Bundessozialgericht Beschluss, 01. Dez. 2010 - B 11 AL 61/10 B

published on 01/12/2010 00:00
Bundessozialgericht Beschluss, 01. Dez. 2010 - B 11 AL 61/10 B
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Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. Mai 2010 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für eine längere Anspruchsdauer.

2

Der am 11.5.1944 geborene Kläger war von 1960 bis zum 30.11.2007 beschäftigt, unterbrochen durch Zeiten unbezahlten Streiks in der Zeit vom 21.2. bis 19.4.2006, vom 24.4. bis 5.5.2006 sowie vom 22.5.bis 31.5.2006. Die Beklagte bewilligte Alg für die Zeit ab 1.12.2007 mit einer Anspruchsdauer von 450 Tagen (15 Monate). Der Widerspruch wegen ua einer längeren Anspruchsdauer von 540 Tagen (18 Monate) war erfolglos, weil die Zeit des Streiks nicht anwartschaftsbegründend gewesen sei (Bescheid vom 23.11.2007, Widerspruchsbescheid vom 4.1.2008). Einen erneuten Antrag auf Alg mit einer längeren Anspruchsdauer nach dem ab dem 1.1.2008 geltenden Recht lehnte die Beklagte ebenfalls ab, weil die Voraussetzungen der Übergangsregelung des § 434r Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) nicht vorlägen(Bescheid vom 23.4.2008, Widerspruchsbescheid vom 15.5.2008).

3

Vom 19.5. bis 8.9.2008 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Ab dem 30.6.2008 erhielt er Krankengeld. Für die Zeit vom 9.9.2008 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 9.5.2009 bewilligte die Beklagte erneut Alg (Bescheid vom 13.10.2008). Seit dem 1.6.2009 ist der Kläger Altersrentner.

4

Klage und Berufung gegen die Widerspruchsbescheide waren erfolglos. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und macht grundsätzliche Bedeutung geltend.

5

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht in der durch § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Weise bezeichnet.

6

Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auch auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und ggf des Schrifttums nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Die Behauptung der Verfassungswidrigkeit begründet keinen herabgesetzten Begründungsmaßstab (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; SozR 3-1500 § 160a Nr 23; auch BSG, Beschluss vom 5.5.1994 - 12 BK 38/94).

7

Die Beschwerdebegründung vom 17.7.2010 wirft zwei Rechtsfragen auf, nämlich
1. ob die Verkürzung der Anspruchsdauer von Alg für ältere Arbeitnehmer mit langen Vorbeschäftigungszeiten ab 1.2.2006 durch die Neufassung des § 127 SGB III durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 trotz erneuter Verlängerung der Anspruchsdauer durch das Siebte Gesetz zur Änderung des SGB III vom 8.4.2008 rückwirkend ab 1.1.2008 mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar sei, und
2. ob die Nichtberücksichtigung von Zeiten mit Bezug von Streikgeld, die zusammenhängend länger als einen Monat dauern, bei der Berechnung der Versicherungspflichtverhältnisse im Rahmen des § 127 Abs 1, 2 SGB III in der Fassung bis zum 31.12.2007 gegen das GG verstoße.

8

Hinsichtlich der zuletzt gestellten Frage wird mit dem bloßen Hinweis auf Art 9 GG und die im 10. Senat anhängige Revision zur Berücksichtigung von Streikgeld bei der Bemessung des Elterngeldes (B 10 EG 17/09 R) der Klärungsbedarf nicht aufgezeigt. Denn die Beschwerdebegründung entbehrt jeder näheren Betrachtung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften des § 24 SGB III und des § 7 Abs 3 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch (SGB IV) unter Einschluss des hierauf bezogenen Literaturzitats im angegriffenen Urteil und beschäftigt sich auch nicht mit der zu dieser Thematik in der Vergangenheit ergangenen Rechtsprechung und ihrer Übertragbarkeit auf die heutige Rechtslage(vgl BSGE 11, 79; auch BSGE 33, 254).

