Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 02. Sept. 2015 - 11 Sa 357/15
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 05.02.2015– 8 Ca 3794/13 d – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Verpflichtung des beklagten Landes, den Kläger am Einstellungsverfahren für den Schuldienst teilnehmen zu lassen sowie über Schadenersatzansprüche.
3Der Kläger, der erfolgreich ein Lehramtsstudium in den Fächern Mathematik und Physik sowie den Referendardienst erfolgreich absolviert hat, war ab dem Oktober 1987 in der Privatwirtschaft als Schulungsmitarbeiter beschäftigt. Im Sommer 1994 nahm er den Schuldienst bei dem beklagten Land auf. An derselben Einsatzschule arbeitete auch seine geschiedene Ehefrau. Ihr Verhältnis war von jahrelangen Auseinandersetzungen gekennzeichnet. Der Kläger empfand deren finanziellen Forderungen als existenzvernichtend und entwickelte Wut und Hass über ihr Verhalten während und nach der Scheidung. Er deponierte ein explosives und brandgeneigtes Schwarzpulvergemisch in das Auto seiner geschiedenen Ehefrau und verband es mit der Zündung. Das Gemisch entzündete sich am 26.02.1998 auf dem Lehrerparkplatz, bei dem sowohl seine geschiedene Ehefrau als auch eine weitere Kollegin, die mit der die Ehefrau eine Fahrgemeinschaft gebildet hatte, ihr Leben verloren. Sie kamen infolge der sich entwickelnden Dämpfe und des Sauerstoffs in dem Fahrzeug um. Schüler nahmen den Brandgeruch und den Qualm wahr und rannten zu dem Tatort.
4Das Landgericht Köln verurteilte den Kläger wegen zweifachen Mordes zu lebenslanger Haft. Wegen der weiteren Einzelheiten der Feststellungen des Landgerichts Köln wird auf das Urteil vom 16.12.1998 – B. 111-15/98 – verwiesen.
5Mit Beschluss des Landgerichts Bonn vom 18.06.2012– 52 StVK 619/11 – wurde der Kläger nach der Verbüßung von 15 Jahren der Strafe am 25.02.2013 auf Bewährung aus der Strafhaft entlassen. Die Bewährungszeit wurde auf 5 Jahre festgesetzt. Zur Begründung nahm das Landgericht auf ein Prognosegutachten eines psychiatrischen Sachverständigen Bezug, wonach bei dem Kläger eine hinreichend günstige Legal- und Sozialprognose bestehe. Die durch die Tat hervorgetretene Gefährlichkeit bestehe nicht mehr fort. Es habe sich um ein singuläres Anlassdelikt in einer spezifischen Beziehungskonstellation gehandelt. Der Kläger habe sich tiefgreifend mit seiner damaligen Situation und der Verwerflichkeit seines Handelns auseinandergesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Feststellungen und der Begründung der Strafvollstreckungskammer wir auf den Beschluss vom 18.06.2012 (PKH-Heft erster Instanz Bl. 46 ff. d. A.) verwiesen.
6Das beklagte Land nahm den Kläger im September 2012 in die Bewerberdatei und das sog. Listenverfahren für ausgeschriebene Lehrerstellen im Online-Verfahren auf. Der Kläger wurde bei diversen Berufsschulen zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, eine Einstellung erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 22.08.2013 teilte das beklagte Land dem Kläger mit, dass er wegen der Verurteilung zur lebenslangen Haftstrafe bei Auswahlverfahren für ausgeschriebene Lehrstellen im öffentlichen Dienst als Bewerber nicht berücksichtigt werden könne. Zur Erläuterung wies das beklagte Land mit Schreiben vom 05.09.2013 unter anderem darauf hin, dass vor jeder Einstellung einer Lehrkraft in den öffentlichen Schuldienst ein erweitertes Führungszeugnis für die Arbeit im kinder- und jugendnahen Bereich vorgelegt werden müsse. Eintragungen seien nicht in jedem Fall hinderlich. Sei jedoch kurz- und mittelfristig nicht mit einer Tilgung des Registereintrags zu rechnen, so komme eine Einstellung grundsätzlich nicht in Betracht.
7Für die Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern in den öffentlichen Schuldienst werden auf der Grundlage des Runderlasses vom 09.08.2007 „Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern in den öffentlichen Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen“ in der jeweils aktuellen Fassung durch ergänzende Runderlasse Festlegungen zur Ausgestaltung des Ausschreibungs- und Listenverfahren sowie zum Bewerbungsverfahren getroffen. Nach Ziffer 3.3 d) des Runderlasses des Schulministeriums vom 16.01.2014 - insoweit inhaltsgleich mit dem vorhergehenden Runderlass vom 21.12.2012 und dem nachgehenden Runderlass vom 08.12.2014 - werden zum Einstellungsverfahren grundsätzlich keine Bewerber zugelassen, deren Nichteignung bereits festgestellt wurde.
8Mit Urteil vom 05.02.2015 hat das Arbeitsgericht Aachen (Bl. 54 ff. d. A.) den Antrag des Klägers auf Teilnahme an dem Einstellungsverfahren und Listenverfahren für den öffentlichen Schuldienst sowie die damit verbundene Schadenersatzklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger fehle aufgrund seiner Straftat die charakterliche Eignung für die Einstellung als Lehrer, er dürfe daher vom Bewerbungsverfahren ausgeschlossen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
9Gegen das ihm am 16.03.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.03.2015 Berufung eingelegt und diese am 14.04.2015 begründet.
10Der Kläger trägt vor, er sei auch charakterlich für die Ausübung des Lehrerberufs geeignet. Er habe seine Haftstrafe verbüßt und sei resozialisiert. Er nimmt Bezug auf die Prognose des psychiatrischen Sachverständigen, die Grundlage für die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn vom 18.06.2012 war. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es sich nicht um ein Delikt gehandelt habe, welches in Zusammenhang mit der Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen stehe. Das Landgericht Bonn habe auch kein Berufsverbot ausgesprochen. Die schematische Ablehnung seiner Bewerbung stelle eine pauschale Vorverurteilung eines Vorbestraften und die Missachtung seines Grundrechts auf Resozialisierung sowie seines Bewerberverfahrensanspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG dar. Zugleich werde er diskriminiert und sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt, weshalb das beklagte Land Schadenersatz in Höhe der mangels Einstellung unterbliebenen Vergütung ab Juni 2013 leisten müsse.
11Der Kläger beantragt,
12unter Abänderung des am 05.02.2015 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Aachen, Aktenzeichen8 Ca 3794/13 d,
13- 14
1. das beklagte Land zu verurteilen, dem Kläger Schadenersatz in Höhe von 7.200,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus 3.600,00 € ab dem 01.10.2013 abzüglich erhaltener Leistung nach dem SGB II;
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2. das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger am Einstellungsverfahren und Listenverfahren für den öffentlichen Schuldienst Sekundarstufe II, Mathematik und Physik, des Landes Nordrhein-Westfalen teilnehmen zu lassen und die Teilnahme an Ausschreibungen der Berufskollege nicht mit der Weisung zu unterbinden, dem Kläger würde die notwendige charakterliche Eignung fehlen;
- 18
3. das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger bis zur beantragten Einstellung in den öffentlichen Schuldienst monatlich 3.600,00 € zu jedem ersten des Folgemonats beginnend mit November 2013 zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2013 abzüglich erhaltener Leistung nach dem SGB II.
Das beklagte Land beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Das beklagte Land meint, es sei grundsätzlich berechtigt, ein eintragungsfreies Führungszeugnis für die erfolgreiche Teilnahme an dem Bewerbungsverfahren für den öffentlichen Schuldienst zu verlangen. Es bestehe derzeit ein zeitlich befristetes Einstellungshindernis, weil die Bewährungszeit noch andauere. Der Kläger besitze derzeit nicht die charakterliche Eignung für den öffentlichen Schuldienst. Jedenfalls habe der Kläger keinen Einstellungsanspruch, so dass er auch diesem Grund nicht die Zahlung von Vergütung als Schadenersatz beanspruchen könne.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 14.04.2015, 13.05.2015 und 07.08.2015, die Sitzungsniederschrift vom 02.09.2015 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und begründet.
25II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Bewerberverfahrensanspruch des Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG nicht verletzt ist und das beklagte Land keinen Schadenersatz schuldet. Das beklagte Land ist nicht verpflichtet, den Kläger für das Bewerbungsverfahren des öffentlichen Schuldienstes in den Fächern Mathematik und Physik, Sekundarstufe II, zuzulassen.
261. Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die ein öffentlicher Arbeitgeber mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt. Der unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Grundsatz der Bestenauslese dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt die Verfassungsnorm dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Beamten und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst steht deshalb bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlicher Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Daraus folgt angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren, insbesondere bei Begründung von Dienst- und Arbeitsverhältnissen (BAG, Urteil vom 19.05.2015 - 9 AZR 837/13 - m.w.N.).
