Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juni 2007 - VIII ZR 387/04

published on 13/06/2007 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juni 2007 - VIII ZR 387/04
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Amtsgericht Görlitz, 1 C 858/03, 24/02/2004

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 387/04 Verkündet am:
13. Juni 2007
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Vereinbaren die Parteien eines Mietvertrages, dass der Mieter an der Mietsache
Veränderungen vornehmen darf, die ausschließlich in seinem eigenen Interesse liegen
, kann von einem stillschweigenden Einverständnis der Parteien auszugehen
sein, dass der Mieter hierfür keinen Aufwendungsersatz beanspruchen kann.
BGH, Urteil vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 387/04 - LG Görlitz
AG Görlitz
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen
, die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger und den Richter Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landgerichts Görlitz - 2. Zivilkammer - vom 22. September 2004 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Görlitz vom 24. Februar 2004 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Mit Mietvertrag vom 1. Oktober 1982 hatten die Kläger von der Beklagten ein Einfamilienhaus in Görlitz gemietet. Das Mietverhältnis war für die Zeit der Beschäftigung des Klägers zu 2 bei dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus geschlossen und endete mit der Pensionierung des Klägers zu 2 zum 31. März 2003. Die zum Gebäude gehörenden Freiflächen - die zu Beginn des Mietverhältnisses unbepflanzt waren - durften die Kläger gemäß § 2 Nr. 3 des Mietvertrages nach individuellen Wünschen und in Abstimmung mit den Grundstücksnachbarn gestalten.
2
Die Kläger nehmen die Beklagten wegen der von ihnen während der Mietzeit auf den Freiflächen gepflanzten Bäume und Sträucher, die aufgrund ihres Alters oder ihrer Größe nicht mehr umgepflanzt werden können, auf Zahlung von 2.623,55 € nebst Zinsen in Anspruch.
3
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.

I.

5
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
6
Bei den von den Klägern auf dem Grundstück der Beklagten gepflanzten und nicht mehr umpflanzbaren Bäumen und Sträuchern handele es sich um Aufwendungen auf die Mietsache, deren Wert im Sinne des derzeitigen Verkehrswertes von 2.623,55 € die Beklagte nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 539 Abs. 1, § 670, § 683 Satz 1 BGB) zu ersetzen habe. Die Bepflanzung der Freifläche sei jedenfalls auch im Sinne der Beklagten erfolgt, da die Begrünung von zu einem Einfamilienhaus gehörenden Freiflächen immer auch eine Wertsteigerung bedeute und im Regelfall kein Vermieter ein Interesse daran haben könne, dass das zu seinem Haus gehörende Grundstück verwildere.

II.

