Bundesgerichtshof Urteil, 29. Apr. 2014 - X ZR 19/11

bei uns veröffentlicht am29.04.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21. Januar 2011 an Verkündungs Statt zugestellte Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägerinnen auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 181 902 (Streitpatents), das - unter Inanspruchnahme der Prioritäten zweier US-amerikanischer Patentanmeldungen vom 28. Juli 1994 und 31. Mai 1995 - am 26. Juli 1995 angemeldet wurde. Das Streitpatent, dessen Verfahrenssprache Englisch ist, umfasst zwölf Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut hat:

"A flexible, expandable stent formed of an elongated cylindrical unitary tube (30)

having in a non-expanded form and in its expanded form a patterned shape,

the patterned shape comprising first meander patterns (11) extending in a first direction

and second meander patterns (12) extending in a second direction, different from the first direction,

wherein the first and second meander patterns comprise loops and are intertwined such that

loops (14, 16) of each of the first meander patterns (11) are disposed between each of the neighbouring second meander patterns (12) and

that one single loop (18, 20) of each of the second meander patterns (12) is disposed between each of the neighbouring first meander patterns (11), and wherein the first and second meanders patterns (11, 12) define a plurality of enclosed spaces (42a, 42b; 44a, 44b)."

2

Die Patentansprüche 2 bis 12 sind unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.

3

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gehe über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und sei nicht patentfähig, weil er weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit zwei Hilfsanträgen verteidigt.

4

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie beantragt Klageabweisung. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit zuletzt fünf Hilfsanträgen. Die Klägerinnen beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

5

Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing.       S.                ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe

6

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

7

I. Das Streitpatent betrifft einen Stent. Dabei handelt es sich um ein Implantat, das in ein Blutgefäß oder ein anderes Hohlorgan des Körpers eingebracht und dort aufgeweitet (expandiert) wird, um das Hohlorgan dauerhaft offen zu halten. In der Beschreibung wird erläutert, dass der Stent typischerweise mittels eines aufblasbaren Ballonkatheters an den gewünschten Ort im Körper zugeführt und ausgedehnt werde, dass aber auch andere mechanische Vorrichtungen bekannt seien, mit denen die Ausdehnung des Stents bewirkt werden könne (Rn. 2).

8

Wie in der Beschreibung weiterhin ausgeführt wird, sind Stents mit ausdehnbaren röhrenförmigen Implantaten bekannt, die eine Vielzahl von parallel zur Längsachse der Röhre angeordneten Schlitzen aufweisen. Da die Implantate relativ steif seien, seien sie mit flexiblen schraubenförmigen Verbindern verbunden, so dass die Stents auch durch ein gekrümmtes Blutgefäß zum gewünschten Ort geführt werden könnten. Dabei auftretende Verdrehbewegungen der schraubenförmigen Verbinder könnten jedoch für das Blutgefäß schädlich sein. Andere bekannte Stents wiesen deshalb gerade Verbinder auf, die aber nicht die erforderliche Festigkeit hätten (Rn. 4 f.).

9

Nach den Angaben des Streitpatents liegt der Erfindung das Problem zugrunde, einen flexiblen Stent bereitzustellen, der während der Ausdehnung minimal in der Längsrichtung schrumpft (Rn. 8).

10

Nach Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung soll dies durch die nachfolgende Merkmalskombination erreicht werden:

1. Der Stent ist flexibel, expandierbar und aus einem länglichen, zylindrischen, einheitlichen (unitary) Rohr (30) gebildet.

2. Der Stent weist in einer nicht expandierten und in seiner expandierten Form ein Gestaltungsmuster (patterned shape) auf.

3. Das Gestaltungsmuster umfasst

a) erste, sich in eine erste Richtung erstreckende Mäandermuster (11) und

b) zweite, sich in eine zweite, zur ersten unterschiedliche Richtung erstreckende Mäandermuster (12).

4. Die ersten und zweiten Mäandermuster weisen Schlaufen auf und sind derart verschlungen, dass

a) Schlaufen (14, 16) jedes der ersten Mäandermuster (11) zwischen jedem der benachbarten zweiten Mäandermuster (12) angeordnet sind und

b) eine einzelne Schlaufe (18, 20) jedes der zweiten Mäandermuster (12) zwischen jedem der benachbarten ersten Mäandermuster (11) angeordnet ist.

5. Die ersten und zweiten Mäandermuster (11, 12) definieren eine Mehrzahl von umschlossenen Räumen (42a, 42b; 44a, 44b).

11

Aus Sicht des Fachmanns, der ein Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik ist, der sich - gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit Medizinern - mit biomedizinischer Technik und insbesondere mit der Entwicklung von Gefäßimplantaten befasst und über mehrjährige berufliche Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügt (Urteil des Patentgerichts, S. 9; Sachverständigengutachten, S. 23), handelt es sich bei einem Stent, der aus einem einheitlichen Rohr ("unitary tube") gebildet ist, um einen einstückigen Stent. Dabei kommt es nicht darauf an, in welcher Weise der einstückige Stent hergestellt worden ist. In der Beschreibung des Streitpatents wird zwar erläutert, dass der Stent aus Flachmetall hergestellt werden kann, welches zur Bildung des in Figur 2 gezeigten Musters geätzt und dann in die Form eines Rohres gebogen werde (Rn. 37). Zudem heißt es dort, dass der Stent aus Metall oder Draht hergestellt werden könne (Rn. 38). Patentanspruch 1 schützt den Stent jedoch als (fertig hergestelltes) Erzeugnis und nicht ein Verfahren zur Herstellung eines Stents. Entscheidend ist daher, dass der fertig hergestellte Stent einstückig ausgebildet ist und nicht die Art und Weise seiner Herstellung, also etwa ob dieser aus einem einstückigen Flachmetall geätzt oder aus mehreren Flachmetallstücken oder Drähten, etwa durch Verschweißen, dauerhaft fest verbunden ist.

12

Mit einem erfindungsgemäßen Mäandermuster ist nach den Erläuterungen in der Patentschrift ein periodisches Muster um eine Mittellinie gemeint. Bei dem in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 gezeigten Ausführungsform hat beispielsweise das erste Mäandermuster 11 eine vertikale Mittellinie 9 und das zweite Mäandermuster 12 eine horizontale Mittellinie 13.

Abbildung

Dabei dürfen sich Schlaufen des ersten Mäandermusters nicht vollständig mit Schlaufen des zweiten Mäandermusters überdecken. Das ergibt sich daraus, dass erfindungsgemäß zwei (unterschiedliche) Mäandermuster vorgesehen sind, die sich in zwei (unterschiedliche) Richtungen erstrecken sollen. Danach ist es zwar möglich, dass Schlaufen des ersten und des zweiten Mäandermusters gemeinsame Abschnitte aufweisen, wie dies beispielsweise in Figur 2 im Grenzbereich zwischen den Schlaufen 14 und 16 des ersten Mäandermusters 11 und den Schlaufen 18 und 20 des zweiten Mäandermusters 12. Hingegen kann - in Übereinstimmung mit dem Patentgericht und dem gerichtlichen Sachverständigen - eine vollständige Überdeckung von Schlaufen des ersten und zweiten Mäandermusters nicht mehr als erfindungsgemäß angesehen werden (vgl. auch Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts, Entscheidung vom 21. Januar 2011 - T 1967/08 Rn. 2.1).

13

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

14

Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus. Der ursprünglichen Anmeldung sei nicht die Anweisung zu entnehmen, den Stent - wie in Patentanspruch 1 gefordert - aus einem einheitlichen Rohr zu bilden. Es fehle an einer Offenbarung für den Begriff "einheitlich" ("unitary"). In der ursprünglichen Anmeldung sei lediglich in Patentanspruch 1 von einem "stent formed of a tube ..." die Rede. In Anspruch 6 werde näher ausgeführt, dass der Stent u.a. mit geraden und ungeraden Mäandermustern ausgebildet sein solle, wobei diese eine "... generally uniform distributed structure" darstellen sollten. "Uniform" sei in diesem Zusammenhang aber nicht gleichbedeutend mit "unitary", vielmehr entspreche es dem deutschen Begriff "einheitlich" im Sinne von "gleichförmig".