272. Geeignet im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist. Der Begriff der Eignung erfasst Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften (BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 2 C 23/03 - m.w.N.). Zur Eignung gehören darüber hinaus die Fähigkeit und die innere Bereitschaft, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten (BAG, Urteil vom 20.05.1999 - 2 AZR 320/98 - m.w.N.). Begangene Straftaten können je nach des Lage des Falles einen Bewerber für den Schuldienst als ungeeignet erscheinen lassen, denn dem Lehrer obliegt die Aufgabe, die ihm anvertrauten Schüler über die reine Wissensvermittlung hinaus zu sozialer Verantwortung und Menschlichkeit, zur Achtung der Würde anderer und zu Eigenverantwortlichkeit zu erziehen und sie in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Begabung zu fördern (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.09.2009 - 6 B 1283/09 - m.w.N.). Das SchulG NRW bestimmt in § 2 Abs. 1, dass die Schule junge Menschen auf der Grundlage des Grundgesetztes und der Landesverfassung (LV) unterrichtet und erzieht. Die Schule verwirklicht die in Art. 7 der LV NRW bestimmten allgemeinen Bildungs- und Erziehungsziele. Hiernach ist das vornehmste Ziel der Erziehung die Ehrfurcht vor Gott, die Achtung vor der Würde des Menschen und das Wecken der Bereitschaft zum sozialen Handeln (Art. 7 Abs. 1 LV NRW). Gemäß § 7 Abs. 2 LV NRW soll die Jugend unter anderem im Geiste der Menschlichkeit erzogen werden. Damit ist der Lehrer nach dem umfassenden Bildungsauftrag der Schule nicht nur zur Vermittlung von Wissen, sondern auch zur Erziehung der Schüler verpflichtet. Er muss insbesondere die geistige und sittliche Entwicklung der ihm anvertrauten Schüler fördern und schützen (LAG Hamm, Urteil vom 08.05.2013 - 5 Sa 513/12 - m.w.N.). Er hat aufgrund seiner Vorbildfunktion die verfassungsrechtlich geschützte Werteordnung glaubhaft zu vermitteln (BVerwG, Urteil vom 19.08.2010 - 2 C 5/10 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.06.2012 - DL 13 S 155/12 - m.w.N.). Angestellte des öffentlichen Dienstes haben auch außerhalb des Dienstes die Rechtsordnung zu wahren. Sie treten unabhängig von der konkreten Dienstfunktion gegenüber der Öffentlichkeit als Repräsentanten des Staates auf. Der Staat hat hinsichtlich des menschlichen Lebens eine umfassende Schutzpflicht. Begeht ein vom Staat beschäftigter Angestellter ein vorsätzliches Tötungsdelikt ist es dem öffentlichen Arbeitgeber in der Regel unzumutbar, ihn (weiter) zu beschäftigen. Anderenfalls gerät der Staat in die Gefahr, in Ausübung seiner Schutzaufgabe gegenüber der Öffentlichkeit und seinen anderen Bediensteten unglaubwürdig zu werden (vgl. BAG, Urteil vom 08.06.2000 - 2 AZR 638/99 - m.w.N.).
283. Bei der Besetzung von Stellen des öffentlichen Dienstes ist auch der verfassungsrechtlich geschützte Resozialisierungsgedanke zu beachten. Die Resozialisierung eines Straftäters folgt aus dem Selbstverständnis einer Gemeinschaft, die die Menschenwürde in den Mittelpunkt ihrer Wertordnung stellt (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) verpflichtet ist. Der verurteilte Straftäter muss nach Verbüßung seiner Strafe die Chance erhalten, sich wieder in die Gemeinschaft einordnen zu können (grundlegend: BVerfG, Urteil vom 05.06.1973 – 1 BvR 536/72 -). Die Ausgestaltung der Regelungen des BZRG über die Erteilung von Führungszeugnissen, insbesondere hinsichtlich der Tilgungsfristen, beruht auf dem Resozialisierungsgedanken einer schnellen Wiedereingliederung von Straftätern in Beruf und Gesellschaft, wobei das Ziel der Resozialisierung stets mit den Interessen Dritter und dem Schutz ihrer Rechtsgüter abzuwägen ist (BGH, Urteil vom 11.07.2013 – III ZR 31/12 – m.w.N.). Die Regelungen des BZRG geben Aufschluss darüber, wann aus Sicht des Gesetzgebers der Resozialisierungsanspruch des früheren Straftäters Vorrang gegenüber dem Informations- und Verwertungsinteresse des öffentlichen Dienstherrn zukommt (vgl. BayVGH, Urteil vom 28.02.2006 - 7 B 05.2202 - m.w.N.).
294. Für den Streitfall bedeutet dies Folgendes:
30a) Das beklagte Land hat den Bewerberverfahrensanspruch durch die Nichtzulassung des Klägers zum Einstellungsverfahren (derzeit) nicht verletzt. Die Straftat des Klägers des zweifachen Mordes steht der einem Lehrer obliegenden Aufgabe unvereinbar gegenüber. Er hat aufs Schwerste die grundgesetzliche Ordnung verletzt, indem er anderen Menschen das Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 GG) nahm. Ein solches Verhalten ist im besonderen Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt des Lehrers bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Der Kläger verfügt nicht mehr über die berufserforderliche Integrität, um vorbildlich und glaubhaft den ihm anvertrauten Schülern die Achtung vor der Würde des Menschen und den Geist der Menschlichkeit zu vermitteln. Er ist daher für den Lehrerberuf im öffentlichen Schuldienst zur Unterrichtung minderjähriger Schüler nicht geeignet. Darüber hinaus könnte das beklagte Land seinen umfassenden Schutzauftrag nicht mehr glaubwürdig gegenüber Dritten vermitteln.
31b) Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht unter Berücksichtigung des Resozialisierungsgedankens geboten. Der Kläger verkennt bereits, dass er seine Strafhaft noch nicht verbüßt hat, sondern die Vollstreckung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe nur zur Bewährung ausgesetzt wurde. Seine Entlassung aus der Strafhaft erfolgte gemäß § 57a Abs. 1 Nr.1, Abs. 3 Satz 1 StGB auf Bewährung, die Bewährungszeit wird erst mit dem 25.02.2018 ablaufen. Die lebenslange Freiheitstrafe wird erst nach Ablauf der (erfolgreichen) Bewährung erlassen, sofern die Strafaussetzung nicht widerrufen wird, § 56g Abs.1, Abs. 2 StGB. Erst dann kann davon ausgegangen werden, der Kläger habe seine Strafe verbüßt. Darüber hinaus sprechen die gesetzgeberischen Wertungen des BZRG gegen die Annahme, seine Verurteilung sei im Rahmen der Prüfung der charakterlichen Eignung nicht mehr zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich bestimmt, dass Eintragungen über Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe nicht nach einer bestimmten Frist getilgt werden, § 45 Abs. 3 Nr. 1 BZRG. Er hat damit aufgrund der Schwere der Tat zu erkennen gegeben, dass in diesem Fall die Schutzinteressen der Gemeinschaft regelmäßig überwiegen. Lediglich ausnahmsweise kommt eine Tilgung der Eintragung nach Maßgabe des § 49 BZRG in Betracht. Dabei hat die Registerbehörde umfassend bezogen auf den Einzelfall abzuwägen zu prüfen, ob das öffentliche Interesse an der Vollständigkeit des Registers gegenüber dem Resozialisierungsanspruch des Täters zurücktreten muss. Ob im Falle einer Tilgung der Eintragung nach Erledigung der Strafvollstreckung die Straftat des Klägers unter Berücksichtigung der Wertung des § 51 Abs. 1 BZRG noch im Rahmen der Zulassung zur Bewerbung Beachtung finden könnte, war vorliegend nicht zu entscheiden.
32c) Die Schadenersatzklage des Klägers ist unzulässig, da sie mangels Angabe der anzurechnenden Sozialleistungen keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Darüber hinaus hat das beklagte Land – wie dargelegt - den Bewerberverfahrensanspruch des Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG nicht verletzt, so dass die Annahme eines Schadenersatzanspruch wegen der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach den §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB oder ein Anspruch aus den §§ 823 Abs. 2 BGB, Art. 33 Abs. 2 GG dem Grunde nach ausscheidet. Das beklagte Land hat nicht rechtswidrig gehandelt, sondern zu Recht den Kläger mangels Eignung nicht zum Bewerberverfahren zugelassen. Eine Persönlichkeitsverletzung des Klägers aufgrund rechtmäßiger Maßnahme wegen der Modalitäten des Handelns (vgl. hierzu: BAG, Urteil vom 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 – m.w.N.) der Nichtberücksichtigung ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der vom Kläger angesprochene Schadenersatz wegen Diskriminierung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG scheitert bereits daran, dass die Benachteiligung wegen der Verurteilung zu einer Strafhaft nicht zu den Benachteiligungsmerkmalen des § 1 AGG zählt. Darüber hinaus ist der vom Kläger geltend gemachte Schaden auch der Höhe nach nicht plausibel, denn selbst wenn das beklagte Land den Kläger zum Bewerberverfahren zugelassen hätte, steht damit noch nicht hinreichend fest, dass der Kläger angesichts der Dauer der strafbedingten Unterbrechung seiner Lehrertätigkeit unter Beachtung der Grundsätze fehlerfreier Auswahl überhaupt in den Schuldienst aufgenommen worden wäre (vgl. zum Schadensersatzanspruch eines unterlegenen Bewerbers: BAG, Urteil vom 19.02.2008 – 9 AZR 70/07 – m.w.N.).
33III Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
34IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.
35R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
36Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
37Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf§ 72a ArbGG verwiesen.
Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 02. Sept. 2015 - 11 Sa 357/15
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Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 02. Sept. 2015 - 11 Sa 357/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 18. Juli 2013 - 3 Sa 175/12 - aufgehoben.
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2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 20. September 2012 - 9 Ca 9189/12 - abgeändert.
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Die Klage wird abgewiesen.
-
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über das Recht der Klägerin, am Auswahlverfahren für die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle „Bereichsleiterin/Bereichsleiter ‚Recht‘“ teilzunehmen. Des Weiteren verlangt die Klägerin von der Beklagten, die ausgeschriebene Stelle bis zum Abschluss des Bewerbungsverfahrens nicht zu besetzen.
- 2
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Die Klägerin ist Assessorin des Rechts. Sie trat 2007 in den Dienst der Bundesagentur für Arbeit (BA), die sie im Jobcenter Bremen (Jobcenter) als Teamleiterin einsetzt. Das Jobcenter ist eine gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II, die von der BA und der Beklagten als kommunale Trägerin gebildet wird. Nach der von der Beklagten und der Agentur für Arbeit Bremen am 7. Dezember 2010 getroffenen „Gründungsbegleitende(n) Vereinbarung/Absichtserklärung in Bezug auf die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung nach § 44b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)“ (Gründungsbegleitende Vereinbarung) übertragen die beiden Trägerinnen dem Jobcenter mit der Zuweisung von Tätigkeiten in möglichst gleichem Umfang Planstellen zur Bewirtschaftung. Der Stellenplan für das Jahr 2012 weist die Stelle „Bereichsleiter/-in Recht“ der Beklagten als Trägerin zu. In der Vergangenheit tauschten die Beklagte und die BA Stellen oder überließen diese der jeweils anderen Trägerin zur Besetzung. Unter Nr. 1.4 der Gründungsbegleitenden Vereinbarung kamen die beiden Trägerinnen überein, dass den Mitarbeitern des Jobcenters die Karrierepfade des Jobcenters, aber auch die jeweiligen Karrierepfade ihrer „Herkunftsarbeitgeber“ offenstehen.
