Bundesgerichtshof Urteil, 18. Okt. 2017 - IV ZR 188/16

ECLI: ECLI:DE:BGH:2017:181017UIVZR188.16.0
published on 18/10/2017 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 18. Okt. 2017 - IV ZR 188/16
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Landgericht Stade, 3 O 121/11, 09/12/2014
Oberlandesgericht Celle, 8 U 6/15, 07/07/2016

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 188/16 Verkündet am:
18. Oktober 2017
Heinekamp
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AUB 2000 Nr. 10.3
Die Regelung in Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (hier: Nr. 10.3 AUB
2000), wonach der Vertrag durch den Versicherungsnehmer oder den Versicherer
durch Kündigung beendet werden kann, wenn der Versicherer eine Leistung erbracht
hat, ist dahin auszulegen, dass das Kündigungsrecht mit der ersten Leistung beginnt.
BGH, Urteil vom 18. Oktober 2017 - IV ZR 188/16 - OLG Celle
LG Stade
ECLI:DE:BGH:2017:181017UIVZR188.16.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Felsch, Dr. Karczewski, die Richterin Dr. Brockmöller und den Richter Dr. Götz auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2017

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 7. Juli 2016 unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger mehr als 11.417 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent- punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. September 2010 zu zahlen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte - soweit noch für das Revisionsverfahren von Belang - auf Leistungen aus einer Unfallversicherung wegen zweier Unfälle vom 8. Oktober 2009 und 2. März 2010 seiner mitversicherten und inzwischen verstorbenen Ehefrau in Anspruch. Dem Versicherungsvertrag zwischen den Parteien liegen die Allgemeinen Unfall- versicherungs-Bedingungen der Beklagten (im Folgenden: AUB 2000) zugrunde. In diesen heißt es unter anderem: "2.1 Invaliditätsleistung 2.1.1 Voraussetzungen für die Leistung 2.1.1.1 Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität). Die Invalidität ist - innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall eingetreten … … 2.1.2 Art und Höhe der Leistung … 2.1.2.2.1 Bei Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit der nachstehend genannten Körperteile und Sinnesorgane gelten ausschließlich die folgenden Invaliditätsgrade:
a) Arm 70% … Bein bis zur Mitte des Oberschenkels 60% … 2.1.2.2.2 Für andere Körperteile und Sinnesorgane bemisst sich der Invaliditätsgrad danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist. Dabei sind ausschließlich medizinische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. 2.1.2.2.3 Waren betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt , wird der Invaliditätsgrad um die Vorinvalidität gemindert. Diese ist nach Ziffer 2.1.2.2.1 und Ziffer 2.1.2.2.2 zu bemessen. … 9. Wann sind die Leistungen fällig? … 9.4 Sie und wir sind berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach dem Unfall, er- neut ärztlich bemessen zu lassen. … 10. Wann beginnt und wann endet der Vertrag? … 10.3 Kündigung nach Versicherungsfall Den Vertrag können Sie oder wir durch Kündigung beenden , wenn wir eine Leistung erbracht oder Sie gegen uns Klage auf Leistung erhoben haben. Die Kündigung muss Ihnen oder uns spätestens einen Monat nach Leistung oder - im Falle eines Rechtsstreits - nach Klagerücknahme, Anerkenntnis, Vergleich oder Rechtskraft des Urteils zugegangen sein. …"
2
Am 23. April 2008 erlitt die mitversicherte Ehefrau bei einem Sturz eine Schenkelhalsfraktur links, die mit einem künstlichen Hüftgelenk versorgt wurde. Aufgrund dieses Unfalles zahlte die Beklagte gemäß Schreiben vom 9. Juli 2008 Krankenhaustagegeld, vom 19. Mai 2009 einen Invaliditätsvorschuss sowie gemäß Abfindungserklärung vom 21. Juli 2009 einen Endbetrag. Mit Schreiben vom 13. August 2009 kündigte die Beklagte die Unfallversicherung gemäß Ziff. 10.3 AUB 2000 unter Bezugnahme auf den Unfall vom 23. April 2008.
