Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2012 - XI ZR 149/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden, die im Zusammenhang mit dem von der Rechtsvorgängerin der beklagten Bank (im Folgenden: Beklagte) finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung errichtet wurden. Die Beklagte verlangt widerklagend die Rückzahlung der Darlehen.
- 2
- Der Kläger wurde 1992 von einem Anlagenvermittler geworben, zwecks Steuerersparnis eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in der Wohnanlage M. in O. zu erwerben. Das Auftragsformular des Vermittlers weist eine an den Vermittler zu zahlende Bearbeitungsgebühr in Höhe von 3% zzgl. Umsatzsteuer brutto aus. Im Vermittlungsauftrag heißt es außerdem: "Die Vertriebsbeauftragte hat ihrerseits verschiedene Vermittler beauftragt, die als Nachweismakler für diese und als Vermittlungsmakler für den/die Erwerber tätig werden. Der jeweilige Vermittler ist berechtigt, vom Auftraggeber eine Bearbeitungsgebühr von 3% des kalkulierten Aufwandes zzgl. Umsatzsteuer in jeweiliger Höhe auf eigene Rechnung zu vereinnahmen."
- 3
- In den auf der Rückseite des Vermittlungsauftrags abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird unter "IV. Vergütung, Provision" unter anderem ausgeführt: "Der Vermittler hat in der Regel einen Vergütungsanspruch gegenüber den vorgenannten Prospektanbietern, Beteiligungs- oder Betriebsgesellschaften auf der Grundlage der mit diesen geschlossenen Verträgen."
- 4
- Außerdem wurde für das Bauvorhaben ein Verkaufsprospekt erstellt, der hinsichtlich der Verwendung des kalkulierten Gesamtaufwandes u.a. folgende Angaben enthält: VIII. Aufteilung (in %) des kalkulierten Gesamtaufwandes, der sich aufgrund der vorgesehenen Konzeption ergibt:
a) Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und 76,70 Marketing
b) Technische Baubetreuung 0,25
c) Konzeption, Aufbereitung, Prospektgestaltung 1,50
d) Finanzierungsvermittlung 4,00 davon für: - Zwischenfinanzierung 1,80 - Endfinanzierung 2,00 - EK-Vorfinanzierung 0,20
e) Nebenkostengarantie 0,50
f) Zinsgarantie 2,00 davon für Leistungen: - gem. Ziff. II. des Zinsgarantievertrages 1,50 - gemäß Ziff. III. des Zinsgarantievertrages 0,50
g) Mietvermittlung 0,20
h) Mietgarantie 0,50
i) Steuerberatung 2,30 davon für Leistungen: - gem. Ziff. II.2., 5., des Stb.-Vertrages 0,58 - gem. Ziff. II. 1., 3., 4., 6. des Stb.-Vertrages 1,72
j) Abwicklungsauftrag 2,30
k) Bauzeitzinsen 5,50
l) Notar, Gewerbesteuer und sonstiges 4,25 100,00
- 5
- In der Position a) "Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing" waren Provisionen an Dritte in Höhe von 18,24% brutto des Gesamtaufwands eingepreist.
- 6
- Die vom Kläger bevollmächtigte C. Steuerberatungsgesellschaft mbH (im Folgenden: Treuhänderin) schloss namens des Klägers mit der Bauträgerin am 28. Dezember 1992 einen notariellen "Kauf- und Werklieferungsvertrag mit Auflassung" über die Eigentumswohnung zum Preis von 105.066 DM. Darin übernahm der Kläger einen Anteil der auf dem Gesamtgrundstück lastenden Grundschuld, die der Beklagten zuvor von der Bauträgerin durch notarielle Urkunde vom 9. Dezember 1992 bewilligt worden und gegen den jeweiligen Eigentümer sofort vollstreckbar war. Zugleich übernahm der Kläger in Höhe des anteiligen Grundschuldbetrags von 136.983 DM die persönliche Haftung und unterwarf sich der persönlichen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.
- 7
- Des Weiteren schloss die Treuhänderin namens des Klägers in den Jahren 1992 und 1993 mehrere Darlehensverträge mit der Beklagten, deren Valuta in Höhe von insgesamt 148.657 DM zur Finanzierung des Gesamtaufwands zuzüglich Disagio und Bearbeitungsgebühr (Agio) verwandt wurde. Nachdem der Kläger die Bedienung der Finanzierungsdarlehen im März 2003 eingestellt hatte, kündigte die Beklagte die Darlehen mit Schreiben vom 27. Juli 2005 und betrieb die Zwangsvollstreckung.
