Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juli 2008 - X ZR 189/03

published on 08/07/2008 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juli 2008 - X ZR 189/03
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Bundespatentgericht, 3 Ni 58/01, 08/10/2003

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 189/03 Verkündet am:
8. Juli 2008
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Schalungsteil
EPÜ Art. 54 Abs. 2; PatG § 3 Abs. 1
Ein Angebot kann auch nach Art. 54 Abs. 2 EPÜ/§ 3 Abs. 1 PatG 1981 dann
zum Stand der Technik rechnen, wenn im Einzelfall die Weiterverbreitung der
dem Angebotsempfänger übermittelten Kenntnis an beliebige Dritte vor dem für
die Schutzfähigkeitsprüfung relevanten Zeitpunkt nach der Lebenserfahrung
nahelag.
BGH, Urt. v. 8. Juli 2008 - X ZR 189/03 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Scharen und Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter
Gröning

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 8. Oktober 2003 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist Inhaber des am 22. Juni 1995 unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Voranmeldung vom 29. Juni 1994 angemeldeten europäischen Patents 692 352 (Streitpatents), das ein "die Sichtfläche eines Betonfertigteils bildendes Schalungsteil" betrifft und sieben Patentansprüche umfasst, die in der Verfahrenssprache Deutsch wie folgt lauten: "1. Die Sichtfläche eines Betonfertigteils bildendes Schalungsteil aus faserverstärktem, feinkörnigen Material, das in das Beton- fertigteil eingegossen wird, dadurch gekennzeichnet, daß an der Nahtstelle zwischen dem Schalungsteil und dem Beton an der Unterseite eine Wassernase ausgespart wird, derart, daß das Schalungsteil (1) an der Nahtstelle zum Beton an seiner Unterseite ein der Form der Wassernase entsprechendes Profil (2) aus gummielastischem, an dem Schalungsteil haftenden Material aufweist.
2. Schalungsteil nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Profil (2) an seiner Unterseite Stege (2a) aufweist, die über die Unterseite des Schalungsteils geringfügig vorstehen.
3. Schalungsteil nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet , daß das Profil (2) aus Gummi besteht, dessen Oberfläche wenigstens an der dem Schalungsteil (1) zugewandten Seite eine für die Haftung am Schalungsteil ausreichende Rauigkeit aufweist.
4. Schalungsteil nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet , daß in das Schalungsteil (1) Metallstücke (7) eingespritzt sind.
5. Die Sichtfläche eines Betonfertigteils bildendes Schalungsteil aus faserverstärktem, feinkörnigen Material, das in das Betonfertigteil eingegossen wird, nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß das Schalungsteil einstückig als Winkelteil ausgebildet ist (Fig. 3).
6. Schalungsteil nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Schenkellängen (8, 9) entsprechend den jeweiligen Anforderungen des Einzelfalls gefertigt sind.
7. Schalungsteil nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet , daß es an seiner Eckkante eine Fase (10) aufweist."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei im Hinblick auf eine eigene offenkundige Vorbenutzung, nämlich eine ohne Geheimhaltungsverpflichtung erfolgte Lieferung eines Abdeck- und Abschalprofils aus faserverstärktem Feinbeton mit einer Fase als Wassernase an die Rechtsvorgängerin der S. GmbH + Co. in S. , am 30. Mai 1994, sowie auf die Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung 2 643 010 (Anl. NK1) und die US-Patentschrift 4 223 502 (Anl. NK6) nicht schutzfähig. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht hat sich die Klägerin auf eine weitere offenkundige Vorbenutzung durch ein Angebot an die H. GmbH & Co. in KG B. Anfang Juni 1994 gestützt. Außerdem hat sie geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht ausreichend offenbart sei, weil nicht beschrieben werde, wie das Profil an dem Schalungsteil haften solle. Sie hat beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat insbesondere die Vorbenutzungshandlung wie deren Neuheitsschädlichkeit in Abrede gestellt.
3
Das Patentgericht hat unter Verneinung ausreichender Substantiierung der behaupteten Vorbenutzungen die Nichtigkeitsklage abgewiesen.
4
Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin weiterhin, unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären, während der Beklagte das angefochtene Urteil verteidigt. Im Berufungsverfahren hat sie sich zusätzlich auf die Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 1 858 742 gestützt.
5
Im Auftrag des Senats hat Professor Dr.-Ing. habil. N. V. T. schrift- ein liches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


