Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Beschluss, 20. Dez. 2006 - 2 KO 189/06
Gericht
Tatbestand
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Die Erinnerungsführer erhoben am 3. Mai 2006 gegen die Familienkasse Klage unter dem Aktenzeichen 2 K 68/06 und beantragten, das beantragte Kindergeld von 1.848,00 EUR für 2006 zu bewilligen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Beklagte unzutreffenderweise davon ausginge, bei einer Gehaltsumwandlung handele es sich um Bezüge. Insofern verwiesen die Kläger auf die DA 63.4.2.3 Abs. 3 Nr. 1 und DA 63.4.2.12 Abs. 1 Satz 5 DA-FamEStG. Mit Schreiben vom 26. Juli 2006 übersandte die Beklagte die Kindergeldakte und teilte mit, dass das Kindergeld antragsgemäß festgesetzt worden sei, und erklärte den Rechtsstreit für erledigt. Die Erinnerungsführer erklärten den Rechtsstreit daraufhin gleichfalls in der Hauptsache für erledigt. Mit Beschluss vom 10. August 2006 wurden die Kosten des Verfahrens 2 K 68/06 der Beklagten (der Erinnerungsgegnerin) auferlegt.
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Mit Beschluss vom 16. Oktober 2006 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die zu erstattenden Kosten auf 270,05 EUR festgesetzt. Sie lehnte dabei den Ansatz einer Erledigungsgebühr ab.
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Hiergegen haben die Erinnerungsführer rechtzeitig Erinnerung eingelegt, der die Urkundsbeamtin nicht abgeholfen hat. Die Erinnerungsführer machen geltend, dass allein der Erfolg entscheide, ob die Erledigungsgebühr entstehe oder nicht. Nach dem Gesetzeswortlaut sei eine Mitwirkung, welche über die reine Klagebegründung hinausgehe, nicht erforderlich. Der alte § 24 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) sei nicht mehr einschlägig, da das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in Kenntnis dieser Rechtsprechung verabschiedet worden sei. Ein ausführlicher Hinweis in den Vorschriften, dass eine besondere Mitwirkung erforderlich sei, die über das Betreiben des Verfahrens hinausgehe, sei nicht aufgenommen worden. Der Gesetzgeber habe deshalb die Auffassung des Finanzgerichts nicht übernommen. Selbst wenn man allerdings der Rechtsprechung folge und eine besondere Mitwirkung fordere, seien die von der Rechtsprechung genannten Beispiele zur Begründung der Notwendigkeit einer erhöhten Mitwirkung nicht geeignet und teilweise sogar willkürlich. Es sei daher auf den Zweck der Vorschrift abzustellen. Die Erledigungsgebühr sei eine Erfolgsgebühr. Wenn die Klagebegründung so erfolgreich sei, dass seitens des Beklagten dem Interesse des Klägers voll abgeholfen werde, so werde dadurch dem Zweck, der Entlastung der Gerichte, in vollem Umfang Genüge getan. An eine Zielrichtung der anwaltlichen Tätigkeit, welche die Erledigung der Sache ohne streitige Entscheidung anstrebe, dürften im Übrigen nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden, um den Gesetzeszweck zu erreichen. Ein gegenseitiges Nachgeben sei gerade nicht erforderlich. Der Hinweis auf die einschlägige Gesetzeslage und die DA-FamEStG müsse im Streitfall ausreichen, um die Festsetzung einer besonderen Erledigungsgebühr zu begründen.
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Die Erinnerungsführer beantragen sinngemäß, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. Oktober 2006 im Verfahren 2 K 68/06 dahingehend abzuändern, dass zu ihren Gunsten die mit Kostenfestsetzungsantrag vom 27. September 2006 geltend gemachte Erledigungsgebühr festgesetzt wird.
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Die Erinnerungsgegnerin beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.
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Sie trägt vor, dass nach Nr. 1002 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG eine Erledigungsgebühr nur dann entstehe, wenn der Bevollmächtigte durch eine Tätigkeit in dem Umfang mitgewirkt habe, die über das hinausgehe, was von ihm allgemein im Rahmen seiner Bevollmächtigung zu erwarten sei, und die bis dahin entstandenen Gebühren noch nicht als abgegolten angesehen werden können. Durch das zielgerichtete Bemühen des Bevollmächtigten solle die gütliche Streitbeilegung honoriert werden. Durch die Formulierung "durch die anwaltliche Mitwirkung" bringe die Vorschrift noch deutlicher als § 24 BRAGO zum Ausdruck, dass es für das Entstehen der Erledigungsgebühr einer gerade für die Erledigung ursächlichen anwaltlichen Mitwirkung bedürfe. Mit der Erledigungsgebühr solle nicht der eingetretene Erfolg, sondern die zum Erfolg führende Tätigkeit des Rechtsanwalts abgegolten werden. Es genüge nicht, dass die Familienkasse unter dem Eindruck der Klagebegründung bzw. eines diese ergänzenden Schriftsatzes oder aufgrund eines Hinweises auf die Rechtslage/Rechtsprechung den Bescheid aufhebe bzw. ändere und damit den Kläger klaglos stelle. Eine "besondere" Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten, die über die normale Prozessführung hinausgehe, sei nicht erkennbar. Die normale Prozessführung sei mit der Verfahrensgebühr abgegolten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte 2 KO 189/06 und der beigezogenen Gerichtsakte 2 K 68/06 und einen Band Kindergeldakte zur KG-Nummer ... Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Erinnerung ist nicht begründet.