- 8
- Mit der Klage wendet sich der Kläger - gestützt unter anderem auf Schadensersatzansprüche wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung - gegen die Zwangsvollstreckung in das persönliche Vermögen aus dem notariellen Kauf- und Werklieferungsvertrag sowie der Grundschuldbestellungsurkunde. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben und die erst in zweiter Instanz erhobene Widerklage auf Rückzahlung der Darlehensvaluta abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungs - und ihr Widerklagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 9
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 10
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Belang - im Wesentlichen ausgeführt:
- 11
- Die durch die Grundschuld gesicherten Darlehensansprüche der Beklagten seien zwar entstanden, jedoch durch Aufrechnung des Klägers mit Schadensersatzansprüchen erloschen.
- 12
- Geschäftsbesorgungsvertrag und Vollmacht der Treuhänderin seien wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig. Die Treuhänderin habe den Kläger jedoch wirksam vertreten, denn nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Darlehensvertrag von der Mitarbeiterin der Beklagten erst nach Vorlage der notariellen Ausfertigung unterschrieben worden sei. Sofern dies erst Anfang des Jahres 1993 erfolgt und der Vertrag auf den 30. Dezember 1992 zurückdatiert worden sei, sei dies unschädlich.
- 13
- Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten aus dem Darlehensvertrag. Die Beklagte habe den Kläger pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt, dass er arglistig über die Höhe der im kalkulierten Gesamtaufwand enthaltenen Provisionen getäuscht worden sei. Durch die Gestaltung des Prospekts und des Vermittlungsauftrages sei beim Kläger bewusst die falsche Vorstellung hervorgerufen worden, er zahle neben der im Vermittlungsauftrag genannten Außenprovision allenfalls geringfügige und deshalb nicht nennenswerte weitere Entgelte für Vertrieb und Marketing. Zwar habe ein Erwerber wegen des Hinweises im Prospekt auf Kosten für "Vertrieb und Marketing" nicht annehmen dürfen, dass der Wert der Immobilie volle 76,70% des Gesamtaufwandes betrage. Mit Provisionen in Höhe von 18,24% habe er jedoch nicht rechnen müssen. Da die anderen Positionen der Kalkulation nur zwischen 0,25% und 5,50% des Gesamtaufwandes betragen hätten und die Kalkulation den Eindruck buchhalterischer Genauigkeit bis zur zweiten Kommastelle erweckt habe, habe ein Leser vielmehr davon ausgehen dürfen, über die Bestandteile der Kalkulation vollständig informiert worden zu sein. Der Hinweis im Vermittlungsauftrag auf einen eventuellen Vergütungsanspruch des Vermittlers auch gegenüber anderen Beteiligten verschleiere, dass schließlich doch der Erwerber diese Vergütungen bezahlen müsse.
- 14
- Diese Umstände ließen den sicheren Schluss zu, dass die Initiatorin des Vorhabens, die Prospektverfasser und der Vertrieb bei Erwerbern bewusst die falsche Vorstellung hätten hervorrufen wollen, diese hätten neben der Außenprovision allenfalls ein im Verhältnis zum Gesamtaufwand geringfügiges Entgelt für Vertrieb und Marketing zu zahlen. Die Beklagte habe zugestanden, den Prospektinhalt gekannt zu haben. Sie habe auch gewusst, dass die im Kaufpreis enthaltene Provision mindestens 16% betragen habe. Angesichts dieser Umstände seien die den Erwerbern zugänglichen Angaben objektiv so grob falsch gewesen, dass sich der Schluss aufdränge, die Bank habe sich der Kenntnis von einer arglistigen Täuschung geradezu verschlossen. Ein Verschulden der Beklagten sei zu vermuten, denn die Beklagte habe sich insoweit weder entlasten noch auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen können.
- 15
- Die Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch führe zum Erlöschen sämtlicher Ansprüche der Beklagten aus den Darlehensverträgen. Es könne deshalb offen bleiben, ob der Kläger sich rechtsgültig der Zwangsvollstreckung unterworfen habe und ob er ggf. schuldrechtlich verpflichtet sei, die Zwangsvollstreckung zu dulden. Die Widerklage sei unbegründet, weil der Darlehensrückzahlungsanspruch durch die Aufrechnung des Klägers erloschen sei.