3
Am 8. Oktober 2009 stürzte die Ehefrau auf die linke Schulter und erlitt eine Oberarmkopffraktur. In einem für die Beklagte erstatteten Gutachten vom 8. November 2010 stellte der Sachverständige Dr. P. als Folge dieses Unfalles eine drastische Einschränkung der Beweglichkeit des linken Schultergelenks fest und bemaß die Funktions- minderung mit 10/20 Armwert. Ferner stürzte die Ehefrau am 2. März 2010 und zog sich eine Tibiakopffraktur am linken Knie zu. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Krankenhaustagegeld sowie Invaliditätsentschädigung für die beiden Unfälle vom 8. Oktober 2009 und 2. März 2010 in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 72.317 € nebst anteiliger Zinsen teilweise stattgegeben. Auf die wechselseitigen Rechtsmittel der Parteien hat das Oberlandesgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Klägers die Beklagte verurteilt, an den Kläger insgesamt 89.717 € nebst anteiliger Zinsen zu zahlen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiter eine Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg. In diesem Umfang führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
5
I. Dieses ist - nach ergänzender Beweisaufnahme durch weitere Gutachten des schon in erster Instanz tätigen Sachverständigen Dr. M. - zu dem Ergebnis gelangt, dem Kläger stünden Ansprüche aus dem Unfall seiner Ehefrau vom 8. Oktober 2009 wegen der erlittenen Oberarmkopffraktur zu. Zum Zeitpunkt des Unfalles habe die Versicherung noch bestanden. Die von der Beklagten erklärte Kündigung vom 13. August 2009 sei nicht wirksam, da die Kündigungsfrist nicht gewahrt sei. Diese habe mit der Leistung des Krankenhaustagegeldes gemäß Schrei- ben vom 9. Juli 2009 begonnen. Das Kündigungsrecht entstehe nach Ziff. 10.3 AUB 2000, wenn der Versicherer eine von mehreren unfallbedingt geschuldeten Leistungen oder eine dem Grund und der Höhe nach festgestellte Teilleistung erbracht habe. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne der Klausel nicht entnehmen, dass dem Versicherer nach jeder weiteren Leistung ein neues, selbständiges Kündigungsrecht zustehen solle. Jedenfalls greife zugunsten des Versicherungsnehmers die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB ein.
6
Infolge des Unfalles stehe dem Kläger neben dem Krankenhaustagegeld von 11.417 € ein Anspruch auf Invaliditätsleistung in der vom Landgericht zuerkannten Höhe von 60.900 € zu. Durch den Unfall sei eine dauerhafte Funktionseinschränkung an dem Schultergelenk eingetreten. Diese führe zu einem Invaliditätsgrad von 35%. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Invaliditätsbemessung sei die Dreijahresfrist, da der Kläger noch vor Ablauf der Neubemessungsfrist klageweise Invaliditätsansprüche geltend gemacht habe. Ausgehend von dem Ablauf der 15-monatigen Invaliditätseintrittsfrist am 8. Januar 2011 sei von einem Invaliditätsgrad von 10/20 Armwert auszugehen. Die Beklagte sei dafür beweispflichtig , dass innerhalb der Dreijahresfrist bis zum 8. Oktober 2012 etwaige Veränderungen eingetreten seien. Diesen Beweis habe sie nicht geführt. Zwar habe der Sachverständige zum Zeitpunkt der Untersuchung am 20. November 2013 festgestellt, dass keine "frozen shoulder" mehr vorgelegen habe. Es lasse sich jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass diese Verbesserung bereits am 8. Oktober 2012 eingetreten sei. Ließe man hingegen für eine Reduzierung der Invaliditätsleistung im Rahmen der Neubemessung genügen, dass bei Ablauf der Dreijahresfrist noch mit einer zukünftigen Verbesserung zu rech- nen sei, müsse jedenfalls eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine solche Prognose verlangt werden. Daran fehle es hier.
7
Hinsichtlich des Unfalles vom 2. März 2010 habe der Kläger einen Anspruch auf Invaliditätsentschädigung in Höhe von 17.400 €. Die Ehefrau habe durch den Unfall eine Tibiakopffraktur des linken Knies erlitten. Unter Berücksichtigung der Vorinvalidität des Knies betrage der Invaliditätsgrad rechnerisch 11,25% (1/4 von 60% = 15%, abzüglich anteiliger Vorinvalidität von einem Viertel). Die Vorinvalidität des Hüftgelenks sei dem Bein nicht zuzuordnen, so dass insoweit kein weiterer Abzug in Betracht komme.
