Bundesgerichtshof Urteil, 24. Sept. 2003 - XII ZR 70/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht rückständige und künftige Miete aus einem gewerblichen Mietverhältnis geltend. Die Beklagte unterzeichnete am 11. September 1996 als Mieterin den ihr von der L. Grundbesitzverwertung GmbH (im folgenden: L. ) als Vermieterin zugeleiteten Mietvertrag über gewerbliche Mieträume im Gewerbeobjekt M. Straße 75 in C. . Nach Gegenzeichnung am 15. November1996 sandte die L. den Mietvertrag an die Beklagten zurück. Der Mietvertrag enthält u.a. folgende Regelungen: "§ 1 - Mieträume... 5. Dieser Mietvertrag wird unter der auflösenden Bedingung geschlossen , daß der erste Mietzins vor Übergabe der Mietsache vom Mieter an den Vermieter geleistet worden ist. § 2 - Mietzeit und Kündigung 1. Das Mietverhältnis beginnt bei Bezugsfertigkeit/Übergabe und ist fest auf zehn Jahre abgeschlossen. Die Übergabe erfolgt voraussichtlich bis Juni 97 und wird zwei Monate vorher angekündigt. ... § 21 - weitere Vereinbarungen... 6. Die Wertsicherungsklausel gemäß Anlage 2 ist Bestandteil des Vertrages. ..." Am 13. Dezember 1996 unterzeichnete die Beklagte folgende Wertsicherungsklausel : "Wertsicherungsklausel Für die ab Übergabe zu zahlende Miete gilt folgende Mietgleitklausel als vereinbart: Sollte sich der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Lebenshaltungskostenindex für einen 4-Personen-Haushalt von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Stand zum Mietbeginn oder der
letzten Mietangleichung (Basis 1985 = 100 Punkte) um 7 % oder mehr nach oben oder nach unten verändern, so ändert sich der Mietzins um 70 % der jeweiligen Indexänderung entsprechend. ..." Die Klägerin erwarb durch notariellen Vertrag vom 21. November 1996 das Grundstück und wurde am 8. Januar 1998 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Die Mietsache wurde am 10. oder 17. Juni 1997 an die Beklagte übergeben. Am 11. Juli 1997 zahlte die Beklagte erstmals die vereinbarte Miete. Mit Schreiben vom 17. und 21. September 1999 kündigte die Beklagte den Mietvertrag zum 31. März 2000. In einem Vorprozeß, in dem die Klägerin die Feststellung des Fortbestehens des Mietverhältnisses begehrt hatte, hatte die Beklagte das Zustandekommen eines Mietverhältnisses bestritten, den Eintritt einer auflösenden Bedingung geltend gemacht und sich darauf berufen, daß jedenfalls die ordentliche Kündigung zum 31. März 2000 wirksam sei, weil die Schriftform des § 566 BGB a.F. nicht eingehalten sei und der Vertrag deshalb als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gelte. Das Landgericht war mit Urteil vom 22. März 2000 (2 O 5168/99 LG Chemnitz) vom Zustandekommen des Mietvertrages ausgegangen , hatte den Eintritt einer auflösenden Bedingung verneint und festgestellt , daß das Mietverhältnis ungeachtet der Kündigungserklärungen der Beklagten bis 17. Juni 2007 fortbestehe. Die Berufung war ohne Erfolg geblieben. Das Oberlandesgericht hatte ausgeführt, die Schriftform sei eingehalten. Deshalb sei der Mietvertrag durch die Kündigungen der Beklagten vom 17. und 21. September 1999 nicht beendet worden. Mit Beschluß vom 27. August 2003 hat der Senat die Annahme der Revision abgelehnt.