7
Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8
Die Kläger können von der Beklagten wegen der von ihnen während der Mietzeit angepflanzten und zum Ende der Mietzeit nicht mehr umpflanzbaren Bäume und Sträucher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keinen Aufwendungsersatz beanspruchen.
9
1. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht nicht danach unterschieden hat, ob die Bäume und Sträucher vor oder nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 gepflanzt worden sind. Nur wenn die Bäume und Sträucher nach dem Beitritt gepflanzt worden sind, ist die Frage der Ersatzpflicht - wie das Berufungsgericht angenommen hat - nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu beurteilen. Sind die Bäume und Sträucher hingegen vor dem Beitritt gepflanzt worden, bestimmt sich die Ersatzpflicht nach dem Zivilgesetzbuch (vgl. BGHZ 134, 170, 175; BGH, Urteil vom 17. März 1999 - XII ZR 101/97, WM 1999, 1136, unter 3). Darauf kommt es letztlich aber nicht an.
10
2. Die danach in Betracht kommenden Ansprüche aus § 539 Abs. 1, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. aus § 30 Abs. 1 Satz 3, § 112 Abs. 3 Satz 1 ZGB sind schon deshalb nicht begründet, weil eine Auslegung des Mietvertrages ergibt, dass die Parteien Ansprüche auf Aufwendungsersatz für die Gestaltung der Freiflächen abbedungen haben (vgl. Senatsurteil vom 13. Oktober 1959 - VIII ZR 193/58, WM 1959, 1369, unter I 2). Der Senat kann den Mietvertrag selbst auslegen, da das Berufungsgericht dies unterlassen hat und weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind (vgl. BGHZ 65, 107, 112; BGH, Urteil vom 12. Februar 1997 - V ZR 250/96, WM 1998, 626, unter II 3).
11
Der Mietvertrag regelt in § 2 Nr. 3 nur, dass der Mieter die zum Gebäude gehörenden Freiflächen nach individuellen Wünschen und in Abstimmung mit den Grundstücksnachbarn gestalten darf. Er sieht aber nicht vor, dass der Mieter den Ersatz von Aufwendungen für die Gestaltung der Freiflächen verlangen kann. Lediglich hinsichtlich baulicher Veränderungen durch die Mieter bestimmt § 5 Nr. 1 Satz 3 des Mietvertrages, dass der Mieter die Anlagen bei Auszug dem Vermieter oder dem nachfolgenden Mieter gegen angemessene Werterstattung übergibt oder sie aus der Mietsache entfernt. Bei den Anpflanzungen auf den Freiflächen handelt es sich nicht um bauliche Veränderungen im Sinne dieser Regelung. Denn darunter sind - ebenso wie bei den Bestimmungen der §§ 111 und 112 ZGB über bauliche Veränderungen durch den Mieter, deren Wortgebrauch die Regelung in § 5 Nr. 1 des Mietvertrages übernimmt - nur Veränderungen am Baukörper der Wohnung zu verstehen (vgl. Kommentar zum ZGB [1985], § 111 ZGB Anm. 1; Zivilrecht, Lehrbuch [1981], S. 305).
12
Dass der Mietvertrag dem Mieter die Gestaltung der Freiflächen nach seinen individuellen Wünschen gestattet, insoweit aber - im Gegensatz zu baulichen Veränderungen - keinen Anspruch des Mieters auf Aufwendungsersatz vorsieht, lässt bei einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. BGHZ 152, 153, 156; BGHZ 131, 136, 138) auf den Willen der Parteien schließen, dass die Kläger die Kosten für die Gestaltung der Freiflächen selbst tragen und Ansprüche der Kläger auf den Ersatz von Aufwendungen insoweit ausgeschlossen sein sollen. Denn es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Vermieter, der dem Mieter erlaubt, die Mietsache nach dessen individuellen Wünschen und in dessen eigenem Interesse zu verändern, auch noch verpflichtet sein soll, dem Mieter die Aufwendungen hierfür zu ersetzen.
13
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann daraus, dass - wie das Berufungsgericht meint - die Begrünung von zu einem Einfamilienhaus gehörenden Freiflächen immer auch eine Wertsteigerung bedeute und im Regelfall kein Vermieter ein Interesse an der Verwilderung des zu seinem Haus gehörenden Grundstücks haben könne, nicht geschlossen werden, dass die Bepflanzung der Freiflächen durch die Kläger jedenfalls auch "im Sinne" der Beklagten erfolgte. Die Revision macht zutreffend geltend, dass dieser Gedanke schon deshalb nicht tragfähig ist, weil das Fehlen einer Bepflanzung nicht mit einer Verwilderung eines Grundstücks gleichgesetzt werden kann und weil nicht jede Begrünung den Grundstückswert steigert, da die von dem einen Nutzer als schön empfundene und damit als wertvoll angesehene Pflanzung von dem anderen Nutzer als unansehnlich und damit wertlos oder sogar den Wert des Grundstücks mindernd angesehen werden kann.

III.

14
Das angefochtene Urteil kann demnach keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist zur Endentscheidung reif, da es weiterer tatsächlicher Feststel- lungen nicht bedarf. Auf die Revision der Beklagten ist daher das Berufungsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Ball Dr. Frellesen Hermanns Dr. Milger Dr. Koch
Vorinstanzen:
AG Görlitz, Entscheidung vom 24.02.2004 - 1 C 858/03 -
LG Görlitz, Entscheidung vom 22.09.2004 - 2 S 39/04 -
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Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.
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Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.
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Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Der Mieter kann vom Vermieter Aufwendungen auf die Mietsache, die der Vermieter ihm nicht nach § 536a Abs. 2 zu ersetzen hat, nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen.

(2) Der Mieter ist berechtigt, eine Einrichtung wegzunehmen, mit der er die Mietsache versehen hat.

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. In den Fällen des § 679 steht dieser Anspruch dem Geschäftsführer zu, auch wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht.

(1) Wer infolge der Vorschriften der §§ 946 bis 950 einen Rechtsverlust erleidet, kann von demjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eintritt, Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Die Wiederherstellung des früheren Zustands kann nicht verlangt werden.

(2) Die Vorschriften über die Verpflichtung zum Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen sowie die Vorschriften über den Ersatz von Verwendungen und über das Recht zur Wegnahme einer Einrichtung bleiben unberührt. In den Fällen der §§ 946, 947 ist die Wegnahme nach den für das Wegnahmerecht des Besitzers gegenüber dem Eigentümer geltenden Vorschriften auch dann zulässig, wenn die Verbindung nicht von dem Besitzer der Hauptsache bewirkt worden ist.