Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss, 21. Jan. 2015 - 5 Ta 553/14
Gericht
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 22.09.2014 gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 15.09.2014 – 2 Ca 2158/14 - wird der Beschluss abgeändert.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe in vollem Umfang mit Wirkung zum 28.05.2014 bewilligt. Zur Wahrnehmung seiner Rechte wird ihm Rechtsanwältin C aus H beigeordnet.
Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass der Kläger derzeit keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.
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Gründe
2I. Der Kläger arbeitete seit dem 29.06.2012 als Auslieferungsfahrer im Rahmen eines Menübringdienstes für die Beklagte, die diese Leistung für die Fa. B erbringt. Das zunächst auf ein Jahr befristete Arbeitsverhältnis wurde bis zum 28.06.2014 verlängert.
3Der Arbeitstag teilte sich wie folgt auf: Treffen aller Auslieferungsfahrer an einer Tankstelle, Ausgabe der auszuliefernden Essen an die Fahrer ab 9.45 Uhr, Beginn täglich von der Beklagten festgelegter Touren, für die die Vorgabe besteht, dass die Essen bis spätestens 13.00 Uhr auszuliefern sind.
4Die Vergütung erfolgte nach von der Beklagten verwendeten Vergütungstabellen für „erfolgsbezogene Vergütung Menükurierfahrer SV-Beschäftigte (Lohngruppe N) oder Minijob (Lohngruppe M) (Blatt 77/78 d. A.).Der Einsatz erfolgte an bis zu 30 Tagen im Monat, die Vergütung lag zwischen 200,00 und 340,00 € im Monat.
5Im Jahr 2014 war zwischen den Parteien ein Rechtsstreit anhängig (Arbeitsgericht Herne 2 Ca 2819/13), in dem der Kläger Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall einforderte. Der Kläger war seit dem 13.11.2013 erkrankt.
6Unter dem 24.03.2014 hatte der Kläger bereits in diesem Verfahren einen Zahlungsantrag gestellt, mit dem er Vergütungsdifferenzen geltend machte. Dieser Antrag wurde im Kammertermin vom 08.04.2014 zurückgenommen und die Parteien schlossen folgenden Vergleich:
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1. Die Beklagte zahlt an den Kläger 228,50 € netto aus der Rückabwicklung eines Einbehaltes für September 2013.
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2. Das Arbeitsverhältnis wird bis zur Beendigung durch Ablauf der Befristung am 28.06.2014 auf Basis der Vergütungstabelle M fortgesetzt.
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3. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.
Am 28.05.2014 erhob der Kläger sodann die vorliegende Klage, mit der er Differenzvergütung für die Monate Juli 2012 bis November 2013 geltend macht. Er ist der Ansicht, die an ihn gezahlte Vergütung sei sittenwidrig und begehrt die Differenz zu der von ihm angenommenen üblichen Vergütung.
14Da ein Tariflohn für Zusteller an sich nicht vereinbart ist, begründet er die Höhe der üblichen Vergütung anhand der in verschiedenen Branchen gezahlten tariflichen Vergütung für Lieferfahrer. So etwa:
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Tarifvertrag für die System-Gastronomie, Regelung für Pizza-Fahrer 7,00 €/Std.
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Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe, Pizza-Fahrer gem. Tarifgruppe 1 8,50€/Std.
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Die laut Tarifspiegel NRW 2013 gezahlten offiziellen Löhne im Niedriglohnsektor bei ungelernten Tätigkeiten 7,73 €/Stunde
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Entgelttarifvertrag für Arbeitnehmer der Post AG Stand 2010 7,17 €/ Std. in Entgeltgruppe 1
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DHL Einstiegseinkommen für Zusteller 11,00 €/Std.
Er ist der Ansicht, aus dieser Übersicht erschließe sich, dass sein Entgelt unterhalb der 2/3 Grenze sowohl zu den Tariflöhnen als auch dem üblicherweise im betreffenden Wirtschaftsgebiet gezahlten Niedriglohn lag und damit als sittenwidrig einzustufen sei. Daraus, dass auch eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht erfolgen sollte, ergebe sich auch die Verwerflichkeit der Gesinnung. Die vereinbarten Ausschlussfristen griffen nicht bei Geltendmachung der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung.
