Bundesgerichtshof Urteil, 16. Sept. 2008 - VI ZR 226/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten um die Erstattung restlicher Mietwagenkosten. Bei einem Verkehrsunfall am 22. Dezember 2005 wurde das Fahrzeug des Klägers beschädigt. Die volle Ersatzpflicht der Beklagten ist außer Streit. Wenige Stunden nach dem Unfall mietete der Kläger bei einem Autovermieter ein Fahrzeug derselben Wagenklasse an. Von den in Rechnung gestellten Mietwagenkosten in Höhe von 2.214,44 € ersetzte die Beklagte zu 2 lediglich 1.000,00 €. Mit der Klage macht der Kläger den Restbetrag geltend; daneben verlangt er eine höhere Kostenpauschale sowie den Ersatz von Kredit- und Rechtsanwaltskosten.
- 2
- Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 747,06 € nebst 54,00 € vorgerichtlicher Anwaltskosten stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klagantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch des Klägers auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten, weil der Mietvertrag zwischen dem Kläger und der Mietwagenfirma gemäß § 138 BGB nichtig sei. Der Kläger habe aus familiären Gründen noch am Unfalltag einen PKW benötigt. Er habe sich mithin in der Zwangslage befunden, sofort nach dem Unfall, noch unter den Eindrücken des Unfallgeschehens stehend, ein Ersatzfahrzeug anmieten zu müssen. So habe er die Aufgabe gehabt, sein Enkelkind, das aus gesundheitlichen Gründen das Busfahren nicht vertrage, mit dem Auto von der Schule abzuholen und seine schwerbehinderte Frau zu fahren. Des Weiteren habe er wegen des unmittelbar bevorstehenden Weihnachtsfestes noch einiges mit einem PKW zu besorgen gehabt. Darüber hinaus sei er auf dem Gebiet der Anmietung eines Unfallersatzfahrzeuges völlig unerfahren gewesen und habe weder die unterschiedlichen Tarife des Mietwagenmarktes noch die Problematik, dass unter Umständen kein Anspruch auf Erstattung des so genannten Unfallersatztarifes bestehe, gekannt.
- 4
- Der in Rechnung gestellte Tarif liege 166 % über dem Normaltarif. Vorteile für den Kläger als Mietwagenkunden, die diese Überhöhung des Tarifes rechtfertigten, seien nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgetragen worden. Der Autovermieter habe die Gefahr, dass der Unfallersatztarif nicht ersetzt werden würde, gekannt und gleichwohl den Abschluss eines Mietvertrages auf dieser Grundlage ohne Aufklärung des Klägers in verwerflicher Gesinnung angeboten. Da der Mietvertrag sittenwidrig sei, sei das Vermögen des Klägers nicht mit einer Verbindlichkeit belastet. Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch des Autovermieters sei durch die Zahlung der Beklagten zu 2 ausgeglichen , weil sich die Miete für den Nutzungszeitraum nach dem Normaltarif auf lediglich 975,07 € belaufe.
- 5
- Folge man der Auffassung nicht, dass der Mietvertrag nichtig sei, so habe der Kläger gleichwohl keinen weitergehenden Schadensersatzanspruch, weil er dann jedenfalls gegen seine Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB verstoßen hätte. Ihm stehe nämlich nach Ansicht des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ein Schadensersatzanspruch gemäß § 311 Abs. 2 Satz 1 BGB wegen Aufklärungsverschulden zu. Dem Kläger sei es zumutbar, mit diesem Anspruch gegen die Forderung des Autovermieters aufzurechnen.
II.
- 6
- Diese Ausführungen beanstandet die Revision mit Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zu Unrecht abgewiesen.
- 7
- 1. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch des Klägers, weil der mit dem Autovermieter abgeschlossene Mietvertrag nichtig sei. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, von der abzuweichen kein Anlass besteht, kommt es im Verhältnis zwischen Geschädigtem und Schädiger nicht darauf an, ob dem Geschädigten gegenüber dem Vermieter des Ersatzfahrzeugs Ansprüche im Zusammenhang mit der Tarifgestaltung zustehen. Im Allgemeinen ist es deshalb unerheblich, ob der Mietpreis für das Ersatzfahrzeug zwischen Mieter und Vermieter wirksam vereinbart worden ist. Der Schädiger und sein Haftpflichtversicherer können sich nicht im Hinblick auf möglicherweise bestehende vertragliche Ansprüche des Geschädigten gegen den Vermieter von der Schadensersatzverpflichtung befreien und auch nicht die Abtretung eventueller vertraglicher Ansprüche des Mieters gegen den Vermieter verlangen und die Leistung bis zur Abtretung oder bis zur Erfüllung des aus einem Abtretungsanspruch abgeleiteten Auskunftsverlangens zurückhalten. In ihrem Verhältnis zum Geschädigten spielen solche Ansprüche angesichts der Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB keine Rolle (Senatsurteile vom 15. Februar 2005 - VI ZR 160/04 - VersR 2005, 569, 570; vom 9. Oktober 2007 - VI ZR 27/07 - VersR 2007, 1577).
