Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 17. Dez. 2015 - 11 Ta 318/15
Gericht
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 24.04.2015 – 2 Ca 644/14 – aufgehoben.
1
G r ü n d e
2Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
31. Der Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts ist nicht aus § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gerechtfertigt, denn die Klägerin hat die Änderung seiner Anschrift weder absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit nicht unverzüglich im Sinne des § 120 a Abs. 2 Satz 1 ZPO mitgeteilt.
4a) Aufgrund des Sanktionscharakters des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (vgl. hierzu: LAG Köln, Beschluss vom 22.06.2015 – 1 Ta 145/15 – m.w.N.) bedarf es nicht nur eines vorherigen Hinweises auf die Rechtsfolgen eines Pflichtverstoßes, sondern auch der positiven Feststellung eines absichtlichen oder wenigstens grob nachlässigen Verstoßes gegen die Mitteilungspflicht. Wegen des Sanktionscharakters ist bei der Prüfung des Verschuldens Augenmaß zu bewahren. Die subjektiven Tatbestandsmerkmale erfordern eine Verletzung der prozessualen Sorgfaltspflichten in besonders schwerwiegender Weise. Sie sind nicht bereits erfüllt, wenn der objektive Tatbestand vorliegt. Eine bloß unzureichende oder unterbliebene, weil vergessene Mitteilung einer Anschriftenänderung im Rahmen eines Umzugs genügt diesen Anforderungen nicht (LAG Köln, Beschluss vom 02.07.2015 – 11 Ta 164/15 - m.w.N.). Zudem trifft die Prozesskostenhilfepartei nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes hinsichtlich des Fehlens des Verschuldens keine Darlegungslast (LAG Köln, Beschluss vom 03.08.2015 – 4 Ta 148/15 – m.w.N.).
5b) Für den Streitfall ist lediglich der objektive Tatbestand der unterlassenen Mitteilung des vorübergehenden Umzugs zum Lebensgefährten trotz Hinweises im Erstbewilligungsbeschluss vom 17.03.2014 zur unverzüglichen Mitteilungspflicht im Falle der Anschriftenänderung festzustellen. Dem Arbeitsgericht ist nicht darin zu folgen, dass dies bereits die Annahme grober Nachlässigkeit rechtfertigt. Weitergehende Aspekte, die für das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsmerkmale sprechen könnten, sind weder vom Arbeitsgericht festgestellt noch sonst wie ersichtlich. Im Gegenteil hat die Klägerin im Beschwerdeverfahren glaubhaft dargetan, dass die Mitteilung der Anschriftenänderung versehentlich unterblieben ist. Sie war sowohl familiär aufgrund der Situation als alleinerziehende Mutter eines zweijährigen Kindes als auch beruflich durch Vorbereitung der Selbständigkeit als Mediengestalterin in besonderem Maße belastet, so dass ihr die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung der Adressänderung nicht präsent war. Die bloß versehentlich unterbliebene Mitteilung stellt aber keine Verletzung der prozessualen Sorgfaltspflichten in besonders schwerwiegender Weise dar.
62. Das Arbeitsgericht hat nunmehr gemäß §§ 572 Abs. 3 ZPO, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin und die von ihr Unterlagen zu prüfen, ob eine Änderung der Bewilligung gemäß § 120 a Abs. 1 Satz 1 ZPO wegen einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlich ist.
73. Der Beschluss ist unanfechtbar.
moreResultsText
Annotations
(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
- 1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat; - 2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat; - 3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind; - 4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat; - 5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.
(1) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. § 318 bleibt unberührt.
(2) Das Beschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so kann es dem Gericht oder Vorsitzenden, von dem die beschwerende Entscheidung erlassen war, die erforderliche Anordnung übertragen.
(4) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch Beschluss.