Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss, 09. Sept. 2015 - 5 Ta 477/15
Gericht
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 08.07.2015 gegen den Prozesskostenhilfe-Bewilligungsbeschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 01.07.2015 – 2 Ca 292/15 - wird der Beschluss abgeändert.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für die Anträge zu 2) und 3) der Klageschrift unter Beiordnung von Rechtsanwalt Q mit Wirkung zum 25.03.2015 gewährt.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
1
Gründe
2I. Unter dem 25.03.2015 erhob der Kläger Kündigungsschutzklage, mit dem uneigentlichen Hilfsantrag 2) begehrte er die Weiterbeschäftigung, mit dem Antrag 3) begehrte er die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses. Eine außergerichtliche Geltendmachung des Zeugniserteilungsanspruches ist aus der Akte nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Das Verfahren endete am 24.04.2015 aufgrund gerichtlichen Vergleiches.
3Der Klageschrift war eine Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen beigefügt, u. a. ein Mietvertrag ab dem 01.03.2015. Mit Schreiben vom 07.04.2015 forderte das Arbeitsgericht den Kläger auf, einen aktuellen Einkommensnachweis, Nachweis über Kindergeld sowie Zahlungsnachweise über die Miete binnen drei Wochen vorzulegen. Mit Schreiben vom 23.04.2015, laut Faxnachweis gesendet am 24.04.2015,18.34 Uhr, legte der Kläger die Gehaltsabrechnung des neuen Arbeitgebers für März 2015, Kontoauszug mit Eingang des Kindergeldes sowie einen Kontoauszug des Vermieters des Klägers, bei dem es sich offensichtlich um seinen Rechtsanwalt handelt, der den Eingang einer Mietzahlung des Klägers in Höhe von 410,00 € am 09.04.2015 auswies. Mit Schreiben vom 05.05.2015 begehrte das Arbeitsgericht binnen zwei Wochen die Vorlage eines Kontoauszuges des Klägers, aus dem sich die Mietzahlung ergibt. Mit Schreiben vom 26.05.2015 erinnerte das Arbeitsgericht an die Erledigung der Auflage. Auch eine mit Schreiben vom 17.06.2015 gesetzte Nachfrist bis zum 26.06.2015 verstrich ungenutzt.
4Mit Beschluss vom 01.07.2015 lehnte das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Mitwirkung des Klägers ab. Die Zustellung des Beschlusses erfolgte am 08.07.2015 um 12.38 Uhr. Mit einem am 08.07.2015 um 10.01 Uhr eingegangenen Fax legte der Kläger Gehaltsabrechnungen für April und Mai 2015 sowie einen Überweisungsbeleg vom 17.06.2015 mit dem Verwendungszweck: Miete 10.05.2015 vom Konto des Klägers.
5Mit weiterem am 08.07.2015 bei Gericht eingegangenem Schreiben (Faxeingang 14.12 Uhr) legte der Kläger gegen den Beschluss sofortige Beschwerde ein und begründete dies damit, dass er erst Anfang Juni 2015 in der Lage gewesen sei, die Belege auf den Postweg zu bringen, da er sich im April und Mai 2015 teilweise deutschlandweit auf Montage befunden habe. Aufgrund des Poststreikes hätten diese Unterlagen erst zum geschehenen Zeitpunkt abgegeben werden können.
6Mit Beschluss vom 12.08.2015 half das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab, da die Belege, da nach Ende der Instanz und Ablauf der gerichtlichen Fristen vorgelegt, nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Der Sachverhalt wurde dem Beschwerdegericht vorgelegt.
7II. Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 46 Abs. 2 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff ZPO zulässig. Die einmonatige Notfrist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist gewahrt.
8Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
91. Zwar ist dem Arbeitsgericht zuzustimmen, dass nach Rechtsprechung der Beschwerdekammern und der überwiegenden anderweitigen Rechtsprechung und Literaturmeinung Prozesskostenhilfe nur bewilligt werden kann, wenn die erforderlichen Belege bis zum Ende der Instanz oder, wenn das Gericht eine darüber hinausreichende Frist setzt, bis zum Ablauf dieser Frist, vorgelegt wurden. Eine Bewilligung nach Instanzende ist deshalb nur dann möglich, wenn das Gericht zuvor über den Antrag hätte positiv entscheiden können oder besondere Ausnahmefälle vorliegen. Über einen rechtzeitig eingereichten Prozesskostenhilfeantrag mit unvollständigen Angaben und Unterlagen kann noch nach Abschluss der Instanz bzw. des Verfahrens ausnahmsweise positiv entschieden werden, wenn das Gericht eine Frist zur Nachreichung der fehlenden Unterlagen und Belege gesetzt hat. Soweit dem Antragsteller eine solche gerichtliche Nachfrist, die nach dem Ende der Instanz liegt, gesetzt worden ist, muss diese Nachfrist - anders als eine vor dem Ende der Instanz ablaufende Nachfrist aber eingehalten werden. Ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum Zeitpunkt der Beendigung der Instanz begründet zurückgewiesen worden, kann die Prozesskostenhilfeentscheidung nicht durch Nachreichung der Unterlagen in der Beschwerdeinstanz korrigiert werden. (grundsätzlich hierzu BAG, Beschluss v. 03.12.2003, 2 AZB 19/03, - juris -; ständige Rechtsprechung der erkennenden Kammer, siehe nur Beschluss v. 23.04.2015, 5 Ta 127/15, n.v.).
10a) Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber letztlich nicht gegeben.
11aa) Zum einen hat das Arbeitsgericht die abschließende Bescheidung des Antrages gerade deshalb als nicht möglich angesehen, da der Nachweis der tatsächlichen Zahlung der Mietverbindlichkeiten nicht belegt war. Dieses entsprach aber nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Zwar ist dem Arbeitsgericht zuzustimmen, das bis zur zurückweisenden Entscheidung kein Kontoauszug des Klägers über die Leistung der Miete vorlag. Der vorgelegte Kontoauszug des Vermieters, der hier vorgelegt werden konnte, da der Rechtsanwalt des Klägers auch die Erbengemeinschaft vertritt, die der Vermieter des Klägers ist, hat eine tatsächliche Zahlung nach Auffassung der Beschwerdekammer bereits belegt. Dieser wies den Geldeingang in Höhe der vereinbarten Miete aus sowie den Kläger als Absender. Dieser Weg des Beleges mag ungewöhnlich sein, aussagekräftig ist er nach Auffassung der Beschwerdekammer durchaus.
12bb) Weiterhin lag aber letztlich auch der geforderte Beleg – Überweisungsbeleg vom Konto des Klägers – vor Wirksamwerden der zurückweisenden Entscheidung des Gerichtes vor, wie die Sendenachweise im Kopf des Empfangsbekenntnisses und des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 08.07.2015 ausweisen.
13Insofern gilt, dass ein Beschluss, der nicht zu verkünden, sondern zuzustellen ist, erst dann erlassen ist, wenn er aus dem inneren Bereich des Gerichtes herausgelangt. Dazu ist erforderlich, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Beschluss entweder (bei größeren Gerichten) einem Gerichtswachtmeister oder der Post zur Beförderung übergeben bzw. ausgefertigt in das Abtragefach oder in das bei einigen Arbeitsgerichten vorhandene Anwaltsabholfach gelegt hat, was jeweils durch einen entsprechenden Ab-Vermerk zu dokumentieren ist.