6
Das zulässige Rechtsmittel der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
7
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein Schalungsteil, das die Sichtfläche eines Betonfertigteils bildet und in das Betonfertigteil eingegossen ist. Derartige Schalungsteile sind aus der in der Streitpatentschrift abgehandelten Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung 2 643 010 (Anl. NK1) und aus der dort ebenfalls abgehandelten US-Patentschrift 4 223 502 (Anl. NK6) bekannt. Diese Schalungsteile haben jedoch keine Wassernase, die entsprechend der durch Patentanspruch 1 geschützten Lehre hergestellt ist.
8
2. Durch das Streitpatent soll (abweichend von der in der Beschreibung angegebenen Aufgabe) ein leicht in ein Betonfertigteil einzubauendes Schalungselement bereitgestellt werden, bei dem ein Kriechen von Regenwasser vermieden wird.
9
Hierzu stellt Patentanspruch 1 des Streitpatents ein Schalungsteil unter Schutz,
(1)
das die Sichtfläche eines Betonfertigteils bildet und in dieses eingegossen wird,
(2)
aus faserverstärktem, feinkörnigem Material besteht,
(3)
wobei an der Nahtstelle zwischen dem Schalungsteil und dem Beton eine Wassernase ausgespart wird, indem (3.1) das Schalungsteil an der Nahtstelle zum Beton an seiner Unterseite ein Profil aufweist, (3.1.1) das der Form der Wassernase entspricht und (3.1.2) aus gummielastischem Material besteht, (3.1.3) das an dem Schalungsteil haftet.
10
3. Einen Schnitt des noch in seiner Herstellungsform haftenden Schalungsteils zeigt als Ausführungsbeispiel die nachfolgend verkleinert wiedergegebene Figur 1:
11
II. Das Streitpatent offenbart die in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte technische Lehre so, dass der Fachmann, ein mit der Herstellung von Fertigbauteilen befasster Bauingenieur vorzugsweise mit Fachhochschulabschluss und einiger Berufserfahrung sowie Kenntnissen sowohl im Werkstoffbereich als auch hinsichtlich der Konstruktion von Fertigbauteilen, sie ausführen kann (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ). Die Klägerin hat die Ausführbarkeit nur deshalb in Zweifel gezogen, weil dem nacharbeitenden Fachmann nicht angegeben werde, wie die Anhaftung des Profils am Schalungsteil erreicht werde. Der Feinzement kann nach ihrer Ansicht nicht der Haftvermittler sein, weil er als Trennmittel diene.
12
Dem ist schon das Bundespatentgericht zu recht nicht gefolgt. Aus der Figur 1 des Streitpatents ergibt sich nämlich, dass das Profil im Reibschluss eingebaut werden kann. Das genügt bereits für die Ausführbarkeit. Zudem ist der Beschreibung des Streitpatents (Sp. 2 Z. 29 bis 33) zu entnehmen, dass das Profil aus Gummi bestehen kann, dessen Oberfläche im Bereich der Berührung mit dem Schalungsteil eine gewisse Rauhigkeit aufweist, so dass das Profil an dem Schalungsteil haftet. An dieser Stelle muss auch, wie dies das Bundespatentgericht richtig gesehen hat, kein Feinzement als Trennmittel aufgetragen sein. Außerdem kann - auch das hat das Bundespatentgericht richtig gesehen - das Profil mit einem Haftvermittler, etwa einem Klebstoff, versehen werden; dies bereitete dem Fachmann keine Schwierigkeiten. Auch der gerichtliche Sachverständige hat die Auffassung des Bundespatentgerichts bestätigt und ist in der mündlichen Verhandlung dabei geblieben.
13
III. Die Lehre des Streitpatents ist auch gegenüber dem Stand der Technik patentfähig (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ).
14
1. a) Sie ist gegenüber allen vorveröffentlichten, zum Stand der Technik rechnenden Dokumenten neu (Art. 54 EPÜ). Weder die Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung 2 643 010 (Anl. NK1) noch die US-Patentschrift 4 223 502 (Anl. NK6) zeigt oder beschreibt eine Wassernase an der Nahtstelle zwischen dem bekannten Schalungsteil und dem Beton, in den das Schalungsteil eingegossen wird (Merkmalsgruppe 3), die mittels eines Profils nach Merkmalsgruppe (3.1) ausgebildet ist.
15
aa) Die Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung zeigt lediglich die Möglichkeit auf, bei einem Betonformelement wie einem Randstein oder einer Platte einen Einsatz als Tropfnase (zur Herstellung eines hängenden Tropfens - "goutte pendante") vorzusehen, der parallel zum Rand des Elements angeordnet ist (Beschr. S. 2 Z. 14 - 21, S. 4 Z. 9 - 15 und S. 5 Z. 8/9; Patentanspruch 5; Figur 1 und 2: Einsatz 2, und Figur 3, Bezugszeichen G).