9

Darüber hinaus wird aber auch die grundsätzliche Bedeutung der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Verkürzung der Alg-Anspruchsdauer nicht substanziiert aufgezeigt. Der Beschwerdebegründung lässt sich zwar noch hinreichend deutlich entnehmen, dass als Prüfmaßstab für die Verkürzung der Anspruchsdauer letztlich Art 14 und 3 GG iVm dem Übermaßverbot dienen soll. Zweifelhaft ist aber schon, ob mit dem Verweis auf die zurzeit der Begründung anhängige Revision unter B 7 AL 23/09 R der Klärungsbedarf der aufgeworfenen Frage ausreichend dargelegt worden ist. Aber selbst wenn bei den Anforderungen an die Beschwerdebegründung berücksichtigt wird, dass die Vorinstanz insoweit schlicht auf die ihrerseits knappe Begründung des Sozialgerichts (SG) verwiesen hat, erschließt sich jedenfalls die Entscheidungserheblichkeit nicht. Insoweit versäumt die Beschwerdebegründung Ausführungen dazu, dass und welche Konsequenzen die angestrebte Entscheidung über die aufgeworfene Rechtsfrage für den Ausgang des Rechtsstreits hat (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5). Denn die als verfassungswidrig behauptete Konstellation, dass ein Kläger wegen seines höheren Lebensalters und der Dauer seines Versicherungspflichtverhältnisses nach altem Recht den Höchstanspruch mit einer Dauer von 32 Monaten erworben hätte und jetzt - nicht allein, aber auch - infolge der Neuregelung, die die Verlängerung zum 1.1.2008 auf Höchstanspruchsdauerfälle beschränkt, letztlich auf 15 Monate verwiesen wird, wirkt sich im Falle des Klägers wegen des - auch in der Beschwerdebegründung erwähnten - Eintritts der Altersrente ab dem 1.6.2009 nur für einen sehr kurzen Übergangszeitraum von 22 Tagen aus. Diesen Gesichtspunkt hat im Übrigen auch die Vorinstanz ausdrücklich angesprochen. Die Beschwerdebegründung hätte sich deshalb damit beschäftigen müssen, dass der Anspruch auf Alg begrenzt ist durch den Eintritt des Regelrentenalters (vgl § 117 Abs 2 SGB III) und hiervon ausgehend darlegen müssen, dass und warum die Ablehnung des Alg-Anspruchs für die noch verbleibende Dauer von 22 Tagen gleichwohl von verfassungsrechtlicher Relevanz sein kann. Ausführungen dieser Art sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

10

Nur klarstellend - ohne dass die vorliegende Entscheidung hierauf beruht - sei darauf hingewiesen, dass die Frage, ob die zum 1.1.2004 bzw 1.2.2006 durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 3002) in Kraft getretene Verkürzung der Anspruchsdauer des Alg gemäß § 127 Abs 2 SGB III unter Berücksichtigung der Übergangsvorschriften und der zum 1.1.2008 in Kraft getretenen Verlängerung der Anspruchsdauer durch das Siebte Gesetz zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 8.4.2008 (BGBl I 681) Verfassungsrecht verletzt, durch die Entscheidung des 7. Senats vom 14.9.2010 (B 7 AL 23/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen) inzwischen für die Fallkonstellation entschieden und verneint worden ist, in der nach altem Recht ein Alg-Anspruch mit einer Anspruchsdauer von 26 Monaten bestanden hätte, während nach neuem Recht unter Anwendung der Übergangsvorschriften (nur) ein Alg-Anspruch mit einer Dauer von 24 Monaten gegeben war.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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published on 17/02/2011 00:00

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 31. August 2009 geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
published on 14/09/2010 00:00

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
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published on 19/01/2011 00:00

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. September 2010 wird als unzulässig verworfen.
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Annotations

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Teilnahmekosten bestimmen sich nach den §§ 49, 64, 73 und 74 des Neunten Buches. Sie beinhalten auch weitere Aufwendungen, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen, sowie Kosten für Unterkunft und Verpflegung bei anderweitiger auswärtiger Unterbringung.

(2) Die Teilnahmekosten nach Absatz 1 können Aufwendungen für erforderliche eingliederungsbegleitende Dienste während der und im Anschluss an die Maßnahme einschließen.

(1) In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind.

(2) Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis oder mit dem Tag nach dem Erlöschen der Versicherungsfreiheit, für die sonstigen Versicherungspflichtigen mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht erfüllt sind.

(3) Das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte besteht während eines Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall im Sinne der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld fort.

(4) Das Versicherungspflichtverhältnis endet für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis oder mit dem Tag vor Eintritt der Versicherungsfreiheit, für die sonstigen Versicherungspflichtigen mit dem Tag, an dem die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht letztmals erfüllt waren.

Bei der Auswahl von Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung hat die Agentur für Arbeit unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombination von Leistungen zu wählen. Dabei ist grundsätzlich auf

1.
die Fähigkeiten der zu fördernden Personen,
2.
die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes und
3.
den anhand der Ergebnisse der Beratungs- und Vermittlungsgespräche ermittelten arbeitsmarktpolitischen Handlungsbedarf
abzustellen.

(1) Die besonderen Leistungen sind anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung, einschließlich Berufsvorbereitung, sowie der wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung zu erbringen, wenn

1.
Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an
a)
einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen oder
b)
einer sonstigen, auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen ausgerichteten Maßnahme
unerlässlich machen oder
2.
die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen.
In besonderen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen können auch Aus- und Weiterbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung gefördert werden.

(2) Leistungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich werden von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder anderen Leistungsanbietern nach den §§ 57, 60, 61a und 62 des Neunten Buches erbracht.

(1) Teilnahmekosten bestimmen sich nach den §§ 49, 64, 73 und 74 des Neunten Buches. Sie beinhalten auch weitere Aufwendungen, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen, sowie Kosten für Unterkunft und Verpflegung bei anderweitiger auswärtiger Unterbringung.

(2) Die Teilnahmekosten nach Absatz 1 können Aufwendungen für erforderliche eingliederungsbegleitende Dienste während der und im Anschluss an die Maßnahme einschließen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.