14Bis zu diesem Zeitpunkt liegt nur ein innerer Vorgang des Gerichts vor. Selbst wenn der Beschluss unterschrieben ist, ist er bis zum Verlassen der Gerichtsakten noch nicht mit unabänderbarer Wirkung erlassen, so dass Eingaben bis zu diesem Zeitpunkt als rechtzeitig eingegangen gelten und damit vom Gericht zu beachten sind. Der Beschluss kann bis zur Hinausgabe vom Gericht jederzeit beseitigt oder geändert werden. Gegebenenfalls ist das Gericht zu einer Änderung oder zum Zurückstellen der beabsichtigten Entscheidung verpflichtet (LAG Hamm, Beschluss vom 12.09.2003, 4 Ta 470/02, juris; vom 04. Dezember 2000, 4 Ta 165/00, juris m.w.N.).
15Wenn der PKH-Empfänger die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zwar erst nach Ablauf einer gesetzten Nachfrist und am Tage nach Erlass des PKH-Aufhebungsbeschlusses, jedoch vor der Ausfertigung durch die Kanzlei und Übergabe an die Post durch die Geschäftsstelle beim Arbeitsgericht einreicht, muss der Rechtspfleger die nachgereichte Erklärung prüfen und ggf seine Entscheidung beseitigen oder inhaltlich ändern (LAG Hamm, wie vor).
16So liegt der Fall hier. Der Abvermerk datiert vom 08.07.2015. Eine Uhrzeit ist naturgemäß nicht ersichtlich. Da die Absendung per Fax um 12.28 Uhr erfolgt ist, kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass dies zeitnah, somit auch nach 10.01 Uhr (Eingang Fax des Klägervertreters) erfolgt ist. Selbst wenn dieses nicht gölte, hätte Veranlassung bestanden, aufgrund der engen zeitlichen Nähe diesen Umstand bei der Nichtabhilfeentscheidung zu berücksichtigen.
17c) Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind gegeben.
18Der Kläger verfügt ausweislich der Abrechnungen für April und Mai 2015 (März 2015 wurde aufgrund der geringen Beschäftigungszeit erst ab dem 23.03.2015 nicht berechnet) über ein Durchschnittsentgelt von 907,40 €, zuzüglich Kindergeld beläuft sich das Einkommen auf 1.094,40 €. Hiervon abzusetzen ist der Freibetrag gemäß § 115 Abs. 1 Ziff. 2 a ZPO in Höhe von 462,00 €, der Erwerbstätigenfreibetrag gemäß § 115 Abs. 1 Ziff. 1 in Höhe von 210,00 €, der Freibetrag für ein Kind bis 6 Jahre gem. § 115 Abs. 1 Ziff. 3 d in Höhe von 268,00 € sowie die Miete von 410,00 €. Es ergibt sich kein verbleibendes Einkommen.
19Da auch die Beklagte anwaltlich vertreten war, ergibt sich die Beiordnung eines Rechtsanwaltes bereits aus § 121 Abs. 2 ZPO.
20d) Zurückzuweisen mangels Mutwilligkeit war die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Erteilung eines Zeugnisses.
21Die Erhebung einer Zeugnisklage, unabhängig davon, ob ein Zwischen- oder Endzeugnis begehrt wird, setzt die vorherige (also vor Klageerhebung) erfolgte außergerichtliche Geltendmachung des Anspruches voraus. Dies ergibt sich schon aus § 109 GewO, der einen gesetzlichen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses, dass sich auf Leistung und Verhalten (qualifiziertes Zeugnis) nur für den Fall begründet, in dem der Arbeitnehmer ausdrücklich die Erteilung eines solchen verlangt hat. Eine Klage, die vor außergerichtlicher Geltendmachung und Ablauf der gesetzten Frist zur Erteilung erhoben wurde, ist ohne weiteres mutwillig (LAG Hamm, Beschluss v. 09.10.2014, 5 Ta 351/14, n.v.; LAG Hamm, Beschluss v. 09.12.2013, 14 Ta 347/13, juris; LAG Hamm, Beschluss v. 14.05.2012, 4 Ta 721/11, n.v.; LAG Hamm, Beschluss v. 16.12. 2004, 4 Ta 355/04, juris).
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(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.
(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.
(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.
(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.
(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.
(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.
(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.
(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.
(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.