Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 24. Okt. 2011 - 2 BvR 1969/09

bei uns veröffentlicht am24.10.2011

Tenor

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 9. April 2009 - AN 5 K 08.02076 - und der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juli 2009 - 19 ZB 09.1509 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs verletzt den Beschwerdeführer darüber hinaus in seinem Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben. Die Sache wird an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

...

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Auslegung des § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Prüfung der Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

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1. Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger. Er wurde 1979 in der Türkei geboren und reiste 1983 zusammen mit seiner Mutter in das Bundesgebiet zu seinem hier lebenden Vater ein. 1996 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.

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In der Folgezeit ist der Beschwerdeführer mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. So wurde er im Jahre 2001 und 2002 wegen fahrlässiger Körperverletzung und Straßenverkehrsdelikten zu Geldstrafen verurteilt. 2006 wurde der Beschwerdeführer wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zuletzt wurde der Beschwerdeführer im Jahre 2007 wegen Diebstahls und einer Vielzahl von Betäubungsmitteldelikten unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Jahre 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt, die er derzeit noch verbüßt.

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2. Die Stadt Nürnberg wies mit Bescheid vom 4. November 2008 den Beschwerdeführer aus und ordnete seine Abschiebung in die Türkei an. Zur Begründung führte sie aus, der Beschwerdeführer genieße die Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 2 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) und könne daher nur unter eingeschränkten Voraussetzungen aus Deutschland ausgewiesen werden. Deshalb sei eine Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG zu treffen. Die Ausweisung sei aus spezialpräventiven Gründen erforderlich. Es lägen auch schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gemäß § 56 Abs. 1 AufenthG vor. Bei der vorzunehmenden Interessen- und Güterabwägung im Sinne des § 55 Abs. 3 AufenthG seien keine Umstände ersichtlich, die das überragende Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers hätten aufwiegen können. Die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Unionsbürgerrichtlinie), sei auf den Beschwerdeführer nicht anwendbar, weil er kein Unionsbürger sei.

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3. Gegen den Bescheid erhob der Beschwerdeführer Klage. Die Ausweisung sei gemäß Art. 28 Abs. 3 Buchstabe a der Unionsbürgerrichtlinie in Verbindung mit § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU unzulässig. Aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU ergebe sich, dass die Ausweisung eines Ausländers, der bereits mehr als zehn Jahre seinen legalen Aufenthalt in Deutschland habe, auch im Falle der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren keineswegs stets möglich oder zwingend sei, sondern zusätzlich eine umfassende Einzelfallbetrachtung erfordere, aus der sich die konkrete Gefahr der Begehung weiterer gravierender Straftaten ergeben müsse.

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Das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach wies die Klage mit Urteil vom 9. April 2009 ab. Die Ausländerbehörde nehme zu Recht an, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Deutschland eine schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle. Die im Ermessen stehende Ausweisung des Beschwerdeführers erweise sich auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände als rechtmäßig. Ob auf ihn die Bestimmungen über den Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie entsprechend anwendbar seien, könne dahingestellt bleiben, weil es hierauf nicht ankomme. Die bei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängigen Vorabentscheidungsverfahren müssten deshalb nicht abgewartet werden. Selbst wenn diese Regelungen auf den Beschwerdeführer anwendbar wären, stünden sie der Rechtmäßigkeit seiner Ausweisung nicht entgegen. Sie seien mit § 6 Abs. 5 FreizügG/EU in nationales Recht umgesetzt worden. Die dort geregelten Voraussetzungen erfülle der Beschwerdeführer, weil er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt worden sei.

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4. Der Beschwerdeführer beantragte die Zulassung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und rügte unter anderem die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie in Verbindung mit § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU. Er wies darauf hin, dass nach dem klaren Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU eine Ausweisung auch im Falle der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren keineswegs ohne Weiteres stets möglich oder gar zwingend sei. Das Verwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass die angegriffene Ausweisung auch deshalb unheilbar rechtswidrig sei, weil das europarechtlich geforderte Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt worden sei. Er könne sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Bundesverwaltungsgerichts als Berechtigter nach Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 im Rahmen des Ausweisungsschutzes nach Art. 14 ARB 1/80 auf die verfahrensrechtlichen Gewährleistungen für Unionsbürger berufen. Dass die hierfür maßgebliche Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, einschließlich der dort enthaltenen Bestimmung des Art. 9 Abs. 1 durch die Unionsbürgerrichtlinie ersetzt worden sei, ändere nichts an dem Umstand, dass es auch weiterhin notwendig sei, die Zweckmäßigkeit der Ausweisung in einem Widerspruchsverfahren zu prüfen. Das ergebe sich aus Art. 31 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie und dem Erwägungsgrund 22 dieser Richtlinie. Unabhängig von der konkreten Auslegung des Art. 31 der Unionsbürgerrichtlinie sei zu berücksichtigen, dass die Vorgaben des Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG jedenfalls für türkische Staatsangehörige weiter Geltung beanspruchen dürften. Dieser aus Art. 14 ARB 1/80 resultierende Ausweisungsschutz in verfahrensrechtlicher Hinsicht finde seine rechtliche Grundlage letztlich in dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963, also in einem völkerrechtlichen Vertrag, dessen Inhalt von der Europäischen Union nicht nachträglich einseitig verändert werden könne. Die Kommission der Europäischen Union habe dazu in ihrer Stellungnahme in der vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängigen Rechtssache Polat (C-349/06) vom 15. Dezember 2006 zutreffend klargestellt, bei der Auslegung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen des Assoziationsabkommens oder darauf gestützter Rechtsakte wie Art. 14 ARB 1/80 sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklichen wollten, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit verwirklicht worden sei. Hieraus folge, dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziierungsabkommens und der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben könne.

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Der Verwaltungsgerichtshof wies den Berufungszulassungsantrag mit Beschluss vom 24. Juli 2009 zurück. Die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts sei nicht ernstlich zweifelhaft. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht festgestellt, dass Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie einer Ausweisung nicht entgegenstehe. In § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU habe der nationale Gesetzgeber bestimmt, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit stets dann vorlägen, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Taten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt worden sei. Diese Voraussetzungen seien bei dem Beschwerdeführer erfüllt. Die Ausweisung des Beschwerdeführers erweise sich auch nicht wegen des Fehlens des Widerspruchsverfahrens nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG als unheilbar rechtswidrig. Diese Regelung sei mit Wirkung vom 30. April 2006 aufgehoben worden. Art. 31 Abs. 1 der Unionsbürgerrichtlinie sehe ein Rechtsbehelfsverfahren bei einer Behörde nur noch in fakultativer Weise ("gegebenenfalls") vor. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Erwägungsgrund Nr. 22 der Unionsbürgerrichtlinie, denn er spreche ausdrücklich davon, dass die Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie "ersetzt" worden sei. Weshalb Assoziationsberechtigten weitergehende Ansprüche eingeräumt sein sollten als Unionsbürgern, lege der Zulassungsantrag nicht nachvollziehbar dar. Die Berufung sei ferner nicht deshalb zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hätte. Eine solche bestehe auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines fehlenden Widerspruchsverfahrens. Art. 31 Abs. 1 RL 2004/38/EG sehe die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bei einer Behörde nur noch in fakultativer Weise vor. Der vor Inkrafttreten dieser Bestimmung geltenden Rechtslage sei deshalb die Grundlage entzogen. Grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfragen könnten sich schon deshalb nicht mehr ergeben.

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5. Mit der Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer unter anderem geltend, die angegriffenen Entscheidungen verstießen gegen das Willkürverbot. Die Gerichte hätten § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU objektiv falsch angewendet. Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren sei die Ausweisung nicht stets auszusprechen. Ferner habe das Berufungsgericht sein grundrechtsgleiches Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, weil es versäumt habe, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die entscheidungserhebliche Frage vorzulegen, ob Ausweisungen assoziationsrechtlich begünstigter türkischer Staatsangehöriger auch nach dem Außerkrafttreten der Richtlinie 64/221/EWG von vornherein unheilbar rechtswidrig seien, wenn es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens fehle, in dem auch eine Prüfung der Zweckmäßigkeit der Ausweisung ermöglicht werde.