15

Auch in der Fassung des Hilfsantrags I, nach dem aus dem Begriff "einheitlich" keine Rechte hergeleitet werden sollten, habe das Streitpatent keinen Bestand. Es könne dahingestellt bleiben, ob durch die Aufnahme eines solchen "Disclaimers" die unzulässige Erweiterung beseitigt werden könne. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der genannten Fassung sei jedenfalls nicht patentfähig. Er werde von dem US-amerikanischen Patent 4 856 516 (BR 8) vorweggenommen, aus dem die nachfolgend wiedergegebene Figur 2A stammt:

Abbildung

16

Dort werde ein flexibler, expandierbarer Stent offenbart, der aus einem länglichen, zylindrischen Rohr gebildet werde. Der Stent sei aus einem mäanderförmig gebogenen Draht gefertigt und weise erste, sich in eine erste Richtung erstreckende Mäandermuster in Gestalt der Schlingen 50 auf. Die Schlingen 50 seien durch axial verlaufende, mäanderförmig gebogene Drahtstücke 54 miteinander verbunden. Diese Drahtstücke 54 bildeten insgesamt ein Rückgrat 52, welches die benachbarten Schlingen 50 verbindet. Zusätzlich zu den ein Rückgrat 52 bildenden Drahtstücken 54 könne noch ein weiteres aus hintereinander angeordneten mäanderförmig gebogenen Drahtstücken gebildetes Rückgrat auf der gegenüberliegenden Seite des Stents vorgesehen werden. Der Stent weise somit auch zweite, sich in eine zweite Richtung erstreckende Mäandermuster auf. Insgesamt ergebe sich eine gemusterte Gestaltung des Stents 10 sowohl in einer nicht expandierten als auch in einer expandierten Form. Die Schlingen 50 und die Drahtstücke 54 wiesen Schlaufen auf. Die Drahtstücke würden nicht, wie von der Beklagten behauptet, beim Herstellen des Stents geradegezogen. Der Draht werde vielmehr bei der Fertigung des Stents in einer Hülse 70 geführt, um eine Verformung der Schlaufen zu vermeiden. Die in axialer Richtung in einer Linie angeordneten mäanderförmig gebogenen Drahtstücke 54 seien untereinander und mit den jeweiligen Schlingen durch einen halben Schlag 56 des Stentdrahtes verschlungen. Wie in Figur 2A zu erkennen sei, seien Schlaufen jeder der Schlingen 50 zwischen jedem der benachbarten, durch die axialen Drahtstücke 54 gebildeten Rückgrate angeordnet und wiesen die axialen Drahtstücke zwischen jeder der benachbarten Schlingen 50 genau eine Schlaufe in ihrer Mitte auf, an die sich auf beiden Seiten jeweils eine Biegung des Stentdrahtes in Form eine halben Schlages 56 anschließe. Damit seien alle Merkmale offenbart. Entsprechendes gelte auch für Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags II.

17

III. Die Ausführungen des Patentgerichts halten der Berufung der Beklagten im Ergebnis nicht stand.

18

1. Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung geht nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.

19

a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist für die Ursprungsoffenbarung des Gegenstands eines Patentanspruchs erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre der ursprünglichen Anmeldung unmittelbar und eindeutig als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann. Dabei sind zur Vermeidung einer unbilligen Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen. Ein "breit" formulierter Anspruch kann unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann als unbedenklich zu erachten sein, wenn sich ein in der ursprünglichen Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 52 - Polymerschaum; Urteil vom 11. Februar 2014 - X ZR 146/12 Rn. 26 - Kommunikationskanal).

20

Nach diesen Grundsätzen ist das Merkmal, wonach der flexible, expandierbare Stent aus einem einheitlichen (unitary) Rohr 30 gebildet sein soll, ursprungsoffenbart. Dabei ist mit dem Patentgericht davon auszugehen, dass der in den Ansprüchen 1 und 6 der ursprünglichen Anmeldung verwendete Begriff der"generally uniform distributed structure", also der allgemein einheitlich verteilten Struktur, welche die in den Ansprüchen 1 und 6 jeweils näher charakterisierten Mäandermuster des Stents bilden sollen, lediglich eine "gleichförmige" Struktur meint und damit noch keine Einstückigkeit des Stents offenbart ist. Im Hinblick auf das in den Figuren 1 und 2 gezeigte, als erfindungsgemäß bezeichnete Ausführungsbeispiel wird dem Fachmann jedoch weiter erläutert, dass es sich dabei um eine Röhre eines leicht deformierbaren Materials, wie zum Beispiel Metall handelt (Veröffentlichung der Anmeldung [WO 96/03092, im Folgenden: Anmeldung], S. 5, Z. 17 ff.). An anderer Stelle lernt der Fachmann darüber hinaus, dass der erfindungsgemäße Stent aus Flachmetall hergestellt werden kann, indem das Muster eingeätzt und das geätzte Metall in die Form einer Röhre gebogen wird, und dass das Muster alternativ auch aus geschweißtem oder gewundenem Draht hergestellt werden kann. Sieht er sich die insoweit in Bezug genommenen zeichnerischen Darstellungen in den Figuren 1 und 2 an, ergibt sich für ihn zwanglos, dass der erfindungsgemäße Stent aus einem Rohr gebildet werden kann, dass nicht nur länglich und zylindrisch ist, sondern nach der Herstellung auch einheitlich im Sinne von einstückig ist.

21

b) Der ursprünglichen Anmeldung ist auch nicht zu entnehmen, dass ausschließlich Stents als zur Erfindung gehörend anzusehen sind, die gerade und ungerade Mäandermuster aufweisen, die zueinander phasenverschoben sind. Zwar sehen die Ansprüche 1 und 13 sowie die darauf rückbezogenen weiteren Ansprüche der ursprünglichen Anmeldung eine solche Anordnung vor; jedoch ergibt sich der Inhalt der Patentanmeldung aus der Gesamtheit der Unterlagen und nicht nur aus den darin enthaltenen Ansprüchen. Insoweit hat bereits das Patentgericht zutreffend ausgeführt, dass in der Beschreibung unter der Überschrift "Zusammenfassung der Erfindung" von der Ausbildung der ersten Mäandermuster in gerade und ungerade Mäandermuster, die außer Phase zueinander sind, lediglich im Hinblick auf "eine Ausführungsform" die Rede ist (Anmeldung, S. 2, Z. 23 ff.: "one embodiment"), während "der Stent der vorliegenden Erfindung" zuvor allgemein als Röhre mit einer gemusterten Form beschrieben wird, die in sich verschlungene erste und zweite Mäandermuster aufweist und bei der die Achsen sich in erste und zweite Richtungen erstrecken (Anmeldung, S. 2, Z. 16 ff.: "The stent of the present invention"). Auch an anderer Stelle in der Beschreibung heißt es allgemein, dass die Erfindung alle Stents umfassen solle, die mit einem Muster hergestellt seien, das aus zwei Mäandermustern ausgebildet sei, unabhängig davon, ob diese orthogonal oder andersartig seien (Anmeldung, S. 7, 31 ff.). Der nebengeordnete Patentanspruch 6 der Ursprungsanmeldung sieht - anders als Patentanspruch 1 - nicht vor, dass der Stent ungerade erste Mäandermuster aufweist, die 180° außer Phase mit geraden ersten Mäandermustern sind. In der ursprünglichen Anmeldung findet sich auch im Übrigen, wie auch der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten hervorhebt, kein Hinweis darauf, dass Stents, bei denen das erste Mäandermuster nicht aus phasenverschobenen ersten und zweiten Mustern besteht, ausgeschlossen sind. Dem steht die Darstellung verschobener Stents in den Figuren 1 bis 8 nicht entgegen, die lediglich beispielhaft drei erfindungsgemäße Ausführungsformen wiedergeben (Anmeldung, S. 3 f.). Auch die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, dass nur phasenverschobene Stents von dem Problem der Längenverkürzung während der Aufdehnung betroffen seien, führen zu keinem anderen Verständnis vom Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung. Nach den Angaben in der Beschreibung ist es zwar ein Ziel der anmeldungsgegenständlichen Erfindung, einen flexiblen Stent bereitzustellen, der während der Ausdehnung minimal in der Längsrichtung schrumpft (Anmeldung, S. 3, Z. 16 ff.). Das erlaubt jedoch nicht den Schluss, dass diese beiden Vorgaben (Flexibilität und minimale Schrumpfung in Längsrichtung bei Ausdehnung) nur bei phasenverschobenen Stents erreicht werden sollen.