22Der Kläger vertritt die Auffassung, es sei entweder der niedrigste sich aus den vergleichbaren Bereichen ergebende Bruttolohn als angemessen heranzuziehen, damit 7,00 €/Stunde oder aber der in der Zustellerbranche niedrigste Stücklohn von 1,20 – 1,40 €, somit als Durchschnitt 1,20 €.
23Er berechnet wie folgt:
24Zeitraum Juli 2012 bis Januar 2013 sowie März bis August 2013
25351 geleistete Arbeitstage à 3,5 Stunden = 1.228,5 Stunden x 7,00 € ohne Sonn- und Feiertagszuschlag = 8.599,50 €
26Februar, September bis Oktober 2013
2725 AT x 3,5 x 7,00 € + 3 x 27 AT x 3,5 x 7,00 = = 2.597,00 €
28Gesamt 11.196,50 € abzügl. Erhaltenes Entgelt ohne Sonn- und Feiertagszuschläge 3.824,61 € + 915,46 € + 228, 05 € nachgezahlte Entgeltfortzahlung = 6.228,38 € Nachzahlungsanspruch.
29Bei dem Vergleich des nach Auffassung des Klägers in der Branche niedrigsten Stücklohnes abzüglich seiner tatsächlich erhaltenen Vergütung ergibt sich eine Differenz von 12.797,40 € abzüglich erhaltene Vergütung = 7.829,28 € Differenz. Diesen Betrag klagt der Kläger ein.
30Wegen der Berechnungen im Einzelnen wird im Übrigen auf Bl. 8/9 der Hauptakte Bezug genommen.
31Die Beklagte vertritt die Ansicht, der Geltendmachung stehe die vergleichsweise Einigung der Parteien entgegen, da dort die Geltung der Vergütungsstaffel M ausdrücklich nochmals in Anwesenheit des Rechtsbeistandes des Klägers vereinbart worden sei. Die Vergütung sei angemessen, die vom Kläger herangezogenen Vergleichsentgelte nicht tauglich, insbesondere, da mit dem Kläger gerade kein Stundenlohn sondern eine erfolgsbezogene Vergütung vereinbart worden sei. Weiterhin hat sie die vom Kläger vorgetragenen Arbeitszeiten bestritten und auf einen Arbeitszettel des Klägers verwiesen, laut dessen er bereits inklusive Heimfahrt ein Arbeitsende um 12.40 angegeben hatte.
32Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 15.09.2014 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Hierzu hat es ausgeführt, dass der Kläger nicht hinreichend dargelegt habe, weshalb der von ihm angeführte Stundenlohn von 7,00 € die übliche Vergütung darstellen solle. Der Verweis auf die von ihm genannten tariflichen Regelungen reiche nicht aus. Dahinstehen könne, ob der Anspruch bereits an den vereinbarten Ausschlussfristen oder dem gerichtlichen Vergleich vom 08.04.2014 scheitern könne.
33Gegen diesen ihm am 19.09.2014 zugestellten Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner am 23.09.2014 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 22.09.2014 (Bl. 80/81 d.PKH-Akte). Mit Beschluss vom 23.09.2014 erfolgte Nichtabhilfe und der Sachverhalt wurde der Beschwerdekammer vorgelegt.
34II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist nach den §§ 46 Abs. 2 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässig. Die einmonatige Notfrist (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) für die Einlegung der sofortigen Beschwerde ist gewahrt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
35Nach § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, sofern die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 ZPO sind zu bejahen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der PKH-begehrenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Es muss aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird (Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 114 Rdnr. 19 m. w. N.).