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6. Das Bayerische Staatsministerium des Innern und die Stadt Nürnberg haben von einer Stellungnahme abgesehen.

II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Dies ist zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die in der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt oder lassen sich ohne Weiteres auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung beantworten (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

12

Die angegriffenen Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs verletzt ihn zudem in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

13

1. Das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof verstoßen mit ihren Entscheidungen gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltene Willkürverbot.

14

a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 1, 14 <52>; 98, 365 <385>; stRspr). Der allgemeine Gleichheitssatz wendet sich nicht nur an den Gesetzgeber, sondern bindet auch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Allerdings zieht Art. 3 Abs. 1 GG der Rechtsprechung bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts - im Sinne eines Willkürverbots - nur gewisse äußerste Grenzen (vgl. BVerfGE 42, 64 <73>; 62, 189 <192>). Nicht jede fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts stellt daher einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz dar. Ein Richterspruch ist nur dann verfassungsrechtlich zu beanstanden, wenn er unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist (stRspr; vgl. BVerfGK 11, 390 <396>, m.w.N.).

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b) Nach diesem Maßstab sind die angegriffenen Entscheidungen mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.

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aa) Der Verwaltungsgerichtshof und das Verwaltungsgericht unterstellen, dass Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie und die entsprechende nationale Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU auf den Beschwerdeführer anwendbar seien, er sich aber nicht darauf berufen könne, weil schon wegen seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten ein zwingender Grund der öffentlichen Sicherheit vorliege. Mit der Frage einer an die Feststellung eines derartigen zwingenden Grundes anschließenden Ermessens- oder Abwägungsentscheidung befassen sie sich nicht, sondern gehen davon aus, dass bereits die verwirkte Freiheitsstrafe zum Verlust des Aufenthaltsrechts führt. Das Berufungsgericht betont dabei ausdrücklich, der nationale Gesetzgeber habe bestimmt, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit "stets" dann vorlägen, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Taten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt worden sei. Es teilt damit die schon der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugrunde liegende Ansicht, die sich ebenfalls in der Feststellung erschöpft, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU erfülle, weil er zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt worden sei.

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bb) Soweit die Gerichte davon ausgehen, dass eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren gleichsam automatisch zum Verlust des Aufenthaltsrechts führt, ist dies schon nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU nicht gerechtfertigt. Danach "können" zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit nur dann vorliegen, wenn der Betroffene unter anderem wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wurde. Eine entsprechende Verurteilung ist danach notwendige Voraussetzung für die Annahme zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit, genügt dafür aber nicht. Allein dieses Normverständnis steht auch in Einklang mit Wortlaut und Systematik des § 6 FreizügG/EU insgesamt, der in den Absätzen 2 und 3 Kriterien formuliert, die bei der Entscheidung über die Feststellung des Verlusts des Aufenthaltsrechts gemäß Absatz 1 zu berücksichtigen sind. Für die Unionsbürger, die einen zehnjährigen Aufenthalt aufzuweisen haben und deren Ausweisung von verschärften Voraussetzungen abhängt, gilt nichts anderes, wie sich zweifelsfrei aus Absatz 5 Satz 1 ergibt: Danach d a r f der Verlust des Aufenthaltsrechts nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden. Mithin knüpft das Gesetz an deren Vorliegen nicht ohne Weiteres die Rechtsfolge des Verlusts des Aufenthaltsrechts. Vielmehr normiert § 6 Abs. 5 FreizügG/EU für den dort genannten Personenkreis zusätzliche Anforderungen, unter denen überhaupt eine Feststellung des Verlusts des Aufenthaltsrechts in Betracht kommt, ohne hingegen eine Prüfung ihrer Voraussetzungen im Übrigen entbehrlich zu machen.

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Die in den angegriffenen Entscheidungen vertretene Ansicht widerspricht darüber hinaus der Gesetzesbegründung zu § 6 FreizügG/EU (BTDrucks 16/5065, S. 211, zu Nummer 7, Buchstabe b), in der es heißt:

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"Das Vorliegen der zwingenden Gründe führt nicht automatisch zum Verlust des (Dauer-)Aufenthaltsrechts. Es muss eine Ermessensentscheidung nach Absatz 1 getroffen werden, bei der die Vorgaben der Absätze 2 und 3 zu beachten sind."

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Dieser Äußerung folgend wird auch in der Literatur und der veröffentlichten Rechtsprechung ausnahmslos vertreten, dass der Verlust des Rechts, in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union einzureisen und sich dort aufzuhalten, nicht schon dann festgestellt werden kann, wenn der nach §§ 1 und 2 FreizügG/EU Berechtigte einen der in § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU geregelten zwingenden Gründe erfüllt. Vielmehr ist die Ausländerbehörde auch bei Vorliegen dieser Gründe angehalten, unter Abwägung sämtlicher Gesichtspunkte des Einzelfalls eine individuelle Entscheidung zu treffen (vgl. VG München, Urteil vom 19. Juni 2008 - M 12 K 08.967 -, juris, Rn. 43; VG Ansbach, Beschluss vom 22. April 2008 - AN 19 K 08.00319 -, juris, Rn. 30; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Bd. 4, § 6 FreizügG/EU, Rn. 63 ; Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht in der anwaltlichen Praxis, 3. Aufl. 2007, S. 913 f.; Hoppe, in: Hypertextkommentar zum Ausländerrecht, § 6 FreizügG/EU, Ziff. 3.3; Brinkmann, in: Huber, Aufenthaltsgesetz, Kommentar, 1. Aufl. 2010, § 6 FreizügG/EU, Rn. 28; Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 9. Aufl. 2011, § 6 FreizügG/EU, Rn. 57).

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Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof haben damit die Norm des § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU in krasser Weise missdeutet. Da sie zudem nicht auf den entsprechenden Vortrag des Beschwerdeführers eingegangen sind, der sich ausführlich mit dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU und den darauf folgenden Rechtsfolgen befasst hat, liegt nach alledem der Schluss nahe, dass die gerichtlichen Entscheidungen auf sachfremden Erwägungen und nicht nur auf einer lediglich unrichtigen Anwendung der besagten Vorschrift beruhen.

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cc) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf der willkürlichen Auslegung des § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die Gerichte zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt wären, wenn sie die gerichtliche Kontrolle, wie geboten, auf die Berücksichtigung sämtlicher Gesichtspunkte des Einzelfalls erstreckt hätten. Zwar hat das Verwaltungsgericht bei der Überprüfung der von der Ausländerbehörde nach § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG getroffenen Ermessensentscheidung ausgeführt, das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers rechtfertige die Annahme, dass er auch in Zukunft schwerwiegende Straftaten begehen werde, die ein Grundinteresse der Gesellschaft beeinträchtigten, und dieser Erwägung eine Betrachtung der für und gegen die Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers sprechenden Interessen folgen lassen. In seinen Erwägungen zu Art. 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU wird jedoch nicht ansatzweise deutlich, dass diese Abwägung auch vor dem Hintergrund der Privilegierung gemäß § 6 Abs. 5 FreizügG/EU dazu berechtigt, dem Beschwerdeführer das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet abzusprechen.

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2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs verletzt den Beschwerdeführer darüber hinaus in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil das Gericht die Notwendigkeit einer Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (nunmehr: Gerichtshof der Europäischen Union; im Folgenden: Gerichtshof) missachtet hat.

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a) Der Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfGE 73, 339<366 f.>). Diesem gesetzlichen Richter kann ein Beteiligter dadurch entzogen werden, dass das mit der Sache befasste Gericht der Pflicht zur Vorlage gemäß Art. 234 Abs. 3 EG (nunmehr Art. 267 Abs. 3 AEUV) nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 82, 159 <195>).