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Die zuständige Senatorin der Beklagten schrieb unter dem 30. März 2012 ressortintern eine dem „Amt für Soziale Dienste“ zugeordnete Stelle „einer/eines Bereichsleiterin/Bereichsleiters ‚Recht‘“ mit einem Einsatz „im Rahmen einer Zuweisung im Jobcenter“ aus, die mit Wirkung zum 1. Juni 2012 zu besetzen sei. Die Klägerin bewarb sich auf diese Stelle. Die Beklagte teilte ihr mit Schreiben vom 11. Mai 2012 mit, sie werde nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, da sich die Ausschreibung nur an Mitarbeiter der Beklagten richte.
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Anfang Juni 2012 hat das Arbeitsgericht der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, die ausgeschriebene Stelle bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens endgültig zu besetzen.
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Die Klägerin, die auch im Falle einer erfolgreichen Bewerbung an ihrem Beschäftigungsverhältnis mit der BA festhalten will, hat die Auffassung vertreten, sie sei durch den Ausschluss aus dem Bewerberkreis in ihrem verfassungsrechtlichen Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt. Bei einer Stelle, die Tätigkeiten für beide Trägerinnen des Jobcenters vorsehe, erlaube Art. 33 Abs. 2 GG eine trägerübergreifende Bewerbung mit der Folge, dass das Beschäftigungsverhältnis zur ursprünglichen Arbeitgeberin erhalten bleibe, der Mitarbeiter aber „auf der Stelle der anderen Trägerin“ beschäftigt werde. Dies folge ua. aus Nr. 1.4 der Gründungsbegleitenden Vereinbarung. Im Übrigen sei ein Stellentausch möglich, infolgedessen die ausgeschriebene Stelle in Zukunft von der BA bewirtschaftet werde.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, sie zum Bewerbungsverfahren betreffend die am 30. März 2012 ausgeschriebene Stelle des Bereichsleiters „Recht“ der Stadtgemeinde Bremen im Jobcenter Bremen zuzulassen und bis zum Abschluss des Bewerbungsverfahrens diese Stelle nicht endgültig mit einem anderen Bewerber zu besetzen.
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Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, die Klägerin gehöre als Mitarbeiterin der BA nicht zum Bewerberkreis, den sie zulässigerweise auf die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter beschränkt habe.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel, die Abweisung der Klage, weiter.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die Beklagte ist nicht gemäß Art. 33 Abs. 2 GG verpflichtet, die Klägerin am Auswahlverfahren für die zu besetzende Stelle zu beteiligen. Der Unterlassungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.
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I. Soweit die Beklagte erstmalig in der Revisionsinstanz rügt, die Klägerin habe die falsche Partei verklagt, übersieht sie, dass sich die Klage bei der gebotenen Auslegung nicht gegen den bremischen Staat, die Freie Hansestadt Bremen, sondern gegen die Beklagte, die Stadt Bremen, richtet.
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1. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind die Parteien in der Klageschrift anzugeben. Ist die Bezeichnung der beklagten Partei nicht eindeutig, ist diese durch Auslegung zu ermitteln (BAG 11. Juni 2013 - 9 AZR 668/11 - Rn. 9 mwN). Für die Parteistellung ist nicht allein die formale Bezeichnung einer Partei maßgeblich. Vielmehr kommt es darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Eine ungenaue oder unrichtige Parteibezeichnung ist unschädlich und kann jederzeit von Amts wegen berichtigt werden (BAG 21. Februar 2002 - 2 AZR 55/01 - zu II 1 a der Gründe).
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2. Diesen Grundsätzen gemäß richtete sich die Klage von Anfang an nicht gegen die Freie Hansestadt Bremen, sondern gegen die Beklagte. Das Rubrum war dementsprechend zu berichtigen.
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a) Nach Art. 64 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen führt der bremische Staat den Namen „Freie Hansestadt Bremen“. Die „Stadt Bremen“ und die „Stadt Bremerhaven“ bilden jede für sich eine Gemeinde des bremischen Staates (Art. 143 Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen).
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b) Nachdem die Beklagte im Rechtsverkehr mehrfach unter dem Namen „Freie Hansestadt Bremen“ aufgetreten ist - wie dies etwa das Rubrum der Gründungsbegleitenden Vereinbarung belegt -, hat die Klägerin sie in der Klageschrift vom 31. Mai 2012 mit eben diesem Namen bezeichnet. Die Bezeichnung ist zwar unrichtig. Die Klägerin hat jedoch eine auf Art. 33 Abs. 2 GG gestützte Konkurrentenklage erhoben, mit der sie die Teilnahme an dem Auswahlverfahren für die Besetzung der von der Beklagten ausgeschriebenen Stelle begehrt. Hierfür spricht entscheidend die der Klage als Anlage beigefügte Kopie der von der Beklagten gefertigten Stellenausschreibung vom 30. März 2012 (vgl. zur Auslegung des Rubrums im Kündigungsschutzprozess BAG 21. Februar 2002 - 2 AZR 55/01 - zu II 1 a der Gründe). In der Klageschrift setzt sich die Klägerin im Einzelnen mit der Personalkompetenz auseinander, die den Trägerinnen des Jobcenters zukommt. Da nicht die Freie Hansestadt Bremen, sondern allein die Beklagte kommunale Trägerin des Jobcenters ist, konnten bei objektiver Würdigung keine berechtigten Zweifel bestehen, dass sich die Klage gegen die Beklagte als ausschreibende Körperschaft richten sollte und nicht gegen die Freie Hansestadt Bremen, die in das Verfahren der Stellenvergabe nicht eingebunden ist.
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II. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Klägerin in das Auswahlverfahren für die zu besetzende Stelle einzubeziehen. Die Voraussetzungen, unter denen Art. 33 Abs. 2 GG einem Stellenbewerber ein Recht auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren garantiert, liegen im Streitfall nicht vor.
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1. Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter iSv. Art. 33 Abs. 2 GG sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die ein öffentlicher Arbeitgeber mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt. Der unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Grundsatz der Bestenauslese dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt die Verfassungsnorm dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Beamten und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst steht deshalb bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlicher Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Daraus folgt angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren. Dies gilt nicht nur für die Begründung von Dienst- und Arbeitsverhältnissen, sondern auch für den Zugang zu Beförderungsämtern und -stellen (vgl. BAG 6. Mai 2014 - 9 AZR 724/12 - Rn. 10). Sofern auf das Rechtsverhältnis Arbeitsrecht anzuwenden ist, richtet sich der grundrechtsgleiche Anspruch allein gegen denjenigen, der durch den Vertragsschluss, den der Bewerber im Wege der Konkurrentenklage erstrebt, rechtlich gebunden werden soll (vgl. zum Besetzungsanspruch BAG 11. Juni 2013 - 9 AZR 668/11 - Rn. 16). Soweit nicht bereits ein Beschäftigungsverhältnis besteht, kann der Bewerber den Bewerbungsverfahrensanspruch nur mit Erfolg geltend machen, wenn er bereit ist, in die Dienste des Arbeitgebers zu treten.
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2. Die Klägerin nimmt die Beklagte nicht als künftige Arbeitgeberin in Anspruch. Die Klägerin will an ihrem Arbeitsverhältnis mit der BA selbst für den Fall festhalten, dass die Beklagte am Ende des Auswahlverfahrens zu der Entscheidung gelangt, ihr die ausgeschriebene Stelle zu übertragen. Das für diese Übertragung erforderliche Arbeitsverhältnis mit der Beklagten lehnt die Klägerin ab. Eine gekreuzte Rechtsstellung in dem Sinne, dass die Klägerin auch zukünftig ein Arbeitsverhältnis zur BA unterhält und nach den bei dieser geltenden Bestimmungen vergütet wird, aber eine der Beklagten zugeordnete Stelle besetzt, liegt bereits der Rechtsfolge nach außerhalb des Schutzes, den Art. 33 Abs. 2 GG Stellenbewerbern gewährt. Der vertragsfernen Beklagten steht nicht die Befugnis zu, das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der BA zu ändern. Im Ergebnis bewirbt sich die Klägerin nicht um die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle, die ein Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten bedingt, sondern um eine Stelle, die eine Tätigkeit als „Bereichsleiterin Recht“ auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags mit der BA vorsieht. Dieses Begehren kann die Klägerin nicht auf Art. 33 Abs. 2 GG stützen. Der öffentliche Arbeitgeber ist auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gesicherten Bewerbungsverfahrensanspruchs nicht gehalten, eine den Vorstellungen des Bewerbers entsprechende Stelle zu schaffen. Im Übrigen könnte nicht die Beklagte, sondern allenfalls die BA die von der Klägerin begehrte Stelle zur Verfügung stellen. Gegen die BA richtet sich die Klage nicht.
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3. Soweit die Klägerin darauf verweist, es sei möglich, dass die Beklagte und die BA die ausgeschriebene Stelle tauschten, übersieht sie, dass die Beklagte einen solchen Stellentausch weder in Aussicht gestellt hat noch zu einem solchen verpflichtet ist. Die Klägerin hat keinerlei Gesichtspunkte benannt, die eine derartige Verpflichtung oder gar ein subjektives Recht der Klägerin auf einen Stellentausch nahelegten.
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4. Der Umstand, dass es sich bei dem Jobcenter um eine gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II und damit eine wegen Art. 91e Abs. 1 GG ausnahmsweise zulässige Form der Mischverwaltung handelt, gibt ebenso wenig ein anderes Ergebnis vor wie Nr. 1.4 der Gründungsbegleitenden Vereinbarung. Die Trägerinnen des Jobcenters, nicht aber das Jobcenter selbst sind Arbeitgeberinnen der dort eingesetzten Mitarbeiter. Soweit Nr. 1.4 der Gründungsbegleitenden Vereinbarung bestimmt, dass den Mitarbeitern die Karrierepfade des Jobcenters offenstehen, besagt dies nichts über die Voraussetzungen, unter denen Mitarbeiter, die im Dienst einer Trägerin stehen, Stellen, die der anderen Trägerin zugeordnet sind, übertragen werden. Nach § 44g Abs. 1 Satz 1 SGB II erfolgt die Zuweisung von Mitarbeitern der Träger mit Zustimmung der Geschäftsführerin oder des Geschäftsführers der gemeinsamen Einrichtung nach tarifrechtlichen Regelungen. Die Zuweisung aber setzt zwingend das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum zuweisenden Träger voraus.
