Bundesgerichtshof Urteil, 29. Okt. 2002 - VI ZR 283/01

published on 29/10/2002 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 29. Okt. 2002 - VI ZR 283/01
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 283/01 Verkündet am:
29. Oktober 2002
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Haftungsprivilegierung des Unternehmers nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII.
BGH, Urteil vom 29. Oktober 2002 - VI ZR 283/01 - OLG Köln
LG Bonn
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Oktober 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. Juni 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers hinsichtlich der Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 3) zurückgewiesen worden ist. In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Arbeitsunfall geltend. Er war als Geräteführer bei der Firma D. beschäftigt, die als Subunternehmerin für die Beklagte zu 3), eine GmbH & Co. KG, Baumaßnahmen im Bereich einer Kläranlage durchführte. Der Beklagte zu 1) war der zuständige Vorarbeiter der Beklagten zu 3), der Beklagte zu 2) deren Bauleiter. Am 9. Dezember 1998 wies der Beklagte zu 1) dem Kläger eine Stelle zu, an der er gemeinsam mit einem Kollegen Betonfundamente zersägen und aufstemmen sollte. Im Rahmen dieser Arbeiten ging der Kläger über mehrere Gitterroste , die eine Abwassergrube abdeckten. Einige der Gitterroste waren von Mitarbeitern der Beklagten zu 3) entfernt worden, um dem Kläger die Sägearbeiten zu ermöglichen. Dieser stürzte von einem losen Gitterrost in die Abwassergrube und zog sich mehrere komplizierte Brüche am Unterschenkel und am Sprunggelenk zu. Er ist nicht mehr in der Lage, seinen bisherigen Beruf auszuüben. Der Kläger behauptet, wegen des Entfernens einiger Gitterroste seien die verbliebenen Roste nicht mehr ausreichend befestigt gewesen. Zudem hätten sich diese wegen der durch Baggerarbeiten der Beklagten hervorgerufene Erschütterungen gelöst. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger nach Rücknahme des Rechtsmittels gegen die Beklagten zu 1) und 2) seine Ansprüche nunmehr allein gegen die Beklagte zu 3) weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Beklagten den Unfall schuldhaft verursacht haben. Jedenfalls könnten diese sich auf eine Haftungsfreistellung nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII berufen. Der Kläger und die Beklagten zu 1) und 2) seien als Angehörige verschiedener Unternehmen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte tätig gewesen, da der vorliegende Sachverhalt durch das bewußte betriebliche Zusammenwirken der Firma D. und der Beklagten zu 3) gekennzeichnet gewesen sei. Wie für die Beklagten zu 1) und 2) schließe § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII auch für die Beklagte zu 3) eine Haftung für die Unfallfolgen aus. Dies geböten Sinn und Zweck der §§ 104 ff. SGB VII. Das Haftungsprivileg der im Betrieb tätigen Personen werde lediglich von dem in § 104 SGB VII geregelten Haftungsprivileg des Unternehmers abgeleitet. Daher stelle die Annahme einer von dessen Haftungsprivileg völlig losgelösten Haftungsfreistellung der Betriebsangehörigen eine mit dem Gesamtkonzept nicht zu vereinbarende Systemwidrigkeit dar.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Zwar trifft die Auffassung des Berufungsgerichts zu, daß die Baustelle, auf der sich der Unfall zugetragen hat, für den Kläger und die Beklagten eine gemeinsame Betriebsstätte im Sinne von § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII gewesen ist (vgl. zum Verständnis dieses Begriffs Senatsurteile BGHZ 145, 331, 335 f. und vom 23. Januar 2001 - VI ZR 70/00 - VersR 2001, 372, 373). Das ange-
fochtene Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit es die danach gege- bene Haftungsprivilegierung für die Beklagten zu 1) und 2) auf die Beklagte zu 3) erstreckt. Wie der erkennende Senat nach Erlaß des Berufungsurteils entschieden hat, greift die Haftungsprivilegierung grundsätzlich für die beteiligten Unternehmer nicht ein (Senatsurteile BGHZ 148, 214, 216 und vom 25. Juni 2002 - VI ZR 279/01 - VersR 2002, 1107). Nur ausnahmsweise kommt die Haftungsfreistellung dem versicherten Unternehmer zugute, wenn er selbst auf einer gemeinsamen Betriebsstätte eine betriebliche Tätigkeit verrichtet und dabei den Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt. Dies folgt aus dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift, deren Rechtfertigung sich insbesondere in dem Gesichtspunkt der sog. Gefahrengemeinschaft findet (vgl. Senatsurteile BGHZ 148, 214, 220 f.; BGHZ 148, 209, 212 und vom 25. Juni 2002 - VI ZR 279/01 - VersR 2002, 1107). Dies hat der erkennende Senat in den genannten Urteilen eingehend dargelegt. Er hält auch unter Berücksichtigung kritischer Stimmen in der Literatur (Imbusch, VersR 2001, 1485 ff.; Tischendorf, VersR 2002, 1188 ff.; zustimmend hingegen: Otto NZV 2002, 10 ff.; Grüneberg, BGH Report 2001, 682 f.; vgl. auch Lemcke, r+s 2001, 371) an seiner Auffassung fest und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die früheren Urteile Bezug. Danach erfordert eine Haftungsprivilegierung des Unternehmers grundsätzlich dessen eigene Tätigkeit auf der gemeinsamen Betriebsstätte. Ob im Hinblick auf die Rechtsform der Beklagten zu 3) überhaupt die Voraussetzungen einer solchen Tätigkeit erfüllt sein können, ist zweifelhaft, weil die Beklagte als GmbH & Co. KG nicht selbst auf der Baustelle tätig sein konnte. Die Frage, ob insoweit auf ihre Organe oder die Organe ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin abzustellen wäre, bedarf indessen im Streitfall keiner abschließenden
Beurteilung. Der Sachverhalt läßt nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennen , daß ein solches Organ auf der Betriebsstätte tätig gewesen sein könnte.

III.

Unter diesen Umständen wird das Berufungsgericht nunmehr zu prüfen haben, ob die Beklagte zu 3) dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet ist. Das Urteil des Berufungsgerichts war daher aufzuheben und zur weiteren Verhandlung und erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zurückzuverweisen.
Müller Wellner Pauge
Stöhr Zoll
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(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften

(1) In den in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Unternehmen gelten die §§ 104 und 105 entsprechend für die Ersatzpflicht 1. der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Versicherten untereinander,2. der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Versiche
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(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften

(1) In den in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Unternehmen gelten die §§ 104 und 105 entsprechend für die Ersatzpflicht 1. der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Versicherten untereinander,2. der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Versiche
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(1) In den in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Unternehmen gelten die §§ 104 und 105 entsprechend für die Ersatzpflicht

1.
der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Versicherten untereinander,
2.
der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Versicherten gegenüber den Betriebsangehörigen desselben Unternehmens,
3.
der Betriebsangehörigen desselben Unternehmens gegenüber den in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Versicherten.

(2) Im Fall des § 2 Abs. 1 Nr. 17 gelten die §§ 104 und 105 entsprechend für die Ersatzpflicht

1.
der Pflegebedürftigen gegenüber den Pflegepersonen,
2.
der Pflegepersonen gegenüber den Pflegebedürftigen,
3.
der Pflegepersonen desselben Pflegebedürftigen untereinander.

(3) Wirken Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder Unternehmen des Zivilschutzes zusammen oder verrichten Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte, gelten die §§ 104 und 105 für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander.

(4) Die §§ 104 und 105 gelten ferner für die Ersatzpflicht von Betriebsangehörigen gegenüber den nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Versicherten.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.