II.
- 16
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in mehreren Punkten nicht stand.
- 17
- 1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Kläger den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus Aufklärungspflichtverletzung gemäß § 242 BGB seiner Inanspruchnahme aus der Vollstreckungsunterwerfung entgegenhalten kann.
- 18
- Der vermeintliche Schadensersatzanspruch des Klägers ist nach den Grundsätzen der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) darauf gerichtet, den Kläger so zu stellen, wie er ohne die schuldhafte Aufklärungspflichtverletzung stünde (vgl. Senatsurteile vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 61, vom 23. Oktober 2007 - XI ZR 167/05, WM 2008, 154 Rn. 26 und vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 46). Diesem Anspruch kann der Kläger gemäß § 242 BGB seiner Inanspruchnahme aus der Vollstreckungsunterwerfung entgegenhalten (vgl. Senatsurteile vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 61 aE und vom 23. Oktober 2007 - XI ZR 167/05, WM 2008, 154 Rn. 26).
- 19
- Die von der Revision gerügte fehlende Bezifferung des Schadensersatzanspruchs steht dem Einwand aus § 242 BGB nicht entgegen. Der geltend gemachte Anspruch auf Naturalrestitution hätte - nach dem Klägervortrag - die vollständige Rückabwicklung des Anlagegeschäfts zur Folge (Senatsurteile vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 61, vom 23. Oktober 2007 - XI ZR 167/05, WM 2008, 154 Rn. 26 und vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 46). Unabhängig von einer in Betracht kommenden Vorteilsausgleichung (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2010 - III ZR 336/08, WM 2010, 1641 Rn. 35 mwN) könnte die Beklagte daher jedenfalls nicht die Rückzahlung der noch offenen Darlehensvaluta verlangen, derentwegen sie die Vollstreckung betreibt. Der eingewandte Rückabwicklungsanspruch ist im Übrigen nicht nur darauf gerichtet, den Kläger vom Darlehensrückzahlungsanspruch zu befreien, sondern auch von dem vollstreckbaren Schuldanerkenntnis (Senatsurteil vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 61).
- 20
- 2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, die Beklagte sei dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie den Kläger nicht über eine von ihr erkannte arglistige Täuschung über die Höhe der Vertriebsprovisionen aufgeklärt habe.
- 21
- a) Wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, ist eine nicht beratende , sondern lediglich kreditgebende Bank nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei steuersparenden Bauherren-, Bauträgerund Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Anlagegeschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Das ist etwa der Fall, wenn die Bank in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann (st. Rspr., Senatsurteile vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 41 und vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 16).
- 22
- Auf eine im Kaufpreis enthaltene und an den Vertrieb gezahlte "versteckte Innenprovision" muss das den Immobilienerwerb finanzierende Kreditinstitut, mit dem kein Anlageberatungsvertrag geschlossen wurde, den Darlehensnehmer von sich aus dagegen nicht hinweisen (st. Rspr., Senatsurteile vom 2. Dezember 2003 - XI ZR 53/02, WM 2004, 417, 418 f., vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 46 und vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 17). Dies gilt schon deshalb, weil die Veräußerung einer Immobilie zu einem überteuerten Kaufpreis nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs selbst für den Verkäufer nicht ohne weiteres einen zur Aufklärung verpflichtenden Umstand darstellt. Der Käufer hat nämlich grundsätzlich keinen Anspruch auf einen Erwerb des Objekts zu dessen Verkehrswert. Es bleibt vielmehr den Vertragsparteien bis an die Grenzen der Sittenwidrigkeit und des Wuchers überlassen, welchen Kaufpreis sie vereinbaren. Das gilt umso mehr, als jeder Verkaufspreis über dem reinen Verkehrswert liegende Gewinnanteile und Vertriebskosten enthalten kann und grundsätzlich keine Verpflichtung des Verkäufers, und schon gar nicht der finanzierenden Bank, besteht, dem Käufer ungefragt eine nähere Aufschlüsselung des Kaufpreises der Immobilie zu geben und den darin enthaltenen Provisionsanteil offen zu legen. Etwas anderes gilt erst dann, wenn es zu einer so wesentlichen Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert kommt, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muss (st. Rspr., Senatsurteile vom 23. März 2004 - XI ZR 194/02, WM 2004, 1221, 1225 und vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 17, jeweils mwN). Letzteres ist hier nach den insoweit nicht zu beanstandenden Ausführungen des Berufungsgerichts nicht der Fall.