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III. Der Teil des Antrags, mit dem die Klägerin die zeitweilige Unterlassung der Stellenbesetzung verlangt, fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat, handelt es sich hierbei um einen unechten Hilfsantrag, dessen Bescheidung sie nur für den Fall begehrt, dass sie mit dem Klageantrag, der sich auf die Zulassung zum Bewerbungsverfahren richtet, obsiegt. Dies ist nicht der Fall.
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IV. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.
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Brühler
Klose
Suckow
Merte
Martin Lücke
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
Tatbestand
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Der 1947 geborene Beklagte ist Lehrer im Dienst der Klägerin. 1976 wurde er zum Studienrat an Volks- und Realschulen in der Laufbahn des höheren Dienstes ernannt. Bis Ende August 2004 war er an einer Gesamtschule als Klassenlehrer für die Klassen 5 bis 10 tätig. Am 1. September 2004 wurde er wegen der hier in Rede stehenden Vorwürfe mit seinem Einverständnis in das Sportamt der Klägerin abgeordnet. Abgesehen vom vorliegenden Verfahren ist der Beklagte bisher weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.
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Das Amtsgericht ... verurteilte den Beklagten durch rechtskräftiges Urteil vom 14. April 2004 wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts hatte es der Beklagte unternommen, sich den Besitz von pornographischen Schriften zu verschaffen, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben und ein tatsächliches Geschehen wiedergeben.
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Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Aufgrund der Feststellungen des Amtsgerichts stehe fest, dass der Beklagte am 17. September 2002 auf der Festplatte seines privaten Computers kinderpornographische Dateien gespeichert gehalten habe. Durch dieses Dienstvergehen sei das dienstliche Vertrauensverhältnis zerstört worden. Außerdem habe es einen Ansehensverlust bewirkt, der so erheblich sei, dass eine Weiterverwendung des Beklagten das Ansehen des Berufsbeamtentums unzumutbar belasten würde.
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Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision, mit der er beantragt,
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die Urteile des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. Dezember 2008 und des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 10. Dezember 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist mit der Maßgabe der Zurückverweisung nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO begründet. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 65 Hamburgisches Disziplinargesetz
vom 18. Februar 2004, HmbGVBl S. 69). Das Berufungsgericht hat die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Entfernung aus dem Beamtenverhältnis aufgrund einer Bemessungsentscheidung bestätigt, die nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 und 2 HmbDG genügt. Da die Tatsachenfeststellungen im Berufungsurteil nicht ausreichen, um dem Senat eine abschließende Entscheidung über die Disziplinarklage zu ermöglichen, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO, § 65 Abs. 4 HmbDG).
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1. Der Beklagte hat durch den vorsätzlichen Besitz kinderpornographischer Schriften im Sinne von § 11 Abs. 3 StGB, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen (§ 59 Satz 3 HmbBG a.F. i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 2 HmbBG a.F.).
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a) Maßgeblich ist die Rechtslage zum Tatzeitpunkt, weil sich aus dem Inkrafttreten des Beamtenstatusgesetzes vom 17. Juni 2008 (BeamtStG, BGBl I S. 1010) am 1. April 2009 für den Beklagten kein materiellrechtlich günstigeres Recht ergibt (Urteile vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1, Rn. 33 und 51 bis 53 und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 83.08 - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen - juris Rn. 17).
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Der Beklagte hat das Dienstvergehen außerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten nicht in sein Amt und in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war (Urteil vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - a.a.O. Rn. 54). Er hatte die kinderpornographischen Dateien ausschließlich auf seinem privaten Computer abgespeichert.
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Das Verhalten eines Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert (§ 59 Satz 3 HmbBG a.F.). Besitzt ein Beamter vorsätzlich kinderpornographische Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB), so verstößt er gegen diese Pflicht.
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Ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes erfüllt den objektiven Tatbestand eines Dienstvergehens, wenn die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 81 Abs. 1 Satz 2 HmbBG a.F. erfüllt sind. Danach ist ein Verhalten eines Beamten außerhalb des Dienstes ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Verhaltens nach diesen Kriterien ist von der Bemessung der Disziplinarmaßnahme nach § 11 HmbDG zu unterscheiden. Zwar ist für die Beurteilung der Disziplinarwürdigkeit des Verhaltens nunmehr § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG maßgeblich, der die Beeinträchtigung des Ansehens des Beamtentums nicht mehr erwähnt. Dennoch ist § 81 Abs. 1 Satz 2 HmbBG a.F. heranzuziehen, weil die Regelung des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG gegenüber der zum Tatzeitpunkt geltenden Rechtslage kein für den Beamten günstigeres Recht geschaffen hat, auf das sich der Betroffene nach dem Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB berufen könnte (Urteil vom 25. März 2010 a.a.O. Rn. 14 bis 17). Bereits zum Tatzeitpunkt ging die Rechtsprechung bei der Auslegung des Merkmals "Ansehen des Berufsbeamtentums" davon aus, dass es insoweit allein um die Erhaltung eines allgemeinen Vertrauens in eine rechtsstaatliche Verwaltung geht (Urteil vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <26> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 23 zu § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F.). Die Beschränkung auf das Vertrauen in eine objektive, rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung hat der Gesetzgeber im Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG zum Ausdruck gebracht (BTDrucks 16/4027, S. 34 zu § 48).
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Grund für die Einfügung der besonderen Anforderungen für die Annahme eines außerdienstlichen Dienstvergehens in § 79 Abs. 1 HmbBG a.F. (später § 81 Abs. 1 HmbBG a.F.) durch das 14. Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Besoldungsgesetzes vom 29. März 1968 (HmbGVBl S. 45) war das Bestreben des Gesetzgebers, den Tatbestand des Dienstvergehens im Bereich außerdienstlichen Verhaltens von Beamten einzuschränken (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucks VI/945, S. 22 zu Art. 6 Nr. 2 unter Hinweis auf die Regelung des § 45 BRRG). Der geänderten Stellung der Beamten in der Gesellschaft, von denen außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten als von jedem Bürger erwartet wird, sollte Rechnung getragen werden (vgl. Urteile vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <23 und 26 f.> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 23 S. 22 und 25 und vom 25. März 2010 a.a.O. Rn. 15).
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Das Merkmal "in besonderem Maße" bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das für eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal "in bedeutsamer Weise" bezieht sich auf den "Erfolg" der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet (Urteil vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212 <219 f.> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 29 S. 40).
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Die Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinne (Dienstposten), d.h. auf die Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden Dienstpflichten, oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen (Urteile vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 - a.a.O. S. 25, vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 1 D 4.01 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 32 S. 53 f. und vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - a.a.O. Rn. 52).
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b) Das strafrechtlich geahndete außerdienstliche Dienstvergehen des Beklagten weist einen Bezug zu seinem Dienstposten auf. Der Dienstbezug ist gegeben, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die Dienstausübung in dem Amt im konkret-funktionellen Sinn zulässt oder den Beamten in der Dienstausübung beeinträchtigt. Dies ist der Fall, weil der außerdienstliche Besitz kinderpornografischer Schriften bei einem Lehrer einen Persönlichkeitsmangel indiziert, der Anlass zu Zweifeln an seiner Eignung gibt, der einem Lehrer als Dienstpflicht obliegenden Erziehungsaufgabe gegenüber den ihm anvertrauten Schülern jederzeit gerecht zu werden. Nach Bekanntwerden eines derartigen Fehlverhaltens ist ein Lehrer bei der Aufgabenwahrnehmung zumindest stark beeinträchtigt, weil er elementare Rechte gerade derjenigen Personengruppe verletzt hat, deren Schutz und Erziehung ihm als Dienstpflicht obliegt und anvertraut sind. Insoweit genügt die bloße Eignung, zu einem konkreten Ansehensschaden oder konkreten Übergriffen muss es nicht gekommen sein.
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Wer kinderpornographische Schriften besitzt (§ 184 Abs. 5 Satz 2 StGB a.F.), trägt durch seine Nachfrage nach solchen Darstellungen zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 176a Abs. 2 StGB) und damit zum Verstoß gegen ihre Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit bei. Der sexuelle Missbrauch eines Kindes ist in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Er greift in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Bildung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft, weil ein Kind wegen seiner fehlenden oder noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig das Erlebte in der Regel gar nicht oder nur schwer verarbeiten kann. Zudem degradiert der Täter die sexuell missbrauchten kindlichen Opfer zum bloßen auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde oder Erregung (Urteile vom 6. Juli 2000 - BVerwG 2 WD 9.00 - BVerwGE 111, 291 <294 f.> = Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 33 S. 25 und vom 25. September 2007 - BVerwG 2 WD 19.06 - Buchholz 450.2 § 38 WDO Nr. 23 S. 19).
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Ein Lehrer ist nach dem umfassenden Bildungsauftrag der Schule nicht nur zur Vermittlung von Wissen, sondern auch zur Erziehung der Kinder verpflichtet. Er muss insbesondere die geistige und sittliche Entwicklung der ihm anvertrauten Kinder fördern und schützen. Zudem muss der Lehrer in seiner Vorbildfunktion die verfassungsrechtlich geschützte Wertordnung glaubhaft vermitteln. Der Besitz von Schriften, die den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, ist mit diesem Bildungsauftrag der Schule unvereinbar und lässt dessen Erfüllung durch den Beamten zweifelhaft erscheinen.
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2. Die Bemessungsentscheidung des Berufungsgerichts verstößt gegen § 11 Abs. 1 und 2 HmbDG.
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a) Die Verwaltungsgerichte erkennen aufgrund einer eigenen Bemessungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 und 2 HmbDG auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme, wenn sie nach umfassender Sachaufklärung (§ 54 HmbDG sowie § 86 Abs. 1 und 2 VwGO) zu der Überzeugung gelangen, dass der Beamte die ihm in der Disziplinarklageschrift zur Last gelegten dienstpflichtwidrigen Handlungen begangen hat, und dem Ausspruch der Disziplinarmaßnahme kein rechtliches Hindernis entgegensteht (§ 56 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 HmbDG). Sie sind dabei an die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Wertungen des klagenden Dienstherrn nicht gebunden (Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 11 und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 83.08 - juris Rn. 9 sowie Beschluss vom 14. Juni 2005 - BVerwG 2 B 108.04 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 S. 2).