16
bb) Bei der US-Patentschrift erfolgt die Abdichtung der Plattenkante seitlich durch die konventionelle Dichtung (10), die aus Neopren hergestellt werden kann (Beschr. Sp. 3 Z. 58 - 65). Wassernasen werden in ihr nicht angesprochen.
17
cc) Die Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 1 858 742 zeigen und beschreiben das Einbringen einer Dreikantleiste, die aus Kunststoff oder Kautschuk bestehen kann, zum Ausbilden einer Fase wie einer Wassernase in einem gegossenen Betonkörper. Diese Leiste kann mittels eines Befestigungsnagels am Schalungsrahmen befestigt werden (Fig. 2, 3). Eine Befestigung an einem einzugießenden Schalungsteil (Merkmal 3.1.3) wird jedoch nicht gelehrt uns scheidet schon deshalb aus, weil die Gebrauchsmusterunterlagen nur einen insgesamt gegossenen Betonkörper, nicht aber einen eingegossenen, vorfabrizierten Schalungsrahmen zeigen. Selbst für eine Anbringung am Betonkörper fehlt es an einem Hinweis.
18
b) Auch die behaupteten Vorbenutzungen können den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht vorwegnehmen.
19
aa) Das gilt zunächst für die behauptete Vorbenutung bei der S. GmbH + Co.
20
(1) Die Klägerin hat zu dieser Vorbenutzung geltend gemacht, sie habe am 30. Mai 1994, also vor dem Prioritätstag - dies hat der Beklagte unter Vorlage einer Erklärung der S. GmbH + Co. bestritten - , ohne Geheimhaltungsverpflichtung Abdeck- und Abschalprofile der Typen … , … und … aus faserverstärktem Feinbeton mit einer Sichtfläche und mit schwalbenschwanzförmigen Nuten geliefert, die den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents vorwegnähmen. Die rechte Fase habe als Wassernase gedient.
21
(2) Die behauptete Vorbenutzung kann entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts nicht wegen mangelnder Substantiierung des Klagevortrags außer Acht gelassen werden. Der Vortrag war zudem geeignet, eine offenkundige Vorbenutzung darzulegen, denn die Lieferung patentgemäßer Gegenstände zur Weiterveräußerung, von der bei einem Betonwerk ausgegangen werden muss, macht die in den gelieferten Gegenständen verkörperte Lehre regelmäßig öffentlich (Sen.Urt. v. 19.5.1999 - X ZR 87/98, GRUR 1999, 976, 977 - Anschraubscharnier; v. 13.3.2001 - X ZR 155/98, GRUR 2001, 819 - Schalungselement). Gesichtspunkte, aus denen sich hier Abweichendes ergeben könnte, sind nicht erkennbar.
22
(3) Die hierzu vorgelegte Zeichnung (Anl. NK3) zeigt zwar ein Schalungsteil mit einer daran ersichtlich angegossenen Plattendecke sowie einer am Übergang zwischen beiden ausgebildeten, triangelförmigen Wassernase, gibt jedoch keinen Hinweis auf die Merkmalsgruppe (3.1). Der der zugehörigen Anlage NK9 weiter zu entnehmende Einbauvorschlag zeigt und nennt weiter eine montierte Dreikantleiste in dem Triangel, zeigt aber nicht, ob die Montage an dem Schalungsteil oder aber an dem Schaltisch erfolgen soll, sondern lässt dies offen. Auch das Material der Dreikantleiste wird nicht genannt.
23
bb) Die Vorbenutzung durch Lieferung an die H. GmbH & Co. KG in B. ist nicht deshalb unbeachtlich, weil sie verspätet vorgebracht wurde. Das geltende Verfahrensrecht bietet keine Grundlage, den Vortrag der Klägerin zu dieser Vorbenutzung als verspätet zurückzuweisen (vgl. Jestaedt, Prozessförderungs- und Mitwirkungspflichten im Patentnichtigkeitsverfahren, Festschrift für Henning Piper (1996), S. 695, 697 ff.; Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 3. Aufl. 2008, Rdn. 248). Auch aus dieser behaupteten Vorbenutzung ergibt sich jedoch kein weiterer relevanter Stand der Technik. Nach den Angaben in