Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Mai 2004 - X ZR 189/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I. Patentanwalt A. hat - zunächst ohne Nennung des Auftraggebers - Einsicht in die Akten des Patentnichtigkeitsverfahrens X ZR 189/03 begehrt ; im Lauf des Verfahrens hat er mitgeteilt, daß die Akteneinsicht für eine Firma S. begehrt werde. Der Beklagte hat gegen die Akteneinsicht keine Einwände erhoben, während die Klägerin dem Antrag mit der Begründung widersprochen hat, ein Angehöriger dieser Firma sei bei der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung zugegen gewesen und habe sich auch zur anschließenden Urteilsberatung Zutritt verschafft, wobei unerkannt geblieben sei, daß
es sich nicht um einen Patentanwaltskandidaten gehandelt habe. Tatsächlich handle es sich um eine als Zeuge in Betracht kommende Person. Die Gewährung von Akteneinsicht führe dazu, daß der Beschäftigte "als Zeuge leider verbraucht" wäre. Ergänzend hat die Klägerin geltend gemacht, der Reisebericht vom 30. Mai 1994, das Angebot 352/94 vom 6. Juni 1994 und der Anstellungsvertrag vom 17. März 1994 enthielten Angaben über ihre Kunden, über die zuständigen Ansprechpartner und die Organisationsstruktur ihres Unternehmens; insoweit bestehe ein Geheimhaltungsinteresse bei ihr. Sie sei aber bereit, der Antragstellerin insoweit neutralisierte Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
II. Dem Antrag ist mit den im Tenor genannten Einschränkungen stattzugeben. Ein beachtliches schutzwürdiges Gegeninteresse eines Verfahrensbeteiligten hat der Senat insbesondere in Betracht gezogen, soweit durch die Akteneinsicht geheimhaltungsbedürftige Betriebsinterna bekannt werden konnten (Sen.Beschl. v. 16.12.1971 - X ZA 1/69, GRUR 1972, 331 - Akteneinsicht IX). Auch bei persönlichkeitsbezogenen Angaben kann ein schutzwürdiges Gegeninteresse zu bejahen sein (vgl. BPatGE 26, 66 = GRUR 1984, 342).
Ein solches schutzwürdiges Gegeninteresse zeigt die Klägerin hier nur auf, soweit der Akteneinsichtsantrag auch den Reisebericht vom 30. Mai 1994, das Angebot 352/94 vom 6. Juni 1994 und der Anstellungsvertrag vom 17. März 1994 erfaßt. Weshalb sich aus einer möglicherweise unzulässigen Anwesenheit eines Beschäftigten der Firma S. bei der Beratung des erstinstanzlichen Urteils ein schutzwürdiges Gegeninteresse der Klägerin ergeben könnte, ist nicht ersichtlich. Die Regelung in § 99 Abs. 3 Satz 3 PatG hat insoweit erkennbar keinen Sanktionscharakter. Daß der Beschäftigte des Unternehmens Kenntnis von bestimmten Vorgängen im erstinstanzlichen Verfahren haben und hierfür als Zeuge in Betracht kommen mag, begründet schon deshalb kein
schutzwürdiges Gegeninteresse, weil die Gewährung der Akteneinsicht nicht dazu führen könnte, daß der Beschäftigte nicht mehr als Zeuge vernommen werden dürfte ("verbraucht" wäre). Zudem zeigt die Klägerin nicht auf, in welchem Zusammenhang die aus ihrem Vortrag allenfalls zu entnehmenden Beweisthemen mit dem Ausgang des Verfahrens stehen können; von daher ist ihre Auffassung, der Beschäftigte könne als Zeuge "ausgesprochen wichtig" werden, nicht ohne weiteres nachvollziehbar und kann ein schutzwürdiges Gegeninteresse nicht begründen.
Da sich die Klägerin erboten hat, der Antragstellerin von den zunächst von der Akteneinsicht ausgenommenen Unterlagen neutralisierte Abschriften zur Verfügung zu stellen, geht der Senat davon aus, daß es insoweit einer weitergehenden Entscheidung über den Akteneinsichtsantrag nicht bedarf.
Melullis Keukenschrijver
Annotations
(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.
(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.
(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.