderegistern sind für das Verschulden schuldschärfend zu würdigen.
233. Nach diesen Maßstäben scheidet hier eine Aufhebung aus. Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine besonders schwerwiegende Verletzung prozessualer Pflichten. Im vorliegenden Fall ist vielmehr festzustellen, dass sich der Kläger ordnungsgemäß bei den Ämtern umgemeldet hat und im Zuge des Umzugs allein vergessen hat, dem Arbeitsgericht die neue Anschrift mitzuteilen. Die neue Anschrift konnte das Arbeitsgericht unschwer ermitteln. Hinzukommt, dass der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, an den es sich das Gericht zunächst gar nicht erst gewandt hat. Da sonstige Besonderheiten weder vom Arbeitsgericht festgestellt wurden, noch sonst erkennbar sind, kann nicht angenommen werden, dass ein Grad der groben Nachlässigkeit vorläge. Dies führt zur Aufhebung des Aufhebungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Aachen.
244. Eine abändernde Korrektur in der Beschwerdeinstanz ist nicht möglich. Ob im Nachprüfungsverfahren Änderungen eingetreten sind, wird das zuständige Gericht zu prüfen haben (vgl. LAG Hamm 20. September 2013 - 14 Ta 160/13 -).
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(1) Das Gericht soll die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben. Eine Änderung der nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 maßgebenden Beträge ist nur auf Antrag und nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dazu führt, dass keine Monatsrate zu zahlen ist. Auf Verlangen des Gerichts muss die Partei jederzeit erklären, ob eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist. Eine Änderung zum Nachteil der Partei ist ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind.
(2) Verbessern sich vor dem in Absatz 1 Satz 4 genannten Zeitpunkt die wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei wesentlich oder ändert sich ihre Anschrift, hat sie dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Bezieht die Partei ein laufendes monatliches Einkommen, ist eine Einkommensverbesserung nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zu Grunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100 Euro übersteigt. Satz 2 gilt entsprechend, soweit abzugsfähige Belastungen entfallen. Hierüber und über die Folgen eines Verstoßes ist die Partei bei der Antragstellung in dem gemäß § 117 Absatz 3 eingeführten Formular zu belehren.
(3) Eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse kann insbesondere dadurch eintreten, dass die Partei durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung etwas erlangt. Das Gericht soll nach der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens prüfen, ob eine Änderung der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen mit Rücksicht auf das durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Erlangte geboten ist. Eine Änderung der Entscheidung ist ausgeschlossen, soweit die Partei bei rechtzeitiger Leistung des durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Erlangten ratenfreie Prozesskostenhilfe erhalten hätte.
(4) Für die Erklärung über die Änderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nach Absatz 1 Satz 3 muss die Partei das gemäß § 117 Absatz 3 eingeführte Formular benutzen. Für die Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gilt § 118 Absatz 2 entsprechend.
(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Beträge ab und ist anzunehmen, dass die Belastungen bis zum Ablauf von vier Jahren ganz oder teilweise entfallen werden, so setzt das Gericht zugleich diejenigen Zahlungen fest, die sich ergeben, wenn die Belastungen nicht oder nur in verringertem Umfang berücksichtigt werden, und bestimmt den Zeitpunkt, von dem an sie zu erbringen sind.
(2) Die Zahlungen sind an die Landeskasse zu leisten, im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof an die Bundeskasse, wenn Prozesskostenhilfe in einem vorherigen Rechtszug nicht bewilligt worden ist.
(3) Das Gericht soll die vorläufige Einstellung der Zahlungen bestimmen,
- 1.
wenn die Zahlungen der Partei die voraussichtlich entstehenden Kosten decken; - 2.
wenn die Partei, ein ihr beigeordneter Rechtsanwalt oder die Bundes- oder Landeskasse die Kosten gegen einen anderen am Verfahren Beteiligten geltend machen kann.
(4) (weggefallen)
(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.
(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.
(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.
(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.
(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe und über die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union nach der Richtlinie 2003/8/EG gelten in Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen entsprechend.
(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) einzuführen.
(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
- 1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat; - 2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat; - 3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind; - 4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat; - 5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe und über die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union nach der Richtlinie 2003/8/EG gelten in Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen entsprechend.
(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) einzuführen.
(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
- 1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat; - 2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat; - 3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind; - 4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat; - 5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.
(1) Das Gericht soll die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben. Eine Änderung der nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 maßgebenden Beträge ist nur auf Antrag und nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dazu führt, dass keine Monatsrate zu zahlen ist. Auf Verlangen des Gerichts muss die Partei jederzeit erklären, ob eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist. Eine Änderung zum Nachteil der Partei ist ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind.
(2) Verbessern sich vor dem in Absatz 1 Satz 4 genannten Zeitpunkt die wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei wesentlich oder ändert sich ihre Anschrift, hat sie dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Bezieht die Partei ein laufendes monatliches Einkommen, ist eine Einkommensverbesserung nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zu Grunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100 Euro übersteigt. Satz 2 gilt entsprechend, soweit abzugsfähige Belastungen entfallen. Hierüber und über die Folgen eines Verstoßes ist die Partei bei der Antragstellung in dem gemäß § 117 Absatz 3 eingeführten Formular zu belehren.
(3) Eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse kann insbesondere dadurch eintreten, dass die Partei durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung etwas erlangt. Das Gericht soll nach der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens prüfen, ob eine Änderung der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen mit Rücksicht auf das durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Erlangte geboten ist. Eine Änderung der Entscheidung ist ausgeschlossen, soweit die Partei bei rechtzeitiger Leistung des durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Erlangten ratenfreie Prozesskostenhilfe erhalten hätte.
(4) Für die Erklärung über die Änderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nach Absatz 1 Satz 3 muss die Partei das gemäß § 117 Absatz 3 eingeführte Formular benutzen. Für die Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gilt § 118 Absatz 2 entsprechend.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der
Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 17.02.2015
(5 Ca 451/14 EU) aufgehoben.
1
G r ü n d e :
2I.
3Mit der sofortigen Beschwere wendet sich die Klägerin gegen die Aufhebung der ihr gewährten Prozesskostenhilfe durch den angefochtenen Beschluss der Rechtspflegerin des Arbeitsgerichts Bonn.
4Der Klägerin war vom Arbeitsgericht Bonn mit Beschluss vom 2.5.2014 für die 1. Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Durch einen Rückbrief im Nachprüfungsverfahren und die nachfolgende Mitteilung des Einwohnermeldeamtes wurde dem Arbeitsgericht bekannt, dass die Klägerin seit dem 20.6.2014 nicht mehr unter der bisherigen Adresse wohnhaft ist und sich am 10.9.2014 beim Einwohnermeldeamt umgemeldet hatte. Eine Mitteilung an das Arbeitsgericht ist nicht erfolgt. Mit Beschluss vom 17.2.2015 hat das Arbeitsgericht daraufhin die Prozesskostenhilfe wegen unterlassener Mitteilung der Anschriftenänderung aufgehoben.
5Gegen den am 19.2.2015 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 10.3.2015 sofortige Beschwerde erhoben. Zur Begründung macht sie geltend, dass sie ihrem Prozessbevollmächtigten alle Änderungen der Anschrift mitgeteilt und sie sich darauf verlassen habe, dass dieser für eine ggf. erforderliche Weiterleitung an die zuständigen Stellen sorgt. Diese Darstellung hat der Prozessbevollmächtigte auf Nachfrage des Arbeitsgerichts mit Schreiben vom 17.03.2015 bestätigt. Ihm sei die neue Anschrift der Klägerin zwar mitgeteilt worden, er habe die Weitergabe an das Gericht unterlassen, weil ihm nicht bewusst gewesen sei, dass es sich um die neue Meldeanschrift gehandelt habe.
6Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 26.3.2015 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht vorgelegt. Zur Begründung wird geltend gemacht, dass die Klägerin persönlich zur Mitteilung verpflichtet gewesen wäre und überdies ihr das Verschulden des Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet werden müsse.
7II.
8Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 11 a Abs. 1 ArbGG zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 1 ArbGG liegen nicht vor.
9Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei entgegen § 120 a Abs. 2 Satz 1 ZPO dem Gericht die Änderung ihrer Anschrift absichtlich oder aus großer Nachlässigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.
101. Zwar ist die gesetzliche Mitteilungspflicht verletzt, denn der Wohnungswechsel, der bereits am 20.6.2014 erfolgt war und der zuständigen Meldebehörde am 10.9 2014 angezeigt wurde, ist dem Gericht nicht unverzüglich mitgeteilt worden. Über die entsprechende Mitteilungspflicht war die Klägerin auch durch einen besonderen Hinweis in dem von ihr am 4.4.2014 unterzeichneten Formular zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse belehrt worden.
112. Allerdings hat die Klägerin die ihr obliegenden Pflichten nicht „absichtlich“ oder aus „grober Nachlässigkeit“ verletzt.
12a) Die Klägerin hat sich dahingehend eingelassen, dass sie ihrem Prozessbevollmächtigten alle Änderungen der Anschrift mitgeteilt und sie sich darauf verlassen habe, dass dieser ggf. für eine Weiterleitung an die zuständigen Stellen sorgt. Dieses Vorbringen wird von dem Prozessbevollmächtigten in seinem Schreiben vom 17.03.2015 im Wesentlichen bestätigt. Mangels anderer Anhaltspunkte ist von diesem Sachverhalt auszugehen.
13b) Die Klägerin, die im Prozesskostenhilfeverfahren durch einen Anwalt vertreten war, konnte die prozessuale Mitteilungspflicht durch ihren Anwalt erfüllen und sich darauf verlassen, dass dieser die Anschriftenänderung dem Gericht mitteilt.
14Gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG gilt im arbeitsgerichtlichen Verfahren der Grundsatz, dass sich die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen kann. Das anwaltliche Mandat und die entsprechende Vollmacht (§ 81 ZPO) erstrecken sich auch auf das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren, denn es besteht ein Interesse der Partei, dass das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren in den Händen ihres Prozessbevollmächtigten zusammengeführt wird und dieser in die Lage versetzt wird, die notwendigen Schritte zu unternehmen (BGH 8.12.2010 – XII ZB 38/09 – MDR 2011,183 (Rn 24); ebenso BGH 8.9.2011 – VII ZB 63/10 – MDR 2011, 1314; BAG 19.7.2006 – 3 AZB 18/06 – juris; LAG Hamm 20.9.2013 – 14 Ta 160/13 – juris; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 81 Rn. 8; dazu auch Reckin AnwBl 2014, 322). Der Gesetzesbegründung zu der Neufassung des § 124 ZPO (vgl. BT-Drs. 17/11472 v.14.11.2012, S.33,34) lässt sich kein Hinweis dazu entnehmen, dass die prozessualen Pflichten gemäß §§ 120 a Abs. 2 Satz 1 ZPO, 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO unter Ausschluss der allgemeinen prozessualen Vertretungsmöglichkeit des § 79 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausgestaltet werden sollten.
153. Ob die Pflichtverletzung des Prozessbevollmächtigten, der die neue Anschrift nicht weitergeleitet hat, im Hinblick auf die notwendige Rechtskenntnis und Sorgfalt eines Anwalts als grob nachlässig i. S. v. § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu werten ist, kann offen bleiben (zum Begriff der groben Nachlässigkeit vgl. LAG Baden-Württemberg 10.6.2015 – 4 Ta 8/15 – juris). Sie wäre der Klägerin indes nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zuzurechnen.
16Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei grundsätzlich gleich. Die Vorschrift findet im Rahmen der §§ 120 a Abs. 2 Satz 1, 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO indes keine Anwendung.
17a) Die Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 ZPO im Prozesskostenhilfeverfahren ist umstritten, denn das Prozesskostenhilfeverfahren ist nicht als kontradiktorisches Verfahren ausgestaltet (die Anwendbarkeit ablehnend daher etwa OLG Düsseldorf 19.09.1985 - 9 WF 121/85 – juris; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 85 Rn. 11). Der BGH hat die Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 ZPO im Prozesskostenhilfeverfahren bejaht (BGH 12.06.2001 – XI ZR 161/01 – NJW 2001, 2720; dem folgend z.B. LAG Köln 28.11.2014 – 11 Ta 291/14 – juris; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 119 Rn. 60 b m. w. N.; Prütting/Gehrlein-Burgermeister, ZPO, 7. Aufl. 2015, § 85 Rn 9). Er hat allerdings offen gelassen, ob eine Ausnahme in Fällen zu machen ist, in denen der Antragsteller nicht dem Prozessgegner, sondern nur der Staatskasse gegenüber steht (BGH 12.06.2001 – XI ZR 161/01 – NJW 2001, 2720, Rn 12). Ob vor diesem Hintergrund die Vorschrift im Rahmen des gesamten Nachprüfungsverfahrens unangewendet bleiben muss, kann unentschieden bleiben.
18b) Jedenfalls im Rahmen der §§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, 120 a Abs. 2 Satz 1 ZPO ist eine Ausnahme vom Anwendungsbereich geboten.
19aa) Es ist anerkannt, dass die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO keine Anwendung findet auf Vorschriften, die strafähnlichen Charakter haben und bei denen es daher auf das Verschulden der Partei selbst ankommt (Prütting/Gehrlein-Burgermeister, ZPO, 7. Aufl. 2015, § 85 Rn 8; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 85 Rn 10). Solche Ausnahmefälle hat die Rechtsprechung etwa angenommen für den Fall des Verschuldens im Rahmen des § 141 Abs. 3 ZPO (BGH 22.06.2011 – I ZB 77/10 – NJW-RR 2011, 1363; ebenso Beck OK-ZPO/Piepenbrock, § 85 Rn. 16 a) oder für vorsätzliche oder grob fahrlässige falsche oder unvollständige Angaben im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO, die auf eigenmächtigen Änderungen des Bevollmächtigten beruhen (BGH 10.02.2011 - IX ZB 250/08 – NJW 2011, 1229). Der BGH begründet letztere Ausnahme mit der Erwägung, dass für die Sanktion gemäß § 290 Abs. 1 InsO (Versagung der Restschuldbefreiung) auf die Redlichkeit des Schuldners abzustellen sei. Ein vorsätzlich oder grob fahrlässiger Verstoß des Prozessbevollmächtigten gegen seine anwaltlichen Pflichten lasse keinen Rückschluss auf die Redlichkeit oder Unredlichkeit der Partei zu (BGH 10.02.2011 – IX ZB 250/08 – NJW 2011, 1229 Rn. 8).
20bb) Auch die Neufassung der Vorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hat „Sanktionscharakter“ (BT-Drs. 17/11472 v.14.11.2012, S.35; ebenso LAG Baden-Württemberg 10.6.2015 – 4 Ta 8/15 – juris, Rn 15; Natter FA 2014, 290 ff (291), Groß, Beratungshilfe/ Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 12. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 7. Aufl. 2014 Rn. 847). Vergleichbar der Sanktion des § 290 Abs. 1 InsO sollen auch bei § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO der unredlichen Partei, die absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit wesentliche Verbesserungen der wirtschaftlichen Verhältnisse oder eine Anschriftenänderung nicht mitteilt, die Vorteile der Prozesskostenhilfe entzogen werden. Folge ist, dass das Verschulden der Partei selbst maßgeblich sein muss. Für die Annahme, dass es auf die Redlichkeit der Partei selbst ankommt, deutet auch die Gesetzesbegründung. Die Erläuterungen zu der Neufassung des § 124 ZPO (vgl. BT-Drs. 17/11472 v.14.11.2012, S.34) geben an, dass die Belehrung über die Mitteilungspflicht und die bei einer Verletzung mögliche Sanktion auf dem Formular nach § 117 Abs. 2 Satz 3 ZPO erfolgen soll, damit sichergestellt sei, dass die Partei selbst Kenntnis nehmen könne, was etwa bei einem Hinweis in der Bewilligungsentscheidung, die ggf. dem beigeordneten Rechtsanwalt zugehe, nicht gewährleistet sei. Dies verdeutlicht das Anliegen des Gesetzgebers, die Sanktion des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO an die Pflichtverletzung der Partei selbst zu binden, die trotz persönlicher Belehrung untätig bleibt und damit ihre prozessualen Pflichten verletzt.
21Wenn aber im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO das eigene Verschulden der Partei maßgeblich ist, kommt die Zurechnung fremden Verschuldens gemäß § 85 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht (ebenso Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 7. Aufl., Rn. 836; im Ergebnis auch OLG Koblenz 03.07.1996 – 13 WF 649/96 - MDR 1997, 103 zum Sanktionscharakter des § 124 Nr. 2 ZPO (a.F.); a. M. LAG Düsseldorf 5.12.2014 – 2 Ta 555/14- Rn. 16).
224. Das Arbeitsgericht hat nunmehr gemäß §§ 572 Abs. 3 ZPO, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin und die von ihr vorgelegte Gehaltsmitteilung zu prüfen, ob eine Änderung der Bewilligung gemäß § 120 a Abs. 1 Satz 1 ZPO wegen einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlich ist.
23III.
24Der Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Prozesskostenhilfe-Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 17.03.2015– 5 Ca 1052/14 EU – aufgehoben.
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G r ü n d e
2Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei entgegen § 120 a Abs. 2 Satz 1 ZPO dem Gericht die Änderung ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat.
3Der Verstoß gegen die Pflicht zur Anzeige der Anschriftenänderung muss mithin „absichtlich“ oder jedenfalls auf Grund „grober Nachlässigkeit“ erfolgt sein, um zu der Aufhebungssanktion zu führen. Schädlich ist somit nur direkter oder bedingter Vorsatz oder zumindest grobe Nachlässigkeit. Ist grobe Nachlässigkeit prozessual zu bewerten, so liegt eine solche erst dann vor, wenn die Prozesskostenhilfepartei ihre Pflicht in besonders schwerwiegender Weise verletzt hat. Sie muss also ohne jede prozessuale Sorgfalt etwas unterlassen haben. Sie muss die im Prozess erforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlichen, groben Maß verletzt haben und dabei dasjenige unbeachtet gelassen haben, was jeder Partei unmittelbar hätte einleuchten müssen. Sie muss somit ausnehmend sorglos gewesen sein (vgl. z. B. Baumbach § 296 ZPO Rn. 61 mit Nachweisen auch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Wegen des Sanktionscharakters ist bei der Prüfung des Verschuldens „Augenmaß zu bewahren“ (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg 10.06.2015 – 4 Ta 8/15 – Rn. 18). Das im Falle eines Umzugs die eine oder andere Stelle bei der Mitteilung der Anschriftenänderung übersehen wird, ist ein weit verbreitetes Phänomen, das als solches nicht unter den Begriff der groben Nachlässigkeit subsumiert werden kann (vgl. Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg a. a. O.). Zudem trifft die Prozesskostenhilfepartei nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes hinsichtlich des Fehlens eines Verschuldens keine Darlegungslast (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg a. a. O. Rn. 19 mit weiteren Nachweisen).
4Die Klägerin hat dargetan und eidesstattlich versichert, dass sie seit dem 10.07.2014 unter ihrer neuen Adresse in S gemeldet ist, dass sie die Mitteilung der Adressänderung zum 01.08.2014 am 29.06.2014 dem Gericht mit Hilfe ihres Lebensgefährten zugeschickt hat. Wegen der verschiedenen Umzüge habe sie vergessen, beim Gericht nachzufragen, ob der Brief eingegangen sei.