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aa) Die Möglichkeit, dass eine Vorlageverpflichtung besteht, wirkt sich auch auf die Entscheidung über die Zulassung von Rechtsmitteln aus. Die Vorlagepflicht kann hier nur bei dem Gericht eintreten, das letztinstanzlich über die Zulassung des Rechtsmittels entscheidet. Für die Zwecke des Zulassungsverfahrens ist dieses Gericht letztinstanzliches Gericht im Sinne des Art. 234 Abs. 3 EG (Art. 267 Abs. 3 AEUV); dass sich nach erfolgter Rechtsmittelzulassung - insbesondere nach Zulassung der Berufung - eine weitere Instanz anschließen kann, ändert daran nichts (BVerfGK 14, 148 <151 f.>). Wird das Rechtsmittel nicht zugelassen, so ist diese Entscheidung an den verfassungsrechtlichen Maßstäben für die Handhabung der Vorlageverpflichtung letztinstanzlicher Gerichte zu messen (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; BVerfGK 14, 148 <152>). Das gilt auch für die Ablehnung der Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht (vgl. BVerfGK 14, 148 <152>). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, wenn die aufgeworfene Frage die Auslegung von Gemeinschafts-(Unions-)recht betrifft und sich für das letztinstanzliche Gericht deswegen voraussichtlich die Notwendigkeit ergeben würde, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs einzuholen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 1996 - BVerwG 3 NB 2.94 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 111).

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bb) Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung des Art. 234 Abs. 3 EG (Art. 267 Abs. 3 AEUV), wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der gemeinschafts-(unions-)rechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt oder es für den Fall, dass eine einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen des Gemeinschafts-(Unions-)rechts noch nicht vorliegt oder eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage noch nicht erschöpfend beantwortet oder eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit erscheint, seinen Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (vgl. BVerfGE 82, 159 <194 ff.>; 126, 286 <315 ff.>; BVerfGK 8, 401 <404 f.>; 14, 148 <152 f.>).

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Im zuletzt genannten Fall liegt eine unvertretbare Überschreitung des fachgerichtlichen Beurteilungsrahmens insbesondere vor, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschafts-(Unions-) rechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind. Das Vorliegen einer eindeutig vorzugswürdigen Gegenauffassung ist hierbei aber nur ein, wenn auch gewichtiger, Anhalt für eine Verletzung des Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch unterlassene Vorlage an den Gerichtshof. Entscheidend ist, ob die Zuständigkeitsnormen durch die Fachgerichte unhaltbar gehandhabt worden sind. Fehlt es bereits an einer tragfähigen Würdigung der mit den mit der Klärungsbedürftigkeit einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschafts-(Unions-)rechts verbundenen und dem Gericht unterbreiteten Aspekte, führt dies daher ebenfalls zur Feststellung eines Verfassungsverstoßes (BVerfGK 14, 148 <153, 156>).

28

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Verwaltungsgerichtshof die Vorlageverpflichtung in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt. Der Beschwerdeführer hatte ihm eine gemeinschaftsrechtliche Frage unterbreitet, die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs ungeklärt ist und die der Verwaltungsgerichtshof als entscheidungserheblich behandelt hat. Die Erwägungen, mit denen er die Klärungsbedürftigkeit und damit das Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO verneint hat, überschreiten den ihm zukommenden Beurteilungsrahmen.

29

aa) Der Beschwerdeführer hat dem Verwaltungsgerichtshof die gemeinschaftsrechtliche Frage unterbreitet, ob sich ein türkischer Staatsangehöriger, der eine Rechtsposition nach Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 innehat und dessen Ausweisung nach Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie ausgesprochen worden ist, weiterhin auf Art. 9 Abs. 1 der nach Art. 38 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie aufgehobenen Richtlinie 64/221/EWG berufen kann.

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Um den Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zu begründen, hat der Beschwerdeführer gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof zwar lediglich die Frage als klärungsbedürftig bezeichnet, ob Ausweisungen assoziationsrechtlich begünstigter türkischer Staatsangehöriger auch nach dem Außerkrafttreten der Richtlinie 64/221/EWG von vornherein unheilbar rechtswidrig seien, wenn es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens fehle, in dem auch eine Prüfung der Zweckmäßigkeit der Ausweisung ermöglicht werde. Dazu ist von ihm dargelegt worden, dass sich die Notwendigkeit, ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren durchzuführen, entweder aus Art. 31 der Unionsbürgerrichtlinie ergebe, sofern diese Richtlinie auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige anwendbar sei, oder anderenfalls aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG, der für diese Personengruppe ungeachtet seiner Aufhebung weiter Geltung beanspruchen dürfe.

31

Beide Begründungsansätze des Beschwerdeführers mussten den Verwaltungsgerichtshof indes auf die hier maßgebliche gemeinschaftsrechtliche Fragestellung führen. Für die zweite These des Beschwerdeführers, die eine Weitergeltung des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige befürwortet, ergibt sich dies ohne Weiteres. Im Hinblick auf die erste Annahme des Beschwerdeführers, nach der sich die Notwendigkeit eines behördlichen Rechtsbehelfsverfahrens bereits aus Art. 31 der Unionsbürgerrichtlinie ergebe, ist zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsgerichtshof die Anwendbarkeit dieser Richtlinienbestimmung auf den Beschwerdeführer zwar unterstellt, eine danach bestehende Verpflichtung zur Durchführung eines behördlichen Rechtsbehelfsverfahrens aber verneint hat. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung musste sich dem Berufungsgericht die hier maßgebliche gemeinschaftsrechtliche Frage dann aber ebenfalls stellen, weil der Beschwerdeführer - wenn auch, um seine Auffassung zu stützen, die Richtlinie 64/221/EWG gelte für ihn weiter - darauf hingewiesen hat, dass die sich aus dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963 und den darauf gestützten Rechtsakten ergebende und sich am Schutzniveau der Richtlinie 64/221/EWG orientierende Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger nicht durch interne Akte der Europäischen Union verändert werden könne.

32

bb) Die Frage nach der Weitergeltung des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG bei Ausweisungen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger war (und ist) ungeklärt.

33

Der Gerichtshof hat zwar entschieden, dass das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene "Vier-Augen-Prinzip" auf assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige zu übertragen ist. Diese Rechtsprechung bezieht sich jedoch nur auf Fälle, in denen aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zum 30. April 2006, dem Zeitpunkt der Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG (Art. 38 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie), durchgeführt worden sind (EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005, Rs. C-136/03 - Dörr/Ünal -, Slg. 2005, S. I-4759).

34

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (BVerwGE 124, 217; 129, 162). Die hier maßgebliche Frage hingegen ist bisher von ihm nicht beantwortet worden (ausdrücklich offen gelassen in BVerwG, Beschluss vom 25. August 2009 - BVerwG 1 C 25/08 -, NVwZ 2010, S. 392). Während die Frage in der veröffentlichten Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte verneint wird (OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Mai 2006 - 11 LC 324/05 -, InfAuslR 2006, S. 350; OVG Koblenz, Beschluss vom 19. Februar 2009 - 7 B 11328/08 -, AS RP-SL 37, S. 162), findet sich in der Literatur dazu kein einheitliches Meinungsbild (verneinend Armbruster, in: Hypertextkommentar zum Ausländerrecht, Klage gegen eine (isolierte) Ausweisungsverfügung, Ziff. 3.; wohl auch Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Bd. 5, Art. 14 ARB 1/80, Rn. 18, Stand: Mai 2007; Huber, Aufenthaltsgesetz, Kommentar, 2010, Art. 14 ARB 1/80, Rn. 9; bejahend Gutmann, in: Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Bd. 6, Art. 14 ARB 1/80, Rn. 27.6, Stand: August 2008).

35

cc) Die Beantwortung der aufgeworfenen Frage war für die Zulassung der Berufung entscheidungserheblich. Ist die Bestimmung des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG auf den Beschwerdeführer anwendbar, ist die Ausweisung wegen eines unheilbaren Verfahrensfehlers rechtswidrig (vgl. BVerwGE 124, 217; 129, 162).

36

dd) Die Gründe, aus denen der Verwaltungsgerichtshof die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage verneint hat, sind nicht tragfähig und überschreiten den ihm zukommenden Beurteilungsrahmen.

37

Der Verwaltungsgerichtshof führt aus, die Richtlinie 64/221/EWG sei mit Wirkung vom 30. April 2006 aufgehoben und durch die Unionsbürgerrichtlinie ersetzt worden; die Unionsbürgerrichtlinie, deren Anwendbarkeit auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige das Gericht unterstellt, sehe aber ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren nur in fakultativer Weise vor. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung lässt er die Frage unbeantwortet, ob sich ein türkischer Staatsangehöriger, der eine Rechtsposition nach Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 innehat und dessen Ausweisung nach Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie ausgesprochen worden ist, weiterhin auf Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG berufen kann.