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Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 HmbDG nach der Schwere des Dienstvergehens sowie nach dem gesamten dienstlichen und außerdienstlichen Verhalten des Beamten. Den Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe hat der Senat in den Urteilen vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - (BVerwGE 124, 252 <258 ff.> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 Rn. 21 ff.) und vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - (a.a.O. Rn. 13 ff.; seitdem stRspr) näher bestimmt. Danach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 HmbDG die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens.
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Aus § 11 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 1 bis 10 HmbDG folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums zu gewährleisten (Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 16).
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b) Für das außerdienstlich begangene Dienstvergehen des Besitzes kinderpornographischer Schriften scheidet eine Regeleinstufung, wie sie in der Rechtsprechung für schwerwiegendes innerdienstliches Fehlverhalten entwickelt worden ist (Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 20 m.w.N.), aus. Danach kommt regelmäßig die Entfernung aus dem Dienst (bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts) dann in Betracht, wenn die Schwere des innerdienstlichen Dienstvergehens das für die weitere dienstliche Tätigkeit notwendige Vertrauensverhältnis endgültig zerstört hat (z.B. Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 Rn. 28). Im Bereich der Sexualdelikte hat der Senat den mit Freiheitsstrafe geahndeten außerdienstlichen sexuellen Missbrauch eines Kindes (§ 176 Abs. 1 StGB) als derart schwerwiegend erachtet, dass die Höchstmaßnahme indiziert ist, wenn es insgesamt an hinreichend gewichtigen entlastenden Umständen fehlt (Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 83.08 - a.a.O.) Anders als bei einem solchen unmittelbaren Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung ist beim Besitz kinderpornografischer Schriften eine Regeleinstufung nicht angezeigt, weil die Variationsbreite der jeweiligen Schwere der außerdienstlichen Verfehlung zu groß ist. Dies gilt auch für die Fälle, in denen das strafbare Verhalten einen Bezug zu den dienstlichen Pflichten des Beamten aufweist. Maßgeblich für die Maßnahmebemessung ist hier ebenfalls die jeweilige Strafandrohung unter Berücksichtigung des Dienstbezugs der Pflichtverletzung des Beamten. Denn durch die Strafandrohung bringt der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck, die bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme als Orientierungsrahmen dient. Das Ausmaß des Ansehensschadens, der durch eine außerdienstlich begangene Straftat herangerufen wird, wird maßgeblich durch den Strafrahmen bestimmt. Die Anknüpfung an den Strafrahmen gewährleistet auch insoweit eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarrechtliche Ahndung von Dienstvergehen. Die Verwaltungsgerichte dürfen ihre eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts nicht an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen, wenn sie den Strafrahmen für unangemessen niedrig halten. Ebenso wie bei einer Regeleinstufung sind die Verwaltungsgerichte auch bei der Bestimmung eines Orientierungsrahmens gehalten, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden.
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Für die Bestimmung des Orientierungsrahmens ist der zum Tatzeitpunkt geltende Strafrahmen maßgeblich. Nachträgliche Verschärfungen können nicht rückwirkend für die Beurteilung des zuvor begangenen Dienstvergehens herangezogen werden. Deshalb bleibt hier das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3007) unberücksichtigt, mit dem der Gesetzgeber den Strafrahmen für das Vergehen des Besitzes kinderpornographischer Schriften von einem auf zwei Jahre Freiheitsstrafe erhöht hat. Auszugehen ist hier von der zum Tatzeitpunkt geltenden Strafandrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe (§ 184 Abs. 5 StGB a.F.). Das Ausmaß des Ansehensschadens, der durch eine außerdienstlich begangene Straftat hervorgerufen wird, wird maßgeblich durch diesen Strafrahmen bestimmt, so dass bei Fehlen jeglichen Dienstbezuges allenfalls eine Disziplinarmaßnahme im unteren Bereich in Betracht käme. Unter Berücksichtigung der dienstlichen Pflichten eines Lehrers hinsichtlich des Schutzes von Kindern und wegen des mit dem Dienstvergehen gerade bei einem Lehrer einhergehenden Autoritätsverlustes ist jedoch eine andere Einordnung gerechtfertigt. Diese bewegt sich im Regelfall auf der Ebene der Zurückstufung (§ 7 HmbDG) im Sinne eines Orientierungsrahmens.
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Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass unter der Geltung der erhöhten Strafandrohung des § 184b Abs. 5 StGB in den Fällen des Besitzes kinderpornographischer Schriften deshalb angesichts der Dienstpflichten von Lehrern der Orientierungsrahmen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist.
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3. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts reichen für eine Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme durch den Senat nicht aus:
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Nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil hat der Beklagte nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts ... berichtet, er habe gegenüber seiner Kollegin S. angekündigt, testen zu wollen, ob Schüler im Internet leicht an Kinderpornographie kommen können, und habe dieser Kollegin auch mitgeteilt, dass dies nicht der Fall sei. Diesen Behauptungen des Beklagten hat das Berufungsgericht Bedeutung sowohl für die Frage der Kenntnisnahme des Beklagten von den herunter geladenen kinderpornographischen Dateien als auch für die subjektive Tatseite beigemessen. Insoweit hat das Berufungsgericht die Lösung von den Feststellungen des Amtsgerichts ausdrücklich abgelehnt. Dabei hat es zwar die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Lösung von den Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils angeführt, hat sie aber nicht vollständig verwertet. Danach kommt eine Lösung von den tatsächlichen Feststellungen auch in Betracht, wenn neue Beweismittel vorgelegt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen, und nach denen die Tatsachenfeststellungen jedenfalls auf erhebliche Zweifel stoßen (Urteile vom 29. November 2000 - BVerwG 1 D 13.99 - BVerwGE 112, 243 <245> und vom 16. März 2004 - BVerwG 1 D 15.03 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 36 und Beschluss vom 24. Juli 2007 - BVerwG 2 B 65.07 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 4 Rn. 11). Diese Formulierung entspricht der dem § 18 Abs. 1 BDO nachgebildeten Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 HmbDG, die im Gegensatz zu § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG die "offenkundige Unrichtigkeit" der Feststellungen nicht voraussetzt.
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Die Bindungswirkung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 HmbDG schließt zudem eine vom Strafgericht abweichende Würdigung aus. Dennoch hat das Berufungsgericht die vom Beklagten behaupteten Tatsachen zu den Gesprächen mit seiner Kollegin als wahr unterstellt und sodann als Schutzbehauptung gewürdigt. Er habe diese Erklärungen gegenüber Frau S. nur abgegeben, um im Falle der Entdeckung eine Entlastungszeugin für die von ihm behauptete Motivation für die Suche nach Kinderpornographie im Internet präsentieren zu können.
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Bei dieser Würdigung hat das Berufungsgericht zudem den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass der Einzelne nicht bloßes Objekt des gerichtlichen Verfahrens ist. Der Verfahrensbeteiligte soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>). Zwar verlangt Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; ihm ist auch keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts zu entnehmen (BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 1984 - 1 BvR 272/81 - BVerfGE 66, 116 <147>). Der Schutz vor einer Überraschungsentscheidung verlangt aber, dass die Beteiligten erkennen können, auf welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte es für die Entscheidung nach Ansicht des Gerichts ankommt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2007 - 1 BvR 1086/07 - FamRZ 2008, 244 Rn. 21).
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Nach diesen Grundsätzen war das Berufungsgericht gehalten, den Beklagten zu den Beweggründen der als wahr unterstellten Gespräche mit der Kollegin Frau S. anzuhören und ihm die eigene Würdigung, es handele sich um eine Schutzbehauptung, vorzuhalten. Dies gilt gerade angesichts des Umstands, dass der Beklagte in der Berufungsverhandlung umfangreich befragt worden ist und dabei auch die Gespräche mit der Kollegin Frau S. erwähnt worden sind. Aus diesem Verhalten des Gerichts konnte und musste der Beklagte schließen, das Berufungsgericht habe ihn zu allen aus gerichtlicher Sicht maßgeblichen Aspekten des Falles befragt, zu denen er persönlich Auskunft geben könnte. Die Behauptungen des Beklagten zum Hintergrund seiner Gespräche mit der Kollegin Frau S. waren infolge der Wahrunterstellung nicht mehr Gegenstand der Berufungsverhandlung. Mit der vom Berufungsgericht im Urteil vorgenommenen Würdigung seines Vorbringens musste der Beklagte nach diesem Verlauf der Berufungsverhandlung aber nicht rechnen.
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4. Sollte das Berufungsgericht bei seiner neuen Bemessensentscheidung nach § 11 HmbDG zu dem Ergebnis kommen, angemessene Disziplinarmaßnahme sei die Zurückstufung des Beklagten nach § 7 HmbDG, so wäre diese aus laufbahnrechtlichen Gründen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 HmbDG ausgeschlossen. Der Beklagte befindet sich nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil noch in seinem Eingangsamt. Der Hamburgische Gesetzgeber hat zwar bei der Neuordnung des Laufbahnrechts nur noch zwei Laufbahngruppen vorgesehen. Für den Bereich des Disziplinarrechts hat er aber von der damit verbundenen Ausweitung der Möglichkeiten der Zurückstufung Abstand genommen und diese auf das jeweilige Eingangsamt begrenzt (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucks 19/3757, S. 78 f.).
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Kommt allein deshalb die Kürzung der Dienstbezüge nach § 6 HmbDG als nächstmildere Maßnahme in Betracht, so sind die besonderen Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 HmbDG stets erfüllt (Urteil vom 19. August 2010 - BVerwG 2 C 13.10 - zur Veröffentlichung bestimmt).
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Nach § 17 Abs. 4 und 5 HmbDG ist eine Ahndung des Dienstvergehens des Beklagten mit einer Kürzung der Dienstbezüge noch möglich.
Tenor
Die Berufung des Beamten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg - Disziplinarkammer - vom 28. November 2011 - DL 10 K 949/10 - wird zurückgewiesen.
Der Beamte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Die Klägerin macht im Zusammenhang mit Vermögensanlageverträgen, die sie im Zeitraum vom 15. Mai 2001 bis zum 16. November 2006 mit dem Handelsvertreter F. geschlossen hat, Schadensersatzansprüche gegen die beklagte D. AG geltend.