8
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend nicht stand.
9
1. Unfall vom 8. Oktober 2009
10
a) Entgegen der Auffassung der Revision bestand der Unfallversicherungsvertrag zwischen den Parteien zum Zeitpunkt des Unfalles vom 8. Oktober 2009 (Oberarmkopffraktur) allerdings noch. Die von der Beklagten erklärte Kündigung war nicht wirksam, da die Kündigungsfrist gemäß Ziff. 10.3 Satz 2 AUB 2000 nicht eingehalten wurde. Die einmonatige Kündigungsfrist begann mit der Zahlung des Krankenhaustagegeldes durch die Beklagte gemäß Schreiben vom 9. Juli 2008 und war zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung am 13. August 2009 abgelaufen.
11
aa) Die Frage, wie die Kündigungsfrist in Ziff. 10.3 AUB 2000, die den in der Unfallversicherung verwendeten Standardbedingungen entspricht (vgl. etwa Ziff. 10.3 AUB 2010, abgedruckt bei Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. S. 2778), zu berechnen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Nach überwiegender Auffassung entsteht das Kündigungsrecht für jede Vertragspartei, sobald eine Leistung aus dem Versicherungsvertrag erbracht wurde, mithin mit der ersten Leistung (vgl. LG München I VersR 1981, 249; HK-VVG/Rüffer, 3. Aufl. Ziff. 10 AUB 2010 Rn. 5; Grimm, Unfallversicherung 5. Aufl. Ziff. 10 AUB Rn. 20, 26; MünchKomm-VVG/Dörner , 2. Aufl. § 178 Rn. 10; FAKomm-VersR/Hugemann, Ziff. 10 AUB 2010 Rn. 6; Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. AUB 2008 Ziff. 10 Rn. 46; Mangen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 47 Rn. 123; vgl. auch Jannsen in Schubach/Jannsen, Private Unfallversicherung Ziff. 10 AUB Rn. 22). Nach der Gegenauffassung wird das Kündigungsrecht demgegenüber mit jeder Teilleistung neu begründet (so insbesondere Jacob, Unfallversicherung AUB 2014 2. Aufl. Ziff. 10 Rn. 6; vgl. zur Problematik ferner Knappmann in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. Ziff. 10 AUB 2010 Rn. 6).
12
bb) Die überwiegende Auffassung trifft zu. Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Klausel. Danach kann der Vertrag durch jede Vertragspartei beendet werden, wenn der Versicherer "eine Leistung erbracht" hat. Bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Senats darauf an, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen , soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13, VersR 2015, 617 Rn. 13 m.w.N.). Auf dieser Grundlage wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Klausel dahin verstehen, dass das Kündigungsrecht einsetzt, sobald eine Leistung seitens des Versicherers erbracht worden ist. Dem Klauselwortlaut lässt sich an keiner Stelle entnehmen, dass das Kündigungsrecht mit weiteren Leistungen jeweils neu entsteht. Anderenfalls hätte dies zur Folge, dass dem Versicherer je nach Anzahl der von ihm erbrachten Teilleistungen eine für den Versicherungsnehmer unabsehbare Zahl von Kündigungsrechten zustünde. Ebenso wenig ist der Klausel zu entnehmen, dass das Kündigungsrecht und damit der Fristlauf erst mit der Abschlussleistung des Versicherers einsetzt, durch die die Gesamtentschädigung geleistet wird. Dies wird dem Versicherungsnehmer im Wortlaut der Klausel, die unterschiedslos auf "eine Leistung" abstellt , nicht verdeutlicht.
13
Auch aus dem dem Versicherungsnehmer erkennbaren Sinn und Zweck der Klausel erschließt sich ihm nicht, dass dem Versicherer jeweils ein neues Kündigungsrecht für den gesamten Vertrag zusteht, sobald er eine Teilleistung erbracht hat. Das Sonderkündigungsrecht nach Eintritt des Versicherungsfalles und Leistung des Versicherers soll einerseits dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit geben, sich vom Vertrag lösen zu können, wenn er mit der Regulierungspraxis des Versicherers nicht zufrieden ist, sowie umgekehrt dem Versicherer, wenn er Anlass hat, an der Redlichkeit des Versicherungsnehmers zu zweifeln, oder für die Zukunft weitere Schadenfälle erwartet (vgl. MünchKomm-VVG/Dörner , 2. Aufl. § 178 Rn. 10; Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Ziff. 10 AUB 2008 Rn. 5). Angesichts dieses auch für den Versicherungsnehmer ersichtlichen Zwecks der Klausel erhellt sich ihm nicht, weshalb dem Versicherer immer neue Kündigungsrechte zustehen sollen, wenn er ein- zelne Teilleistungen erbracht hat. Vielmehr muss sich der Versicherer, sobald er eine Teilleistung aus einem einheitlichen Unfallversicherungsvertrag erbracht hat, selbst darüber Klarheit verschaffen, ob er am Vertrag festhalten will oder nicht.