- 23
- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt dagegen ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung aber dann vor, wenn die Bank positive Kenntnis davon hat, dass der Kreditnehmer von seinem Geschäftspartner oder durch den Fondsprospekt über das finanzierte Geschäft gemäß § 123 BGB arglistig getäuscht wurde (vgl. nur Senatsurteile vom 10. Juli 2007 - XI ZR 243/05, WM 2007, 1831 Rn. 14 und vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 20, jeweils mwN).
- 24
- b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht hier eine arglistige Täuschung des Klägers durch den Vertrieb mit der Begründung bejaht, beim Kläger sei gezielt der unrichtige Eindruck erweckt worden, für die Vermittlung des Erwerbs der Eigentumswohnungen falle lediglich die im Berechnungsbeispiel und im Vermittlungsauftrag genannte Provision von 3% zzgl. Umsatzsteuer an, während tatsächlich eine weitere Vertriebsprovision von 18,24% angefallen sei, die in der Position a) des im Verkaufsprospekt aufgeführten Gesamtaufwandes enthalten gewesen sei. Richtig ist vielmehr, dass der Kläger auf den Anfall einer weiteren Vertriebsprovision deutlich hingewiesen wurde und ihm lediglich deren Höhe nicht offenbart worden ist. Darin liegt jedoch - unabhängig vom Bestehen etwaiger, hier nicht streitgegenständlicher Ansprüche gegen Prospektverantwortliche - keine arglistige Täuschung des Klägers gemäß § 123 BGB.
- 25
- aa) In dem Verkaufsprospekt, den der Senat selbst auslegen kann (BGH, Urteile vom 22. März 2007 - III ZR 218/06, WM 2007, 873 Rn. 6 und vom 19. Juli 2011 - II ZR 300/08, WM 2011, 1658 Rn. 46), heißt es bei der Aufschlüsselung des Gesamtaufwandes unter "a) Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing". Daraus war für den Kläger ohne weiteres ersichtlich, dass in dem auf diese Position entfallenden Anteil von 76,70% des Gesamtaufwandes ein nicht weiter aufgeschlüsselter Teil für "Vertrieb und Marketing" enthalten war. Dies verkennt auch das Berufungsgericht nicht. Seine Auffassung, der Anleger werde dadurch, dass der Gesamtaufwand im Verkaufsprospekt einerseits in eine große Position von 76,70% und andererseits in elf weitere Positionen von teilweise weniger als 1% aufgeteilt sei, darüber getäuscht, dass der Anteil für "Vertrieb und Marketing" in der großen Position 18,24% betrage, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 26
- (1) Aus der bezifferten Höhe der Positionen b) bis l) der Kalkulation des Gesamtaufwandes im Prospekt kann nicht auf die Höhe der in der Position a) enthaltenen Vertriebsprovision geschlossen werden. Es existiert kein Erfahrungssatz des Inhalts, dass aus der Höhe einzelner Positionen einer Preiskalkulation auf die Zusammensetzung eines anderen Preisbestandteils bzw. auf die Höhe darin enthaltener, nicht bezifferter Unterpositionen geschlossen werden könnte. Das gilt unabhängig von der Höhe der bezifferten Preisbestandteile. Es kann deshalb nicht angenommen werden, eine unbezifferte Unterposition übersteige die bezifferten Preisbestandteile nicht oder nur geringfügig.
- 27
- (2) Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts berücksichtigt zudem - ebenso wie auch die gesamte Argumentation der Revisionserwiderung - nicht den Unterschied zwischen einer vom Anleger direkt an Dritte zu zahlenden Vergütung einerseits und den vom Verkäufer aus dem Kaufpreis finanzierten (Vertriebs-)Kosten andererseits (üblicherweise als Außen- und Innenprovisionen voneinander abgegrenzt, vgl. Wagner in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl., § 15 Rn. 165). Bei den der Höhe nach im Prospekt ausgewiesenen Provisionen der Positionen b) bis l) handelt es sich um Außenprovisionen, die die Treuhänderin konzeptionsgemäß und aufgrund ausdrücklicher Vollmacht im Namen und auf Rechnung des Anlegers direkt an Dritte für zusätzliche Dienstleistungen (z.B. Nebenkostengarantie, Mietgarantie, Steuerberatung) zahlen sollte. Hierauf wird im Prospekt auch hingewiesen. Die Position a) "Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing" gibt demgegenüber den an die Bauträgerin zu zahlenden Kaufpreis an. Der hierauf entfallende Anteil von 76,70% des Gesamtaufwandes ist nicht näher aufgeschlüsselt. Nicht nachvollziehbar ist daher die Auffassung des Berufungsgerichts, dass aus der Höhe der an Dritte zu zahlenden Außenprovisionen auf die Höhe der von der Bauträgerin selbst zu tragenden und aus dem Kaufpreis zu entrichtenden Vertriebsprovisionen geschlossen werden könnte. Der Kalkulation des Gesamtaufwandes im Prospekt kann vielmehr lediglich entnommen werden, welche sonstigen Entgelte (Außenprovisionen) vom Anleger neben dem Kaufpreis zu zahlen sind.