5Das Arbeitsgericht geht in seinem Nichtabhilfebeschluss selbst davon aus, dass möglicherweise das Schreiben auf dem Postweg verloren gegangen sei. Da die Klägerin in dem Schreiben dem Gericht aber eine Frist bis zum 09.07.2014 gesetzt habe, innerhalb derer das Schreiben vom Gericht zu bestätigen sei, habe sie nach fruchtlosem Ablauf das Gericht nochmals an die Erledigung müssen oder sich telefonisch mit dem Gericht in Verbindung setzen können. Spätestens dann wäre aufgefallen, dass das Schreiben nicht bei Gericht eingegangen sei.
6Diese Subsumtion entspricht nicht dem oben dargestellten Verschuldensmaßstab. Es kann – zumal im Umzugsstress – nicht als „grobe Nachlässigkeit“ angesehen werden, wenn eine Partei – auch wenn sie selbst um Bestätigung innerhalb einer bestimmten Frist gebeten hat – nicht nochmals telefonisch oder auf andere Weise bei dem Gericht nachfragt und sich den Eingang bestätigen lässt. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin zu der fraglichen Zeit gerade im „Umzugsstress“ war.
7Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 30.06.2015 – 8 Ca 1506/14 d – aufgehoben.
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G r ü n d e :
21. Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei entgegen § 120 a Abs. 2 Satz 1 ZPO dem Gericht die Änderung ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat.
3Der Verstoß gegen die Pflicht zur Anzeige der Anschriftenänderung muss mithin „absichtlich“ oder jedenfalls auf Grund „grober Nachlässigkeit“ erfolgt sein, um zu der Aufhebungssanktion zu führen. Schädlich ist somit nur direkter oder bedingter Vorsatz oder zumindest grobe Nachlässigkeit. Ist grobe Nachlässigkeit prozessual zu bewerten, so liegt eine solche erst dann vor, wenn die Prozesskostenhilfepartei ihre Pflicht in besonders schwerwiegender Weise verletzt hat. Sie muss also ohne jede prozessuale Sorgfalt etwas unterlassen haben. Sie muss die im Prozess erforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlichen, groben Maß verletzt haben und dabei dasjenige unbeachtet gelassen haben, was jeder Partei unmittelbar hätte einleuchten müssen. Sie muss somit ausnehmend sorglos gewesen sein (vgl. z. B. Baumbach § 296 ZPO Rn. 61 mit Nachweisen auch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Wegen des Sanktionscharakters ist bei der Prüfung des Verschuldens „Augenmaß zu bewahren“ (LAG Baden-Württemberg 10.06.2015 – 4 Ta 8/15 – Rn. 18). Dass im Falle eines Umzugs die eine oder andere Stelle bei der Mitteilung der Anschriftenänderung übersehen wird, ist ein weit verbreitetes Phänomen, das als solches nicht unter den Begriff der groben Nachlässigkeit subsumiert werden kann (vgl. LAG Baden-Württemberg a. a. O.). Zudem trifft die Prozesskostenhilfepartei nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes hinsichtlich des Fehlens eines Verschuldens keine Darlegungslast (LAG Baden-Württemberg a. a. O. Rn. 19 mit weiteren Nachweisen).
4Auch die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln hat in dem Beschluss vom 22.06.2015 (1 Ta 145/15) es als entschuldigend ausreichen lassen und auch gemäß § 85 Abs. 2 ZPO der Klägerin nicht als Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zugerechnet, dass die Klägerin sich darauf verlassen hatte, dass ihr Prozessbevollmächtigter gegebenenfalls für eine Weiterleitung ihrer neuen Adresse an die zuständigen Stellen sorge.
52. Das Arbeitsgericht Aachen hat weder in dem angefochtenen Beschluss, noch in seinem Schreiben vom 17.08.2015, noch im Nichtabhilfe-Beschluss vom 24.08.2015 positive Feststellungen dazu getroffen, warum nicht nur einfache Nachlässigkeit, sondern grobe Nachlässigkeit vorliegen soll, mithin eine besonders schwerwiegende Verletzung der Obliegenheiten der Partei. Im vorliegenden Fall ist nicht mehr festzustellen, als dass die Klägerin – wie es bei vielen Menschen zutrifft – im Zuge ihres Umzuges vergessen hat, dem Arbeitsgericht die Anschrift mitzuteilen. Das allein erfüllt die hohen Anforderungen die grobe Nachlässigkeit (vgl. dazu auch BVerfGE 69, 137) nicht.
6Hinzukommt, dass die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten bereits im ursprünglichen Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten war, so dass das Arbeitsgericht auch diesem die von ihm an die Klägerin gerichteten Schreiben hätte zustellen müssen (vgl. z. B. BGH, 08.12.2010– XII ZB 40/09).
7Die Klägerin durfte sich daher darauf verlassen, dass auch dem Prozessbevollmächtigten Schreiben des Gerichts im Nachprüfungsverfahren zugestellt würden. Die Klägerin hat – was ohne weiteres glaubhaft ist – vorgetragen, dass der Prozessbevollmächtigte über ihre Handynummer verfügte, so dass sie erreichbar war.
8Da sonstige Besonderheiten weder vom Arbeitsgericht festgestellt sind, noch sonst erkennbar sind, kann – da die Prozesspartei nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes hinsichtlich des Fehlens des Verschuldens auch keine Darlegungslast trifft – nicht festgestellt werden, dass ein Fall der groben Nachlässigkeit vorläge.
9Dieses führt zur Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts.
10Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
- 1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat; - 2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat; - 3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind; - 4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat; - 5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.
(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.
(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
(1) Die auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Beschlüsse des Gerichts müssen verkündet werden. Die Vorschriften der §§ 309, 310 Abs. 1 und des § 311 Abs. 4 sind auf Beschlüsse des Gerichts, die Vorschriften des § 312 und des § 317 Abs. 2 Satz 1, 2, Absatz 3 und 4 auf Beschlüsse des Gerichts und auf Verfügungen des Vorsitzenden sowie eines beauftragten oder ersuchten Richters entsprechend anzuwenden.
(2) Nicht verkündete Beschlüsse des Gerichts und nicht verkündete Verfügungen des Vorsitzenden oder eines beauftragten oder ersuchten Richters sind den Parteien formlos mitzuteilen. Enthält die Entscheidung eine Terminsbestimmung oder setzt sie eine Frist in Lauf, so ist sie zuzustellen.
(3) Entscheidungen, die einen Vollstreckungstitel bilden oder die der sofortigen Beschwerde oder der Erinnerung nach § 573 Abs. 1 unterliegen, sind zuzustellen.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 31. März 2015 wird der Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 9. März 2015 aufgehoben.
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G r ü n d e
2I.
3Die Klägerin wendet sich gegen eine Aufhebungsentscheidung des Arbeitsgerichts Bonn im Prozesskostenhilfe-Nachprüfungsverfahren.
4In der Klageschrift vom 5. Januar 2012 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und seine Beiordnung für eine Zahlungsklage i.H.v. 1.520,00 Euro brutto. In der Sitzung am 14. Februar 2012 erging antragsgemäß Versäumnisurteil gegen die Beklagte. Der Vorsitzende bewilligte der Klägerin ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Klägervertreters.
5Am 23. Januar 2013 erinnerte der Rechtspfleger die Klägerin persönlich an die Erledigung seines Schreibens vom 8. Januar 2013, das sich nicht mehr in der Akte befindet. Er bat sie, den übersandten Vordruck unter Angabe aller monatlichen Einkünfte und Verbindlichkeiten auszufüllen und umgehend an das Gericht unter Angabe des Aktenzeichens zu übersenden. Er wies darauf hin, dass bei Nichtbeantwortung oder bei unrichtigen Angaben der Einkommensverhältnisse die gewährte Prozesskostenhilfe aufgehoben werde. Hierfür setzte er eine Frist bis zum 7. Februar 2013.
6In einem Schreiben vom 8. Februar 2013 wandte sich der Rechtspfleger an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Darin bat er ihn, eine aktuelle Erklärung über die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin bei Gericht einzureichen bis zum 22. Februar 2013.
7Der folgende Aufhebungsbeschluss vom 25. Februar 2013 wurde auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 27. Februar 2013 durch Beschluss des Rechtspflegers vom selben Tag aufgehoben. Der Klägervertreter übersandte am 27. Februar 2013 eine ausgefüllte Erklärung der Klägerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst aktueller Gehaltsbescheinigungen.
8Mit Schreiben vom 29. Januar 2015 wandte sich der Rechtspfleger erneut an die Klägerin persönlich und forderte sie auf, den übersandten Vordruck auszufüllen und nebst Nachweisen zu übersenden. Er setzte hierfür eine Frist bis zum 13. Februar 2015, wonach die Bewilligung aufgehoben werden könne.
9In einem Schreiben vom 30. Januar 2015 nahm die Klägerin persönlich Bezug auf das Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bonn mit dem Az. - 7 Ca 1805/14 - und ihre dort hinterlegten Einkünfte und Verbindlichkeiten. Sie bat um Mitteilung, ob diese Angabe genüge. Im dortigen Verfahren hatte die Klägerin Prozesskostenhilfe für ein Verfahren gegen eine andere Person beantragt und dort am 4. August 2014 eine ausgefüllte Erklärung nebst Belegen über Einkommen und Mietzahlung vorgelegt. Ihre Einkommensverhältnisse hatten sich verbessert.