38

Diese Erwägung reicht offensichtlich nicht aus, um eine Vorlagepflicht zu verneinen, weil sich das Gericht nicht ansatzweise mit der Argumentation des Beschwerdeführers zur Weitergeltung der Richtlinie 64/221/EWG für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige über den 30. April 2006 hinaus beschäftigt. Eine Auseinandersetzung damit war indes geboten. Der Beschwerdeführer hatte auf die Stellungnahme der Kommission der Europäischen Union zu der vor dem Gerichtshof anhängigen Rechtssache Polat (C-349/06) vom 15. Dezember 2006 verwiesen. Dort wird die Ansicht vertreten, bei der Auslegung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen des Assoziationsabkommens oder darauf gestützter Rechtsakte wie Art. 14 ARB 1/80 sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklichen wollten, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit verwirklicht worden sei. Hieraus folge, dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben könne. Der Inhalt völkerrechtlicher Normen könne sich nämlich nicht automatisch durch eine spätere Änderung der Rechtslage eines Vertragspartners ändern.

39

Diese Erwägungen sind geeignet, der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige könnten ab dem 30. April 2006 nur die Bestimmungen der Unionsbürgerrichtlinie maßgeblich sein, die Grundlage zu entziehen. Ist die Richtlinie 64/221/EWG bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige weiter zu beachten, kann es im vorliegenden Zusammenhang auf die Unionsbürgerrichtlinie und die Reichweite ihrer Regelungen nicht mehr ankommen. Da es der Verwaltungsgerichtshof nicht unternommen hat, den im Berufungszulassungsverfahren aufgezeigten Zusammenhängen zwischen den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen des Assoziationsabkommens, dem Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 und der Richtlinie 64/221/EWG nachzugehen, erweisen sich seine Erwägungen als nicht hinreichend tragfähig, so dass ein Verfassungsverstoß festzustellen ist.

40

c) Ob ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch deshalb vorliegt, weil der Verwaltungsgerichtshof die von dem Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, in welchen Fällen gemäß Art. 31 Abs. 1 der Unionsbürgerrichtlinie ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren zur Überprüfung der Zweckmäßigkeit von Ausweisungen ("gegebenenfalls") vorzusehen ist, nicht dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, kann nach alledem dahinstehen.

III.

41

Mit Rücksicht auf die gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellende Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist die Erörterung der anderen Grundrechtsrügen entbehrlich.

42

Die Kammer hebt nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juli 2009 auf und verweist die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurück.

43

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 24. Okt. 2011 - 2 BvR 1969/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 24. Okt. 2011 - 2 BvR 1969/09

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 47


(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit 1. von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 de
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Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

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(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

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(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93c


(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsb

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(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 56 Überwachung ausreisepflichtiger Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit


(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei de

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.


Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 19. November 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,-- € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung, das der Senat allein berücksichtigen kann (§ 146 Abs. 4 Sätze 1, 3 und 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung oder Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die für sofort vollziehbar erklärte Ausweisung des Antragstellers mit der Begründung abgelehnt, die Ausweisungsverfügung vom 24. Juli 2008 sei offensichtlich rechtmäßig und es bestehe ein besonderes öffentliches Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung (vgl. S. 2 und 10 des Beschlussabdrucks).

4

Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass Rechtsgrundlage der Ausweisung die Vorschrift des § 55 Abs. 1 AufenthG ist. Danach kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt (Ermessensausweisung).

5

Allerdings hat der Antragsteller den Tatbestand des § 53 Nrn. 1 und 2 AufenthG erfüllt, der die Ausweisung als zwingende Rechtsfolge vorsieht. Denn er ist mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts F. vom 6. Januar 2006 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen und anderer Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Damit ist er sowohl wegen mehrerer vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren (vgl. § 53 Nr. 1 AufenthG) als auch wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist (vgl. § 53 Nr. 2 AufenthG).

6

Der Antragsteller genießt jedoch besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 AufenthG, weil er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt, die nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes als Niederlassungserlaubnis fortgilt (vgl. § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), und sich seit seiner Einreise im Jahre 1973 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Es kann dahinstehen, ob er auch aus weiteren Gründen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 besonderen Ausweisungsschutz genießt. Er wird jedenfalls nicht zwingend, sondern lediglich „in der Regel“ ausgewiesen (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG), und auch nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die indes in Fällen des § 53 AufenthG „in der Regel“ vorliegen (vgl. § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG).

7

Gleichwohl war über die Ausweisung des Antragstellers nach Ermessen zu entscheiden. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein Ausnahmefall von der Regelausweisung – und damit die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung – bereits dann vor, wenn durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2007 – 1 C 10.07 –, juris = BVerwGE 129, 367). Solche durch Art. 6 und Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 8 EMRK geschützte Belange sind hier insbesondere im Hinblick auf die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau und zu seinen Kindern, die alle in Deutschland leben, und auf seinen langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet gegeben.

8

1. Das Verwaltungsgericht hat die von der Antragsgegnerin auf spezialpräventive Erwägungen gestützte Ermessensentscheidung über die Ausweisung des Antragstellers für rechtmäßig erachtet und dabei angenommen, die Auffassung der Antragsgegnerin, vom Antragsteller gehe die Gefahr einer wiederholten Begehung von Straftaten aus, sei rechtlich nicht zu beanstanden. An die Annahme einer solchen Gefahr seien in Anbetracht der Art und Schwere der in Rede stehenden Delikte (insbesondere des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, der unerlaubten gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren sowie des unerlaubten Besitzes einer Waffe und von Munition) keine hohen Anforderungen zu stellen (unter Hinweis auf BVerfG, NVwZ 2001, 67). Im Falle des Antragstellers komme hinzu, dass sich die zuständige Justizvollzugsanstalt nicht in der Lage gesehen habe, eine günstige Sozialprognose zu stellen. In ihrem Bericht vom „20. Juni 2007“ – gemeint ist ersichtlich 2. Juli 2007 – heiße es, der Antragsteller lasse wenig Problem- oder Schuldbewusstsein erkennen. Er leugne seine (vom Landgericht festgestellte) Absicht, zur eigenen Bereicherung mit Betäubungsmitteln gehandelt zu haben, und beschränke sich auf die Behauptung, die abgeurteilten Taten nur begangen zu haben, um Dritten einen Gefallen zu tun. An den Behandlungsangeboten der Anstalt zeige er kein Interesse. An dieser Einschätzung habe sich bis heute nichts Entscheidendes geändert (vgl. Sozialprognose der Justizvollzugsanstalt vom 5. Juni 2008). Soweit er seine Bereitschaft hervorhebe, an einer Drogentherapie teilzunehmen, müsse er sich entgegenhalten lassen, dass er den entsprechenden Antrag erst am 9. Juli 2008 und damit unter dem Eindruck des laufenden Ausweisungsverfahrens, von dessen Einleitung er mindestens seit Juni 2007 gewusst habe, gestellt habe.

9

Gegen die Annahme einer Wiederholungsgefahr macht der Antragsteller mit der Beschwerdebegründung ohne Erfolg geltend, es seien einige Umstände nicht bzw. unzureichend gewürdigt worden.

10

Er bringt vor, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Sozialprognose der Justizvollzugsanstalt vom 2. Juli 2007 nicht ungünstig, sondern lediglich „nicht durchgängig positiv“ und damit auch positiv.

11

Dem Antragsteller ist zwar einzuräumen, dass die Sozialprognose der Justizvollzugsanstalt auch positive Aussagen enthält. Sein Verhalten in der Haft gegenüber den Bediensteten wird als stets höflich und korrekt beschrieben. Mit seinen Mitgefangenen habe er keine Probleme. Zu seiner ganzen Familie halte er guten Kontakt, insoweit könne von gefestigten sozialen Bindungen ausgegangen werden.