22

Aus den vorstehenden Gründen kann auch nicht dem Gerechtshof's-Gravenhage zugestimmt werden, der - bestätigt vom Hoge Raad (Urteil vom 4. April 2014 - 13/00522 Rn. 3.2.6; ähnlich im Ergebnis auch der irische High Court, Urteil vom 27. Mai 2011 - 2008 No. 10436 P Rn. 13 ff.) - entschieden hat, dass die Erfindung auf phasenverschobene Stents beschränkt sei, weil nirgendwo in der ursprünglichen Anmeldung des Streitpatents ein Hinweis zu finden sei, dass auch Stents mit andersartigen Mäandermuster als zur Erfindung gehörend anzusehen seien (Gerechtshof's-Gravenhage, Urteil vom 30. Oktober 2012 - 200.059.579/01 Rn. 9.1 ff., 10.9, 11). Vielmehr gilt umgekehrt, dass -unter Berücksichtigung der weiteren obigen Erwägungen - auch Stents mit (im vorgenannten Sinne) phasengleichen Mäandermustern als zur Erfindung gehörend anzusehen, weil diese nirgendwo in der ursprünglichen Anmeldung von der Erfindung ausgeschlossen werden.

23

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ist auch patentfähig.

24

a) Er wird von keiner der vorgelegten Entgegenhaltungen vorweggenommen.

25

(1) Die US-amerikanische Patentschrift 4 856 516 (BR 8) offenbart einen länglichen, zylindrischen und expandierbaren Stent, der aus einem mäanderförmig gebogenen Draht gefertigt ist und sich in eine erste Richtung erstreckende erste Mäandermuster in Gestalt der Schlingen 50 und sich in eine (von der ersten verschiedene) zweite Richtung erstreckende zweite Mäandermuster in Gestalt eines axialen Rückgrates 52/54 aufweist (BR 8, Sp. 3, Z. 31 ff.; Ansprüche 1 und 6; Figur 2A). Als eine zweite Stützanordnung wird vorgeschlagen, gegenüberliegend dem axialen Rückgrat 52/54 einen einzelnen gewundenen Draht ("convoluted wire") hinzuzufügen (BR 8, Sp. 4, Z. 17 ff.), so dass der Stent auch insoweit über ein sich in eine zweite Richtung erstreckendes Mäandermuster verfügt. Wie auch der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, ist dem Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung nicht zu entnehmen, dass die sich axial erstreckenden, Rückgrate bildenden Drahtabschnitte bzw. Drähte beim Montagevorgang völlig gerade gezogen werden, so dass keine Mäandermuster mehr bestehen. Vielmehr sollen die Drahtabschnitte bzw. Drähte nach den ausdrücklichen Angaben in der BR 8 gewunden ("convoluted") sein (BR 8, Sp. 4, Z. 17 ff.; Anspruch 6), sich bei der Herstellung nicht ungebührlich verformen (BR 8, Sp. 3, Z. 62 ff.: "without unduly deforming the wire") und werden in gewundenem Zustand auch in den Figuren 2 und 2A der Entgegenhaltung gezeigt. Im Hinblick auf die zeichnerische Darstellung in den Figuren 2 und 2A kann auch nicht erfolgreich in Abrede gestellt werden, dass eine einzelne Schlaufe jedes der durch die axialen Drähte 52/54 gebildeten zweiten Mäandermuster zwischen jedem der durch die Schlingen 50 gebildeten benachbarten ersten Mäandermuster angeordnet ist.

26

Der in der BR 8 offenbarte Stent ist jedoch in der Variante mit einem zweiten sich axial erstreckenden gewundenen Draht nicht einstückig aus einem einheitlichen Rohr gebildet. Denn der zweite Draht wird nach den ausdrücklichen Angaben der Entgegenhaltung als zweite Stützanordnung hinzugefügt (BR 8, Sp. 4, Z. 17 ff.: "... a second support structure could be added to the stentconfiguration ...").

27

Wird hingegen kein zweiter Draht als zusätzliche Stützanordnung hinzugefügt, definieren die durch die Schlingen 50 gebildeten ersten und die durch den sich axial streckenden Teil des einzigen Drahtes 52/54 gebildeten zweiten Mäandermuster keine Mehrzahl von umschlossenen Räumen (Merkmal 5). Vielmehr besteht zwischen diesen ersten und zweiten Mäandermustern jeweils nur ein einzelner Raum, der auch nicht umschlossen ist, weil das zweite Mäandermuster den Raum in axialer Richtung nur an einer Seite umschließt.

28

(2) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 wird auch nicht in der europäischen Patentanmeldung 0 540 290 (BR 5) offenbart. Die in dieser Entgegenhaltung in den Figuren 5 und 11 gezeigten Stents weisen keine sich in eine zweite Richtung, die unterschiedlich zur Richtung der durch die Schlaufen 12 gebildeten (ersten) Mäanderstruktur ist, erstreckenden zweiten Mäandermuster auf. Diese können nicht in den geraden Verbindungsstücken 13 gesehen werden. Selbst wenn dies anders gesehen würde, fehlte es an einer einzelnen Schlaufe des zweiten Mäandermusters, die zwischen jedem der benachbarten ersten Mäandermuster angeordnet sein soll. Denn diese einzelne Schlaufe darf, wie ausgeführt, nicht, auch nicht teilweise, dem zweiten Mäandermuster zugehörig sein. Entsprechend fehlt es auch an einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme durch die internationale Patentanmeldung WO 95/26695 (BR 7).

29

(3) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist nicht der internationalen Anmeldung WO 95/31945 (BR 6) zu entnehmen. Der dort offenbarte Stent weist zwar in axialer Richtung ein Mäandermuster auf. In Umfangsrichtung ist er jedoch statt eines Mäandermusters mit einem Muster aus geschlossenen Schlaufen ausgestattet, so dass es insoweit an einem zweiten Mäandermuster fehlt.

30

(4) Die übrigen von den Klägerinnen vorgelegten Entgegenhaltungen liegen noch weiter vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 entfernt und nehmen diesen erst Recht nicht vorweg.

31

b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung hat sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus einer Kombination der US-amerikanischen Patentschrift 5 104 404 (BR 9) mit der europäischen Patentanmeldung BR 5 ergeben, auf welche die Klägerinnen in diesem Zusammenhang abheben.

32

Die BR 9 offenbart in den Figuren 1 bis 6 einen aus zusammengeschweißten Drahtelementen bestehenden einstückigen zylindrischen Stent, der über radial expandierbare Stentsegmente 12 verfügt, die jeweils durch ein Scharnier 14 oder 12 miteinander verbunden sind, wobei die gezeigten Scharniere entweder eine gerade oder eine gewendelte Form haben (BR 9, Sp. 3, Z. 40 ff.). Ein solcher Stent weist zwar ein sich in Umfangrichtung erstreckendes erstes Mäandermuster auf. Die gezeigten Scharniere 14 und 12 bilden jedoch kein zweites Mäandermuster, das sich in eine zweite, von der Richtung des ersten Mäandermusters unterschiedliche Richtung erstreckt.