10Aus einer Verfügung des Rechtspflegers vom 2. Februar 2015 lässt sich entnehmen, dass er die Klägerin persönlich darauf hinwies, dass die Einkommens- und Ausgabenbelege im Verfahren - 7 Ca 1805/14 - aus Juni 2014 veraltet seien. Er forderte sie auf, die neuesten Einkommens- und Ausgabenbelege (Miete, etc.) einzureichen. Mit Schreiben vom 17. Februar 2015 erinnerte der Rechtspfleger den Prozessbevollmächtigten der Klägerin und diese persönlich an die Erledigung und setzte eine Frist zum 6. März 2015, ohne diese Aufforderung zuzustellen.
11Durch Beschluss vom 9. März 2015 hob der zuständige Rechtspfleger die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf. Er begründete den Aufhebungsbeschluss damit, die Klägerin habe auf veraltete Unterlagen verwiesen. Dieser Beschluss ist dem Klägervertreter am 11. März 2015 zugestellt worden.
12In einem Schreiben vom 11. März 2015 wies die Klägerin persönlich darauf hin, dass zu dem Parallelverfahren am 20. Januar 2015 durch ihren dortigen Prozessbevollmächtigten die Einkünfte auf den neuesten Stand gebracht worden seien. Der Klägervertreter erhob am 31. März 2015 Beschwerde und nahm Bezug auf das Schreiben der Klägerin vom 11. März 2015.
13Der Rechtspfleger forderte den Klägervertreter durch nicht zugestelltes Schreiben vom 1. April 2015 erneut auf, bis zum 9. April 2015 aktuelle Belege zur Akte zu reichen. Daraufhin legte die Klägerin persönlich am 8. April 2015 die letzten drei Gehaltsabrechnungen (Januar bis März 2015) sowie Belege ihrer Mietzahlungen vor. Den Vordruck für die monatlichen Einkünfte und Verbindlichkeiten übersandte sie nicht.
14Am 10. April 2015 forderte der Rechtspfleger die Klägerin persönlich auf, Mietvertrag, Nachweise für Kreditzahlungen, Bescheinigungen für Versicherungen, Belege über Unterhaltszahlungen sowie Angaben darüber, ob das Kind in häuslicher Gemeinschaft wohnt, binnen zwei Wochen abzugeben.
15Am 7. Mai 2015 ging im Verfahren - 7 Ca 1805/14 - eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin mit einer Gehaltsbescheinigung von April 2015 ein. Sie erklärte gegenüber dem Gericht im dortigen Verfahren am 26. Mai 2015, die Mietkosten von 700,00 Euro alleine zu tragen und Fahrtkosten von 260,00 Euro zu haben. Das Gericht bewilligte am 27. Mai 2015 durch den Vorsitzenden ratenfrei Prozesskostenhilfe.
16Der Rechtspfleger erinnerte die Klägerin persönlich im vorliegenden Verfahren am 20. Mai 2015 mit Fristsetzung zum 15. Juni 2015.
17Durch Verfügung vom 15. Juni 2015 legte der Rechtspfleger dem Beschwerdegericht die Sache vor. Die Klägerin habe keine unterschriebene Erklärung abgegeben. Es fehlten Mietvertrag sowie Nachweis letzter Mietzahlungen, Unterhaltseinkommen sowie weitere Angaben. Die Beschwerde sei nicht ausreichend begründet.
18Das Beschwerdegericht hat das PKH-Heft in der Sache - 7 Ca 1805/14 - beigezogen.
19II.
20Der sofortigen Beschwerde war abzuhelfen, denn sie war zulässig und begründet. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG iVm. § 127 Abs. 2 Satz 2, 3, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 11a Abs. 1 ArbGG statthafte sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 ZPO iVm. § 11a Abs. 1 ArbGG lagen nicht vor.
211. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, sie ist insbesondere ausreichend als solche bezeichnet und begründet, § 569 Abs. 2, § 571 Abs. 1 ZPO. Selbst eine fehlende Begründung steht der Zulässigkeit nach § 571 Abs. 1 ZPO nicht entgegen(„soll begründet werden“; Zöller/Heßler ZPO 30. Aufl. § 571 Rn. 1).
222. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Die Aufhebungsentscheidung ist rechtswidrig und daher aufzuheben.
23a) Das Überprüfungsverfahren richtet sich im vorliegenden Verfahren aufgrund § 40 Satz 1 EGZPO nach §§ 120, 124 ZPO i.d.F. vom 5. Dezember 2005. Die Klägerin hat vor dem 1. Januar 2014 für einen Rechtszug Prozesskostenhilfe beantragt, so dass für diesen Rechtszug die §§ 114 bis 127 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden sind.
24b) Die Aufhebungsentscheidung beruht schon auf einem fehlerhaften Verfahren. Das macht die Aufhebungsentscheidung rechtswidrig. Für eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nach § 124 Nr. 2 ZPO ist es erforderlich, dass der Aufhebungsentscheidung des Arbeitsgerichts ein von ihm formal ordnungsgemäß durchgeführtes Verfahren zugrunde liegt. Ist das nicht der Fall, verbleibt es bei der ursprünglichen Bewilligung (LAG Hamm 23. März 2015 - 14 Ta 121/15 -; 20. September 2013 - 14 Ta 160/13 -).
25aa) Die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO mit Fristsetzung sowie weitere Erinnerungen mit Fristsetzung sind dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers förmlich zuzustellen, wenn er ihn bereits im Bewilligungsverfahren vertreten hat. Die nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO vorgesehene gerichtliche Aufforderung an die Partei, sich in einer Frist darüber zu erklären, ob eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, muss gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO analog dem Bevollmächtigten zugestellt werden. Fehlt die Zustellung, hat das die ersatzlose Aufhebung des Beschlusses, mit dem die bewilligte Prozesskostenhilfe aufgehoben wurde, und die Aufrechterhaltung der bewilligten Prozesskostenhilfe zur Folge (vgl. LAG Hamm 20. September 2013 - 14 Ta 160/13 - mwN; BGH, 8. Dezember 2010 - XII ZB 38/09 -; BeckOK ZPO/Reichling Stand Juni 2015 § 120a Rn. 28).
26bb) Im vorliegenden Fall ist weder die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nebst Fristsetzung vom 29. Januar 2015 noch die folgende Erinnerung des Arbeitsgerichts vom 17. Februar 2015 mit Fristsetzung dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin förmlich zugestellt worden. Sie sind ihm teilweise gar nicht übersandt worden. Das Verfahren leidet damit an einem erheblichen Fehler. Die Zustellung des Aufhebungsbeschlusses für die Zustellung genügt nicht, da die Aufforderungen im Verfahren zur Abgabe der Erklärung nebst Fristsetzung zuzustellen sind. Auch das Anschreiben im Beschwerdeverfahren nebst Fristsetzung vom 1. April 2015 wurde dem Klägervertreter nur formlos übersandt. Das Nachprüfungsverfahren wurde damit nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Es kann offen bleiben, ob auch die Aufforderung ohne Fristsetzung dem Bevollmächtigten zuzustellen ist und ob in diesem Fall die Drei-Monats-Frist des § 124 Nr. 4 ZPO analog läuft(vgl. hierzu LAG Hamm 20. September 2013- 14 Ta 160/13 -).
27cc) Die unterbliebene Zustellung der Aufforderung kann nicht dadurch geheilt werden, dass im Beschwerdeverfahren die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO durch das Beschwerdegericht nachgeholt und dem Prozessbevollmächtigten zugestellt wird. Gegenstand der Überprüfung des Beschwerdeverfahrens ist die Rechtmäßigkeit des Beschlusses, mit dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aufgehoben wurde(vgl. LAG Hamm 20. September 2013- 14 Ta 160/13 -).
28c) Die Voraussetzungen einer Aufhebung nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 ZPO lagen überdies nicht vor. Die Klägerin ist ihrer Erklärungspflicht im Überprüfungsverfahren ausreichend nachgekommen. Gemäß § 124 Nr. 2 Hs. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei eine Erklärung gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat. Auf Verlangen des Gerichts hat sich die Partei darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist.
29aa) Hierfür genügt es zwar nicht, dass das Gericht in einem Parallelverfahren teilweise Kenntnis von den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen der Partei erhält, wenn die Partei sich hierüber nicht selbst erklärt (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 30. Juli 2010 - 1 Ta 137/10 -). Es genügt allerdings nach Auffassung des Beschwerdegerichts, wenn die Partei Bezug nimmt auf eine eigene Erklärung in einem konkreten anderen Verfahren, in dem die Erklärung nach § 117 Abs. 3 ZPO abgegeben wurde und die hierfür erforderlichen Unterlagen beim selben Gericht zur Akte gereicht wurden, sofern diese hinreichend aktuell sind und sich dies aus der Bezugnahme ergibt.
30bb) Auch im Wiedereinsetzungsverfahren ist anerkannt, dass die Bezugnahme auf eine frühere Erklärung zur Prozesskostenhilfe zulässig ist. Eine Bezugnahme auf eine aktuelle in der Vorinstanz eingereichte Erklärung ist zuzulassen, wenn das Verlangen, eine neue Erklärung vorzulegen, lediglich eine überflüssige Förmelei darstellen würde (BGH 27. November 1996 - XII ZB 84/96 -).
31cc) Die Wiederholung der persönlichen Verhältnisse im vorliegenden Verfahren würde reine Förmelei darstellen. Die Klägerin betrieb beim selben Gericht ein aktuelles Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wenn auch gegen eine andere Partei und mit anderem Prozessbevollmächtigten. Die dortigen Angaben waren allerdings hinreichend aktuell, zudem hat die Klägerin sie zuletzt aktualisiert. Dies hat sie bei ihrer Bezugnahme auch hinreichend deutlich gemacht. Es ist dem Gericht daher zuzumuten, in die andere Akte Einsicht zu nehmen, spätestens im Zeitpunkt der Entscheidung über die Aufhebung und über die Nichtabhilfe gegen die Beschwerde. Es wäre Förmelei, der Partei aufzugeben, ihre Unterlagen doppelt einzureichen, wenn sich dasselbe Gericht - wie hier - mit denselben Umständen beschäftigen kann. Das muss jedenfalls gelten, wenn die Partei auf das Parallelverfahren Bezug nimmt und dort Prozesskostenhilfe bewilligt wird.