12

Die Sozialprognose enthält aber auch die vom Verwaltungsgericht angeführten, für den Antragsteller negativen Aussagen. Abschließend heißt es darin: Wie oben beschrieben, negiere der Antragsteller derzeit seine Straftaten und verfüge über wenig Problem- bzw. Schuldbewusstsein. Daher sei trotz guter und stabiler sozialer Kontakte die Sozialprognose nicht durchgängig positiv. Angesichts dessen ist die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die Justizvollzugsanstalt habe sich nicht in der Lage gesehen, eine günstige Sozialprognose zu stellen, nicht als fehlerhaft anzusehen.

13

Ebenso wenig ist die Annahme des Verwaltungsgerichts zu beanstanden, der Antragsteller habe seinen Antrag zur Teilnahme an einer Drogentherapie erst unter dem Eindruck des laufenden Ausweisungsverfahrens gestellt. Der Antragsteller wendet hiergegen ein, gerade der Umstand, dass er erst ein Jahr nach Kenntnis der Einleitung des Ausweisungsverfahrens einen entsprechenden Antrag gestellt habe, zeige, dass er dies unbeeinflusst von dem Verfahren aus freien Stücken und innerer Bereitschaft getan habe. Dieser Schluss ist jedoch keineswegs zwingend. Angesichts dessen, dass der Antragsteller nach seiner im Juni 2007 erlangten Kenntnis von Überlegungen der Antragsgegnerin, ihn auszuweisen und abzuschieben, einen Rechtsanwalt beauftragt hat und daraufhin ein mehrmonatiger Schriftwechsel mit der Antragsgegnerin gefolgt ist, bei dem diese von ihrer Absicht nicht abgerückt ist, rechtfertigt allein der Umstand, dass er erst im Juli 2008 einen Antrag zur Teilnahme an einer Drogentherapie gestellt hat, nicht den Schluss, er habe den Antrag unbeeinflusst vom laufenden Ausweisungsverfahren gestellt.

14

Ferner weist der Antragsteller darauf hin, dass die Überprüfungen auf Drogenkonsum in der Justizvollzugsanstalt bei ihm jeweils zu einem „negativen“ Ergebnis geführt hätten. Er sei seit seiner Inhaftierung drogenabstinent. Beides spreche gegen eine negative Prognose.

15

Dies vermag indes keine durchgreifenden Zweifel an der Annahme einer Wiederholungsgefahr zu begründen. Aus dem vom Antragsteller angeführten Umstand seiner Drogenabstinenz seit seiner Inhaftierung, was durch das Ergebnis der Überprüfungen auf Drogenkonsum bestätigt wird, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, er werde auch nach seiner Entlassung aus der Haftanstalt ohne die dortige Freiheitsbeschränkung und Überwachung seinen vorherigen, nach den Feststellungen des Landgerichts „zur alltäglichen Gewohnheit“ gewordenen Drogenkonsum nicht wiederaufnehmen und drogenabstinent leben. So hat der Antragsteller mit der Beschwerdebegründung auch nicht geltend gemacht, dass er einer Drogentherapie nicht mehr bedürfe, sondern im Gegenteil betont, er werde sich ihr unterziehen, sobald ihm die Möglichkeit gegeben werde. Der Antragsteller kann jedenfalls derzeit nicht aufgrund einer erfolgreich durchgeführten Drogentherapie als weniger rückfallgefährdet nach seiner Haftentlassung angesehen werden.

16

Unabhängig davon vermag die vom Antragsteller angeführte Drogenabstinenz auch deswegen keine durchgreifenden Bedenken gegen die vom Verwaltungsgericht ebenso wie von der Antragsgegnerin bejahte Wiederholungsgefahr zu begründen, weil nach den Feststellungen des Landgerichts der Antragsteller den Handel mit Betäubungsmitteln nicht nur zur Finanzierung seines eigenen Drogenkonsums betrieb, sondern auch, um sich durch den gewinnbringenden Weiterverkauf der Drogen eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zur Finanzierung seines Lebensunterhalts zu verschaffen. Dieser Beweggrund für den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln entfiele selbst bei einer erfolgreich absolvierten Drogentherapie nicht ohne weiteres.

17

Nicht gefolgt werden kann dem weiteren Einwand des Antragstellers, es sei nicht berücksichtigt worden, dass er im Strafverfahren durch Nennung eines Abnehmers einen wesentlichen Aufklärungsbeitrag geleistet habe, weshalb er im Drogenmilieu ein Ausgestoßener sei und nicht in seine „alten Kreise“ zurückkehren und ähnliche Straftaten erneut begehen könne. Da Drogen – wie allgemein bekannt ist – nicht nur von einer einzigen Quelle bezogen werden können, ist nicht erkennbar, weshalb der Antragsteller nicht von neuen Lieferanten Betäubungsmittel nach seiner Haftentlassung erwerben könnte, falls dies bei seinen früheren Lieferanten nicht mehr möglich sein sollte. Ebenso wenig ist ersichtlich, weshalb er, falls eine Rückkehr in seine „alten Kreise“ nicht möglich sein sollte, unerlaubt erworbene Betäubungsmittel nicht an neue Abnehmer weiterverkaufen könnte, die von seinem Strafverfahren einschließlich der Nennung eines Abnehmers keine Kenntnis haben.

18

Ohne Erfolg macht der Antragsteller gegen die Annahme einer Wiederholungsgefahr schließlich geltend, der Umstand, dass er nach seiner Haftentlassung im Betrieb seines Sohnes eine Stelle antreten und damit seinen Lebensunterhalt verdienen könne, sei nicht näher gewürdigt und richtig gewichtet worden.

19

Zwar hat die Antragsgegnerin in der angegriffenen Ausweisungsverfügung die Gefahr einer wiederholten Begehung von Straftaten auch darauf gestützt, dass die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Antragstellers und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht sichergestellt sei, weil seine vor der Inhaftierung und auch aktuell bestehende Arbeitslosigkeit nach der Haftentlassung voraussichtlich fortdauern werde. Der Antragsteller hat aber erstmals im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren vorgetragen, dass sein Sohn ihm einen Arbeitsplatz in dessen Betrieb nach seiner Haftentlassung anbiete und er dadurch seinen Lebensunterhalt sicherstellen könne. Die Antragsgegnerin hat zu diesem neuen Vorbringen in der Beschwerdeerwiderung ausgeführt, dieses sei nicht in der Lage, die für eine Wiederholungsgefahr streitenden Umstände zu beseitigen bzw. in den Hintergrund treten zu lassen. Sie hat vielmehr daran festgehalten, dass an die Annahme einer Wiederholungsgefahr wegen der Art und Schwere der vom Antragsteller begangenen Straftaten keine allzu hohen Anforderungen zu stellen seien und dass das vom Antragsteller an den Tag gelegte geringe Problem- und Schuldbewusstsein und die fehlende Straftataufarbeitung erkennen ließen, dass nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug nach wie vor die Gefahr einer wiederholten Begehung von Straftaten bestehe.

20

Der Antragsteller zeigt mit dem Beschwerdevorbringen nicht auf, dass diese Einschätzung der Antragsgegnerin zum Fortbestand der Wiederholungsgefahr trotz des nunmehr vorliegenden Arbeitsplatzangebots rechtlich zu beanstanden wäre. Er behauptet insbesondere selbst nicht, dass er die Straftaten begangen habe, weil er arbeitslos gewesen sei und deswegen nur über geringere finanzielle Mittel verfügt habe. Hierfür sind im Übrigen auch den Feststellungen des Landgerichts keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen. Zwar war der Antragsteller danach bei Begehung der abgeurteilten Straftaten Ende 2004 bis Juli 2005 erwerbslos. Er bezog aber Arbeitslosengeld in Höhe von zuletzt 1.450,-- € monatlich und hatte zudem beim Ausscheiden aus seinem Arbeitsverhältnis im Jahre 2003 eine Abfindung von 120.000,-- € erhalten. Durch den gewinnbringenden Weiterverkauf der Drogen wollte er sich eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer – zur Finanzierung seines Lebensunterhalts und seines eigenen Drogenkonsums – verschaffen.

21

Dass vorliegend die Strafakten von der Ausländerbehörde – oder dem Verwaltungsgericht – beizuziehen oder einzusehen gewesen wären, macht der Antragsteller mit der Beschwerde nicht geltend.