- 28
- bb) Eine arglistige Täuschung lässt sich auch nicht dem formularmäßigen Vermittlungsauftrag entnehmen, der als Allgemeine Geschäftsbedingungen wegen seiner offensichtlichen Verwendung über den Einzelfall hinaus vom Se- nat selbst ausgelegt werden kann (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919, 2921 mwN).
- 29
- (1) Der Vermittlungsauftrag weist lediglich die vom Anleger direkt an den Vermittler zu zahlende Vergütung aus, enthält jedoch keine unzutreffenden und abschließenden Erklärungen über Anfall und Höhe sonstiger Vertriebsprovisionen des Vermittlers oder anderer Beteiligter. Im Gegenteil wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "die Vertriebsbeauftragte … verschiedene Vermittler beauftragt [hat], die als Nachweismakler für diese und als Vermittlungsmakler für den/die Erwerber tätig werden". Dadurch wird nicht nur offen gelegt, dass verschiedene Vermittler mit dem Vertrieb der Kapitalanlage betraut sind, sondern auch, dass diese zusätzlich als Nachweismakler für eine zwischengeschaltete Vertriebsbeauftragte tätig werden. Schon daraus wird deutlich, dass anlässlich der Vermittlung des Anlegers neben der "Bearbeitungsgebühr" von 3% zzgl. Umsatzsteuer weitere Vertriebsprovisionen anfallen.
- 30
- Darüber hinaus wird in den auf der Rückseite des Vermittlungsauftrages abgedruckten "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" und "IV. Vergütung, Provision" ausdrücklich klargestellt, dass der Vermittler "in der Regel" noch weitere Vergütungsansprüche gegen sonstige Beteiligte hat. Dieser Hinweis ist eindeutig , so dass, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, die Unklarheitenregel des § 5 AGBG aF (jetzt § 305c Abs. 2 BGB) nicht anzuwenden ist.
- 31
- (2) Durch die Angaben im Vermittlungsauftrag wird - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - auch nicht "verschleiert", dass die weitere Vergütung des Vermittlers durch den Verkäufer bzw. dessen Vertriebsbeauftragte letztendlich vom Kläger zu bezahlen ist. Der Kläger wird vielmehr zutreffend darauf hingewiesen, dass er die "Bearbeitungsgebühr" neben dem Kaufpreis und neben den anderen Erwerbsnebenkosten direkt an den Vermittler zu entrichten hat, während eine weitere Vergütung des Vermittlers durch andere Beteiligte erfolgt. Durch diese Mitteilung werden weder wahre Tatsachen entstellt noch unwahre Tatsachen vorgespiegelt.
- 32
- cc) Unerheblich ist schließlich, ob ein Anleger mit Vertriebsprovisionen in Höhe von 18,24% rechnen musste. Das Berufungsgericht unterscheidet bei seiner gegenteiligen Argumentation nicht ausreichend zwischen der vom Verkäufer geschuldeten Transparenz hinsichtlich der Zusammensetzung des Gesamtaufwandes einerseits und einer Täuschung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB über die Höhe der vom Käufer insgesamt zu zahlenden Vermittlungsprovisionen andererseits. Nur über eine evidente arglistige Täuschung hinsichtlich der Höhe dieser Provisionen, die hier allerdings weder durch den Prospekt noch durch den Vermittlungsauftrag erfolgt ist, hätte die Beklagte aufklären müssen.