Im vorliegenden Verfahren hat das Landgericht im Urkundenprozeß mit Vorbehaltsurteil vom 9. November 2000 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 12.064 DM (Monatsmieten für die Monate April bis Juli 2000) nebst Zinsen zu zahlen. Ferner wurde die Beklagte verurteilt, beginnend ab 3. August 2000 bis einschließlich Mai 2007 monatlich, spätestens bis zum 3. Werktag des jeweiligen Monats, 3.016 DM an die Klägerin zu zahlen. Mit Schlußurteil vom 22. Februar 2001 hat das Landgericht das Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos erklärt. Auf die Berufung der Beklagten gegen das Schlußurteil hat das Oberlandesgericht das Vorbehaltsurteil sowie das Schlußurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung. 1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, doppelte Rechtshängigkeit liege nicht vor. Es handele sich um verschiedene Streitgegenstände. Die Feststellungsklage betreffe nur eine Vorfrage der Leistungsklage. Entgegen der im Vorprozeß vertretenen Auffassung sei davon auszugehen, daß die gesetzliche Schriftform nicht eingehalten sei und das Mietverhältnis auf die Kündigung der Beklagten zum 31. März 2000 geendet habe. Zwar werde an der Auffassung im Vorprozeß festgehalten, daß es nicht schon deshalb an der Schriftform mangele , weil Beginn und Ende des Mietverhältnisses nicht datumsmäßig erfaßt seien, sondern als Beginn in § 2 Nr. 1 lediglich die "Bezugsfertigkeit/Übergabe"angegeben sei, die für voraussichtlich bis Juni 97 "ins Auge gefaßt" sei. Weiter halte der Senat daran fest, daß der Mietvertrag nicht dadurch aufgelöst worden sei, daß der Beklagte nicht vor Übergabe der Räumlichkeiten den ersten Mietzins bezahlt habe. Die Regelung in § 1 Ziff. 5 sei nicht als Bedingung anzusehen , sondern enthalte lediglich ein den Anspruch der Beklagten auf Überlassung der Mieträume beschränkendes Zurückbehaltungsrecht des Vermieters. Die Schriftform sei aber deshalb nicht eingehalten, da nicht sämtliche wesentlichen Vereinbarungen in der von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde enthalten seien. Nach § 21 Nr. 6 des Mietvertrages habe die Wertsicherungsklausel gemäß Anlage 2 Bestandteil des Vertrages sein sollen. Eine derartige Anlage sei aber bei Abschluß des Vertrages nicht vorhanden gewesen, nicht unterzeichnet und dem Vertrag auch nicht hinzugefügt worden. Damit sei hinsichtlich der Anpassung des vereinbarten Mietzinses, somit hinsichtlich eines wesentlichen Bestandteiles des Mietvertrages, die Schriftform nicht eingehalten. Die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel sei auch nicht unwesentlich. Werde - wie vorliegend - bei Abschluß des Vertrages die Anpassung des Mietzinses vereinbart, so könne dies erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen für beide Vertragsparteien haben. 2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, in der Berufungsinstanz sei der Rechtsstreit nicht von den gesetzlichen Richtern entschieden worden. Zur Begründung einer Verfahrensrüge nach § 547 Nr. 1 ZPO ist die Angabe der Einzeltatsachen nötig, aus denen sich der Fehler, im vorliegenden Fall das angebliche Fehlen eines ordnungsgemäßen Geschäftsverteilungsplanes im Sinne des § 21g GVG bzw. die Entscheidung durch eine nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht zuständige Spruchgruppe, ergibt. Wenn es sich um
gerichtsinterne Vorgänge handelt, muß die Revision zumindest darlegen, daß sie zweckentsprechende Aufklärung gesucht hat; die Rüge darf nicht auf bloßen Verdacht hin erhoben werden (BGH, Urteil vom 20. Juni 1991 - VII ZR 11/91 - NJW 1992, 512). Diesen Voraussetzungen genügt der Vortrag der Revision nicht.
b) Zutreffend ist das Oberlandesgericht auch davon ausgegangen, daß dem neuen Verfahren der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit nicht entgegensteht. Doppelte Rechtshängigkeit setzt voraus, daß aus demselben konkreten Lebenssachverhalt dieselbe Rechtsfolge abgeleitet, d.h. der nämliche Antrag gestellt wird (BGHZ 7, 271). Das ist hier nicht der Fall. Im Vorprozeß war Streitgegenstand die Feststellung, daß das Mietverhältnis ungeachtet der Kündigungserklärungen der Beklagten bis 17. Juni 2007 fortbesteht. Im vorliegenden Rechtsstreit macht die Vermieterin demgegenüber den Mietzins geltend. Im Vorprozeß war daher nur über die Frage zu entscheiden, ob das Mietverhältnis durch die Kündigung aufgelöst worden ist. Über diese kann das Gericht (des Zweitprozesses) solange frei entscheiden, als über sie nicht (im Erstprozeß ) rechtskräftig entschieden ist (BGH, Urteil vom 22. Januar 1964 - V ZR 37/62 - NJW 1964, 1316, 1318).