36Die Überprüfung der Erfolgsaussicht im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat zur Gewährleistung des Gebotes der Rechtsschutzgleichheit mit dem gebotenen Augenmaß zu erfolgen (so auch LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 02.11.2004, 2 Ta 221/04, juris), welches verhindern soll, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten und die Rechtsverfolgung im Vergleich zu einer bemittelten Partei unverhältnismäßig zu erschweren (zu diesem Grundsatz grundlegend BVerfG, Beschluss vom 07.04.2000, 1 BvR 81/00, NZA 2000, 900; in der Folge BVerfG, Beschluss vom 10.07.2007, 1 BvR 143/07, juris). Dabei müssen Unbemittelte nur solchen Bemittelten weitgehend gleichgestellt werden, die ihre Prozessaussichten vernünftig abwägen und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigen. Artikel 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG steht einer Besserstellung der Unbemittelten gegenüber Bemittelten entgegen. Es entspricht daher den verfassungsrechtlichen Vorgaben, wenn die Gewährung von Prozesskostenhilfe in § 114 Satz 1 ZPO davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Das bedeutet zugleich, dass Prozesskostenhilfe verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>).
37Das Gebot der Rechtsschutzgleichheit von bemittelten und unbemittelten Parteien erfordert es bei der Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags, dass hinsichtlich der richterlichen Hinweispflichten ein ebenso strenger Maßstab anzulegen ist wie in einem Hauptsacheverfahren (vgl. BVerfG, 12. November 2007, 1 BvR 48/05, FamRZ 2008, 136). Daher kann das Arbeitsgericht nach Eingang des Prozesskostenhilfegesuchs nicht bis zur Instanz- bzw. Verfahrensbeendigung warten und dann den Prozesskostenhilfeantrag wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückweisen. Es muss vielmehr so rechtzeitig unter Fristsetzung auf Mängel des Gesuchs hinweisen, dass diese vor dem (nächsten) Termin, der je nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags bzw. der Unterlagen der Güte- oder Kammertermin sein kann, und damit vor einer (möglichen) Instanz- oder Verfahrensbeendigung behoben werden können (siehe nur LAG Hamm, Beschluss vom 06.06.2013, 244/13, n. v.; Beschluss vom 21.06.2011, 5 Ta 334/11, juris).
38Nach diesen Grundsätzen ist der unter dem 15.09.2014 ergangene Beschluss zumindest als überraschend anzusehen. Der Kläger musste zum Zeitpunkt der Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht damit rechnen, dass die Erfolgsaussicht verneint werden würde. Im Gütetermin waren nicht ihm Auflagen zur Ergänzung der Klageschrift gemacht worden, da Bedenken gegen deren Schlüssigkeit bestanden hätten, vielmehr war der Beklagten aufgegeben worden, zum Vorbringen Stellung zu nehmen. Wenn das Arbeitsgericht nach dem Kammerwechsel und damit dem Wechsel des Vorsitzenden eine andere Rechtsauffassung vertrat, wäre es wohl angezeigt gewesen, den Kläger zunächst hierauf hinzuweisen und entsprechende Auflagen zu erteilen. Dies ist nicht geschehen. Vielmehr war bezogen auf die beantragte Prozesskostenhilfe ausschließlich eine Bearbeitung bezogen auf die wirtschaftlichen Voraussetzungen erfolgt.
39Die Beschwerdekammer teilt die Entscheidung aber auch dem Inhalt nach nicht.
40a) Soweit der Kläger sich für die Begründung seiner Ansprüche auf die Zahlung der üblichen Vergütung gem. § 612 Abs. 2 BGB beruft, da er die Ansicht vertritt, die vereinbarte Vergütung sei sittenwidrig gem. § 138 BGB kommt das Eingreifen von Ausschlussfristen nicht in Betracht (sie nur LAG Hamm, Urteil vom 18.03.2009– 6 Sa 1284/08 –, juris) Ist dem Arbeitgeber aber die Berufung auf Ausschlussfristen verwehrt, so kann auch der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich den Ansprüchen des Klägers nicht entgegenstehen. Die Vereinbarung sittenwidriger Vergütungsregelungen ist von der Rechtsordnung nicht gewollt. Allein der Umstand, dass eine Partei sich zweimal nacheinander, und sei es in anwaltlicher Begleitung, dazu verleiten lässt, eine solche zu unterzeichnen, macht seine Berufung auf diesen Umstand nicht unzulässig. Ansonsten bedeutete diese, dass das Gericht die Gewichtung der Sittenwidrigkeit gegen die Treuwidrigkeit abwägen und sich die Frage stellen müsste, ab wann ein Arbeitgeber darauf vertrauen können darf, dass eine sittenwidrige Vergütung nicht mehr angegriffen wird. Ein absurdes Ergebnis, wobei die Abwägung eindeutig dahin gehen dürfte, dass ein Vertrauen auf die Bestandskraft einer sittenwidrigen Vereinbarung nicht vor Ablauf der gesetzlichen Grenzen, somit der Verjährung, gegeben sein kann.