- 2
- Die Beklagte gehört zur A. Versicherungsgruppe. Sie hat mit dieser sowie deren Muttergesellschaft G. und anderen konzernzugehörigen Gesellschaften Handelsvertreterverträge geschlossen, aufgrund derer sie für diese Gesellschaften Versicherungsverträge und Kapitalanlagen aller Art vermittelt. Die Beklagte ist in hierarchisch aufgebaute Unterorganisationen - sogenannte Direktionen - strukturiert. Die einer Direktion zugeordneten Partner - sogenannte Vermögensberater - sind selbständige Handelsvertreter. Sie vermitteln für die Beklagte Produkte der genannten Partnergesellschaften.
- 3
- Zu diesen Handelsvertretern zählte - jedenfalls ab 1998 bis zu seinem Tod im Jahr 2007 - auch F. , dem für seine Tätigkeit von der Beklagten verschiedene Werbemittel, insbesondere ein Briefpapier mit dem Logo der Beklagten zur Verfügung gestellt wurden. F. war am 25. August 1993 zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Betruges verurteilt worden. Der Beklagten, die entgegen ihrer Einstellungspolitik in diesem Fall kein polizeiliches Führungszeugnis eingeholt hatte, war dies nicht bekannt. Im Februar 2001 wurde F. in einer Broschüre der Beklagten als "Gruppenleiter des Monats" vorgestellt. Er firmierte in I. unter der Bezeichnung "Deutsche Vermögensberatung - G. F. ".
- 4
- Nach dem Vortrag der Klägerin lernte sie F. über eine ehemalige Arbeitskollegin kennen, die für F. gearbeitet habe. Da sie sich für eine Versicherung interessiert habe, sei ein Termin mit F. vereinbart worden, der Anfang 2001 stattgefunden habe. F. , der in seiner Eigenschaft als Leiter der Geschäftsstelle der Beklagten an sie herangetreten sei, habe erklärt, er habe aufgrund seiner Einstufung in der Hierarchie der Beklagten die Möglichkeit, über die Beklagte in größerem Umfang auf für die Beklagte eingerichteten Konten bei der S. Bank größere Geldbeträge zu äußerst hohen Zinsen anzulegen. Er habe ihr angeboten, mit ihr Anlageverträge abzuschließen, bei denen er hohe Zinsen von bis zu 10 % zusichern könne. Sie, die Klägerin, habe daher am 15. Mai 2001 und 11. November 2004 in den als Geschäftsstelle der Be- klagten gekennzeichneten Büroräumen des F. Anlageverträge unterzeichnet, deren Laufzeit - teilweise unter Aufstockung des Anlagebetrags - in jährlichen Folgeverträgen, zuletzt vom 30. Mai 2007 (betreffend den Vertrag vom 15. Mai 2001) beziehungsweise 15. November 2006 (betreffend den Vertrag vom 11. November 2004) verlängert worden sei. Das anzulegende Geld habe sie F. am 14. Mai 2001, 11. November 2004, 15. Mai 2005 und 16. November 2006 bar übergeben. In den Verträgen wurden die Klägerin als Kunde und F. als Anleger aufgeführt; sie wiesen im rechten Teil der Kopfzeile das Logo der Beklagten auf. Inhaltlich versprach F. der Klägerin darin jeweils eine in einem bestimmten Anlagezeitraum mit jährlich zwischen 8,85 % und 10,15 % zu verzinsende Anlage. Dabei sollte das Anlagekapital bis zum jeweiligen Ablaufdatum der Anlage auf ein Sonderkonto der S. Bank überwiesen werden. Tatsächlich habe F. das Geld nie bei der S. Bank einbezahlt und die Kunden der Beklagten lediglich über eine solche Anlagemöglichkeit getäuscht. Wohin F. das durch Betrug erlangte Geld geschafft habe, sei unklar.
- 5
- Das Landgericht hat die auf Zahlung von insgesamt 46.553,20 € nebst Zinsen sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihre Hauptforderung auf 46.032,88 € reduziert.Das Oberlandesgericht hat ihre Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in dem in zweiter Instanz geltend gemachten Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
- 6
- Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 7
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin Ansprüche gegen die Beklagte weder aus Vertrag oder Delikt noch wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung zu.
- 8
- Eine Haftung aus einem neben den Anlageverträgen zwischen der Klägerin und der Beklagten zustande gekommenen Beratungs- oder Vermittlungsvertrag scheide aus, da Inhalt eines solchen Vertrages allenfalls die Beratung zu Vermögensanlagen bei Dritten, wie zum Beispiel Fondsgesellschaften oder Versicherungen, die die Beklagte üblicherweise vertreibe, gewesen sei. Als F. empfohlen habe, das Geld nicht Dritten zu geben, sondern ihm persönlich, habe er für die Klägerin ohne weiteres erkennbar nicht mehr im Rahmen eines Beratungsvertrags zwischen der Klägerin und der Beklagten, sondern im eigenen Namen gehandelt. Eine vertragliche Haftung der Beklagten für F. als deren Erfüllungsgehilfen scheide aus, da die Pflichtverletzungen des F. in keinem inneren sachlichen Zusammenhang zu den Aufgaben gestanden hätten, zu deren Wahrnehmung die Beklagte ihn bestellt habe. Er habe auf der Grundlage eines völlig von der Beklagten losgelösten Anlagemodells auf eigene Haftung in die eigene Tasche gewirtschaftet.
- 9
- Auch eine Haftung der Beklagten im Wege der Zurechnung des Verhaltens des F. analog §§ 30, 31 BGB komme nicht in Betracht, da dieser nicht als Repräsentant der Beklagten tätig gewesen sei. Er sei weder inkassobefugt noch abschlussberechtigt gewesen. Auch habe er innerhalb der Struktur der Beklagten weder eine wesensmäßige Funktion gehabt noch sei er als Führungskraft geführt worden. Die Handlungen des F. seien der Beklagten im Wege der Repräsentantenhaftung auch deshalb nicht zuzurechnen, weil sie nicht "in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen" begangen worden seien. Beim Abschluss von Anlageverträgen im eigenen Namen, mit eigener Haftung und mit freier Hand bei der Geldanlage - also Anlage ohne Vermittlung von Produkten der Beklagten - handele ein Vermögensberater für jeden Außenstehenden erkennbar außerhalb des allgemeinen Rahmens der ihm übertragenen Aufgaben.
- 10
- Eine Haftung der Beklagten aus culpa in contrahendo scheide aus, da der Beklagten keine Pflichtverletzung im Zusammenhang mit den Anlageverträgen aus den Jahren 2001 bis 2006 zum Vorwurf gemacht werden könne. Zwar bestehe für eine Vermögensberatungsgesellschaft wie die Beklagte grundsätzlich die Pflicht, gemäß ihrer selbst propagierten Einstellungspolitik jedenfalls dann, wenn sie einen einschlägig vorbestraften Vermögensberater beschäftige, potentielle Kunden auf das damit einhergehende "Gefahrenrisiko" hinzuweisen, da sie diese dessen Einfluss ausgesetzt habe. Eine solche Hinweispflicht habe jedoch vorliegend nach Ablauf der in Bezug auf die Verurteilung des F. vom 25. August 1993 gemäß § 34 BZRG geltenden siebenjährigen Tilgungsfrist und damit spätestens seit Ende August 2000 nicht mehr bestanden. Ab diesem Zeitpunkt habe die Vorstrafe nicht mehr in einem Führungszeugnis erscheinen dürfen; danach sollte sie mithin keine nachteiligen Folgen mehr für den Verurteilten und Weiterungen bezüglich Dritter zeitigen. Die streitgegenständlichen Verträge seien nach diesem Zeitpunkt geschlossen worden. Vorkontakte mit F. habe es unstreitig nicht gegeben.
II.
- 11
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
- 12
- 1. Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus einem zwischen der Klägerin und der Beklagten zustande gekommenen Beratungs- oder Vermittlungsvertrag unter dem Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit für das Handeln des F. als Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB verneint hat. Es hat in jedenfalls vertretbarer tatrichterlicher Würdigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls angenommen, dass F. - für die Klägerin erkennbar - nicht mehr im Rahmen eines Beratungsvertrags zwischen der Klägerin und der Beklagten handelte und seine Pflichtverletzungen in keinem inneren Zusammenhang zu den Aufgaben standen, zu deren Wahrnehmung die Beklagte ihn bestellt hatte.
- 13
- Zwar dürfte das nach dem - von der Revision in Bezug genommenen - Klägervortrag (Klageschrift vom 26. November 2009, S. 8 f; Schriftsatz vom 25. November 2011, S. 3 f) von F. der Klägerin zunächst empfohlene Anlagemodell aus Sicht der Klägerin noch im Bereich des F. von der Beklagten übertragenen Aufgabenbereichs gelegen haben. Danach erläuterte F. der Klägerin, er habe aufgrund seiner Einstufung in der Hierarchie der Beklagten die Möglichkeit, über die Beklagte Gelder auf einem für die Beklagte eingerichteten Konto bei der S. Bank hochverzinslich anzulegen. Er dürfe dieses exklusive Produkt der Beklagten seinen Kunden unterbreiten. Es sei ein besonderes Anlagekonzept, welches die Beklagte exklusiv für Kunden ihrer Führungskräfte anbiete. Das Geld werde bei der S. Bank aus internen Gründen der Beklagten separiert unter seinem Namen angelegt. Es bestehe kein Risiko, weil für die Anlage sowohl die Beklagte als auch er persönlich hafteten. Auf der Grundlage dieses Sachvortrags empfahl F. der Klägerin ein Produkt der Beklagten und handelte im Rahmen eines - vom Berufungsgericht unterstellten - Anlageberatungsvertrags als deren Erfüllungsgehilfe.