c) Der angefochtenen Entscheidung des Berufungsgerichts steht aber nunmehr die inzwischen eingetretene Rechtskraft des Urteils im Vorprozeß entgegen. Mit Beschluß vom 27. August 2003 hat der erkennende Senat die Annahme der Revision im Vorprozeß abgelehnt. Damit ist das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 31. August 2000 rechtskräftig geworden (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1980 - KZR 12/79 - NJW 1981, 55). Es steht fest, daß das zwischen den Parteien mit Vertrag vom 15. November 1996 begründete Mietverhältnis ungeachtet der Kündigungserklärungen der Beklagten bis 17. Juni 2007 fortbesteht. Damit kann der Beklagte nicht mehr mit Erfolg geltend ma-
chen, die ordentliche Kündigung vom 17. September 1999 habe das Mietverhältnis beendet, weil für die Anpassung des vereinbarten Mietzinses die Schriftform des § 566 BGB a.F. nicht eingehalten sei. Über die Frage, ob die ordentliche Kündigung vom 17. September 1999 das Mietverhältnis mangels Einhaltung der Schriftform beendet hat, hat das Oberlandesgericht bereits im Vorprozeß entschieden. Zwar hatte der Beklagte dort den Formmangel nicht mit der fehlenden Schriftform für die Anpassungsklausel begründet, sondern aus anderen Umständen hergeleitet. Gleichwohl kann der Beklagte diesen im Vorprozeß nicht erhobenen Einwand im jetzigen Verfahren nach Eintritt der Rechtskraft nicht mehr geltend machen. Das gebietet die der Rechtskraft innewohnende Präklusionswirkung (BGHZ 123, 137 ff.; Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. vor § 322 Rdn. 70). Sie bedeutet, daß die Parteien mit allem tatsächlichen Vorbringen ausgeschlossen sind, das im Widerspruch zu den Feststellungen des Urteils im Vorprozeß steht. Tatsachen, die im maßgebenden Zeitpunkt des Vorprozesses schon vorhanden waren, aber nicht vorgetragen wurden, sind mit dem Ziel, das "kontradiktorische Gegenteil" der früher festgestellten oder abgelehnten Rechtsfolge auszusprechen, insoweit ausgeschlossen, als sie bei natürlicher Anschauung zu dem im Vorprozeß vorgetragenen Lebensvorgang gehören (BGH aaO 141; Zöller/Vollkommer aaO). Das ist hier der Fall. Der Beklagte hatte im Vorprozeß die Nichteinhaltung der Schriftform geltend gemacht und daraus das Recht zur ordentlichen Kündigung hergeleitet. Damit hatte das Gericht darüber zu entscheiden, ob die ordentliche Kündigung vom 17. September 1999 das Mietverhältnis beendet hatte. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, alle für die Beendigung des Mietverhältnisses, nämlich für die Verletzung der Schriftform maßgebenden Tatsachen, vorzubringen. Soweit sie das nicht getan hat, ist sie durch die rechtskräftige Entscheidung, die Schriftform sei eingehalten und die ordentliche Kündigung daher unwirksam, mit dem betreffenden Vortrag ausgeschlossen.
3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist. Die Beklagte schuldet die mit der Klage geltend gemachten Mieten für die Monate April bis Juli 2000 in Höhe von 12.064 DM nebst Zinsen. Da der Mietvertrag wirksam ist und bis zum 17. Juni 2007 fortbesteht , hat sie - wie von der Klägerin beantragt - bis einschließlich Mai 2007 monatlich jeweils bis spätestens zum dritten Werktag die vereinbarte Miete von 3.016 DM zu bezahlen. Hahne Sprick Weber-Monecke Fuchs Vézina
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(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.
(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.
(1) Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.
(2) Erfüllt der Erwerber die Pflichten nicht, so haftet der Vermieter für den von dem Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Erlangt der Mieter von dem Übergang des Eigentums durch Mitteilung des Vermieters Kenntnis, so wird der Vermieter von der Haftung befreit, wenn nicht der Mieter das Mietverhältnis zum ersten Termin kündigt, zu dem die Kündigung zulässig ist.
Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; - 2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist; - 3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; - 4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat; - 5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.
(1) Innerhalb des mit mehreren Richtern besetzten Spruchkörpers werden die Geschäfte durch Beschluss aller dem Spruchkörper angehörenden Berufsrichter auf die Mitglieder verteilt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Präsidium.
(2) Der Beschluss bestimmt vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer, nach welchen Grundsätzen die Mitglieder an den Verfahren mitwirken; er kann nur geändert werden, wenn es wegen Überlastung, ungenügender Auslastung, Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Mitglieder des Spruchkörpers nötig wird.
(3) Absatz 2 gilt entsprechend, soweit nach den Vorschriften der Prozessordnungen die Verfahren durch den Spruchkörper einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen werden können.
(4) Ist ein Berufsrichter an der Beschlussfassung verhindert, tritt der durch den Geschäftsverteilungsplan bestimmte Vertreter an seine Stelle.
(5) § 21i Abs. 2 findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Bestimmung durch den Vorsitzenden getroffen wird.
(6) Vor der Beschlussfassung ist den Berufsrichtern, die von dem Beschluss betroffen werden, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
(7) § 21e Abs. 9 findet entsprechend Anwendung.
(1) Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.
(2) Erfüllt der Erwerber die Pflichten nicht, so haftet der Vermieter für den von dem Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Erlangt der Mieter von dem Übergang des Eigentums durch Mitteilung des Vermieters Kenntnis, so wird der Vermieter von der Haftung befreit, wenn nicht der Mieter das Mietverhältnis zum ersten Termin kündigt, zu dem die Kündigung zulässig ist.