22

2. Das Verwaltungsgericht hat sodann – ausgehend von einer Wiederholungsgefahr aus den oben genannten Gründen – zu Recht angenommen, dass es frei von Ermessensfehlern ist und nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, dass die Antragsgegnerin dem gewichtigen öffentlichen Interesse an einer Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers Vorrang beigemessen hat. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der durch Art. 6, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten familiären und privaten Belange des Antragstellers.

23

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat Ehe und Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde bei ihrer Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen, die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1 [49 ff.]; 80, 81 [93]). Aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 GG freilich nicht schon aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern, wobei grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten ist. Besteht eine Lebensgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind und kann diese Gemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden, weil weder dem Kind noch seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück (vgl. BVerfG, InfAuslR 2006, 320 und InfAuslR 2008, 347, jeweils m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der neueren Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der Regel von einer – unter den Schutz des Art. 6 GG fallenden – familiären Lebensgemeinschaft bereits im Falle eines regelmäßigen Umgangs des getrennt lebenden Elternteils mit seinem Kind, der dem auch sonst Üblichen entspricht, auszugehen ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2005 – 2 BvR 1001/04 -, juris, Rn. 23 ff. [27 f.]).

24

Allerdings setzen sich auch gewichtige familiäre Belange nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durch. Insbesondere dann, wenn die Geburt eines Kindes nicht eine „Zäsur“ in der Lebensführung des betroffenen Ausländers darstellt, die in Anbetracht aller Umstände erwarten lässt, dass er bei legalisiertem Aufenthalt keine Straftaten mehr begehen wird, kommt ein Vorrang der gegen einen weiteren Aufenthalt streitenden Gründe in Betracht (vgl. BVerfG, InfAuslR 2006, 320 [322]). Wenn die Straftat besonders schwer wiegt, kann sogar die Ausweisung eines straffällig gewordenen Ausländers, der mit einer deutschen Frau verheiratet ist und mit ihr ein eheliches Kind hat – allein aufgrund generalpräventiver Erwägungen – mit Blick auf Art. 6 GG zulässig sein (vgl. BVerfGE 51, 386 [397 ff.]). Dies gilt auch wegen des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG), bei dem die familiären Belange des Ausländers – ebenfalls – angemessen zu würdigen sind (vgl. BVerfG, InfAuslR 2006, 320 [322] m.w.N.).

25

Eine Ausweisung stellt außerdem einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung der Persönlichkeit des sich im Bundesgebiet aufhaltenden Ausländers dar, der in materieller Hinsicht am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen ist. Die Maßstäbe, die für die Prüfung der Rechtfertigung eines Eingriffs in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privatlebens (neben dem Schutz des Familienlebens) gelten, sind auch hier heranzuziehen (vgl. BVerfG, InfAuslR 2007, 443 [444] m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – EGMR – zu Art. 8 EMRK, die auch als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes dient (vgl. BVerfG, NVwZ 2004, 852), sind bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eines Erwachsenen, der noch keine eigene Familie gegründet hat, folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. EGMR, InfAuslR 2008, 333 – Maslov II – m.w.N.): die Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten; die Dauer seines Aufenthalts in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll; die seit der Begehung der Delikte verstrichene Zeit und das Verhalten des Ausländers während dieser Zeit sowie die sozialen, kulturellen und familiären Beziehungen zum Gastland und zum Zielstaat der Ausweisung. Bei der Anwendung einiger dieser Kriterien kann das Alter des Ausländers von Bedeutung sein. So ist bei der Beurteilung von Art und Schwere der begangenen Straftaten zu berücksichtigen, ob der Ausländer sich diese als Jugendlicher oder als Erwachsener zuschulden kommen hat lassen. Bei der Bewertung der Dauer des Aufenthalts und der Bindungen im Gastland macht es einen Unterschied, ob der Betroffene bereits als Kind hierher gekommen ist oder sogar hier geboren wurde, oder ob er erst als Erwachsener zugezogen ist.

26

Ist neben dem Privatleben auch der Schutz des Familienlebens betroffen, so ist dem EGMR zufolge zusätzlich die familiäre Situation des Ausländers zu berücksichtigen, insbesondere: die Staatsangehörigkeit der verschiedenen betroffenen Personen; Länge der Ehe und „Wirksamkeit“ des Familienlebens; Vorhandensein von Kindern und deren Alter; das Gewicht der Schwierigkeiten, auf die der Ehegatte und die Kinder wahrscheinlich in dem Land stoßen werden, in das der Ausländer abgeschoben werden soll (vgl. EGMR, InfAuslR 2008, 111 – Chair – m.w.N.).

27

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze stellt sich die Ausweisung des Antragstellers auch unter Berücksichtigung der durch Art. 6, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten familiären und privaten Belange nicht als unverhältnismäßig dar.

28

aa) Der Antragsteller wurde wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in elf Fällen, davon ein Fall in Tateinheit mit unerlaubter gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren sowie wegen weiterer Fälle des unerlaubten Erwerbs und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe und von Munition verurteilt. Die vom Antragsteller begangenen Drogendelikte zählen zweifellos zu den besonders schwerwiegenden Straftaten, was auch in der gegen ihn verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren zum Ausdruck kommt, für die der Verstoß gegen das Waffengesetz ausweislich der Gründe des strafgerichtlichen Urteils von untergeordneter Bedeutung war. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung berücksichtigt, dass Gegenstand der Taten nicht nur die „weiche“ Droge Cannabis war, sondern mit Amphetamin auch eine synthetische Droge mit erheblichem Gefährdungspotential, dass aufgrund der in einigen Fällen beträchtlichen Abnahmemengen und des nicht überschaubaren Streuungsgrades der Betäubungsmittel der Antragsteller keinen Einfluss darauf hatte, an welche Endabnehmer die Betäubungsmittel letztendlich gelangen würden, und dass die Grenze zur nicht geringen Menge in einigen Fällen ganz erheblich, zum Teil sogar um ein Vielfaches überschritten war. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass Drogenhandel zu den gefährlichen und schwer zu bekämpfenden Delikten gehört (vgl. BVerfGE 51, 386 [397 ff.]). Der EGMR hat im Bereich des Drogenhandels – anders als bei allein wegen Drogenkonsums Verurteilten – Verständnis für die Härte der Behörden gegenüber jenen gezeigt, die „aktiv an der Verbreitung dieser Plage beteiligt sind“ (vgl. EGMR, InfAuslR 2008, 333 – Maslov II –).

29

bb) Hinsichtlich des Verhaltens des Antragstellers nach seinen Straftaten ist festzustellen, dass er sich seitdem in Haft befindet und er mit dem Beschwerdevorbringen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme der Ausländerbehörde und des Verwaltungsgerichts aufzuzeigen vermocht hat, es bestehe die Gefahr einer wiederholten Begehung von Straftaten, wie oben ausgeführt.

30

cc) Seit 1973 hat sich der Antragsteller rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten; 1998 erhielt er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Trotz der sehr langen Dauer seines Inlandsaufenthalts von rund 35 Jahren bis zum Wirksamwerden der Ausweisungsverfügung unterscheidet sich seine Situation insofern von der eines Ausländers der so genannten zweiten Generation, als er seine Kindheit und Jugend in der Türkei verbracht hat und erst im Alter von 18 Jahren nach Deutschland eingereist ist. Der Senat teilt daher die Einschätzung der Ausländerbehörde, dass der Antragsteller mit den Lebens- und Gesellschaftsverhältnissen in seinem Herkunftsland und der türkischen Sprache noch in ausreichendem Maße vertraut ist, was es ihm ermöglichen würde, sich wieder in die türkische Gesellschaft einzugliedern, wenngleich die nach seinem langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet von ihm hierbei zu bewältigenden Schwierigkeiten nicht gering sein dürften.

31

Während seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland war der Antragsteller bis zu dem Ausscheiden aus seinem Beschäftigungsverhältnis im Jahre 2003 erwerbstätig. Danach bezog er Arbeitslosengeld und erzielte Einnahmen durch illegalen Handel mit Betäubungsmitteln.