- 8
- Dem wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht, soweit sie zur Abweisung der Klage auf die Nichtigkeit des vom Kläger mit dem Autovermieter abgeschlossenen Mietvertrages verweist. Darauf, ob den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Nichtigkeit des Vertrages gefolgt werden kann, kommt es nicht an. Die Revision verweist insoweit allerdings zutreffend darauf, dass das Berufungsgericht für die Frage der Sittenwidrigkeit rechtsfehlerhaft den im Einzelfall vereinbarten Unfallersatztarif mit dem Normaltarif anstatt mit dem üblichen Unfallersatztarif verglichen habe (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Februar 2007 - XII ZR 125/04 - VersR 2007, 809; ferner Senatsurteil vom 9. Oktober 2007 - VI ZR 27/07 - aaO).
- 9
- 2. Das Berufungsgericht nimmt an, für den Fall, dass seinen Ausführungen zur Nichtigkeit des Mietvertrages nicht gefolgt werden könne, sei ein Anspruch des Klägers unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Schadens- minderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) zu verneinen, denn dieser habe gegen die zu hohe Mietforderung mit einem ihm gegen den Autovermieter zustehenden Schadensersatzanspruch aus § 311 Abs. 2 Satz 1 BGB wegen Verletzung der Aufklärungspflicht aufrechnen können. Auch dies widerspricht dem oben dargestellten Grundsatz, dass es im Verhältnis zwischen Geschädigtem und Schädiger nicht darauf ankommt, ob dem Geschädigten gegenüber dem Vermieter des Ersatzfahrzeugs Ansprüche im Zusammenhang mit der Tarifgestaltung zustehen. Der Geschädigte verstößt deshalb auch nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er seinen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Schädiger und seinen Haftpflichtversicherer geltend macht, ohne sich auf eine Auseinandersetzung mit dem Autovermieter über die Berechtigung der Mietforderung einzulassen. Unerheblich ist auch insoweit, ob die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Anspruch des Klägers gegen den Autovermieter in der Sache zutreffend sind.
- 10
- 3. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung bisher keine Feststellungen dazu getroffen, inwieweit die Voraussetzungen für die Erstattung von Mietwagenkosten im Streitfall vorliegen. Der erkennende Senat hat die insoweit zu beachtenden Grundsätze in einer Vielzahl veröffentlichter Entscheidungen ausführlich dargestellt (zuletzt Senatsurteile vom 9. Oktober 2007 - VI ZR 27/07 - aaO; 19. Februar 2008 - VI ZR 32/07 - VersR 2008, 554; 11. März 2008 - VI ZR 164/07 - VersR 2008, 699; vom 24. Juni 2008 - VI ZR 234/07 - Juris, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Eine erneute Darstellung im Rahmen der vorliegenden Entscheidung erübrigt sich, zumal das Berufungsgericht den vorgetragenen Sachverhalt nicht unter den zutreffenden schadensrechtlichen Aspekten gewürdigt hat. Es hat insoweit bei der Erörterung des § 138 BGB nur ausgeführt, zur Rechtfertigung des vorliegend vereinbarten Tarifs im Hinblick auf unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters , sei nichts ersichtlich und auch nichts vorgetragen worden; bei der er- neuten Verhandlung und Entscheidung wird insoweit das abweichende Revisionsvorbringen in Betracht zu ziehen sein. Dazu, ob ein günstigerer Normaltarif in der konkreten Situation ohne Weiteres zugänglich oder, wie die Revision geltend macht, nicht zugänglich gewesen wäre, fehlen ausreichende Feststellungen , wobei gegen eine Zugänglichkeit die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Dringlichkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs sprechen.
- 11
- Für eine abschließende Entscheidung durch den erkennenden Senat reichen die bisherigen Feststellungen des Tatrichters nicht aus. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen zur Höhe der ersatzfähigen Mietwagenkosten und gegebenenfalls der Finanzierungs- und Rechtsanwaltskosten treffen kann. Müller Diederichsen Pauge Stöhr Zoll
AG Plauen, Entscheidung vom 08.01.2007 - 7 C 1171/06 -
LG Zwickau, Entscheidung vom 24.08.2007 - 6 S 34/07 -
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Annotations
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
- 1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, - 2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder - 3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
- 1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, - 2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder - 3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.