41Der Vergleichsschluss ergibt diesen Inhalt aber auch dem Grunde nach nicht. Unstreitig bestanden bei der Beklagten eine Entgelttabelle N, bei der ansonsten vorgenommene Einbehalte für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausgezahlt wurden, somit ein höheres Entgelt, sowie eine Entgelttabelle M, die diese Einbehalte vorsah und damit geringer war. Nachdem mit dem Kläger zunächst die Anwendung der Tabelle N schriftlich vereinbart war, einigten sich die Parteien nunmehr auf die mit der Gesetzeslage eher in Einklang stehende Tabelle M. Ein Verzicht auf die Zahlung einer angemessenen, nicht sittenwidrigen Vergütung, kann hierin per se nicht gesehen werden.
42b) Stehen formale Gründe der Geltendmachung nicht entgegen, richtet sich die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage danach, ob der Kläger hinreichend glaubhaft machen kann, dass für eine Tätigkeit, wie die von ihm ausgeübte, üblicherweise ein höheres Entgelt erzielt wird und die tatsächlich an ihn gezahlte Vergütung weniger als 2/3 der üblichen Vergütung beträgt.
43Hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 ZPO sind zu bejahen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der PKH-begehrenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Es muss aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird. Die Anforderungen an die Erfolgsaussicht dürfen nicht überspannt werden (Zöller/Philippi, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 114 Rdnr. 19 m. w. N.).
44Hierbei ist auch zu prüfen, ob eine durch obergerichtliche Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärte Rechtslage vorliegt, die es möglich erscheinen lässt, dass mehrere Entscheidungsvarianten in Betracht kommen. Auch wenn diese Rechtsfragen sich nicht als besonders schwierig darstellen, ist die Frage dann dem Erkenntnisverfahren vorzubehalten, wenn sie sich nur im Zusammenhang mit tatsächlichen Feststellungen klären lassen. (allg. Grundsatz, siehe nur Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Auflage, Rz.412 m. w. N.)
45Nach diesen Grundsätzen war hier die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche Erfolgsaussicht gegeben.
46Das Vorliegen einer sittenwidrigen Vergütung kann nicht nur dann gegeben sein, wenn ein Tariflohn besteht und dieser tatsächlich nicht gezahlt wird. Dies schon deshalb nicht, da auch in diesem Fall darzulegen wäre, dass der Tariflohn üblicherweise auch gezahlt wird, was bei nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen nicht selbstverständlich ist. Alternativ wäre dann von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen (BAG, Urteil vom 22.04.2009 – 5 AZR 436/08 –, BAGE 130, 338 f).
47Insoweit hat der Kläger vorgetragen, dass nach dem Tarifspiegel NRW 2013 die gezahlten offiziellen Löhne im Niedriglohnsektor bei ungelernten Tätigkeiten 7,73 €/Stunde betragen. Damit hat er einen Anknüpfungspunkt für seine Vergütung dargetan. Er hat auch darauf verwiesen, dass gleichgelagerte Tätigkeiten in Tarifverträgen im Wirtschaftsgebiet eine entsprechende Differenz auswiesen. Mangels eines branchenüblichen Tariflohns muss der klagende Arbeitnehmer zumindest Anhaltspunkte dafür vortragen, dass das allgemeine Lohnniveau für die von ihm ausgeübte Tätigkeit im Wirtschaftsgebiet mindestens ein Drittel höher war als sein Gehalt im streitgegenständlichen Zeitraum (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 31.08.2010 – 5 Sa 121/10 –, juris). Diesem Erfordernis ist der Kläger mit den von ihm getroffenen Angaben nachgekommen. Wird die übliche Vergütung nicht durch ein einschlägiges Tarifwerk abgebildet, muss das Gericht die übliche Vergütung unter Verwertung aller geeigneter Erkenntnisquellen schätzen und hat gegebenenfalls verbleibende Schätzunsicherheiten durch einen Schätzabschlag zu Gunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen (LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 17.04.2012 – 5 Sa 194/11 -, juris Rz. 31 u. 34). Es können die vom statistischen Landesamt veröffentlichten Vergleichsentgelte zu Grunde gelegt werden (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 14.05.2013 – 5 Sa 283/12 –, juris; LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 02.11.2010 – 5 Sa 91/10 -, juris Rz. 56). Auch hierfür hat der Kläger durch den Tarifspiegel sowie die Tarifentgelte der vergleichbaren Tätigkeiten in bereichsnahen Tarifverträgen vorgetragen. Der Kläger hat daher hinreichend Vergleichsparameter angeboten. Der erst im ablehnenden Beschluss des Arbeitsgerichtes ergangene Hinweis, dass der Vortrag nicht ausreichend sei, entspricht nicht den vom Gericht zu beachtenden Hinweispflichten. Vielmehr hätte es dem Gericht oblegen, dem Kläger Auflagen hinsichtlich des ergänzungsbedürftigen Inhaltes zu geben. Dies ist nicht geschehen.