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Den Erinnerungsführern steht eine Erledigungsgebühr nicht zu. Nach Nr. 1002 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (VV 1002) entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
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Nach dem Gesetzeswortlaut ist eine Mitwirkung des Anwalts an der die Erledigung verursachenden Maßnahme nötig. Bei Erledigung der Rechtssache ohne Zutun des Anwalts kann nach VV 1002 eine zusätzliche Erfolgsgebühr nicht entstehen. Dieses Zutun darf aber nicht nur in der Führung des Geschäfts im Rechtsstreit durch Erhebung und Begründung der Klage oder anderer Anträge bestehen. Denn man darf einen Erfolg aufgrund dieser Tätigkeit im Verwaltungsverfahren gebührenrechtlich nicht anders als im Zivilverfahren bewerten. Vielmehr wird die Geltendmachung oder Abwehr von Ansprüchen überall durch eine Verfahrens-, Geschäfts- oder Terminsgebühr abgegolten (Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., VV 1002 Rz. 12; Gräber/Stapperfend, FGO, 6. Aufl., § 139 Rz. 78 und 79 m.w.N.). Die Erledigungsgebühr dient der zusätzlichen Vergütung für den Rechtsanwalt, der durch seine Mitwirkung, das sind in erster Linie Verhandlungen mit der Verwaltungsbehörde, erreicht, dass ein angefochtener belastender Verwaltungsakt aufgehoben oder zu Gunsten seines Mandanten geändert wird, oder aber ein zunächst abgelehnter begünstigender Verwaltungsakt schließlich doch noch erlassen wird (Riedel/ Sußbauer, RVG, 9. Auflage, VV Teil 1 Rz. 16). Entgegen der Auffassung der Erinnerungsführer besitzt die Nr. 1002 VV-RVG keinen neuen Regelungsinhalt, der von dem der Vorgängervorschrift des § 24 BRAGO abweichen würde. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass hier neues Recht geschaffen wurde. So heißt es auch in den Gesetzesmaterialien im Entwurf zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (Bundestagsdrucksache 15/1971, Seite 204): "Die Erledigungsgebühr der Nr. 1002 VV-RVG-E entstammt § 24 BRAGO. In der Anmerkung soll nunmehr ausdrücklich der Fall erwähnt werden, in dem sich eine Verwaltungsangelegenheit durch den Erlass eines früher abgelehnten Verwaltungsaktes erledigt. Dies entspricht der in Rechtsprechung und Literatur bereits zu § 24 BRAGO vertretenen Auffassung (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, a.a.O., Rn. 4 zu § 24 BRAGO)" (zitiert in Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 2. August 2006, L 4 KR 316/05 NZB, RVGreport 2006, 263). Das bedeutet, dass die bisherige Rechtsprechung weiterhin gilt.
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Nach den oben angegebenen Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, kommt eine Erledigungsgebühr hier nicht in Betracht, weil es an einer Mitwirkung des Anwalts bei der Erledigung der Rechtssache im Sinne der Vorschrift fehlt. Der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführer hat lediglich eine Klagebegründung eingereicht und die Erinnerungsgegnerin daraufhin dem Klagebegehren entsprochen. Eine besondere, über die bereits mit der Verfahrensgebühr abgegoltene Einlegung und Begründung der Klage hinausgehende, auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung gerichtete Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführer ist nicht ersichtlich.
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Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (vgl. Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 149 Rz. 18).
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Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.
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Der Beschluss ist nach § 128 Abs. 4 FGO unanfechtbar.
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Annotations
(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).
(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.
(1) Gegen die Entscheidungen des Finanzgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozessleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über die Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse nach §§ 91a und 93a, Beschlüsse über die Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen, Sachverständigen und Dolmetschern, Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme sowie Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 und 5 und über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 steht den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 entsprechend.
(4) In Streitigkeiten über Kosten ist die Beschwerde nicht gegeben. Das gilt nicht für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.