- 14
- Eine Haftung der Beklagten wegen Verletzung eines zwischen ihr und der Klägerin bestehenden Anlageberatungsvertrags durch F. als Erfüllungsgehilfen setzt jedoch voraus, dass nicht nur das von F. der Klägerin empfohlene Anlagemodell, sondern auch die tatsächlich unterzeichneten Anlageverträge noch im Bereich des F. von der Beklagten übertragenen Aufgabenbereichs lagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die von F. der Klägerin vorgelegten , einfach strukturierten und übersichtlichen Anlageverträge wichen vielmehr - für die Klägerin erkennbar - in wesentlichen Punkten von dem zuvor vorgestellten Anlagemodell ab. Aus ihnen ergab sich allein die persönliche Haftung des F. und nicht - entgegen dessen vorheriger Darstellung - auch eine Haftung der Beklagten für die Anlage. Die Beklagte wurde darin vielmehr, abgesehen von ihrem Logo auf den verwandten Papierbögen, nicht erwähnt. Zudem wurde in den Verträgen nicht die von F. erläuterte Anlage bei der S. Bank vereinbart, sondern im Gegenteil F. die Anlageform freigestellt. Damit fanden sich die wesentlichen Bezugspunkte zur Beklagten und ihrem angeblichen, von F. zuvor empfohlenen Anlagekonzept in dem Vertrag nicht wieder. Im Unterschied hierzu ist in dem Sachverhalt, der dem von der Revision herangezogenen Urteil des Senats vom 7. Mai 1998 (III ZR 268/96, BGH NJW-RR 1998, 1342) zugrunde lag, eine Abweichung des Anlagevertrags von dem zuvor empfohlenen Anlagegeschäft nicht erkennbar.
- 15
- Die Feststellung des Berufungsgerichts, F. habe - für die Klägerin erkennbar - nicht mehr im Rahmen eines Beratungsvertrags zwischen der Klägerin und der Beklagten gehandelt, hält sich nach alledem in den Grenzen tatrichterlicher Würdigung.
- 16
- 2. Das Berufungsgericht hat des Weiteren zu Recht und mit zutreffender Begründung eine Zurechnung des (betrügerischen) Fehlverhaltens des F. unter dem Aspekt der Repräsentantenhaftung analog §§ 30, 31 BGB verneint. Weder ist eine Repräsentantenstellung des F. in Bezug auf die Beklagte gegeben noch wurden die den Schaden der Klägerin verursachenden Handlungen des F. "in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen" begangen. Insoweit wird auf die denselben Handelsvertreter und vergleichbare Anlageverträge betreffende Entscheidung des Senats vom 14. März 2013 (III ZR 296/11, WM 2013, 692 Rn. 11 ff, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) Bezug genommen.
- 17
- Aus der von der Revision angeführten Entscheidung des VII. Zivilsenats vom 30. Oktober 1967 (VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19) ergibt sich nichts anderes. Dort wird eine Repräsentantenstellung für einen Handelsvertreter angenommen , der ein Büro der von der dortigen Beklagten betriebenen Auskunftei als "Einmannbetrieb" völlig selbständig in dem Sinne leitete, dass er mit der selbständigen Erledigung von wesensmäßigen Aufgaben der Auskunftei im Wege der Erteilung von Auskünften betraut war (BGH aaO S. 22). Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich. Denn F. war mangels Abschlussvollmacht gerade nicht die selbständige Erledigung von wesensmäßigen Aufgaben der Beklagten übertragen.
- 19
- Handelsvertreter sind grundsätzlich selbständige Gewerbetreibende (§ 84 HGB) und nicht Verrichtungsgehilfen des Unternehmers, für den sie tätig werden (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1979 - I ZR 140/77, NJW 1980, 941; Senat, Urteil vom 5. März 1998 - III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, 1857). Die Eigenschaft eines Verrichtungsgehilfen kommt für sie nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sie bei Ausübung der Tätigkeiten weisungsgebunden und von dem Unternehmer abhängig sind (Senat aaO; BGH, Urteil vom 5. Oktober 1979 aaO: Bejahung der Verrichtungsgehilfeneigenschaft im Fall der dem Handelsvertreter übertragenen Betreuung eines Messestandes der dortigen Beklagten; BGH, Urteil vom 29. Juni 1956 - I ZR 129/54, NJW 1956, 1715 f: Generalvertreter als Verrichtungsgehilfe bei voller Abhängigkeit von Weisungen des Geschäftsherrn). Nicht ausreichend ist hingegen - entgegen der Auffassung der Revision - eine "gewisse" Abhängigkeit des Handelsvertreters vom Unternehmer. Sie ist bei zahlreichen Handelsvertreterverhältnissen gegeben, ohne dass hierdurch bereits die Verrichtungsgehilfeneigenschaft des Handelsvertreters begründet würde.
- 20
- So liegt der Fall hier. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Vermögensberater -Vertrag ergibt sich keine Abhängigkeit des F. von der Beklagten, die eine Verrichtungsgehilfeneigenschaft im Sinne von § 831 BGB begründet. Soweit darin neben einer Verpflichtung zur selbständigen Weiterbildung (Ziffer II des Vertrags) vereinbart ist, dass zur Ausübung anderweitiger Beratungs-, Vermittlungs - oder Verkaufstätigkeiten die schriftliche Einwilligung der Beklagten erforderlich ist (Ziffer I des Vertrags) sowie nur mit der Beklagten abgestimmte Werbemaßnahmen ergriffen und für das Angebot von Partnergesellschaften nur die neuesten Fassungen der dort genannten Werbe- und Informationsmittel verwendet werden dürfen (Ziffer II des Vertrags), ergibt sich daraus noch keine Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des F. in einem Maß, das - vergleichbar mit den vorgenannten Ausnahmefällen - F. als Verrichtungsgehilfen der Beklagten erscheinen lässt.
- 21
- 4. Nach den bisherigen Feststellungen kommt allerdings eine Haftung der Beklagten nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo in Betracht, die seit dem 1. Januar 2002 in § 241 Abs. 2 i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB kodifiziert sind (vgl. Art. 1 Nr. 4, 13 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001, BGBl. I S. 3138). Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen erneut auf die Entscheidung des Senats vom 14. März 2013 (III ZR 296/11 aaO Rn. 20 ff) Bezug genommen.
- 22
- a) Auf der Grundlage des revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Klägervortrags bestand zwischen den Parteien ein Vertragsanbahnungsverhältnis, das die Beklagte zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Klägerin verpflichtete. Die Klägerin hat vorgetragen, F. habe ihr Anfang 2001 erklärt, er habe die Möglichkeit, über die Beklagte Geldbeträge zu äußerst hohen Zinsen anzulegen. Sie habe in den darauf folgenden Tagen F. in dessen D. -Büro aufgesucht und den ersten Anlagevertrag vom 15. Mai 2001 geschlossen. Das Büro des F. sei deutlich als Geschäftsstelle der Beklagten gekennzeichnet gewesen, beispielsweise durch eine Leuchtreklame an der Außenwand und ein Schild vor dem Büro.
- 23
- Danach handelte es sich bei den Büroräumen des F. um ein Geschäftslokal der Beklagten (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2013 aaO). Mit dem Betreten dieses Geschäftslokals vor Abschluss der Anlageverträge wurde zwischen den Parteien ein Vertragsanbahnungsverhältnis im vorgenannten Sinn begründet.
- 24
- Etwas anderes könnte zwar dann anzunehmen sein, wenn die Klägerin, als sie die Büroräume des F. betrat, bereits entschlossen war, ausschließlich mit F. persönlich zu kontrahieren und nicht über ihn - als deren Vertreter - ei- nen Anlageberatungs- oder einen Auskunftsvertrag mit der Beklagten zu schließen. Mangels entsprechender Feststellungen des Berufungsgerichts kann hiervon indes nicht ausgegangen werden. Nach dem Vortrag der Klägerin hatte F. ihr vielmehr zuvor erklärt, dass die Möglichkeit der Geldanlage über die Beklagte bestehe. Mithin konnte die Klägerin, als sie das Geschäftslokal der Beklagten betrat, annehmen, über F. mit der Beklagten in Vertragsverhandlungen einzutreten.
- 25
- b) Der Beklagten oblag zum Schutz der Rechtsgüter ihrer Kunden nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo die vorvertragliche Pflicht, nur solche Handelsvertreter mit der Vermittlung von Anlageverträgen zu betrauen, von deren Zuverlässigkeit sie sich auf der Grundlage eines polizeilichen Führungszeugnisses überzeugt hatte (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2013 aaO Rn. 24 ff).
- 26
- c) Im Schutzbereich der Pflicht zur Einholung eines polizeilichen Führungszeugnisses lagen auch solche Schäden der Klägerin, die ihr von F. durch den Abschluss von betrügerischen (Kapitalanlage-)Eigengeschäften zugefügt wurden (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2013 aaO Rn. 29 ff).
- 27
- d) Die Beklagte hat, als sie (spätestens) im Jahr 1998 das Handelsvertreterverhältnis mit F. begründete, ohne sich von ihm ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen zu lassen, gegen die ihr (auch) der Klägerin gegenüber obliegende Schutzpflicht zur Einholung eines polizeilichen Führungszeugnisses verstoßen. Aus einem zu diesem Zeitpunkt eingeholten polizeilichen Führungszeugnis hätte sich die einschlägige Vorstrafe des F. (noch) ergeben, die - was letztlich die Beklagte nicht anders sieht - angesichts ihres Gewichts dazu geführt hätte, dass die Beklagte F. nicht mit der Anlagevermittlung und -beratung betraut hätte. Der zeitliche Wirkungsbereich dieser Schutzpflicht umfasste vorliegend - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - zumindest teilweise auch den Zeitraum zwischen dem 15. Mai 2001 und dem 16. November 2006, in dem die streitgegenständlichen Anlageverträge nach dem Vortrag der Klägerin zwischen ihr und F. geschlossen wurden.
- 28
- aa) Allerdings ist - mit dem Berufungsgericht - davon auszugehen, dass die Schutzwirkung einer Pflicht zur Einholung eines polizeilichen Führungszeugnisses betreffend einen für die Vermögensberatung auszuwählenden Handelsvertreter und - daraus folgend - zur Ablehnung des vorbestraften Bewerbers zeitlich nicht unbegrenzt besteht. Anleger, die sich lange Zeit nach Begehung der Straftaten und Begründung des Handelsvertreterverhältnisses in dem Geschäftslokal der Beratungsgesellschaft in eine Vertragsanbahnungssituation begeben, sind nicht mehr von dem Schutzbereich der vorgenannten Pflicht umfasst.
- 29
- bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht bei der Bemessung des Zeitraums der Schutzwirkung der Pflicht der Beklagten zur Einholung eines polizeilichen Führungszeugnisses die Vorschriften des Bundeszentralregistergesetzes herangezogen. Entgegen seiner Auffassung stellt jedoch die in §§ 33, 34 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, §§ 36, 38 BZRG geregelte Frist betreffend die Aufnahme von Vorstrafen in das polizeiliche Führungszeugnis nicht die absolute Grenze dar, bis zu der Erkenntnisse aus einem eingeholten Führungszeugnis zum Nachteil des Bewerbers verwendet werden dürfen; diese Grenze wird vielmehr (erst) durch die Tilgungsfristen nach §§ 45 ff BZRG gezogen.