33

Selbst wenn den Klägerinnen darin gefolgt wird, dass der Fachmann, angeregt durch die allgemeinen Ausführungen in der Entgegenhaltung, dass auch jede andere Metallform mit den erforderlichen Scharniereigenschaften für dieses Scharniersegment verwendet werden könne, daran denkt, die Scharniere - abweichend von dem Offenbarten - mit einem Zick-Zack-Muster zu versehen, ist damit der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung noch nicht nahegelegt. Denn in der BR 8 wird lediglich die Verwendung von einem Scharnier als Verbindung zwischen zwei Stentsegmenten 12 offenbart, so dass weiterhin die ersten und zweiten Mäandermuster keine Mehrzahl von umschlossenen Räumen bilden würden, wie auch der gerichtliche Sachverständige zutreffend ausgeführt hat.

34

Entgegen der Ansicht der Klägerinnen wurde der Fachmann auch nicht dazu angeregt, das ihm in der BR 9 offenbarte alleinige Scharnier durch zwei oder mehrere solcher Elemente zu ersetzen. In der BR 9 wird dem Fachmann erläutert, dass die (alleinigen) Scharniere vorteilhafterweise an der gleichen Seite anzubringen seien, so dass diese bei einer Biegung der Arterie vorzugsweise an der Außenseite anliegen, so dass dort ein besserer Halt entstehe, während die Innenkante des Stents geschlossen sein könne, um auf dieser Seite für zusätzlichen Halt zu sorgen. In Fällen, bei denen die Arterie zunächst in einer Richtung und dann in der Gegenrichtung gekrümmt ist, soll das erste Scharnier (zwischen dem ersten und dem zweiten Segment) auf der einen und das zweite Scharnier (zwischen dem zweiten und dem dritten Segment) auf der Gegenseite angeordnet sein, um für die erforderliche, passende Stent-Gelenkbildung zu sorgen (BR 9, Sp. 1, Z. 61 ff.; Sp. 3, Z. 40 ff.). Mit diesen Erläuterungen ist es unvereinbar, eine zweites Scharnier zwischen zwei Stent-segmenten anzuordnen, so dass der Fachmann entgegen der Ansicht der Klägerinnen auch nicht durch die BR 5 veranlasst wird, die für den dort offenbarten Stent mit Ringelementen vorgesehenen mehreren Verbindungselementen (vgl. BR 5, Sp. 5, Z. 57 ff.; Figuren 7 bis 10) auf den aus der BR 9 bekannten Stent zu übertragen.

35

Aber auch eine Kombination der BR 8 mit der BR 5 vermag den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht nahezulegen. Wie bereits erläutert, bezieht sich die BR 8 auf einen länglichen, zylindrischen und expandierbaren Stent, der aus einem mäanderförmig gebogenen Draht gefertigt ist. Gegenstand der in der BR 8 offenbarten Erfindung ist zum einen die besondere Art der Herstellung eines zylindrischen Stents durch Wickeln eines langgestreckten Drahtes in einer Aufeinanderfolge um einen zylindrischen Montagedorn zur Bildung einer Reihe von Schlingenabschnitten (vgl. BR 8, Sp. 5, 3, Z. 49 ff.; Figur 3; Anspruch 7). Gegenstand der in der BR 8 offenbarten Erfindung ist zum anderen ein fertig hergestellter Stent, der aus einem langgestreckten Draht gebildet sein soll, der zur Bildung einer Aufeinanderfolge von in relativ engem Abstand liegenden Windungen oder Biegungen auch in Form einer Mehrzahl von Schlingen gebogen ist, die im Abstand entlang der axialen Dimension des Stents angeordnet und durch eine Reihe von Halbschlag-Verbindungen miteinander verbunden sind (vgl. BR 8, Sp. 5, Z. 14 ff.; Figuren 2 und 2A; Anspruch 1). Vor dem Hintergrund dieses Offenbarungsgehalts hatte der Fachmann keine Veranlassung, über ein anderes Material als Draht zur Herstellung des in der BR 8 offenbarten Stents nachzudenken, auch wenn ihm aufgrund seines allgemeinen Fachwissens zum Prioritätszeitpunkt durchaus, etwa aus der KW 1 oder aus der BR 5 (vgl. BR 5, Sp. 3, Z. 28 ff.; Sp. 6, Z. 50 ff.; Ansprüche 5, 11 und 15), allgemein bekannt war, dass Stents nicht nur aus Draht, sondern auch aus flachem Metall hergestellt werden können.

36

Ging der Fachmann demgegenüber zunächst von der BR 5 aus, ist nicht ersichtlich, dass ihn der in der BR 8 offenbarte Stent aus Draht dazu hätte veranlassen können, die Verbindungselemente 13 des dort in Figur 11 gezeigten Stents als zweites Mäandermuster auszugestalten. Zudem fehlt es an einer Anregung, bei dem in Figur 11 gezeigten Stent einzelne Schlaufen zwischen den benachbarten ersten Mäandermustern 12 vorzusehen.

37

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit §§ 91, 97 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 29. Apr. 2014 - X ZR 19/11

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Referenzen

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bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist für die Ursprungsoffenbarung des Gegenstands eines Patentanspruchs erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen - "unmittelbar und eindeutig" (BGH, Urteil vom 11. September 2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 25 - Olanzapin; Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910, Rn. 62 - Fälschungssicheres Dokument) - als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (Urteil vom 21. September 1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn 03; Beschluss vom 11. September 2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung ; Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 52/08, GRUR 2010, 599 = BlPMZ 2010, 269, Rn. 22, 24 - Formteil). Dabei hat der Senat zur Vermeidung einer unbilligen Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen. Er hat einen "breit" formulierten Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann für unbedenklich erachtet, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung ). Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenom- men worden sind (ständige Rechtsprechung seit BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; zuletzt Urteil vom 24. Januar 2012 - X ZR 88/09, GRUR 2012, 475 Rn. 34 - Elektronenstrahltherapiesystem ). Als zulässig ist jedoch auch die Verallgemeinerung einer chemischen Verbindung angesehen worden (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1975 - X ZR 51/72, BGHZ 66, 17, 30 - Alkylendiamine I).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 146/12 Verkündet am:
11. Februar 2014
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Februar 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die
Richter Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. KoberDehm