32dd) Für diese Annahme spricht auch ein weiterer Gesichtspunkt: Es ist anerkannt, dass Raten aus einem anderen Prozesskostenhilfeverfahren als besondere Belastungen gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO berücksichtigungsfähig sind(LAG Köln 11. Juli 2014 - 1 Ta 102/14 -). Das bedeutet dann aber auch, dass zwei parallele aktuelle Verfahren bei den Angaben der Partei über ihre persönlichen Verhältnisse als Einheit anzusehen sind. Dafür müssen sie nicht verbunden werden.
33ee) Für eine Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, besteht entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO keine Verpflichtung, den für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs. 4 ZPO eingeführten amtlichen Vordruck zu nutzen. Die erneute Abgabe einer solchen formularmäßigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse kann nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht gefordert werden. Füllt der Antragsteller den Vordruck nicht oder nur unvollständig aus, rechtfertigt dies allein nicht die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, wenn ihre übrigen Angaben eine Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ermöglichen. Das Gesetz sieht zwar in § 117Abs. 4 die Verwendung eingeführter Formulare vor der Erstbewilligung von PKH vor, in § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO fehlt eine vergleichbare Vorschrift jedoch(vgl. LAG Köln 22. August 2011 - 1 Ta 214/11 -; LAG Hamm 12. April 2010 - 14 Ta 657/09 -; MüKo-ZPO/Motzer 4. Aufl. § 124 Rn. 12). Der Unterschied zu den Beibringungserfordernissen bei der erstmaligen Beantragung von Prozesskostenhilfe zeigt sich auch darin, dass nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO eine Abänderung nur dann in Betracht kommt, wenn sich die maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Nicht jede Änderung in den Einkommens- und Vermögensverhältnissen führt daher zu einer Abänderung der Ratenfestsetzung (LAG Köln 23. Januar 2009- 5 Ta 18/09 -).
34ff) Ausreichend ist es i.S.d. § 120 Abs. 4 ZPO, wenn die Partei Angaben darüber macht, ob sich die für die Prozesskostenhilfe maßgeblichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Gegebenenfalls sind entsprechende Änderungen glaubhaft zu machen (LAG Köln 23. Januar 2009 - 5 Ta 18/09 -).
35gg) Diesen Anforderungen ist die Klägerin nachgekommen.
36(1) Die Klägerin hat im vorliegenden Verfahren auf ihre aktuelle Erklärung im Formular im Verfahren - 7 Ca 1805/14 - Bezug genommen. Zudem hat sie aktuelle Lohnbescheinigungen sowie Mietzahlungsnachweise zur Akte gereicht.
37(2) Im Verfahren - 7 Ca 1805/14 - hat sie eine vollständige Erklärung zur Akte gereicht. Außerdem hat sie sich zur Zahlung der Mietkosten und der Fahrtkosten erklärt. Diese sind in ihrer Erklärung aufgeschlüsselt. Eine weitere Glaubhaftmachung - insbesondere zu etwaigen Unterhaltszahlungen an oder von ihrer inzwischen 23-jährige(n) Tochter - konnte nicht verlangt werden. Hierfür bestanden keine ausreichenden Anhaltspunkte. Eine Auskunft wäre wohl darauf hinausgelaufen, von der Klägerin die Glaubhaftmachung negativer Tatsachen zu verlangen.
383. Der Aufhebungsbeschluss ist aufzuheben. Nicht zuletzt im Hinblick auf die nach § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO nur zeitlich begrenzt für vier Jahre nach rechtskräftiger Entscheidung oder sonstiger Beendigung des Verfahrens bestehende Möglichkeit einer Abänderung der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung ist es erforderlich, dass der Aufhebungsentscheidung des Arbeitsgerichts ein von ihm formal ordnungsgemäß durchgeführtes Verfahren zugrunde liegt. Ist das nicht der Fall, verbleibt es bei der ursprünglichen Bewilligung. Eine Abänderung der Bewilligungsentscheidung wegen veränderter persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse kann nur nach einem erneuten Verfahren erfolgen, soweit dieses gemäß § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO noch zulässig ist. Eine Korrektur der fehlerhaften Verfahrensweise des Arbeitsgerichts vor einer Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr. 2 ZPO in der Beschwerdeinstanz ist danach nicht mehr möglich. Ob im Nachprüfungsverfahren Änderungen eingetreten sind, wird das zuständige Gericht zu prüfen haben (vgl. LAG Hamm 20. September 2013 - 14 Ta160/13 -).
394. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde waren nicht gegeben. Die etwaig durch die Entscheidung beschwerte Staatskasse kann kein Rechtmittel einlegen, § 127 Abs. 3 ZPO(Zöller/Geimer ZPO 30. Aufl. § 127 Rn. 27). Die maßgeblichen Verfahrensfragen haben hier zudem keine grundsätzliche Bedeutung, § 78 Satz 2, § 72 Abs. 2 ArbGG, § 574 Abs. 2 ZPO(vgl. zu den Zulassungsgründen BAG 10. Juli 2015 - 10 AZB 23/15 - Rn. 4; BGH 22. November 2011 - VIII ZB 81/11 -).
(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
- 1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat; - 2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat; - 3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind; - 4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat; - 5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.
(1) Das Gericht soll die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben. Eine Änderung der nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 maßgebenden Beträge ist nur auf Antrag und nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dazu führt, dass keine Monatsrate zu zahlen ist. Auf Verlangen des Gerichts muss die Partei jederzeit erklären, ob eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist. Eine Änderung zum Nachteil der Partei ist ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind.
(2) Verbessern sich vor dem in Absatz 1 Satz 4 genannten Zeitpunkt die wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei wesentlich oder ändert sich ihre Anschrift, hat sie dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Bezieht die Partei ein laufendes monatliches Einkommen, ist eine Einkommensverbesserung nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zu Grunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100 Euro übersteigt. Satz 2 gilt entsprechend, soweit abzugsfähige Belastungen entfallen. Hierüber und über die Folgen eines Verstoßes ist die Partei bei der Antragstellung in dem gemäß § 117 Absatz 3 eingeführten Formular zu belehren.
(3) Eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse kann insbesondere dadurch eintreten, dass die Partei durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung etwas erlangt. Das Gericht soll nach der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens prüfen, ob eine Änderung der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen mit Rücksicht auf das durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Erlangte geboten ist. Eine Änderung der Entscheidung ist ausgeschlossen, soweit die Partei bei rechtzeitiger Leistung des durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Erlangten ratenfreie Prozesskostenhilfe erhalten hätte.
(4) Für die Erklärung über die Änderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nach Absatz 1 Satz 3 muss die Partei das gemäß § 117 Absatz 3 eingeführte Formular benutzen. Für die Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gilt § 118 Absatz 2 entsprechend.
(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
- 1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat; - 2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat; - 3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind; - 4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat; - 5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, eine Autovermieterin, macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche geltend, weil dieser den bei ihr gemieteten Pkw grob fahrlässig beschädigt habe.
- 2
- Am 8. Juni 2004 mietete der Beklagte bei der Klägerin einen BMW 318, wobei eine Haftungsbefreiung mit Selbstbehalt in Höhe von 550 € für selbstverschuldete Unfälle vereinbart wurde. Bei Übergabe des Fahrzeugs erhielt der Beklagte von der Klägerin ein mit "Mietvertrag" überschriebenes Blatt Papier, aus dem sich u.a. die Bezeichnung des gemieteten Fahrzeugs, die Höhe der Miete sowie die Haftungsbefreiung mit Selbstbehalt ergab.
- 3
- Ferner heißt es dort: "Ich akzeptiere für diese und zukünftige Anmietungen die allgemeinen S. -Vermietbedingungen, die Bedingungen des S. -Expressmasteragreement sowie die Geschäftsbedingungen der Kreditkarteninstitute. ... Die allgemeinen S. -Vermietbedingungen und die Bedingungen des S. -Expressmasteragreement liegen im Vermietbüro aus."
- 4
- In den Geschäftsbedingungen der Klägerin heißt es unter "J: Haftung des Mieters Nr. 2.": "Dem Mieter steht es frei, die Haftung aus Unfällen für Schäden der Vermieterin durch Zahlung eines besonderen Entgeltes auszuschließen = vertragliche Haftungsfreistellung. In diesem Fall haftet er für Schäden, abgesehen von der vereinbarten Selbstbeteiligung nur dann, wenn ... er oder seine Erfüllungsgehilfen den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt haben ..."
- 5
- Am 13. Juni 2004 verursachte der Beklagte gegen 4.00 Uhr morgens auf der Bundesautobahn A 8 zwischen Stuttgart und Pforzheim mit dem gemieteten BMW einen Unfall. Hierzu heißt es im Schadensbericht des Beklagten vom 13. Juni 2004: "Leichtes Ausweichmanöver beim Befahren der A 8 von Stuttgart nach Pforzheim. Ausweichen aufgrund eines Wildwechsel (vermutlich Fuchs) nach rechts, wobei die etwas in den Seitenstreifen gebaute Leitplanke touchiert wurde."
- 6
- An der Unfallstelle ist die Leitplanke verstärkt und ragt deshalb etwas in den Seitenstreifen hinein. Der Beklagte fuhr zum Unfallzeitpunkt mit einer Geschwindigkeit von 120 km/h. Durch den Unfall entstand der Klägerin ein Schaden von insgesamt 8.892,69 €.