der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen R. , deren Inhalt sich die Klägerin spätestens in der Berufungsbegründung zu eigen gemacht hat, erfolgte die behauptete Lieferung erst nach dem Prioritätstag; diese stellt schon aus diesem Grund keinen relevanten Stand der Technik dar. Das nach der Behauptung der Klägerin vor dem Prioritätstag erfolgte Angebot ist - wie schon nach der früheren Rechtslage (zu dieser BGH, Urt. v. 17.10.1958 - I ZR 34/57, GRUR 1959, 178, 179 - Heizpreßplatte ; Urt. v. 8.6.1962 - I ZR 9/61, GRUR 1962, 518, 520 - Blitzlichtgerät) - nur dann geeignet, beachtlichen Stand der Technik zu schaffen, wenn im Einzelfall die Weiterverbreitung einer dem Angebotsempfänger übermittelten Kenntnis an beliebige Dritte nach der Lebenserfahrung nahegelegen hätte (vgl. Melullis in Benkard, PatG GebrMG, 10. Aufl. 2006, Rdn. 50 zu § 3 PatG). Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, denn dem schriftlichen Angebot sind die entsprechenden Informationen nicht zu entnehmen. Für deren Vermittlung durch die Lieferung selbst fehlt es an einer Grundlage, weil diese erst nach dem Prioritätstag erfolgt ist. Dass die Angebotsempfängerin rechtlich nicht gehindert war, ihre Kenntnisse an Dritte weiterzugeben, reicht, die Richtigkeit der diesbezüglichen Behauptung der Klägerin unterstellt, nicht aus, um einen solchen Angebotsinhalt zum Stand der Technik zu rechnen.
24
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).
25
a) Es war zwar, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend angegeben hat, bekannt und entsprach fachüblichem Handeln, eine Wassernase zwischen dem Schalungselement und dem Beton dadurch auszubilden, dass auf dem Schaltisch ein Verdrängungskörper fixiert wurde, der gleichzeitig als Anschlag für das Schalelement diente, und neben ihm eine Abdichtung anzubringen , um den Austritt von Zementleim aus der Fuge zwischen Schaltisch und Fertigteil zu verhindern. Die Anordnung des fugenbildenden und zugleich abdichtenden Profils unmittelbar am Schalteil war jedoch nicht bekannt und auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
26
b) aa) Es ist nicht ersichtlich, welche Anregungen der Fachmann durch die genannten Veröffentlichungen zu der durch das Streitpatent erheblich vereinfachten und durch die Schaffung einer Möglichkeit, das Schalungsteil an anderer Stelle als das Betonfertigteil zu fabrizieren, eine größere Flexibilität des Herstellungsvorgangs erlaubenden Herstellung der Wassernase erhalten oder dass er diese Anregungen seinem Fachkönnen oder Fachwissen entnehmen konnte. Das gilt aus den unter III 1 a cc genannten Gründen insbesondere auch für die Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 1 858 742, auf die sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung in erster Linie gestützt hat.
27
bb) Auch die von der Klägerin behaupteten Vorbenutzungshandlungen legen - die Angaben der Klägerin als richtig unterstellt - den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents weder allein noch in Zusammenschau mit den übrigen Entgegenhaltungen nahe.
28
(1) Den nach dem Vortrag der Klägerin nach S. (oben III 1 b aa (3)) gelieferten Fertigteilen war nicht anzusehen, wie die Wassernase erzeugt worden war. Dass die anklebbare Dreikantleiste zum Lieferumfang der Klägerin gehört haben soll, sagt nichts darüber aus, dass auch sie an die Abnehmerin geliefert wurde, und schon gar nichts darüber, wo sie gegebenenfalls angeklebt wurde, insbesondere, dass dies an dem Schalungsteil der Fall gewesen sein soll, und dass Dritten hierüber vor dem Prioritätstag Kenntnisse vermittelt wurden.