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1. August 2012 verkündete Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutsch1 land erteilten europäischen Patents 1 062 745 (Streitpatents). Das Streitpatent, das am 24. Dezember 1999 angemeldet worden ist, nimmt die Priorität von vier britischen Patentanmeldungen in Anspruch und umfasst 10 Ansprüche. Anspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache wie folgt: "A radio communication system comprising a primary station and a plurality of secondary station, the system having a communication channel between the primary station and a secondary station, the channel comprising an uplink and a downlink control channel for transmission of control information, and a data channel for the transmission of data, at least one of the primary station and a secondary station comprising power control means adapted to adjust, in response to a sequence of received power control commands, the power of the control and data channels in a series of steps of variable size, wherein each step is made in response to the receipt of a corresponding power control command in the sequence, characterized in that the power control means is adapted to reduce the step size from an initial step size at a predetermined time after the start or resumption of transmission, the occurrence of the reduction being independent of the sign of the received power control commands." Die Klägerin hat das Streitpatent insgesamt angegriffen und geltend gemacht,
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der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung sowie mit fünfzehn Hilfsanträgen verteidigt.
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Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent
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wie in erster Instanz verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Streitpatent betrifft ein Funkkommunikationssystem mit primären und
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sekundären Stationen sowie eine Methode zum Betrieb eines solchen Systems. 1. In der Beschreibung wird eingangs ausgeführt, dass es zwei grundlegen6 de Arten von Kommunikation zwischen einer Basisstation und einer Mobilstation in einem Funkkommunikationssystem gibt. Dabei handele es sich einmal um Benutzerverkehr , etwa Sprach- oder Paketdaten, zum anderen um Steuerinformationen, die erforderlich sind, um verschiedene Parameter des Übertragungskanals einzustellen und zu überwachen, wodurch Basisstation und Mobilstation in die Lage versetzt werden , den Benutzerverkehr abzuwickeln. Das Streitpatent geht dabei von Funkkommunikationssystemen aus, in denen eine der Funktionen der Steuerinformation darin besteht, eine Leistungsregelung zu ermöglichen. Eine Regelung der Leistung ist in beide Richtungen erforderlich. Die Regelung der Leistung der Mobilstation soll sicherstellen , dass die Basisstation die Signale verschiedener Mobilstationen auf etwa dem gleichen Leistungspegel empfängt. Die Regelung der Leistung der Basisstation ist erforderlich, damit die Mobilstation die Daten mit geringer Fehlerquote erhält, zugleich aber Interferenzen mit anderen Funkzellen oder Funksystemen gering gehalten werden. Das Streitpatent legt insoweit einen Stand der Technik zugrunde, bei dem in einem Zweiwege-Funkkommunikationssystem die Leistungsregelung in einem geschlossenen Regelkreis erfolgt, bei dem die Mobilstation erforderliche Änderungen der Übertragungsleistung der Basisstation bestimmt und dieser signalisiert und umgekehrt. Ein Nachteil dieser Technik besteht nach den Angaben der Streitpatentschrift
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darin, dass die Leistungsregelung beim Start der Übertragung oder nach einer Unterbrechung eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, während der es zu Störungen der Datenübertragung kommen kann. Ist die Leistung zu niedrig, kommen die Daten beschädigt an, ist sie zu hoch, werden unerwünschte Interferenzen hervorgerufen.
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Das technische Problem besteht mithin darin, die dargestellten Schwierigkeiten zu beheben. 2. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in Anspruch 1 ein
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Funkkommunikationssystem mit einer Primär- und einer Mehrzahl von Sekundärstationen vor, das folgende Merkmale aufweist (Gliederung des Patentgerichts in Klammern): 1. einen Kanal zur Kommunikation zwischen der Primärstation und einer Sekundärstation [1a], umfassend 1.1 einen Uplink- und einen Downlink-Steuerkanal zur Übertragung von Steuerinformationen [1b] und 1.2 einen Datenkanal zur Übertragung von Daten [1c]; 2. Mittel zur Leistungsregelung in mindestens einer der am Kommunikationskanal beteiligten Stationen (at least one of the primary station and a secondary station comprising power control means, [1d]), die dazu eingerichtet sind, 2.1 die Leistung der Steuer- und Datenkanäle einzustellen [1d], 2.2 die Einstellung in Reaktion auf eine empfangene Folge von Leistungsregelungsbefehlen in einer Reihe von Schritten durchzuführen [1d], 2.3 jeden Schritt in Reaktion auf einen entsprechenden empfangenen Leistungsregelungsbefehl zu vollziehen [1e] und dabei 2.4 die Größe der Einstellungsschritte zu verändern [1d], 2.4.1 indem sie sie zu einem vorbestimmten Zeitpunkt nach dem Beginn oder der Wiederaufnahme der Datenübertragung gegenüber einer Anfangsgröße verringern [1f], 2.4.2 wobei die Verringerung vom Vorzeichen der empfangenen Leistungsregelungsbefehle unabhängig ist [1g].
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3. Zur Bedeutung der Merkmale ist zu bemerken: Die Vorrichtung wird in einem Funkkommunikationssystem verwendet, das ei11 nen Kommunikationskanal zwischen einer Funkstation und einer weiteren Station aufweist. Dieser Kommunikationskanal umfasst zwei Steuerkanäle und (mindestens) einen Datenkanal. Der Steuerkanal dient zur Übertragung von Steuerinformationen.
Dabei handelt es sich nach dem Sprachgebrauch des Streitpatents um Signale, die benötigt werden, um die Parameter des Übertragungskanals einzustellen und zu überwachen, die die Datenübermittlung per Funk ermöglichen. Zu diesen Steuerinformationen zählen insbesondere Signale zur Leistungsregelung. Über den Datenkanal wird lediglich gesagt, dass er der Übertragung von Daten dient. Der Beschreibung ist zu entnehmen, dass damit jedenfalls auch Nutzerdaten, etwa Sprach-, Textoder Bilddaten gemeint sind. Nähere Angaben über die Gestaltung der Kanäle enthält das Streitpatent
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nicht. Unter einem Kanal im Bereich der Funkkommunikation ist aus fachlicher Sicht ein Weg zur Übertragung von Signalen von einer Funkstation an eine andere zu verstehen. Verschiedene Kanäle müssen danach nicht notwendig physikalisch abgegrenzt werden, etwa in der Weise, dass sie verschiedene Frequenzen in Anspruch nehmen. Die Trennung kann auch auf andere Weise erfolgen, etwa durch Zuweisung unterschiedlicher Zeitschlitze auf einer bestimmten Frequenz, durch unterschiedliche Gestaltung der übermittelten Daten mittels spezifischer Angaben in einem Header, durch die Verwendung eines für das jeweilige Teilnehmergerät spezifischen Spreizcodes oder dergleichen mehr, sofern gewährleistet wird, dass der jeweilige Empfänger die übermittelten Daten von anderen, auf einem anderen Übertragungsweg übermittelten Daten unterscheiden kann. Zur Steuerung der Leistung wird von der Primärstation ein Leistungssteue13 rungsbefehl an eine Sekundärstation (Mobilstation) übermittelt oder umgekehrt. Hat der Befehl ein positives Vorzeichen, wird eine Leistungserhöhung angefordert, bei einem negativen Vorzeichen eine Verringerung der Leistung. Als Reaktion auf einen solchen Leistungssteuerungsbefehl wird durch auf der Empfängerseite vorgesehene Leistungsregelungsmittel eine Veränderung der Leistung um ein bestimmtes, als Schrittgröße bezeichnetes Maß bewirkt. Für den Fall des Beginns der Übertragung oder deren Wiederaufnahme nach einer Unterbrechung soll die Leistung zunächst in relativ großen Schritten verändert werden. Nach einer vorgegebenen Zeit wird dann die Schrittgröße, unabhängig davon, ob der Leistungssteuerungsbefehl eine Leis- tungserhöhung oder eine Verringerung der Leistung anfordert, verringert. Diese Vorgehensweise trägt dazu bei, die Abweichung zwischen der tatsächlichen Leistung und der Zielleistung schneller zu reduzieren, die Zielleistung mithin schneller zu erreichen , als wenn jeweils die Leistung jeweils nur in der relativ geringen Schrittgröße angepasst wird, in der eine Regelung der Leistung während der laufenden Übertragung erfolgt. Für ein Ausführungsbeispiel, das Leistungssteuerungsbefehle zugrunde legt, die nach jeweils 1 ms übermittelt werden, und bei dem die Schrittgröße von 3,0 dB auf 0,25 dB sinkt, wird in der Patentschrift erläutert, dass die Zielfrequenz fünfmal schneller erreicht wird als bei einer steten Schrittgröße von 0,25 dB (Abschnitt 24).
