Bundesgerichtshof Urteil, 08. Okt. 2014 - IV ZR 100/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 1.568,83 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, ein liechtensteinischer Lebensversicherer, fordert von der Beklagten Zahlung aus einer Kostenausgleichsvereinbarung. Die Beklagte stellte am 6. Januar 2011 einen "Antrag auf Fondsgebundene Rentenversicherung/Antrag auf Kostenausgleichsvereinbarung". In dem Abschnitt C betreffend die Kostenausgleichsvereinbarung ist bestimmt, dass die Tilgung der Abschluss- und Einrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag und nicht in Form einer Verrechnung der Kosten mit den Versicherungsbeiträgen erfolgt. Ferner befindet sich dort der fettgedruckte Hinweis: "Wichtig: Die Auflösung des Versicherungsvertrages führt grundsätzlich nicht zur Beendigung dieser Kostenausgleichsvereinbarung."
- 2
- Die Abschluss- und Einrichtungskosten sind mit einem Barzahlungspreis von 2.520 € sowie einem Teilzahlungspreis von 3.119,52 € bei 48 Monatsraten in Höhe von jeweils 64,99 € sowie einem Jahreszins von 12% angegeben. Der monatliche Beitrag für die Rentenversicherung beträgt 100 € und wird in den ersten 48 Monaten um die monatliche Teilzahlung der Abschluss- und Einrichtungskosten vermindert, beträgt jedoch mindestens 10 €.
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- In Abschnitt E zur Beratungsdokumentation heißt es ferner unter anderem: "Ich habe verstanden, dass die Abschluss- und Einrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag getilgt werden. Diese Kosten sind auch im Falle einer Beitragsfreistellung oder Kündigung des Versicherungsvertrages zu ti lgen."
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- Unmittelbar über dem Unterschriftsfeld für die Kostenausgleichsvereinbarung findet sich die vorformulierte Erklärung: "Ich beantrage die unkündbare Kostenausgleichsvereinbarung gemäß dieses Antrages. ... Ich habe die Sicherungsabtretung meiner Leistungsansprüche an die P. zur Kenntnis genommen.
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- Die Beklagte zahlte die Raten auf die Kostenausgleichsvereinbarung von Februar 2011 bis April 2012 in Höhe von insgesamt 974,85 € (15 x 64,99 €). Anschließend stellte sie die Zahlungen ein. Mit Schreiben vom 30. Juli 2012 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin, dass sie "diesen Vertrag mit sofortiger Wirkung kündige". Mit anwaltlichen Schreiben vom 24. August 2012 und 12. September 2012 berief sich die Beklagte auf die Unwirksamkeit der Kostenausgleichsvereinbarung und erklärte hilfsweise deren Widerruf, Anfechtung und Kündigung.
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- Die Klägerin berechnet ihre Restforderung wie folgt: Abschluss- und Einrichtungskosten 2.520,00 € zuzüglich Zinsen 944,55 € abzüglich Rückkaufswert 320,87 € abzüglich Teilzahlungen 974,85 € gesamt 1.568,83 €
- 7
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.578,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. August 2012 zu zahlen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, die die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils begehrt.
Entscheidungsgründe:
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- Die Revision ist begründet.
- 9
- I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist eine gesonderte Kostenausgleichsvereinbarung zulässig und wirksam. Insbesondere verstoße sie nicht gegen § 169 Abs. 5 VVG und stelle keine unzulässige Umgehung dar. Ferner sei die Regelung klar und deutlich, so dass von einer mangelnden Transparenz nicht ausgegangen werden könne. Die Kostenausgleichsvereinbarung genüge weiter den Anforderungen der §§ 307 ff. BGB. Insbesondere erweise sie sich nicht als unangemessen benachteiligend. Die Beklagte habe die Kostenausgleichsvereinbarung auch weder wirksam widerrufen, angefochten noch gekündigt und sei von ihr auch nicht zurückgetreten. Schließlich stehe ihr kein Schadensersatzanspruch wegen Schlechtberatung zu.
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- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- 1. Wie der Senat bereits in seinen - vergleichbare Sachverhalte betreffenden - Urteilen vom 12. März 2014 entschieden und im Einzelnen begründet hat, verstößt die Kostenausgleichsvereinbarung nicht gegen § 169 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 2, § 171 Satz 1 VVG (IV ZR 295/13, VersR 2014, 567 Rn. 14-22; IV ZR 255/13, juris Rn. 12-20). Auch eine Unwirksamkeit wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht. Dem Versicherungsnehmer wird unmissverständlich vor Augen geführt, dass er die Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündigen kann und nur der Widerruf seiner Vertragserklärung zu deren Beendigung führt, nicht dagegen eine Kündigung des Versicherungsvertrages oder der Kostenausgleichsvereinbarung selbst (vgl. Senatsurteil vom 12. März 2014 - IV ZR 295/13 aaO Rn. 23-25).