48Soweit die Beklagte darauf verwiesen hat, dass beispielsweise der vom Kläger genannte Lohn einen Bruttobetrag darstelle und der Kläger als geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer den Stundenlohn brutto = netto erhalte, so dass dem Bruttoentgelt das vergleichbare Nettoentgelt gegenübergestellt werden müsse, geht diese Argumentation fehl, da dann die Frage, ob ein Entgelt sittenwidrig ist oder nicht von sich stets verändernden zufälligen Steuer- oder Sozialabgabenfaktoren abhinge. Gegenüberzustellen sind die jeweils gezahlten Bruttoentgelte.
49Die Sittenwidrigkeit einer Entgeltvereinbarung ist allerdings nicht allein nach der vereinbarten Entgelthöhe zu beurteilen. Ein Rechtsgeschäft verstößt gegen § 138 Abs. 1 BGB, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Hierbei ist weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt. Das von den guten Sitten Zugelassene erschließt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung. Zu den maßgebenden Normen zählen die Wertungen des Grundgesetzes sowie einfach gesetzliche Regelungen (BAG, Urteil vom 26.04.2006 – 5 AZR 549/05 – AP Nr. 63 zu § 138 BGB). Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Dieser lag vorliegend im Jahr 2012. Die Diskussionen um einen gesetzlichen Mindestlohn werden zumindest seit dem Jahr 2011 auf politischer Ebene ernsthaft geführt, so dass die als angemessen anzusehende Lohnuntergrenze für jede Beschäftigung im Rahmen von zumindest 8,00 € bekannt war. Die Beklagte muss sich daher jedenfalls bewusst gewesen sein, dass die von ihr gezahlte Vergütung erheblich unter diesen Werten lag.
50Zu berücksichtigen ist auch die Rechtsauffassung, wonach der Arbeitsleistung ein existenzsichernder Wert zukommt, der zumindest die Gewährung des Existenzminimums leisten muss, weshalb ein Lohn von 3,20 bis zu 4,40 € ggf. als evident sittenwidrig anzusehen sein könnte (SG Frankfurt, Beschluss vom 13.06.2014 – S 32 AS 620/14 ER –, juris; SG Berlin, Urteil vom 29.08.2012 – S 73 KR 1505/10 –, juris; SG Berlin, Urteil vom 27.02.2006 – S 77 AL 742/05 –, juris).
51Vor diesem Hintergrund war die Erfolgsaussicht der Klage jedenfalls im Umfang des für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen gegeben.
52c) Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung sind gegeben.
53Bei einem Einkommen von 564,09 bezogene Rente abzüglich dem Freibetrag gemäß § 115 Abs. 1 Ziff. 2a ZPO = 452,00 und zumindest anteiliger Miete in Höhe von 232,50 € verbleibt kein einzusetzendes Einkommen. Anrechenbare Vermögenswerte verbleiben im Hinblick auf die vorliegenden Verbindlichkeiten bei einer Saldierung nicht.
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Annotations
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.
(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.
(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.
(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
(3) (weggefallen)
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.