14
Zwar sind in der Unfallversicherung - wie auch hier - häufig mehrere Leistungsarten vereinbart, insbesondere Krankenhaustagegeld und Invaliditätsleistung. In diesen Fällen kann es dazu kommen, dass die Leistungspflicht des Versicherers etwa für Krankenhaustagegeldleistungen bereits feststeht, bevor abschließende Ermittlungen zu Grund und Höhe der Invaliditätsleistung getroffen wurden. Dies bedeutet aber nicht, dass dem Versicherer zumindest ein isoliertes Kündigungsrecht für die verschiedenen Leistungsarten zusteht, sobald für diese jeweils eine Leistung erbracht wurde (in diese Richtung etwa Jannsen in Schubach/ Jannsen, Private Unfallversicherung Ziff. 10 AUB Rn. 18). Für eine derartige Differenzierung nach Teilkündigungen für einzelne Leistungsarten ergibt sich aus der hier vereinbarten Klausel nichts.
15
Scheidet eine Kündigung der Beklagten mithin bereits wegen Verfristung aus, so kann die weitere Frage, ob das in Ziff. 10.3 AUB 2000 vereinbarte Sonderkündigungsrecht einer materiellen Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB standhält, offen bleiben.
16
b) Aus der Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten folgt zugleich die Berechtigung der Forderung des Klägers bezüglich des Krankenhaustagegeldes in Höhe von 11.417 €. Insoweit bleibt die Revision ohne Erfolg.
17
Mit Erfolg wendet sie sich demgegenüber gegen die dem Kläger vom Berufungsgericht zugesprochene Invaliditätsleistung in Höhe von 60.900 €. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft unter Verstoß gegen § 180 VVG, der hier gemäß Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG Anwendung findet , sowie Ziff. 2.1.1.1 AUB 2000 von einer dauerhaften Funktionseinschränkung des Schultergelenks der Ehefrau mit einem Invaliditätsgrad von 10/20 Armwert (= 35%) ausgegangen.
18
aa) Unzutreffend nimmt das Berufungsgericht an, die Beklagte sei beweispflichtig für eine Verbesserung des Gesundheitszustandes der mitversicherten Ehefrau zum Stichtag des 8. Oktober 2012. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist im Recht der Unfallversicherung zwischen der Erstbemessung der Invalidität und ihrer Neubemessung zu unterscheiden (Senatsurteil vom 18. November 2015 - IV ZR 124/15, BGHZ 208, 9 Rn. 10 m.w.N.). Entscheidender Zeitpunkt für die - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hier maßgebliche - Erstbemessung der Invalidität ist der Zeitpunkt des Ablaufs der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbarten Invaliditätseintrittsfrist (aaO Rn. 12, 19). Dies ist hier bei der vereinbarten 15-monatigen Invaliditätseintrittsfrist der 8. Januar 2011. Auf die Dreijahresfrist kommt es demgegenüber ausnahmsweise an, wenn der Versicherungsnehmer noch vor Ablauf dieser Neubemessungsfrist klageweise Invaliditätsansprüche geltend macht. In einem solchen Fall gehen die Prozessbeteiligten typischerweise davon aus, dass der Streit insgesamt in dem vor Fristablauf eingeleiteten Prozess ausgetragen werden soll einschließlich etwaiger weiterer Invaliditätsfeststellungen (Senatsurteile vom 18. November 2015 aaO Rn. 14; vom 4. Mai 1994 - IV ZR 192/93, VersR 1994, 971 unter 3 c). So liegt der Fall hier, da die Klage innerhalb der für die Neubemessung geltenden Dreijahresfrist, die am 8. Oktober 2012 ablief, erhoben wurde. In einem solchen Fall ist von einem beidseitigen Einverständnis der Parteien zur Invaliditätsfeststellung zum Ablauf des dritten Jahres nach dem Unfalltag auszugehen (Senatsurteil vom 4. Mai 1994 aaO).