29
(2) Der Ort der Anbringung der Dreikantleiste ergab sich für den Fachmann auch nicht aus den Umständen. Er konnte es - bei nachträglichem Guss der Plattendecke - zunächst weiterhin als gangbar ansehen, die Leiste am Schaltisch, so wie dies der vom gerichtlichen Sachverständigen bestätigten üblichen Praxis entsprach, zu befestigen. Dabei standen am Schaltisch je nach seiner Beschaffenheit verschiedene Befestigungsmöglichkeiten zur Auswahl. Auf einem hölzernen Schaltisch konnte die Leiste angenagelt, verklebt oder auch dauerhaft befestigt werden, an einem Stahltisch aus Stahl, wie er der industriellen Fertigung besser entsprochen haben dürfte, mittels eines Magneten, mittels einer Verklebung oder mittels einer dauerhaften Verschraubung befestigt werden. Es war für den Fachmann aber auch prinzipiell nicht ausgeschlossen , die Leiste am Schalungsteil zu befestigen. Diese bloße Möglichkeit reicht aber nicht ohne Weiteres hin, eine Anbringung am Schalungsteil, die nicht vorbeschrieben ist, als naheliegend im Sinn der Regelung in Art. 56 EPÜ anzusehen. Sie ist in der Skizze nicht angesprochen und für sie fehlt auch sonst eine Anregung; für eine Feststellung dahin, dass diese Art der Anbringung schon vor dem Prioritätstag des Streitpatents fachüblich gewesen wäre oder dem in der Fachwelt verbreiteten Können entsprochen hätte, fehlt es an tatsächlichen Grundlagen. Damit ergab sich diese Möglichkeit auch nicht aus einem Griff in den bekannten Formenschatz, aus dem sich der Fachmann bedienen konnte. Zudem bestand für den Fachmann keine Notwendigkeit dafür, von einer Befestigung der Leiste am Schaltisch abzugehen, auch wenn berücksichtigt wird, dass an einem Schaltisch aus Stahl die besonders einfache Möglichkeit des Annagelns der Leiste kaum in Frage kommen kann. Der Fachmann stand damit auch nicht in einer unter Umständen einer erfinderischen Leistung entgegenstehenden "Einbahnstraßen"-Situation im Sinn der Praxis des Europäischen Patentamts, die ihm keine andere Wahl gelassen hätte, als die Leiste an dem Schalungsteil anzubringen (vgl. nur EPA, Technische Beschwerdekammer, Entscheidung v. 15.3.1984 - T 2/83, ABl. EPA 1984, 265 = GRUR Int. 1984, 527 - Simethicon-Tablette, Entscheidungsgründe unter 6; Moufang in Schulte, PatG, 7. Aufl. 2005, Rdn. 82 zu § 4; Keukenschrijver in Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, Rdn. 85 zu § 4).
30
cc) Schließlich rechtfertigt auch die von der Klägerin vorgebrachte Argumentation , dass sich aus dem Erfordernis, die Fertigteile kostengünstig herzustellen , zu der arbeitssparenden Anbringung des Profils an dem Schalungsteil führe, keine Verneinung der erfinderischen Leistung. Zwar wird der Wunsch, zu einer kostengünstigen Herstellungsweise zu kommen, in Industrie und Gewerbe in aller Regel vorhanden sein, jedoch bietet er für sich noch keine Anregung zu einer bestimmten, bisher noch nicht bekannten Lösung.
31
IV. Die nachgeordneten Patentansprüche haben mit Patentanspruch 1 Bestand.
32
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 97 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.10.2003 - 3 Ni 58/01 (EU) -
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

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published on 13/03/2001 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 155/98 Verkündet am: 13. März 2001 Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein EPÜ
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 50/15 Verkündet am: 1. März 2017 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BGH:2017:010317UXZR50.15.0 Der X
published on 09/12/2014 00:00

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Annotations

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)