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II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
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Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung sei nicht patentfähig. Dem Streitpatent komme lediglich der Zeitrang vom 24. Dezember 1999 zu.
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Die Priorität der britischen Patentanmeldungen 9 900 910, 9 911 622, 9 915 569 und 9 922 575 (NK3 bis NK6) könne es nicht in Anspruch nehmen. In sämtlichen Prioritätsanmeldungen werde jeweils ein Ausführungsbeispiel
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nach Figur 4 beschrieben, bei dem die Größe der Schritte, mit denen die Leistung geregelt werde, anfangs vorzugsweise auf einen hohen Wert gesetzt und dann stufenweise bis auf den im Normalbetrieb geltenden Wert reduziert werde. Die Änderung der Schrittgröße erfolge dort jedoch in Abhängigkeit von Leistungssteuerbefehlen. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei demgegenüber erheblich weiter, denn er umfasse auch Lösungen, bei denen die vorbestimmte Zeit, nach der eine Verringerung der Schrittgröße erfolge, unabhängig vom Empfang von Leistungssteuerbefehlen sei, die aus fachmännischer Sicht nicht nur aus einem einzigen Bit (Leistung erhöhen oder Leistung verringern) bestehen und auch eine gleichbleibende Leistung anordnen könnten. Den Prioritätsdokumenten könne zudem keine Aussagen dazu entnommen werden, dass die Verringerung der Schrittgröße unabhängig vom Vorzeichen der Leistungssteuerbefehle sei.
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Die Inanspruchnahme der Priorität der ersten drei Voranmeldungen scheitere außerdem an den expliziten Aussagen dahin, dass es sich bei dem Kommunikationskanal um einen Frequenzteilungs-Duplex-Kommunikationskanal handele und dass über die Steuerkanäle Leistungssteuerungs- und Bitrateninformationen übertragen würden. In dem erteilten Patentanspruch 1 werde demgegenüber allgemein ein Kommunikationskanal beansprucht, bei dem nicht näher spezifizierte Steuerinformationen über die Steuerkanäle übertragen werden. Daher handele es sich bei dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht um dieselbe Erfindung wie diejenige, die NK3 bis NK5 zu entnehmen sei. Der Beitrag "Improved closed loop power control algorithm in slotted mode",
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der mit der als Anlage NK12 vorgelegten Druckschrift übereinstimme, sei vor dem danach maßgeblichen Prioritätstag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Der Beitrag sei seit 15. April 1999 auf dem 3GPP-Server hinterlegt worden und seitdem unverändert und vorbehaltlos der Öffentlichkeit zugänglich. Der für 3GPP maßgebliche Standard 3G TS 25 214, Version 3.0.0 (NK14) sei seit 21. Oktober 1999 auf dem genannten Server für jedermann zugänglich gewesen. NK12 nehme sämtliche Merkmale des Gegenstands von Patentanspruch 1 vorweg.
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Das Streitpatent habe auch in der Fassung der Hilfsanträge keinen Bestand. III. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Auf21 fassung des Patentgerichts, die Beklagte könne die Priorität der britischen Anmeldung 9 900 910 (NK3) nicht in Anspruch nehmen, trifft nicht zu. 1. Bei Anmeldung eines europäischen Patents kann das Prioritätsrecht einer
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vorangegangenen Anmeldung nach Art. 87 Abs. 1 EPÜ in Anspruch genommen werden, wenn beide dieselbe Erfindung betreffen.
a) Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Senats erfüllt,
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wenn die mit der Nachanmeldung beanspruchte Merkmalskombination in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offen- bart ist (BGH, Urteil vom 11. September 2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383, 388 - Luftverteiler; Urteil vom 30. Januar 2008 - X ZR 107/04, GRUR 2008, 597, 599 - Betonstraßenfertiger). Der Gegenstand der beanspruchten Erfindung muss im Prioritätsdokument identisch offenbart sein; es muss sich um dieselbe Erfindung handeln (EPA GBK, Beschluss vom 31. Mai 2001 - G2/98, GRUR Int. 2002, 80; BGH, Urteil vom 14. Oktober 2003 - X ZR 4/00, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit ). Dabei ist die Offenbarung des Gegenstands der ersten Anmeldung nicht auf die dort formulierten Ansprüche beschränkt, vielmehr ist dieser aus der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen zu ermitteln.
b) Für die Beurteilung der identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der
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Neuheitsprüfung (BGH, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist danach erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen "unmittelbar und eindeutig" (BGH, Urteil vom 11. September 2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910 Rn. 62 - Fälschungssicheres Dokument; Urteil vom 14. August 2012 - X ZR 3/10, GRUR 2012, 1133 Rn. 31 - UV-unempfindliche Druckplatte) als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (BGH, Beschluss vom 11. September 2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung ; Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 52/08, GRUR 2010, 599 Rn. 22, 24 - Formteil). Zu ermitteln ist mithin, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen allgemeinen Lehre entnimmt (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 25 - Olanzapin). Maßgeblich ist dabei das Verständnis des Fachmanns zum Zeitpunkt der Einreichung der prioritätsbeanspruchenden Patentanmeldung (BGH GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit ).
c) Das Erfordernis einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung muss
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dabei in einer Weise angewendet werden, die berücksichtigt, dass die Ermittlung dessen, was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der Er- findung offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unangemessene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der Voranmeldung vermeidet. Insoweit ist zugrunde zu legen, dass das Interesse des Anmelders regelmäßig erkennbar darauf gerichtet ist, möglichst breiten Schutz zu erlangen , also die Erfindung in möglichst allgemeiner Weise vorzustellen und nicht auf aufgezeigte Anwendungsbeispiele zu beschränken. Soweit in der Anmeldung bereits Ansprüche formuliert sind, haben diese vorläufigen Charakter. Erst im Verlauf des sich anschließenden Prüfungsverfahrens ist herauszuarbeiten, was unter Berücksichtigung des Standes der Technik schutzfähig ist und für welche Ansprüche der Anmelder Schutz begehrt. Erst mit der Erteilung des Patents mit bestimmten Ansprüchen erfolgt eine endgültige Festlegung des Schutzgegenstands. aa) Dieser Gesichtspunkt liegt der Rechtsprechung des Senats zugrunde, wo26 nach bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen werden. Danach ist ein "breit" formulierter Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 52 - Polymerschaum). Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind (ständige Rechtsprechung seit BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; aus jüngerer Zeit BGHZ 194, 107 Rn. 52 - Polymerschaum; BGH GRUR 2012, 1133 Rn. 31 f. - UV-unempfindliche Druckplatte).