- 7
- Das Landgericht hat der Klage auf Ausgleich dieses Schadens in vollem Umfang stattgegeben. Der Beklagte habe den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht ihn lediglich zur Zahlung des Selbstbehalts in Höhe von 550 € verurteilt. Die Geschäftsbedingungen der Klägerin seien Vertragsbestandteil geworden. Der Beklagte habe jedoch nicht grob fahrlässig gehandelt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision sucht die Klägerin, die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils zu erreichen.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 9
- Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe gegen den Beklagten gemäß §§ 535, 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Mietvertrag lediglich einen Anspruch auf Leistung des Selbstbehalts von 550 €. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, wonach der Beklagte auch bei vertraglicher Haftungsfreistellung dann voll hafte, wenn er den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt habe, seien Vertragsbestandteil geworden. Der Beklagte habe mit der Übergabe des Fahrzeugs den schriftlichen Mietvertrag mit dem Hinweis auf die AGB der Klägerin erhalten. Der Hinweis sei daher entsprechend § 305 Abs. 2 BGB bei und nicht erst nach Vertragsschluss erfolgt. Auch sei der Hinweis ausdrücklich im Sinne der genannten Vorschrift gewesen. Er sei nämlich so angeordnet gewesen, dass er von einem Durchschnittskun- den auch bei flüchtiger Betrachtung nicht habe übersehen werden können. Schließlich habe sich der Beklagte - jedenfalls durch schlüssiges Verhalten - mit der Geltung der AGB einverstanden erklärt, da er nach Übergabe des schriftlichen Vertragstextes, der den Hinweis auf die AGB enthalten habe, das Fahrzeug in Empfang genommen habe und es so zum Vertragsschluss gekommen sei. Inhaltlich sei die Klausel nicht zu beanstanden. Danach hafte der Beklagte aber für den eingetretenen Schaden nicht über den Selbstbehalt von 550 € hinaus. Denn der Klägerin sei der Nachweis nicht gelungen, der Beklagte habe den Unfall grob fahrlässig verschuldet. In tatsächlicher Hinsicht sei davon auszugehen , dass der Beklagte, als zum Unfallzeitpunkt ein Fuchs die vom Beklagten nachts um ca. 4.00 Uhr mit einer Geschwindigkeit von ca. 120 km/h befahrene Autobahn A 8 gekreuzt habe, reflexartig leicht nach rechts ausgewichen sei und dabei mit dem Fahrzeug der Klägerin die Leitplanke gestreift habe. Aufgrund dieses Sachverhalts liege jedenfalls ein in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteige, nicht vor. Zwar habe der Bundesgerichtshof (Urteil vom 18. Dezember 1996 - IV ZR 321/95 - NJW 1997, 1012) im Rahmen einer Teilkaskoversicherung entschieden, dass ein Kraftfahrer, der mit einem Mittelklasse-Pkw bei einer Geschwindigkeit von etwa 90 km/h einem Hasen ausweiche, grob fahrlässig handele. In jenem Fall sei es jedoch um die Frage gegangen, ob ein Versicherungsnehmer im Rahmen einer Teilkaskoversicherung es nach §§ 62, 63 VVG für geboten halten dürfe, zur Abwendung und Minderung des (drohenden) Schadens einem Kleintier auszuweichen. Im Rahmen einer solchen Konstellation habe der Bundesgerichtshof ausgeführt, der Versicherungsnehmer habe sich grob fahrlässig über die Erforderlichkeit der Aufwendungen zur Vermeidung des versicherten Schadens geirrt und könne deswegen nach §§ 62, 63 VVG seine Aufwendungen (Rettungskosten) nicht ersetzt verlangen. Im vorliegenden Fall gehe es jedoch nicht um den Ersatz von Aufwendungen für Ret- tungsmaßnahmen, sondern darum, ob der Versicherungsfall als solcher durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt worden sei. Im Rahmen dieser Prüfung dürfe ein reflexartiges Ausweichen nicht bereits als subjektiv völlig unentschuldbar und somit grob fahrlässig eingestuft werden. Denn es entspreche der natürlichen Reaktion eines Menschen, einem plötzlich auftauchenden Hindernis auszuweichen und einen Zusammenstoß zu vermeiden und nicht auf das Hindernis zuzufahren. Eine solche "natürliche", wenn auch u.U. nicht sinnvolle oder zweckmäßige Reaktion bei unvermitteltem Auftauchen eines Fuchses auf der Fahrbahn könne als fahrlässig angesehen werden, nicht aber als subjektiv völlig unentschuldbares Fehlverhalten, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteige.
II.
- 10
- Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
- 11
- 1. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin nach § 305 Abs. 2 BGB Vertragsbestandteil geworden sind.
- 12
- a) Dem hält die Revisionserwiderung zwar entgegen, der Beklagte habe im Einzelnen vorgetragen, dass der Mietvertrag mündlich und damit ohne Hinweis auf Allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin geschlossen worden sei. Dies habe die Klägerin auch nicht bestritten.
- 13
- Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Die Klägerin hat bestritten, dass zwischen den Parteien zunächst ein mündlicher Vertrag über das Fahrzeug abgeschlossen worden sei und erst dann der Beklagte auf ihre Allgemeinen Ge- schäftsbedingungen hingewiesen worden sei. Des weiteren ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die mündlichen Abreden der Parteien über die Anmietung des Fahrzeuges, die Übergabe des schriftlichen Mietvertrages und die Übergabe des Fahrzeugs als einen einheitlichen Vorgang gesehen hat, die als ganzes den Vertragsschluss bildeten.
- 14
- b) Das Berufungsgericht konnte auch - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - im Rahmen des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass der Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für einen Kunden mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit nicht zu übersehen und damit im Sinne von § 305 Abs. 2 BGB ausdrücklich sei. Diese Bewertung hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei darauf gestützt, dass der gesamte Vertragstext nur eine Seite umfasst und der Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Beginn eines neuen Absatzes und somit drucktechnisch etwas abgehoben erscheint.
- 15
- 2. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass nach ständiger Rechtsprechung der Zivilsenate des Bundesgerichtshofs grob fahrlässig derjenige handelt, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsse. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (vgl. BGH Urteil vom 29. Januar 2003 - IV ZR 173/01 - NJW 2003, 1118, 1119 m.w.N.).
- 16
- Ob die Fahrlässigkeit im Einzelfall als einfach oder grob zu bewerten ist, ist Sache der tatrichterlichen Würdigung. Sie erfordert eine Abwägung aller objektiven und subjektiven Tatumstände und entzieht sich deshalb weitgehend einer Anwendung fester Regeln. Diese tatrichterliche Würdigung ist mit der Revision nur beschränkt angreifbar. Nachgeprüft werden kann nur, ob in der Tatsacheninstanz der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt worden ist oder ob beim Bewerten des Grads der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht geblieben sind. Haben die Tatsachengerichte hiergegen nicht verstoßen, sind etwaige unterschiedliche Beurteilungen ähnlich liegender Sachverhalte hinzunehmen (vgl. BGH Urteil vom 25. Juni 2003 - IV ZR 276/02 - NJW 2003, 2903, 2904).
- 17
- Im vorliegenden Fall lässt die Wertung des Oberlandesgerichts, der Beklagte habe nicht grob fahrlässig gehandelt, im Ergebnis keinen Rechtsfehler erkennen, der zur Aufhebung des Berufungsurteils führte.
- 18
- Unzutreffend ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts, der Begriff der groben Fahrlässigkeit sei jeweils nach der konkreten Versicherungssituation unterschiedlich zu definieren. Vielmehr wird, worauf die Revision zu Recht hinweist , der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit nach ständiger Rechtsprechung der Zivilsenate des Bundesgerichtshofs grundsätzlich einheitlich bestimmt (vgl. BGH Urteil vom 29. Januar 2003 - IV ZR 173/01 - NJW 2003, 1118 m.w.N.). An diesem Grundsatz ist schon aus Gründen der Rechtssicherheit festzuhalten. Die vom Berufungsgericht befürwortete unterschiedliche Definition des Begriffs führte im Versicherungsrecht wegen der zahlreichen verschiedenen Arten von Versicherungen zu einer kaum noch überschaubaren Aufsplitterung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit und damit zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit. Die gegenteiligen Ausführungen des Berufungsgerichts lassen jedoch seine Bewertung unberührt, der Beklagte habe im konkreten Fall nicht grob fahrlässig gehandelt.
- 19
- Auch die Ausführungen des Oberlandesgerichts, das reflexartige Ausweichen des Beklagten als Reaktion auf das plötzliche Auftauchen eines Fuchses stelle grundsätzlich kein grob fahrlässiges Fehlverhalten dar, nötigt - im Gegensatz zur Meinung der Revision - im Ergebnis nicht zur Aufhebung des Berufungsurteils. Zwar mag die Aussage des Berufungsgerichts, eine Reflexhandlung stelle grundsätzlich kein grob fahrlässiges Fehlverhalten dar, zu weit gehen und zu allgemein sein. So wäre in der Situation des Beklagten ein reflexartiges abruptes und unkontrolliertes Ausweichmanöver verbunden mit einer scharfen Abbremsung, aufgrund dessen der Fahrer die Herrschaft über sein Fahrzeug verliert, in der Regel auch subjektiv als grob fahrlässig begangener Fahrfehler zu bewerten.
- 20
- Dies ändert jedoch nichts daran, dass im konkreten Fall die Würdigung des Berufungsgerichts Bestand hat, wonach dem Beklagten subjektiv grobe Fahrlässigkeit nicht anzulasten ist. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts ist davon auszugehen, dass der Beklagte, als zum Unfallzeitpunkt ein Fuchs die von ihm nachts mit einer Geschwindigkeit von ca. 120 km/h befahrene Autobahn kreuzte, reflexartig leicht nach rechts ausgewichen ist und dabei mit dem Fahrzeug der Klägerin die Leitplanke gestreift hat. Dass das Berufungsgericht dies nicht als ein in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten bewertet hat, liegt im Rahmen seines tatrichterlichen Beurteilungsspielraums und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 30.03.2005 - 10 O 808/04 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 07.10.2005 - 10 U 53/05 -
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Konstanz vom 07.02.2014 (6 F 241/13) aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zurückverwiesen.