- 33
- dd) Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenen vom Senat entschiedenen Fällen, in denen durch Verkaufsprospekte oder andere Urkunden - anders als hier - der falsche Eindruck einer abschließenden Darstellung der Vertriebskosten vermittelt und dadurch ein Irrtum des Anlegers über die Höhe der Vertriebskosten erregt worden war (Senatsurteile vom 10. Juli 2007 - XI ZR 243/05, WM 2007, 1831 Rn. 15 aE, vom 24. März 2009 - XI ZR 456/07, WM 2009, 1028 Rn. 31 f. und vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 21 ff.). Im Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08 (aaO Rn. 31 f.) ging es insbesondere um Angaben über Provisionen zugunsten zweier Vermittlungsgesellschaften, durch die der falsche Anschein erweckt worden war, die Provisionen würden damit abschließend beziffert. Davon kann beim vorliegenden Vermittlungsauftrag angesichts des ausdrücklichen Hinweises auf weitere Vergütungsansprüche des Vermittlers keine Rede sein.
- 34
- Zutreffend haben deshalb andere Oberlandesgerichte für die hier vorliegenden oder vergleichbare Formulierungen in Verkaufsprospekten und Vermittlungsaufträgen eine arglistige Täuschung der Anleger über die Höhe der im Kaufpreis enthaltenen Vertriebsprovisionen verneint (vgl. z.B. OLG Braunschweig, Urteil vom 12. November 2009 - 8 U 121/08; OLG Frankfurt/M., Urteile vom 2. Juni 2009 - 23 U 207/07, 23 U 37/08 und 23 U 139/08, jeweils unveröffentlicht; vgl. auch Senatsbeschluss vom 15. Februar 2010 - XI ZR 20/10, juris).
- 35
- 3. Da eine arglistige Täuschung über Vertriebsprovisionen aus den genannten Gründen ausscheidet, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob das Berufungsgericht - wie die Revision geltend macht - Kausalität, Arglist und Kenntnis der Beklagten von einer arglistigen Täuschung zu Unrecht bejaht hat.
III.
- 36
- Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache , die mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht zur abschließenden Entscheidung reif ist, ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Hierbei wird das Berufungsgericht folgendes zu berücksichtigen haben:
- 37
- 1. Der Kläger hat ausweislich der Feststellungen desBerufungsgerichts nicht lediglich materiell-rechtliche Einwendungen gegen die titulierten Ansprüche im Sinne des § 767 Abs. 1 BGB erhoben, sondern auch die Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels geltend gemacht. Das ist Gegenstand einer prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 Abs. 1 ZPO, die mit der Vollstreckungsabwehrklage verbunden werden kann (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 30. März 2010 - XI ZR 200/09, BGHZ 185, 133 Rn. 15 und 18 mwN). Das Berufungsgericht hat eine Entscheidung hierüber nicht getroffen. Das wird gegebenenfalls nachzuholen sein.
- 38
- Zwar ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ohne weiteres, dass die Vollstreckungsunterwerfung in der notariellen Urkunde vom 28. Dezember 1992 mangels wirksamer Vollmacht der Treuhänderin unwirksam ist. Die Nichtigkeit der Vollmacht kann insoweit nicht mit Hilfe der §§ 171 f. BGB überwunden werden (st. Rspr., Senatsurteil vom 21. Juni 2005 - XI ZR 88/04, WM 2005, 1520, 1521). Das Berufungsgericht wird sich aber mit der Frage zu befassen haben, ob es dem Kläger nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf die Nichtigkeit der notariellen Vollstreckungsunterwerfung zu berufen (vgl. Senatsurteile vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 831 f. und vom 21. Juni 2005 - XI ZR 88/04, WM 2005, 1520, 1521 f., jeweils mwN).
- 39
- 2. Das Berufungsgericht hat schließlich, aus seiner Sicht folgerichtig, keine Feststellungen zu der widerklagend geltend gemachten Darlehensforderung getroffen, insbesondere nicht zu deren Höhe. Auch dies wird gegebenenfalls nachzuholen sein.
Matthias Pamp
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 11.09.2008 - 9 O 1139/06 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 28.02.2011 - 3 U 47/08 -
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Annotations
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
(1) Für die Verpflichtung des Bürgen ist der jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßgebend. Dies gilt insbesondere auch, wenn die Hauptverbindlichkeit durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners geändert wird. Durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt, wird die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert.
(2) Der Bürge haftet für die dem Gläubiger von dem Hauptschuldner zu ersetzenden Kosten der Kündigung und der Rechtsverfolgung.
(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.
(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.
(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.