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bb) Nach vergleichbaren Maßgaben ist die Prüfung vorzunehmen, ob der Gegenstand der Erfindung im Prioritätsdokument identisch offenbart ist. Die Priorität einer Voranmeldung kann in Anspruch genommen werden, wenn sich die dort anhand eines Ausführungsbeispiels oder in sonstiger Weise beschriebenen Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung der in der Nachanmeldung umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese Lehre in der in der Nachanmeldung offenbarten Allgemeinheit bereits der Voranmeldung als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist.
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2. Danach kann die Beklagte die Priorität der NK3 in Anspruch nehmen.
a) Die Beschreibung des Prioritätsdokuments NK3 erwähnt zunächst ganz
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allgemein, dass die Erfindung ein Funkkommunikationssystem betreffe und im Folgenden zwar unter Bezugnahme auf das aufkommende UMTS-System beschrieben sei, es sich aber verstehe, dass sie gleichermaßen für andere Mobilfunksysteme geeignet sei. Im folgenden Absatz werden in gleicher Allgemeinheit der Nutzerdatenverkehr (user traffic) und die Übermittlung von Steuerinformationen (control informa- tion) erörtert. Zu dieser erläutert der dritte Absatz, dass eine Funktion der Steuerinformationen bei vielen Kommunikationssystemen darin bestehe, eine Leistungssteuerung (in einem geschlossenen Regelkreis) zu ermöglichen. Sodann wird ausgeführt, welche Bedeutung der Leistungssteuerung in Mobilfunksystemen sowohl für die Basisstation als auch für die Mobilstationen zukommt. Als Beispiel eines kombinierten zeit- und frequenzgesteuerten Mehrfachzu30 griffssystems mit einer Leistungssteuerung ("An example of a combined time and frequency division access system employing power control") nennt die Beschreibung das GSM-System, und fügt unter Verweis auf eine US-Patentschrift an, in ähnlicher Weise sei eine Leistungssteuerung für ein Codemultiplexsystem mit Frequenzspreizung (spread spectrum Code Division Multiple Access [CDMA]) beschrieben. Die Beschreibung des Nachteils der bekannten Lösungen und der hieraus ab31 geleiteten Aufgabe ist - wie im Streitpatent - ganz allgemein dahin formuliert, dass die Regelkreise einige Zeit benötigten, die Leistungsstärke hinreichend präzise einzuregeln.
b) Die erste erfindungsgemäße Lösung soll nach der Anspruch 1 der Anmel32 dung wiedergebenden Beschreibung darin bestehen, dass bei einem Funkkommunikationssystem mit einer Primär- und einer Vielzahl von Sekundärstationen mit einem Frequenzduplexkanal (frequency division duplex communication channel) zwischen Primär- und Sekundärstation, der einen Uplink- und einen Downlink-Steuerkanal zur Übertragung von Leistungssteuerungs- und Bitrateninformationen sowie einen Datenkanal zur Übertragung von Datenpaketen umfasse, und mit Leistungssteuerungsmitteln zur schrittweisen Veränderung der Leistung der Steuer- und Datenkanäle anspruchsgemäß die Größe der Schritte variiert werden könne. Die zweite beanspruchte Lösung soll - in Übereinstimmung mit Anspruch 5 der Anmeldung - darin bestehen, dass bei einem (mit Ausnahme der entfallenen Leistungssteuerungsmittel zur schrittweisen Veränderung der Leistung der Steuer- und Datenkanäle) wortgleich beschriebenen System die Primär- und Sekundärstationen Mittel zur Verzögerung des Beginns der Übertragung auf dem Datenkanal gegenüber der Übertragung auf den Steuerkanälen aufweisen. Unter Bezugnahme auf Figur 1 wird sodann ein Ausführungsbeispiel be33 schrieben, von dem es heißt, es umfasse ein Funkkommunikationssystem, das in einem Frequenzduplexmodus arbeiten könne. Figur 2 zeigt schematisch ein herkömmliches Modell zum Aufbau einer Kommunikationsverbindung, wie es, so die Beschreibung, eine UMTS-Ausführungsform nutze. Anhand dieses Modells wird wiederum das Problem der Verzögerung bei der Leistungsadaption beschrieben, dessen Lösung durch einen verzögerten Beginn der Übertragung auf dem Datenkanal anhand der Figur 3 erläutert wird. Unter Rückgriff auf Figur 4 wird die zweite Lösung einer variablen Schrittgröße bei der Leistungsadaption erklärt. Abschließend heißt es, Ausführungsformen der Erfindung seien unter Verwendung von Frequenzspreizungsverfahren beschrieben worden, wie sie etwa in UMTS-Ausführungsformen ein- gesetzt würden; es verstehe sich jedoch, dass die Erfindung nicht auf den Einsatz in CDMA-Systemen beschränkt sei.
c) Weder die Problembeschreibung noch die unter Bezugnahme auf die Fi34 guren näher erläuterten Ausführungsbeispiele weisen damit einen konkreten Bezug zu der Ausgestaltung des Kommunikationskanals als Frequenzteilungs-Duplex-Kanal oder zu dem Umstand auf, dass auf dem Steuerkanal auch Bitrateninformationen übertragen werden. Die Bitrateninformation wird überhaupt nur bei der Wiedergabe des Wortlauts der angemeldeten Ansprüche erwähnt. Auf den Frequenzduplex kommt zwar, wie ausgeführt, die Beschreibung der Ausführungsbeispiele zurück; ein Zusammenhang mit den beanspruchten Lösungen des geschilderten technischen Problems, den Schwierigkeiten einer rechtzeitigen Leistungsadaption durch eine Variation der Anpassungsschritte oder durch eine Verzögerung des Beginns der Übertragung auf dem Datenkanal zu begegnen, wird jedoch nicht hergestellt. Weder ist irgendein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass sich das Problem der Leistungssteuerung nur oder doch zumindest in einer besonderen Ausprägung bei einem Funkkommunikationssystem mit einem Frequenzteilungs-Duplex-Kommunikationskanal stelle, noch gibt es Hinweise darauf, dass die Wahl eines solchen Kanals in irgendeiner Weise zur Lösung dieses Problems beiträgt. Entsprechendes gilt für die Ausgestaltung des Steuerkanals in der Weise, dass er auch der Übertragung von Bitrateninformationen dient.
d) Danach ist für den Fachmann, der sich die Frage vorlegt, welche techni35 sche Lehre zur Lösung des geschilderten technischen Problems er dem Prioritätsdokument entnehmen kann, ohne weiteres ersichtlich, dass bereits in der NK3 die allgemeine technische Lehre offenbart wird, bei einem Funkkommunikationssystem mit Uplink- und Downlink-Steuerkanal zur Übertragung von Steuerinformationen die an sich bekannten Mittel zur Leistungsregelung mit einem geschlossenen Regelkreis vorteilhafterweise so zu nutzen, dass bei einer schrittweisen Anpassung der Steuerkanalleistung die Größe der Anpassungsschritte variiert wird. Zugleich liegt damit für ihn auf der Hand, dass diese allgemeine Lehre lediglich beispielhaft anhand einer üblichen Ausgestaltung eines solchen Funkkommunikationssystems erläutert wird, bei dem der Kommunikationskanal als Frequenzteilungs-Duplex-Kanal ausgebildet ist und der Steuerkanal auch der Übertragung von Bitrateninformationen dient.
e) Dieser Beurteilung stehen die Feststellungen des Patentgerichts nicht
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entgegen, das lediglich ausführt, das Prioritätsdokument enthalte "explizite Aussagen bezüglich der Ausgestaltung des Kommunikationskanals" und der Fachmann werde den übrigen Inhalt der Beschreibung hierauf beziehen. Aus seinen Feststellungen ergeben sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Ausgestaltung des Kommunikationskanals als Frequenzteilungs-Duplex-Kanal oder die Wahl eines Steuerkanals, in dem auch Bitrateninformationen übertragen werden können, zu der Lösung des in NK3 behandelten technischen Problems der Leistungssteuerung etwas beitragen, geschweige denn, dass sie hierfür erforderlich wären.
f) Auch die weitere Erwägung, mit der das Patentgericht - bezogen auf die
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letzte Prioritätsanmeldung - das Recht zur Inanspruchnahme der Priorität verneint hat, trägt nicht. aa) Zutreffend hat das Patentgericht insoweit zugrunde gelegt, dass die Ver38 ringerung der Schrittgröße nach der Lehre des Streitpatents (Merkmal 2.4.1) nach Ablauf einer vorbestimmten Zeit herbeigeführt wird. Nicht überzeugend ist jedoch seine Annahme, die in NK6 offenbarte Lehre sei enger gefasst, indem dort der Zeitpunkt , zu dem die Verringerung der Schrittgröße erfolge, von einem empfangenen Leistungssteuerungsbefehl abhänge. Diese Differenzierung beruht wohl auf der Annahme , der Leistungssteuerungsbefehl könne nicht nur die Signale 0 oder 1 (Vermindern oder Erhöhen) umfassen, sondern auch dahin gehen, die Leistung unverändert zu lassen. Für dieses Verständnis bietet die Anmeldung, wie die Berufung zu Recht geltend macht, keinen Anhalt. Sie sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass die Änderung der Schrittgröße im Voraus festgelegt ist ("the change in step size could be deterministic"). Die Schrittgröße kann danach variabel sein, unterschreitet jedoch nicht eine bestimmte Mindestgröße ("minimum step"). Die Möglichkeit, dass auf einen Leistungssteuerungsbefehl hin die Leistung unverändert bliebe, ist nicht vorgesehen. Für das erste Prioritätsdokument gilt Entsprechendes. In NK6 wird bei den Erläuterungen zu Figur 4 (S. 6, Z. 19 bis S. 7, Z. 24; im