19
Hieraus folgt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht, dass in einem derartigen Fall eine gestufte Ermittlung des Invaliditätsgrades in der Weise zu erfolgen hätte, dass dieser zunächst auf der Grundlage der 15-monatigen Invaliditätseintrittsfrist sowie anschließend nach Maßgabe der Dreijahresfrist für die Neufestsetzung vorzunehmen wäre, und zwar mit einer Beweislast des Versicherungsnehmers für den Invaliditätsgrad zum Zeitpunkt des Ablaufs der 15-monatigen Invaliditätseintrittsfrist sowie einer Beweislast des Versicherers für Veränderungen zum Ende der Dreijahresfrist. Insoweit wird übersehen, dass es in derartigen Fällen nicht um die Neufestsetzung der Invalidität, sondern weiterhin um deren Erstfestsetzung geht, für die nur deshalb nicht auf die vertraglich vereinbarte Invaliditätseintrittsfrist von 15 Monaten abzustellen ist, weil der Versicherungsnehmer noch innerhalb der für die Neubemessung maßgeblichen Dreijahresfrist Klage erhoben hat. Dies ändert indessen nichts daran, dass es sich auch in solchen Fällen einheitlich um die Erstfestsetzung der Invalidität mit einer den Versicherungsnehmer treffenden Beweislast handelt. Dies verkennt das Berufungsgericht , wenn es ausführt, es könne für die Beweislast keinen Unterschied machen, ob der Versicherer eine ordnungsgemäße Erstbemessung vorgenommen habe und deshalb nur über die von ihm verlangte Neubemessung gestritten werde, oder er bereits die Erstbemessung verweigert habe.
20
bb) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht ferner angenommen , nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. M. sei nicht davon auszugehen, dass innerhalb der Dreijahresfrist eine Verbesserung des Gesundheitszustandes eingetreten sei, die eine Neubemessung der Invalidität rechtfertige. Hierbei verkennt das Berufungsgericht, dass nach § 180 Satz 1 VVG der Versicherer die für den Fall der Invalidität versprochenen Leistungen im vereinbarten Umfang schuldet, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist (ebenso Ziff. 2.1.1.1 AUB 2000). Eine Beeinträchtigung ist gemäß § 180 Satz 2 VVG, der weitgehend die bisherige Rechtslage kodifiziert (BT-Drucks. 16/3945 S. 108; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 180 Rn. 5; HK-VVG/Rüffer, 3. Aufl. § 180 Rn. 2; kritisch PK-VersR/Brömmelmeyer, 3. Aufl. § 180 VVG Rn. 4; FAKomm-VersR/Hugemann, § 180 VVG Rn. 4), dauerhaft, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung dieses Zustandes nicht erwartet werden kann. Hieraus folgt, dass bei der Beurteilung der Dauerhaftigkeit auf den drei Jahre nach dem Unfall vorliegenden und zu diesem Zeitpunkt erkennbaren, d.h. hinreichend prognostizierbaren , Dauerzustand abzustellen ist (Senatsurteile vom 20. April 2005 - IV ZR 237/03, VersR 2005, 927 unter II 1; vom 28. Februar 1990 - IV ZR 36/89, VersR 1990, 478 unter 3; vom 13. April 1988 - IVa ZR 303/86, VersR 1988, 798; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 180 Rn. 5; Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 180 Rn. 23). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es mithin nicht abschließend auf den Ist-Zustand nach Ablauf der Dreijahresfrist an, sondern darauf, ob auf der Grundlage des nach Ablauf der Dreijahresfrist bestehenden Zustandes ein hinreichend prognostizierbarer Dauerzustand zu erwarten ist oder nicht. Außer Betracht zu bleiben haben lediglich spätere Veränderungen, die bei Ablauf der Dreijahresfrist - seien sie positiv oder negativ - nicht vorauszusehen waren (vgl. Senatsurteil vom 20. April 2005 aaO unter II 1, 3).