32

dd) Die familiäre Situation stellt sich wie folgt dar: Der Antragsteller ist seit 1972 verheiratet. Seine türkische Ehefrau lebt seit 1978 in Deutschland und erhielt im Jahre 1998 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Aus der Ehe sind sieben Kinder hervorgegangen, die alle türkische Staatsangehörige sind und im Besitz von Aufenthaltstiteln im Bundesgebiet leben. Sechs der Kinder sind allerdings schon volljährig; von ihnen lebt nur noch eines zusammen mit dem jüngsten ehelichen Kind, der 1999 geborenen Tochter O., im elterlichen Haushalt. Zu seiner Familie hält der Antragsteller nach Angaben der Justizvollzugsanstalt auch während seiner Inhaftierung regelmäßig Kontakt.

33

Aus einer außerehelichen Beziehung mit einer bulgarischen Staatsangehörigen ist ferner die im März 2005 geborene Tochter A. hervorgegangen, die deutsche – und wohl auch bulgarische – Staatsangehörige ist und mit ihrer Mutter im Bundesgebiet lebt. Auch zu ihr und ihrer Mutter hat er Kontakt und erhält gelegentlich Besuch von ihnen in der Justizvollzugsanstalt. Der Senat geht im Hinblick auf die oben wiedergegebene neuere Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugunsten des Antragstellers davon aus, dass auch mit dieser Tochter eine dem Schutz des Art. 6 GG unterfallende familiäre Lebensgemeinschaft besteht. Allerdings kann der Kontakt zwischen ihr und dem Antragsteller bislang nicht als intensiv angesehen werden. Der Antragsteller räumt in der Beschwerdebegründung ein, dass mangels Vollzugslockerungen „kein intensiverer Kontakt“ habe stattfinden können als bei gelegentlichen Haftbesuchen üblich. In der ergänzenden Beschwerdebegründung erklärt er, es habe „mit dem bisherigen kriminellen Tun und der sich hieran anschließenden Haftstrafe zu tun“, dass der Erziehungsbeitrag „von untergeordnetem Ausmaß“ geblieben sei, und macht geltend, sich nach seiner Haftentlassung um das Kind kümmern zu wollen. Dass in der Zeit vor seiner Inhaftierung im Juli 2005 ein intensiverer Kontakt mit dem im März 2005 geborenen Kind stattgefunden habe, behauptet der Antragsteller selbst nicht.

34

ee) In Bezug auf das Gewicht der Schwierigkeiten, auf die die Ehefrau und die minderjährigen Kinder des Antragstellers wahrscheinlich in der Türkei stoßen werden, ist festzustellen: Die Ehefrau des Antragstellers ist im Alter von 21 Jahren nach Deutschland eingereist und hat wie der Antragsteller die prägenden Jahre der Kindheit und Jugend in der Türkei verbracht, so dass es ihr trotz des sehr langen Inlandsaufenthalts von rund 30 Jahren wie ihrem Ehemann möglich sein würde, sich wieder in die türkische Gesellschaft einzugliedern. Die eheliche Tochter O. ist 1999 in Deutschland geboren und hier aufgewachsen. Als Angehörige der so genannten zweiten Ausländergeneration ist bei ihr mit der Antragsgegnerin davon auszugehen, dass sie zumindest in Grundzügen die türkische Sprache beherrscht. Die gegenteilige und zudem nicht näher dargelegte Behauptung des Antragstellers im erstinstanzlichen Verfahren, seine Tochter könne kein Türkisch, ist ohne nähere Begründung nicht plausibel, da anzunehmen ist, dass sich die Eltern zu Hause ihrer Muttersprache bedient haben. Es erscheint daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Ehefrau und die 1999 geborene eheliche Tochter dem Antragsteller in die Türkei folgen könnten, um dort die familiären Beziehungen aufrechtzuerhalten. Allerdings sind die Schwierigkeiten, auf die die Ehefrau nach ihrem langjährigen Aufenthalt in Deutschland und die im Bundesgebiet aufgewachsene neunjährige Tochter in der Türkei stoßen würden, nicht gering zu veranschlagen. Es kommt hinzu, dass die 52jährige Ehefrau über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die als Niederlassungserlaubnis fortgilt, verfügt und sich selbst während ihres Aufenthalts von rund 30 Jahren im Bundesgebiet strafrechtlich nichts zuschulden hat kommen lassen. Dies spricht dafür, es für unzumutbar anzusehen, der Ehefrau – und ihr folgend der minderjährigen Tochter O. – eine Rückkehr in die Türkei anzusinnen.

35

Bei der 2005 geborenen Tochter A., die deutsche Staatsangehörige ist, besteht von vornherein keine realistische Aussicht, dass sie zusammen mit ihrer Mutter, die bulgarische Staatsangehörige ist, dem Antragsteller in die Türkei folgen könnte, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Mutter Türkisch spricht.

36

Folglich wird die Ausweisung des Antragstellers jedenfalls zu einer Trennung von seiner nichtehelichen Tochter A. und voraussichtlich auch von seiner Ehefrau und seiner minderjährigen ehelichen Tochter führen. Bei der noch sehr jungen Tochter A. ist zudem zu bedenken, dass bei einem Kleinkind die Entwicklung schnell voranschreitet und eine relativ kurze Trennungszeit schon als endgültiger Verlust erlebt werden kann (vgl. BVerfG, InfAuslR 2006, 320).

37

ff) Soweit der Antragsteller körperliche Erkrankungen als einen der Ausweisung entgegenstehenden Gesichtspunkt anführt, ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es schon an einer näheren Darlegung eines behandlungsbedürftigen Zustandes fehlt. Mit dem Hinweis in der Beschwerdebegründung auf die Feststellung im Urteil des Landgerichts vom 6. Januar 2006, wonach der Antragsteller unter Rücken- und Herzbeschwerden sowie Diabetes leidet, ist ein aktuell behandlungsbedürftiger Zustand nach wie vor nicht hinreichend dargelegt. Der Feststellung des Landgerichts ist nämlich weder zu entnehmen, inwieweit der Antragsteller wegen der genannten Leiden im Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung behandlungsbedürftig war, noch, inwieweit er es gegenwärtig ist. Gleiches gilt für das im Beschwerdeverfahren vorgelegte ärztliche Attest des in Ludwigshafen niedergelassenen Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. C.-E.-D.. Danach hat sich der Antragsteller jahrelang in dessen ärztlicher Behandlung befunden. Er brauche aufgrund seiner – im Einzelnen aufgeführten – Krankheiten ständige intensive Behandlung, deswegen sei er zurzeit reiseunfähig. Angesichts dessen, dass dieses Attest vom 20. Januar 2009 datiert und weder dargetan noch ersichtlich ist, dass der Arzt den seit Juli 2005 inhaftierten Antragsteller seitdem gesehen und untersucht hat, kann diesem Attest keinerlei Aussagekraft über den gegenwärtigen Gesundheitszustand des Antragstellers und seine Behandlungsbedürftigkeit beigemessen werden. Im Übrigen enthält die Beschwerdebegründung auch keine nähere Darlegung, weshalb wegen des Gesundheitszustandes des Antragstellers seine Ausweisung unverhältnismäßig sein sollte, was allein aus einer behandlungsbedürftigen Erkrankung, selbst wenn eine solche gegenwärtig bestünde, nicht ohne weiteres geschlossen werden kann.

38

c) Der Senat verkennt nicht, dass die Ausweisung des Antragstellers weitreichende Folgen insbesondere für seine Beziehung zu seiner nichtehelichen jungen Tochter A., zu seiner Ehefrau und der ehelichen neunjährigen Tochter O., aber auch für seine sonstigen Bindungen nach der sehr langen Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet hat. Unter Berücksichtigung von Art und Schwere der vom Antragsteller begangenen Straftaten und der aus den oben dargelegten Gründen anzunehmenden Wiederholungsgefahr kann gleichwohl nicht festgestellt werden, dass die Antragsgegnerin den öffentlichen Interessen unverhältnismäßig viel Gewicht gegenüber den gegenläufigen Interessen des Antragstellers und seiner Angehörigen beigemessen hat durch die von ihr verfügte Ausweisung.