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Wesentlichen gleichlautend NK3, S. 5, Z. 16 bis S. 6, Z. 16) allgemein ausgeführt, dass die Größe der Leistungsregelungsschritte variabel sein kann. Der Wechsel in der Schrittgröße könne vorgegeben oder von vorangegangenen Leistungsregelungen abhängig sein (NK6, S. 6, Z. 30 f. = NK3, S. 5, Z. 26 f.). Es wird dann ein Ausführungsbeispiel beschrieben, bei dem die Schrittgröße von anfänglich 3,0 dB nach und nach auf 0,25 dB verringert wird. Soweit dort ausgeführt wird, dass mit dieser Abfolge auf Leistungssteuerungsbefehlen reagiert wird, die jede Millisekunde erfolgen , deutet das nicht darauf hin, dass die Verringerung der Schrittgröße nicht nach einer vorbestimmten Zeit erfolgt. Wird jede Millisekunde ein Leistungssteuerungsbefehl gegeben, ist es schlicht gleichgültig, ob der Zeitpunkt der Schrittgrößenveränderung nach Millisekunden oder nach der Anzahl der in diesem Zeitraum gegebenen Leistungssteuerbefehle bemessen wird. bb) Der Inanspruchnahme der Priorität der NK6 (und der NK3) steht, anders
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als das Patentgericht meint, auch nicht entgegen, dass sie keine Aussage darüber enthielte, dass die Verringerung der Schrittgröße unabhängig vom Vorzeichen des Leistungssteuerungsbefehls sein soll (Merkmal 2.4.2). Dem Fachmann ist bekannt, dass sich das Vorzeichen des Leistungssteuerungsbefehls umkehren kann, wenn die auf den vorangegangenen Befehl hin erfolgte Veränderung der Leistung dazu führt, dass die Zielgröße über- oder unterschritten wird. Da das Prioritätsdokument vorschlägt , die Veränderung der Schrittgröße zu einer vorbestimmten Zeit vorzunehmen , ist für ihn ohne weiteres erkennbar, dass es allein von den konkreten Umständen , insbesondere dem Ausmaß der Abweichung von der Zielleistung, der anfänglichen Schrittgröße und der Zeit bis zur Verringerung der Schrittgröße, abhängt, ob zu dem Zeitpunkt, zu dem die Schrittgröße nach den Vorgaben verringert wird, eine Erhöhung oder eine Verringerung der Leistung erforderlich sein wird. Zudem weist die vom Patentgericht in diesem Zusammenhang zitierte Stelle (NK6, S. 7, Z. 13 bis 16 = NK3, S. 6, Z. 8 bis 10) ausdrücklich darauf hin, dass die Schritte im Ausführungsbeispiel symmetrisch seien, was als Anwendung gleicher Schritte bei der Verringerung und der Erhöhung der Leistung erläutert wird. Wenn es unmittelbar darauf unter Verweis auf die US-Patentschrift 5 056 109 heißt, dass dies nicht immer angemessen sei, heißt dies nur, dass die Anmeldung beide Möglichkeiten (symmetrische und unsymmetrische Schrittgrößen) offenbart.
g) Das Streitpatent nimmt deshalb, entgegen der Auffassung des Patentge41 richts, die Priorität der NK3 vom 16. Januar 1999 zu Recht in Anspruch. Danach haben die Entgegenhaltungen NK12 bis NK14, die nach dem Vorbringen der Klägerin erst nach diesem Datum veröffentlicht worden sind, bei der Beurteilung der Patentfähigkeit außer Betracht zu bleiben. Die Entscheidung des Patentgerichts, das der Klage mit der Begründung stattgegeben hat, der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei durch NK12 vorweggenommen, kann mithin keinen Bestand haben.
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IV. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend. Die japanische Offenlegungsschrift Hei 10-224293 (NK8), deren englische
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Übersetzung als NK9 vorliegt, nimmt den Gegenstand von Patentanspruch 1 weder vorweg noch legt sie ihn nahe. 1. NK 8 befasst sich mit der Regelung der Übertragungsleistung einer Mobil44 station in einem Funkkommunikationssystem. Eingangs wird beschrieben, dass die Einstellung der Übertragungsleistung auf ein gewünschtes Niveau manchmal zu lange Zeit in Anspruch nehme. Dabei wird ein System zugrunde gelegt, bei dem die Basisstation in festgelegten Zeitabständen ein Steuersignal an die Mobilstation sendet, das mitteilt, ob eine Erhöhung oder eine Verringerung der Leistung erfolgen soll, wobei die Schrift insoweit ausdrücklich - wie die Prioritätsdokumente stillschweigend - von einem Ein-Bit-Signal pro Zeitschlitz ausgeht (Rn. 5 f., Rn. 8 f.).
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NK8 schlägt vor, im ersten Zeitintervall nach Aufbau der Kommunikation in das Steuersignal eine Information einzufügen, nach der der Betrag, um den die Übertragungsleistung verändert (erhöht oder verringert) werden soll, einmalig in einem von der Basisstation festgelegten Ausmaß erhöht wird, so dass die Mobilstation die Übertragungsleistung entsprechend diesem veränderten Betrag (anstelle des sonstigen festen Betrags) steigert oder senkt. Damit sind die Merkmale 1 und 2 vorweggenommen. Dass sich die Schrift nur
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mit der Regelung der Leistung der Mobilstation befasst, nicht - wie das Streitpatent - mit der Leistungsregelung in beide Richtungen, ist unerheblich, denn auch Merkmal 2 verlangt nur, dass mindestens eine der beiden miteinander kommunizierenden Stationen die erfindungsgemäßen Mittel zur Leistungsregelung aufweist. Zum Vorhandensein von Steuerkanälen und einem Datenkanal (Merkmale 1.1
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und 1.2) hat die Klägerin unwidersprochen darauf verwiesen, dass sich NK8, wie sich aus den Ansprüchen 2 und 3 ergibt, mit der CDMA-Technik befasst, in der dies bekannt sei. 2. Dagegen sind die Merkmale 2.1 bis 2.4 weder in NK8 offenbart noch wer48 den sie durch dieses Dokument nahegelegt. Die Beklagte macht zutreffend geltend, dass nach der Lösung der NK8 die Schrittgröße von der Basisstation über den Leistungssteuerungsbefehl gesteuert wird, während die Schrittgröße nach der Lehre des Streitpatents von den Leistungsregelungsmitteln auf der Empfängerseite (hier also der Mobilstation) festlegt wird. Die Leistungsregelungsmittel befinden sich danach für den betrachteten Fall der Regelung der Leistung der Mobilstation erfindungsgemäß in der Mobilstation, in der NK8 hingegen im Bereich der Basisstation. Die hiergegen von der Klägerin erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
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Es ist zwar zutreffend, dass es bei der NK8 auf der Seite der Mobilstation Mittel gibt, die die Information aus dem Leistungssteuerungsbefehl umsetzen. Entsprechend heißt es in NK8, dass die Mobilstation die Übertragungsleistung - als Reaktion auf den Leistungssteuerungsbefehl - um einen bestimmten Betrag verändert (Rn. 13 aE).
Die Größe des ersten Schritts wird dort jedoch nicht von den Leistungsregelungsmitteln der Mobilstation, sondern durch einen von der Basisstation ausgehenden Leistungssteuerungsbefehl bestimmt, der hierfür ausnahmsweise um eine zusätzliche Steuerinformation ergänzt werden muss, so dass er nicht - wie sonst - nur aus einem Bit besteht. Nach der Lösung des Streitpatents sind es demgegenüber gerade die Mittel auf der Empfängerseite, die in Reaktion auf übermittelte Leistungssteuerungsbefehle die Leistung regeln, indem sie die Größe des Anpassungsschritts vorgeben und diese - zu vorbestimmten Zeitpunkten und unabhängig vom Vorzeichen des Leistungsregelungsbefehls - verändern. Das Streitpatent geht dabei von einem Leistungsregelungsbefehl aus, der nur anordnet, dass die Leistung erhöht oder verringert werden soll (was in Merkmal 2.4.2 als Vorzeichen (sign) des Leistungsregelungsbefehls bezeichnet wird), so dass ein Ein-Bit-Befehl ausreicht.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 01.08.2012 - 5 Ni 24/10 (EP) -

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)