Gründe
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Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Prozesskostenhilfe-Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 17.03.2015– 5 Ca 1052/14 EU – aufgehoben.
1
G r ü n d e
2Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei entgegen § 120 a Abs. 2 Satz 1 ZPO dem Gericht die Änderung ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat.
3Der Verstoß gegen die Pflicht zur Anzeige der Anschriftenänderung muss mithin „absichtlich“ oder jedenfalls auf Grund „grober Nachlässigkeit“ erfolgt sein, um zu der Aufhebungssanktion zu führen. Schädlich ist somit nur direkter oder bedingter Vorsatz oder zumindest grobe Nachlässigkeit. Ist grobe Nachlässigkeit prozessual zu bewerten, so liegt eine solche erst dann vor, wenn die Prozesskostenhilfepartei ihre Pflicht in besonders schwerwiegender Weise verletzt hat. Sie muss also ohne jede prozessuale Sorgfalt etwas unterlassen haben. Sie muss die im Prozess erforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlichen, groben Maß verletzt haben und dabei dasjenige unbeachtet gelassen haben, was jeder Partei unmittelbar hätte einleuchten müssen. Sie muss somit ausnehmend sorglos gewesen sein (vgl. z. B. Baumbach § 296 ZPO Rn. 61 mit Nachweisen auch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Wegen des Sanktionscharakters ist bei der Prüfung des Verschuldens „Augenmaß zu bewahren“ (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg 10.06.2015 – 4 Ta 8/15 – Rn. 18). Das im Falle eines Umzugs die eine oder andere Stelle bei der Mitteilung der Anschriftenänderung übersehen wird, ist ein weit verbreitetes Phänomen, das als solches nicht unter den Begriff der groben Nachlässigkeit subsumiert werden kann (vgl. Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg a. a. O.). Zudem trifft die Prozesskostenhilfepartei nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes hinsichtlich des Fehlens eines Verschuldens keine Darlegungslast (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg a. a. O. Rn. 19 mit weiteren Nachweisen).
4Die Klägerin hat dargetan und eidesstattlich versichert, dass sie seit dem 10.07.2014 unter ihrer neuen Adresse in S gemeldet ist, dass sie die Mitteilung der Adressänderung zum 01.08.2014 am 29.06.2014 dem Gericht mit Hilfe ihres Lebensgefährten zugeschickt hat. Wegen der verschiedenen Umzüge habe sie vergessen, beim Gericht nachzufragen, ob der Brief eingegangen sei.
5Das Arbeitsgericht geht in seinem Nichtabhilfebeschluss selbst davon aus, dass möglicherweise das Schreiben auf dem Postweg verloren gegangen sei. Da die Klägerin in dem Schreiben dem Gericht aber eine Frist bis zum 09.07.2014 gesetzt habe, innerhalb derer das Schreiben vom Gericht zu bestätigen sei, habe sie nach fruchtlosem Ablauf das Gericht nochmals an die Erledigung müssen oder sich telefonisch mit dem Gericht in Verbindung setzen können. Spätestens dann wäre aufgefallen, dass das Schreiben nicht bei Gericht eingegangen sei.
6Diese Subsumtion entspricht nicht dem oben dargestellten Verschuldensmaßstab. Es kann – zumal im Umzugsstress – nicht als „grobe Nachlässigkeit“ angesehen werden, wenn eine Partei – auch wenn sie selbst um Bestätigung innerhalb einer bestimmten Frist gebeten hat – nicht nochmals telefonisch oder auf andere Weise bei dem Gericht nachfragt und sich den Eingang bestätigen lässt. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin zu der fraglichen Zeit gerade im „Umzugsstress“ war.
7Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der
Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 17.02.2015
(5 Ca 451/14 EU) aufgehoben.
1
G r ü n d e :
2I.
3Mit der sofortigen Beschwere wendet sich die Klägerin gegen die Aufhebung der ihr gewährten Prozesskostenhilfe durch den angefochtenen Beschluss der Rechtspflegerin des Arbeitsgerichts Bonn.
4Der Klägerin war vom Arbeitsgericht Bonn mit Beschluss vom 2.5.2014 für die 1. Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Durch einen Rückbrief im Nachprüfungsverfahren und die nachfolgende Mitteilung des Einwohnermeldeamtes wurde dem Arbeitsgericht bekannt, dass die Klägerin seit dem 20.6.2014 nicht mehr unter der bisherigen Adresse wohnhaft ist und sich am 10.9.2014 beim Einwohnermeldeamt umgemeldet hatte. Eine Mitteilung an das Arbeitsgericht ist nicht erfolgt. Mit Beschluss vom 17.2.2015 hat das Arbeitsgericht daraufhin die Prozesskostenhilfe wegen unterlassener Mitteilung der Anschriftenänderung aufgehoben.
5Gegen den am 19.2.2015 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 10.3.2015 sofortige Beschwerde erhoben. Zur Begründung macht sie geltend, dass sie ihrem Prozessbevollmächtigten alle Änderungen der Anschrift mitgeteilt und sie sich darauf verlassen habe, dass dieser für eine ggf. erforderliche Weiterleitung an die zuständigen Stellen sorgt. Diese Darstellung hat der Prozessbevollmächtigte auf Nachfrage des Arbeitsgerichts mit Schreiben vom 17.03.2015 bestätigt. Ihm sei die neue Anschrift der Klägerin zwar mitgeteilt worden, er habe die Weitergabe an das Gericht unterlassen, weil ihm nicht bewusst gewesen sei, dass es sich um die neue Meldeanschrift gehandelt habe.
6Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 26.3.2015 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht vorgelegt. Zur Begründung wird geltend gemacht, dass die Klägerin persönlich zur Mitteilung verpflichtet gewesen wäre und überdies ihr das Verschulden des Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet werden müsse.
7II.
8Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 11 a Abs. 1 ArbGG zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 1 ArbGG liegen nicht vor.
9Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei entgegen § 120 a Abs. 2 Satz 1 ZPO dem Gericht die Änderung ihrer Anschrift absichtlich oder aus großer Nachlässigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.
101. Zwar ist die gesetzliche Mitteilungspflicht verletzt, denn der Wohnungswechsel, der bereits am 20.6.2014 erfolgt war und der zuständigen Meldebehörde am 10.9 2014 angezeigt wurde, ist dem Gericht nicht unverzüglich mitgeteilt worden. Über die entsprechende Mitteilungspflicht war die Klägerin auch durch einen besonderen Hinweis in dem von ihr am 4.4.2014 unterzeichneten Formular zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse belehrt worden.
112. Allerdings hat die Klägerin die ihr obliegenden Pflichten nicht „absichtlich“ oder aus „grober Nachlässigkeit“ verletzt.
12a) Die Klägerin hat sich dahingehend eingelassen, dass sie ihrem Prozessbevollmächtigten alle Änderungen der Anschrift mitgeteilt und sie sich darauf verlassen habe, dass dieser ggf. für eine Weiterleitung an die zuständigen Stellen sorgt. Dieses Vorbringen wird von dem Prozessbevollmächtigten in seinem Schreiben vom 17.03.2015 im Wesentlichen bestätigt. Mangels anderer Anhaltspunkte ist von diesem Sachverhalt auszugehen.
13b) Die Klägerin, die im Prozesskostenhilfeverfahren durch einen Anwalt vertreten war, konnte die prozessuale Mitteilungspflicht durch ihren Anwalt erfüllen und sich darauf verlassen, dass dieser die Anschriftenänderung dem Gericht mitteilt.
14Gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG gilt im arbeitsgerichtlichen Verfahren der Grundsatz, dass sich die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen kann. Das anwaltliche Mandat und die entsprechende Vollmacht (§ 81 ZPO) erstrecken sich auch auf das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren, denn es besteht ein Interesse der Partei, dass das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren in den Händen ihres Prozessbevollmächtigten zusammengeführt wird und dieser in die Lage versetzt wird, die notwendigen Schritte zu unternehmen (BGH 8.12.2010 – XII ZB 38/09 – MDR 2011,183 (Rn 24); ebenso BGH 8.9.2011 – VII ZB 63/10 – MDR 2011, 1314; BAG 19.7.2006 – 3 AZB 18/06 – juris; LAG Hamm 20.9.2013 – 14 Ta 160/13 – juris; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 81 Rn. 8; dazu auch Reckin AnwBl 2014, 322). Der Gesetzesbegründung zu der Neufassung des § 124 ZPO (vgl. BT-Drs. 17/11472 v.14.11.2012, S.33,34) lässt sich kein Hinweis dazu entnehmen, dass die prozessualen Pflichten gemäß §§ 120 a Abs. 2 Satz 1 ZPO, 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO unter Ausschluss der allgemeinen prozessualen Vertretungsmöglichkeit des § 79 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausgestaltet werden sollten.
153. Ob die Pflichtverletzung des Prozessbevollmächtigten, der die neue Anschrift nicht weitergeleitet hat, im Hinblick auf die notwendige Rechtskenntnis und Sorgfalt eines Anwalts als grob nachlässig i. S. v. § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu werten ist, kann offen bleiben (zum Begriff der groben Nachlässigkeit vgl. LAG Baden-Württemberg 10.6.2015 – 4 Ta 8/15 – juris). Sie wäre der Klägerin indes nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zuzurechnen.
16Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei grundsätzlich gleich. Die Vorschrift findet im Rahmen der §§ 120 a Abs. 2 Satz 1, 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO indes keine Anwendung.
17a) Die Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 ZPO im Prozesskostenhilfeverfahren ist umstritten, denn das Prozesskostenhilfeverfahren ist nicht als kontradiktorisches Verfahren ausgestaltet (die Anwendbarkeit ablehnend daher etwa OLG Düsseldorf 19.09.1985 - 9 WF 121/85 – juris; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 85 Rn. 11). Der BGH hat die Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 ZPO im Prozesskostenhilfeverfahren bejaht (BGH 12.06.2001 – XI ZR 161/01 – NJW 2001, 2720; dem folgend z.B. LAG Köln 28.11.2014 – 11 Ta 291/14 – juris; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 119 Rn. 60 b m. w. N.; Prütting/Gehrlein-Burgermeister, ZPO, 7. Aufl. 2015, § 85 Rn 9). Er hat allerdings offen gelassen, ob eine Ausnahme in Fällen zu machen ist, in denen der Antragsteller nicht dem Prozessgegner, sondern nur der Staatskasse gegenüber steht (BGH 12.06.2001 – XI ZR 161/01 – NJW 2001, 2720, Rn 12). Ob vor diesem Hintergrund die Vorschrift im Rahmen des gesamten Nachprüfungsverfahrens unangewendet bleiben muss, kann unentschieden bleiben.
18b) Jedenfalls im Rahmen der §§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, 120 a Abs. 2 Satz 1 ZPO ist eine Ausnahme vom Anwendungsbereich geboten.
19aa) Es ist anerkannt, dass die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO keine Anwendung findet auf Vorschriften, die strafähnlichen Charakter haben und bei denen es daher auf das Verschulden der Partei selbst ankommt (Prütting/Gehrlein-Burgermeister, ZPO, 7. Aufl. 2015, § 85 Rn 8; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 85 Rn 10). Solche Ausnahmefälle hat die Rechtsprechung etwa angenommen für den Fall des Verschuldens im Rahmen des § 141 Abs. 3 ZPO (BGH 22.06.2011 – I ZB 77/10 – NJW-RR 2011, 1363; ebenso Beck OK-ZPO/Piepenbrock, § 85 Rn. 16 a) oder für vorsätzliche oder grob fahrlässige falsche oder unvollständige Angaben im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO, die auf eigenmächtigen Änderungen des Bevollmächtigten beruhen (BGH 10.02.2011 - IX ZB 250/08 – NJW 2011, 1229). Der BGH begründet letztere Ausnahme mit der Erwägung, dass für die Sanktion gemäß § 290 Abs. 1 InsO (Versagung der Restschuldbefreiung) auf die Redlichkeit des Schuldners abzustellen sei. Ein vorsätzlich oder grob fahrlässiger Verstoß des Prozessbevollmächtigten gegen seine anwaltlichen Pflichten lasse keinen Rückschluss auf die Redlichkeit oder Unredlichkeit der Partei zu (BGH 10.02.2011 – IX ZB 250/08 – NJW 2011, 1229 Rn. 8).
20bb) Auch die Neufassung der Vorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hat „Sanktionscharakter“ (BT-Drs. 17/11472 v.14.11.2012, S.35; ebenso LAG Baden-Württemberg 10.6.2015 – 4 Ta 8/15 – juris, Rn 15; Natter FA 2014, 290 ff (291), Groß, Beratungshilfe/ Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 12. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 7. Aufl. 2014 Rn. 847). Vergleichbar der Sanktion des § 290 Abs. 1 InsO sollen auch bei § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO der unredlichen Partei, die absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit wesentliche Verbesserungen der wirtschaftlichen Verhältnisse oder eine Anschriftenänderung nicht mitteilt, die Vorteile der Prozesskostenhilfe entzogen werden. Folge ist, dass das Verschulden der Partei selbst maßgeblich sein muss. Für die Annahme, dass es auf die Redlichkeit der Partei selbst ankommt, deutet auch die Gesetzesbegründung. Die Erläuterungen zu der Neufassung des § 124 ZPO (vgl. BT-Drs. 17/11472 v.14.11.2012, S.34) geben an, dass die Belehrung über die Mitteilungspflicht und die bei einer Verletzung mögliche Sanktion auf dem Formular nach § 117 Abs. 2 Satz 3 ZPO erfolgen soll, damit sichergestellt sei, dass die Partei selbst Kenntnis nehmen könne, was etwa bei einem Hinweis in der Bewilligungsentscheidung, die ggf. dem beigeordneten Rechtsanwalt zugehe, nicht gewährleistet sei. Dies verdeutlicht das Anliegen des Gesetzgebers, die Sanktion des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO an die Pflichtverletzung der Partei selbst zu binden, die trotz persönlicher Belehrung untätig bleibt und damit ihre prozessualen Pflichten verletzt.
21Wenn aber im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO das eigene Verschulden der Partei maßgeblich ist, kommt die Zurechnung fremden Verschuldens gemäß § 85 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht (ebenso Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 7. Aufl., Rn. 836; im Ergebnis auch OLG Koblenz 03.07.1996 – 13 WF 649/96 - MDR 1997, 103 zum Sanktionscharakter des § 124 Nr. 2 ZPO (a.F.); a. M. LAG Düsseldorf 5.12.2014 – 2 Ta 555/14- Rn. 16).
224. Das Arbeitsgericht hat nunmehr gemäß §§ 572 Abs. 3 ZPO, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin und die von ihr vorgelegte Gehaltsmitteilung zu prüfen, ob eine Änderung der Bewilligung gemäß § 120 a Abs. 1 Satz 1 ZPO wegen einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlich ist.
23III.
24Der Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Prozesskostenhilfe-Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 17.03.2015– 5 Ca 1052/14 EU – aufgehoben.
1
G r ü n d e
2Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei entgegen § 120 a Abs. 2 Satz 1 ZPO dem Gericht die Änderung ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat.
3Der Verstoß gegen die Pflicht zur Anzeige der Anschriftenänderung muss mithin „absichtlich“ oder jedenfalls auf Grund „grober Nachlässigkeit“ erfolgt sein, um zu der Aufhebungssanktion zu führen. Schädlich ist somit nur direkter oder bedingter Vorsatz oder zumindest grobe Nachlässigkeit. Ist grobe Nachlässigkeit prozessual zu bewerten, so liegt eine solche erst dann vor, wenn die Prozesskostenhilfepartei ihre Pflicht in besonders schwerwiegender Weise verletzt hat. Sie muss also ohne jede prozessuale Sorgfalt etwas unterlassen haben. Sie muss die im Prozess erforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlichen, groben Maß verletzt haben und dabei dasjenige unbeachtet gelassen haben, was jeder Partei unmittelbar hätte einleuchten müssen. Sie muss somit ausnehmend sorglos gewesen sein (vgl. z. B. Baumbach § 296 ZPO Rn. 61 mit Nachweisen auch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Wegen des Sanktionscharakters ist bei der Prüfung des Verschuldens „Augenmaß zu bewahren“ (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg 10.06.2015 – 4 Ta 8/15 – Rn. 18). Das im Falle eines Umzugs die eine oder andere Stelle bei der Mitteilung der Anschriftenänderung übersehen wird, ist ein weit verbreitetes Phänomen, das als solches nicht unter den Begriff der groben Nachlässigkeit subsumiert werden kann (vgl. Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg a. a. O.). Zudem trifft die Prozesskostenhilfepartei nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes hinsichtlich des Fehlens eines Verschuldens keine Darlegungslast (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg a. a. O. Rn. 19 mit weiteren Nachweisen).
4Die Klägerin hat dargetan und eidesstattlich versichert, dass sie seit dem 10.07.2014 unter ihrer neuen Adresse in S gemeldet ist, dass sie die Mitteilung der Adressänderung zum 01.08.2014 am 29.06.2014 dem Gericht mit Hilfe ihres Lebensgefährten zugeschickt hat. Wegen der verschiedenen Umzüge habe sie vergessen, beim Gericht nachzufragen, ob der Brief eingegangen sei.
5Das Arbeitsgericht geht in seinem Nichtabhilfebeschluss selbst davon aus, dass möglicherweise das Schreiben auf dem Postweg verloren gegangen sei. Da die Klägerin in dem Schreiben dem Gericht aber eine Frist bis zum 09.07.2014 gesetzt habe, innerhalb derer das Schreiben vom Gericht zu bestätigen sei, habe sie nach fruchtlosem Ablauf das Gericht nochmals an die Erledigung müssen oder sich telefonisch mit dem Gericht in Verbindung setzen können. Spätestens dann wäre aufgefallen, dass das Schreiben nicht bei Gericht eingegangen sei.
6Diese Subsumtion entspricht nicht dem oben dargestellten Verschuldensmaßstab. Es kann – zumal im Umzugsstress – nicht als „grobe Nachlässigkeit“ angesehen werden, wenn eine Partei – auch wenn sie selbst um Bestätigung innerhalb einer bestimmten Frist gebeten hat – nicht nochmals telefonisch oder auf andere Weise bei dem Gericht nachfragt und sich den Eingang bestätigen lässt. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin zu der fraglichen Zeit gerade im „Umzugsstress“ war.
7Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.
(1) Kommen Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nach, mindert sich das Bürgergeld jeweils um 10 Prozent des für sie nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.
(2) § 31a Absatz 2 bis 5 und § 31b Absatz 1 und 3 gelten entsprechend. Der Minderungszeitraum beträgt einen Monat.
Die Vorschriften über die allgemeine Meldepflicht, § 309 des Dritten Buches, und über die Meldepflicht bei Wechsel der Zuständigkeit, § 310 des Dritten Buches, sind entsprechend anzuwenden.
(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
- 1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat; - 2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat; - 3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind; - 4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat; - 5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.