39

Hierbei ist auch zu beachten, dass das Verwaltungsgericht angenommen hat, es sei angesichts der Art und Schwere der vom Antragsteller begangenen Delikte und seiner privaten und familiären Situation nicht erforderlich, zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit die Wirkungen der Ausweisung von vornherein zu befristen, und dass diese Annahme vom Antragsteller mit der Beschwerdebegründung nicht angegriffen wird. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Wirkungen der Ausweisung nicht generell, sondern lediglich abhängig von den Umständen des Einzelfalles bereits bei Erlass der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu befristen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2007, a.a.O., Rn. 18 m.w.N. auch zur Rechtsprechung des EGMR). Mit der Beschwerdebegründung wird das Vorliegen von Umständen, die eine Befristung bereits im Ausweisungszeitpunkt gebieten, nicht geltend gemacht.

40

Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin: Der Verweis auf die Befristung der Wirkungen der Ausweisung bleibt für den Antragsteller ein praktisch wirksames Mittel zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit in zeitlicher Dimension, der jedenfalls angesichts des Fortbestands der ehelichen Lebensgemeinschaft und der Vaterschaft zu seinem minderjährigen deutschen Kind eine realistische Aussicht auf eine Rückkehr ins Bundesgebiet hat. Bei der Entscheidung über die Befristung sind die mit der Ausweisung verfolgten Zwecke maßgeblich. Die Ausländerbehörde hat die Frist nach dem mutmaßlichen Eintritt der Zweckerreichung zu bemessen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 – 1 C 21.07 –, juris, Rn. 19 ff. = BVerwGE 129, 243). Dabei sind jedoch auch die familiären und privaten Belange angemessen zu würdigen (vgl. nochmals BVerfG, InfAuslR 2006, 320 [322]); BVerwG, Urteil vom 4. September 2007, a.a.O., Rn. 20 ff.). Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand dürfte die Länge der von der Ausländerbehörde zu bestimmenden Frist sich voraussichtlich in einem Rahmen von zwei bis fünf Jahren zu bewegen haben, um den familiären und privaten Belangen hinreichend Rechnung zu tragen, abhängig von dem weiteren Verhalten des Antragstellers auch nach seiner Ausweisung und Haftentlassung und der – gegebenenfalls auf der Grundlage einer aktualisierten Tatsachenbasis zu treffenden – Gefahrenprognose (vgl. zur Bemessung der Sperrfrist auch VGH BW, InfAuslR 2008, 429 [437 f.]).

41

3. Dahinstehen kann, ob der vom Antragsteller mit der Beschwerde angegriffenen Auffassung des Verwaltungsgerichts zu folgen ist, dass er sein nach Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei (ARB 1/80) erworbenes Aufenthaltsrecht nach dem Ausscheiden aus seinem Arbeitsverhältnis im Jahre 2003 wieder verloren hat. Denn das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung darüber hinaus ausgeführt, die Ausweisungsverfügung wäre selbst dann rechtmäßig, wenn der Antragsteller die von ihm erlangte assoziationsrechtliche Rechtsstellung nicht wieder verloren hätte und er sich – was indessen umstritten sei – auf die Ausweisungsschutzvorschrift des Art. 28 Abs. 3 a der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG berufen könnte. Denn die Voraussetzungen für eine Ausweisung wären auch in diesem Falle gegeben, weil er rechtskräftig zu fünf Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden sei. Die Ermessensentscheidung, derer es zu einer Beendigung seines Aufenthalts bedürfte, sei von der Antragsgegnerin getroffen worden. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergäben sich keine gesteigerten Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer solchen Entscheidung, denen die Verfügung der Antragsgegnerin nicht gerecht würde. Diese selbständig tragende Begründung hat der Antragsteller mit der Beschwerde jedoch nicht angegriffen.

42

Sein Beschwerdevorbringen richtet sich lediglich gegen die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, er könne sich nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG geregelte so genannte Vier-Augen-Prinzip berufen, das zwar auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige Anwendung finde, aber jedenfalls nicht in dringenden Fällen – wie hier – gelte. Hiergegen macht er geltend, ein dringender Fall liege nicht vor. Das Vier-Augen-Prinzip sei als verfahrensrechtliche Schutzvorschrift auch nach Erlass der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 weiterhin anzuwenden, weil die Europäische Union gegenüber der Türkei nicht befugt sei, den Ausweisungsschutz nachträglich herabzusetzen.

43

Dieser Einwand greift nicht durch. Die angegriffene Ausweisung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25. Februar 1964 rechtswidrig.

44

Nach Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie trifft die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist (so genanntes Vier-Augen-Prinzip). Diese gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgarantien, die unmittelbar für Unionsbürger bei behördlicher Beendigung ihres Aufenthalts gelten, sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts auch auf türkische Staatsangehörige anzuwenden (gewesen), die ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht haben (vgl. EuGH, InfAuslR 2005, 289; BVerwGE 124, 217).

45

Die Richtlinie 64/221/EWG ist jedoch durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG mit Wirkung vom 30. April 2006 aufgehoben worden. Die Verfahrensgarantie der Kontrolle von Ausweisungsentscheidungen durch Einschaltung einer zweiten Verwaltungsinstanz nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG wurde in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG durch eine Erweiterung des gerichtlichen Rechtsschutzes ersetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. August 2007 – 1 C 47/06 –, juris, Rn. 27 = BVerwGE 129, 162). So hat das Gericht nunmehr in Rechtsbehelfsverfahren nicht nur die Rechtmäßigkeit der ausländerbehördlichen Entscheidung zu überprüfen, sondern auch die Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung beruht (Art. 31 Abs. 3) – was in mehreren EG-Mitgliedstaaten bisher nicht gewährleistet war. Ferner darf die Entscheidung grundsätzlich solange nicht erfolgen, bis das Gericht über einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz entschieden hat (Art. 31 Abs. 2). Da für das Vorliegen von behördlichen Verfahrensfehlern auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. August 2007, a.a.O., juris, Rn. 28 bis 30), findet der zum 30. April 2006 aufgehobene Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG auf die angegriffene Ausweisungsverfügung vom 24. Juli 2008 keine Anwendung. Ein Verstoß gegen die nunmehr in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltenen Verfahrensgarantien ist weder dargetan noch ersichtlich.

46

Die Verfahrensvorschrift des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht aufgrund der so genannten Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 weiterhin anzuwenden, wonach die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß ist, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen dürfen. Eine weitere Anwendung käme allenfalls in Betracht, wenn sich durch das Außerkrafttreten des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG der Ausweisungsschutz für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige vermindern würde (vgl. Gutmann, InfAuslR 2006, 271). Eine nachträgliche Herabsetzung des Ausweisungsschutzes lässt sich jedoch nicht feststellen, weil die Verfahrensgarantie des so genannten Vier-Augen-Prinzips nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG durch eine Erweiterung des gerichtlichen Rechtsschutzes in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG ersetzt wurde, wie oben bereits ausgeführt. Außerdem darf der Türkei gemäß Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei keine günstigere Behandlung gewährt werden, als sich die Mitgliedstaaten untereinander aufgrund des Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft einräumen. Die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 kann daher nach Art. 59 des Zusatzprotokolls nicht dazu führen, dass türkische Staatsangehörige besser gestellt werden als Unionsbürger (vgl. Gutmann, in: GK-Aufenthaltsgesetz, Stand März 2005, IX Art. 13 ARB 1/80, Rdnr. 79). Für Unionsbürger gelten aber seit 1. Mai 2006 nicht mehr die Verfahrensgarantien des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG, sondern die des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG. Für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige kann nichts Günstigeres gelten.

47

Liegt ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG demnach selbst dann nicht vor, wenn der Antragsteller sein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach dem Ausscheiden aus seinem Arbeitsverhältnis im Jahre 2003 nicht verloren haben sollte, kann deshalb nach alledem offen bleiben, ob dies der Fall ist.

48

Soweit das Verwaltungsgericht schließlich angenommen hat, die von der Antragsgegnerin hilfsweise getroffene Verlustfeststellung nach § 6 Freizügigkeitsgesetz/EU gehe ins Leere, hat der Antragsteller dies mit der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 GKG.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.