21
Unzutreffend ist ferner die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, es müsse für einen Wegfall der Invaliditätsleistung jedenfalls eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Prognose bezüglich der zukünftigen Verbesserung des Gesundheitszustandes bestehen. Aus der Regelung in § 180 Satz 2 VVG ergibt sich vielmehr im Gegenteil, dass mit Ablauf der Dreijahresfrist mit Wahrscheinlichkeit von einem Dauerzustand auszugehen sein muss (vgl. Leverenz in Bruck/Möller aaO). Insoweit legt das Berufungsgericht erneut eine unzutreffende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zugrunde, weil es verkennt, dass es hier um die Erstfeststellung der Invalidität geht.
22
2. Unfall vom 2. März 2010
23
Soweit das Berufungsgericht wegen des Unfalles der Ehefrau des Klägers vom 2. März 2010 hinsichtlich der Tibiakopffraktur des linken Knies bezogen auf den in der Gliedertaxe vereinbarten Wert für das "Bein bis zur Mitte des Oberschenkels" von 60% keinen Abzug wegen der Vorinvalidität des Hüftgelenks vorgenommen hat, ist dies - jedenfalls ohne weitere Sachverhaltsaufklärung - rechtsfehlerhaft. Gemäß Ziff. 2.1.2.2.3 AUB 2000 wird der Invaliditätsgrad um die Vorinvalidität gemindert, wenn betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt waren. Die Beklagte hat eine derartige Vorinvalidität infolge einer durch das vorgeschädigte Hüftgelenk hervorgerufenen Funktionseinschränkung des Beines behauptet.
24
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich aus dem Senatsurteil vom 1. April 2015 nicht, dass eine solche Vorinvalidität hier nicht zu berücksichtigen wäre. In dieser Entscheidung hat der Senat klargestellt, dass der Invaliditätsgrad bei einer Gebrauchsminderung der Schulter nicht nach der Gliedertaxe, sondern den Regeln zur Invaliditätsbestimmung für andere Körperteile zu ermitteln ist, wenn das Schultergelenk in den Bestimmungen der Gliedertaxe über Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Armes keine Erwähnung findet (IV ZR 104/13, VersR 2015, 617 Rn. 12, 16 f.). Diese Ausführungen beziehen sich allein auf die Feststellung der Invalidität nach der Gliedertaxe im Sinne von Ziff. 2.1.2.2.1 bzw. für andere Körperteile und Sinnesorgane im Sinne von Ziff. 2.1.2.2.2 AUB 2000. Hier geht es demgegenüber um die Berücksichtigung der Vorinvalidität, die in Ziff. 2.1.2.2.3 AUB 2000 geregelt ist. In dem der Entscheidung des Senats vom 1. April 2015 zugrunde liegenden Sachverhalt betraf die Vorschädigung aus einem früheren Unfall nach der Behauptung des Versicherers den linken Arm infolge einer Teildurchtrennung der Trizepssehne im Bereich des Oberarmes. Der Senat hat hierzu ausgeführt, es bedürfe, wenn man nach richtiger Auslegung der Gliedertaxe die nach dem zweiten Unfall erlittene Dauerschädigung nicht dem Arm, sondern dem linken Schultergürtel zuordne, besonderer Darlegungen, dass die Vorschädigung am Oberarm dem von der Invalidität "betroffenen Körperteil" im Sinne der Klausel zuzuordnen sei (aaO Rn. 25).
25
Anders als das Berufungsgericht meint, muss die Vorinvalidität mithin nicht im betroffenen Körperteil selbst vorhanden sein, sondern kann sich auch durch Beeinträchtigungen der Funktionen des betroffenen Körperteils infolge der Invalidität eines anderen Körperteils ergeben. Das Berufungsgericht wird nach Zurückverweisung der Sache Gelegen- heit haben, auch die erforderlichen Feststellungen hinsichtlich einer möglichen Vorinvalidität infolge der Schädigung des Hüftgelenks zu treffen.
Mayen Felsch Dr. Karczewski
Dr. Brockmöller Dr. Götz

Vorinstanzen:
LG Stade, Entscheidung vom 09.12.2014 - 3 O 121/11 -
OLG Celle, Entscheidung vom 07.07.2016- 8 U 6/15 -
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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

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Annotations

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Der Versicherer schuldet die für den Fall der Invalidität versprochenen Leistungen im vereinbarten Umfang, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist. Eine Beeinträchtigung ist dauerhaft, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung dieses Zustandes nicht erwartet werden kann.