- 30
- (1) Das Bundeszentralregistergesetz unterscheidet zwischen den Fristen, die die Aufnahme von Vorstrafen in das polizeiliche Führungszeugnis betreffen (§§ 33, 34, 36, 38 BZRG), einerseits und denjenigen, die die Tilgung der Eintragungen in das Bundeszentralregister zum Gegenstand haben (Tilgungsfristen gemäß §§ 45 ff BZRG), andererseits. Nach Ablauf der die Aufnahme in das polizeiliche Führungszeugnis betreffenden Fristen darf sich der Verurteilte zwar gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG als unbestraft bezeichnen; auch braucht er den der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht zu offenbaren. Die Tat und die Verurteilung dürfen dem Betroffenen im Rechtsverkehr gemäß dem in § 51 Abs. 1 BZRG bestimmten Verwertungsverbot jedoch erst nach Ablauf der Tilgungsfristen gemäß §§ 45 ff BZRG nicht mehr vorgehalten werden.
- 31
- (2) Die Ausgestaltung der Regelungen über die Erteilung von Führungszeugnissen beruht auf dem Gedanken einer schnellen Wiedereingliederung von Straftätern in Beruf und Gesellschaft (Resozialisierung; Hase, BZRG, § 30 Rn. 3; Götz/Tolzmann, BZRG, 4. Aufl., § 30 Rn. 7). Das Ziel der Resozialisierung von Straftätern ist indes stets mit den Interessen Dritter und dem Schutz ihrer Rechtsgüter abzuwägen (vgl. Götz/Tolzmann aaO). Aus dem Umstand, dass Vorstrafen ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr in ein polizeiliches Führungszeugnis aufzunehmen sind, folgt daher nicht ohne weiteres, dass die vor diesem Zeitpunkt durch Einholung eines Führungszeugnisses erlangte Kenntnis von Vorstrafen danach nicht mehr zum Schutz der Interessen Dritter verwertet werden kann und gegebenenfalls sogar verwertet werden muss.
- 32
- (3) Eine absolute zeitliche Grenze ergibt sich hinsichtlich der vorgenannten Pflicht nur aus den für Eintragungen in das Bundeszentralregister geltenden Tilgungsfristen nach §§ 45 ff BZRG und dem aus ihnen folgenden umfassenden Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG (vgl. dazu Bücherl/Graf, BeckOK BZRG, § 51 Rn. 17 [2012]; Hase aaO § 51 Rn. 3; Götz/Tolzmann aaO § 51 Rn. 7 ff). Diese Fristen waren vorliegend bei Abschluss der streitgegenständlichen Anlageverträge noch nicht abgelaufen (vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG).
- 33
- cc) Die Pflicht, grundsätzlich keinen Handelsvertreter mit der Anlagevermittlung und -beratung zu betrauen, aus dessen polizeilichem Führungszeugnis sich einschlägige Vorstrafen ergeben, dient dem Schutz künftiger Kunden vor der Begehung von Vermögensdelikten des Handelsvertreters zu ihrem Nachteil. Hieran ist die Schutzwirkung dieser Pflicht auch in zeitlicher Hinsicht zu orientieren. Ihre Dauer bestimmt sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls, die grundsätzlich der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten sind. Der Zeitraum der Schutzwirkung kann etwa dann kürzer zu bemessen sein, wenn das Anlageberatungsunternehmen den Handelsvertreter, den es trotz seiner aus dem polizeilichen Führungszeugnis erkennbaren einschlägigen Vorstrafen mit der Anlagevermittlung und -beratung betraut hat, über einen längeren Zeitraum hinweg eingehend überwacht und Handlungen des Handelsvertreters zum Nachteil der Anleger durch geeignete Kontrollmaßnahmen weitgehend ausschließt. Derartige Maßnahmen können das Schutzniveau, dessen Einhaltung die verletzte Pflicht gewährleisten sollte, auf andere, gleichwertige Weise wahren. Liegt die pflichtwidrige Betrauung des Handelsvertreters mit der Anlagevermittlung und -beratung erst verhältnismäßig kurze Zeit zurück, werden diese Maßnahmen besonders umfassend sein müssen, um einen hinreichenden Schutz der Anleger sicherzustellen. Sie können mit zunehmender Dauer des Handelsvertreterverhältnisses und der daraus gewonnenen Erkenntnis der Zuverlässigkeit des Handelsvertreters reduziert werden (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2013 Rn. 39).
- 34
- Vorliegend ist eine Kontrolle des F. durch die Beklagte im vorgenannten Sinne weder ersichtlich noch festgestellt. Von einem Ausgleich des durch die Pflichtverletzung bewirkten Schutzverlustes der Anleger durch anderweitige Maßnahmen kann daher nicht ausgegangen werden. Dementsprechend wurde auch die zeitliche Schutzwirkung der verletzten Pflicht nicht auf einen vor dem Abschluss aller streitgegenständlichen Verträge liegenden, das heißt vor dem 15. Mai 2001 endenden Zeitraum begrenzt. Sie bestand vielmehr zumindest zum Zeitpunkt des Anlagevertrags vom 15. Mai 2001 und seiner am 15. Mai 2002 erfolgten ersten Verlängerung noch fort (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2013 aaO: Fortbestand der Schutzwirkung für Anlageverträge vom 1. Dezember 2001 und 14. Juli 2002). Ob sie auch zum Zeitpunkt der weiteren Verträge, insbesondere zum Zeitpunkt der von der Klägerin vorgetragenen schadensbegründenden Geldübergaben vom 11. November 2004, 15. Mai 2005 und 16. November 2006 noch andauerte, obliegt der tatrichterlichen Würdigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls und wird im weiteren Verfahren zu klären sein. Haben sich etwa über einen längeren Zeitraum nach der Betrauung des F. mit Aufgaben der Anlagevermittlung und -beratung für die Beklagte keine Anhaltspunkte ergeben, die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit begründeten , erscheint eine Fortdauer der Schutzwirkung der von der Beklagten verletzten Pflicht zur Einholung eines polizeilichen Führungszeugnisses zum Zeitpunkt der Geldübergaben am 11. November 2004 und danach, das heißt mehr als fünf Jahre nach dem Beginn der Tätigkeit des F. für die Beklagte, durchaus fraglich.
- 35
- 5. Nach alledem kann aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte gegen eine ihr zum Schutz (auch) der Klägerin bestehende Schutzpflicht verstoßen hat und der Klägerin infolge der Pflichtverletzung der Beklagten ein Vermögensschaden entstanden ist. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
- 36
- Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat zu den streitgegenständlichen Anlageverträgen der Klägerin, dem Vortrag der Klägerin zu den Umständen des Vertragsschlusses mit F. , der Bargeldübergabe an ihn in seinem Büro und dem Verbleib der Anlagebeträge - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Darüber hinaus ist den Parteien Gelegenheit zu geben, zu etwaigen Anhaltspunkten für oder gegen die Zuverlässigkeit F. nach seiner Betrauung mit Aufgaben der Anlagevermittlung und -beratung durch die Beklagte näher vorzutragen.
Seiters Remmert
Vorinstanzen:
LG Ingolstadt, Entscheidung vom 21.07.2011 - 41 O 1930/09 -
OLG München, Entscheidung vom 05.12.2011 - 21 U 3455/11 -
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
- 1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind, - 2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und - 3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.
(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.
(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
(1) Widerruft das Gericht die Strafaussetzung nicht, so erläßt es die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit. § 56f Abs. 3 Satz 1 ist anzuwenden.
(2) Das Gericht kann den Straferlaß widerrufen, wenn der Verurteilte wegen einer in der Bewährungszeit begangenen vorsätzlichen Straftat zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird. Der Widerruf ist nur innerhalb von einem Jahr nach Ablauf der Bewährungszeit und von sechs Monaten nach Rechtskraft der Verurteilung zulässig. § 56f Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Eintragungen über Verurteilungen (§ 4) werden nach Ablauf einer bestimmten Frist getilgt.
(2) Eine zu tilgende Eintragung wird ein Jahr nach Eintritt der Tilgungsreife aus dem Register entfernt. Während dieser Zeit darf über die Eintragung nur der betroffenen Person Auskunft erteilt werden.
(3) Absatz 1 gilt nicht
- 1.
bei Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe, - 2.
bei Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder - 3.
bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 176c oder 176d des Strafgesetzbuches, durch die erkannt worden ist - a)
auf Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren oder - b)
auf Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren bei zwei oder mehr im Register eingetragenen Verurteilungen nach den §§ 176c oder 176d des Strafgesetzbuches.
(1) Die Registerbehörde kann auf Antrag oder von Amts wegen anordnen, daß Eintragungen entgegen den §§ 45, 46 zu tilgen sind, falls die Vollstreckung erledigt ist und das öffentliche Interesse der Anordnung nicht entgegensteht. Die Registerbehörde soll das erkennende Gericht und die sonst zuständige Behörde hören. Betrifft die Eintragung eine Verurteilung, durch welche eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, so soll sie auch die Stellungnahme eines oder einer in der Psychiatrie erfahrenen medizinischen Sachverständigen einholen.
(2) Hat der Verurteilte infolge der Verurteilung durch ein Gericht im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, oder das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, verloren, so darf eine Anordnung nach Absatz 1 nicht ergehen, solange er diese Fähigkeit oder dieses Recht nicht wiedererlangt hat.
(3) Gegen die Ablehnung einer Anordnung nach Absatz 1 steht dem Antragsteller innerhalb zwei Wochen nach der Bekanntgabe der Entscheidung die Beschwerde zu. Hilft die Registerbehörde der Beschwerde nicht ab, so entscheidet das Bundesministerium der Justiz.
(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden.
(2) Aus der Tat oder der Verurteilung entstandene Rechte Dritter, gesetzliche Rechtsfolgen der Tat oder der Verurteilung und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit der Tat oder der Verurteilung ergangen sind, bleiben unberührt.
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:
- 1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit, - 2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder - 3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.
(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.