- 12
- 2. Der Beklagten stand allerdings das Recht zu, die Kostenausgleichsvereinbarung zu kündigen, da die vertraglich festgelegte Unabhängigkeit der Kostenausgleichsvereinbarung von einer Auflösung oder Aufhebung des Versicherungsvertrages sowie der ausdrückliche Ausschluss des Kündigungsrechts in der vorgedruckten Formulierung im Antragsformular wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam sind (Senatsurteile vom 12. März 2014 - IV ZR 295/13 aaO Rn. 26-35; IV ZR 255/13, juris Rn. 21-30). Hieran hält der Senat auch in Anbetracht des weiteren Vorbringens der Klägerin fest. Wie im Fall desjenigen Versicherungsnehmers zu entscheiden wäre, der bei gleichzeitigem Festhalten am Versicherungsvertrag lediglich die Kostenausgleichsvereinbarung kündigt, muss hier nicht entschieden werden. Die Beklagte hat - wie sämtliche Versicherungsnehmer in den bisher dem Senat vorliegenden Fällen - ihre Kündigung nicht auf die Kostenausgleichsvereinbarung beschränkt, sondern zugleich den Versicherungsvertrag gekündigt und ihre Zahlungen eingestellt. Gerade für diesen Fall der Auflösung oder Aufhebung eines Versicherungsvertrages hat der Senat den Ausschluss des Kündigungsrechts für die Kostenausgleichsvereinbarung als unangemessen benachteiligend erachtet.
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- Hieraus folgt, dass die Beklagte die Kostenausgleichsvereinbarung jedenfalls mit dem anwaltlichen Schreiben vom 24. August 2012 wirksam gekündigt hat. Die Klägerin kann daher nur für den Zeitraum von Februar 2011 bis August 2012 Zahlung in Höhe von insgesamt 1.234,81 € (19 x 64,99 €) verlangen. Nach Abzug der geleisteten Raten von 974,85 € sowie des Rückkaufswerts von 320,87 € verbleibt kein der Klägerin zustehender Betrag mehr.
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- Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung führt die wirksame Kündigung der Kostenausgleichsvereinbarung durch den Versicherungsnehmer auch nicht dazu, dass hierdurch die gesamten Abschlussund Einrichtungskosten wegen einer zuvor gewährten Stundung in voller Höhe sofort fällig würden. Die wirksame Kündigung der Kostenausgleichsvereinbarung führt zu ihrem Erlöschen für die Zukunft mit der Folge , dass die Klägerin hieraus keine weiteren Ansprüche herleiten kann.
Vorinstanzen:
AG Königswinter, Entscheidung vom 01.10.2013- 15 C 130/12 -
LG Bonn, Entscheidung vom 25.02.2014 - 8 S 249/13 -
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(1) Wird eine Versicherung, die Versicherungsschutz für ein Risiko bietet, bei dem der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers gewiss ist, durch Kündigung des Versicherungsnehmers oder durch Rücktritt oder Anfechtung des Versicherers aufgehoben, hat der Versicherer den Rückkaufswert zu zahlen.
(2) Der Rückkaufswert ist nur insoweit zu zahlen, als dieser die Leistung bei einem Versicherungsfall zum Zeitpunkt der Kündigung nicht übersteigt. Der danach nicht gezahlte Teil des Rückkaufswertes ist für eine prämienfreie Versicherung zu verwenden. Im Fall des Rücktrittes oder der Anfechtung ist der volle Rückkaufswert zu zahlen.
(3) Der Rückkaufswert ist das nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung, bei einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses jedoch mindestens der Betrag des Deckungskapitals, das sich bei gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt; die aufsichtsrechtlichen Regelungen über Höchstzillmersätze bleiben unberührt. Der Rückkaufswert und das Ausmaß, in dem er garantiert ist, sind dem Versicherungsnehmer vor Abgabe von dessen Vertragserklärung mitzuteilen; das Nähere regelt die Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 2. Hat der Versicherer seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, kann er für die Berechnung des Rückkaufswertes an Stelle des Deckungskapitals den in diesem Staat vergleichbaren anderen Bezugswert zu Grunde legen.
(4) Bei fondsgebundenen Versicherungen und anderen Versicherungen, die Leistungen der in § 124 Absatz 2 Satz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes bezeichneten Art vorsehen, ist der Rückkaufswert nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik als Zeitwert der Versicherung zu berechnen, soweit nicht der Versicherer eine bestimmte Leistung garantiert; im Übrigen gilt Absatz 3. Die Grundsätze der Berechnung sind im Vertrag anzugeben.
(5) Der Versicherer ist zu einem Abzug von dem nach Absatz 3 oder 4 berechneten Betrag nur berechtigt, wenn er vereinbart, beziffert und angemessen ist. Die Vereinbarung eines Abzugs für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten ist unwirksam.
(6) Der Versicherer kann den nach Absatz 3 berechneten Betrag angemessen herabsetzen, soweit dies erforderlich ist, um eine Gefährdung der Belange der Versicherungsnehmer, insbesondere durch eine Gefährdung der dauernden Erfüllbarkeit der sich aus den Versicherungsverträgen ergebenden Verpflichtungen, auszuschließen. Die Herabsetzung ist jeweils auf ein Jahr befristet.
(7) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer zusätzlich zu dem nach den Absätzen 3 bis 6 berechneten Betrag die diesem bereits zugeteilten Überschussanteile, soweit sie nicht bereits in dem Betrag nach den Absätzen 3 bis 6 enthalten sind, sowie den nach den jeweiligen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Fall der Kündigung vorgesehenen Schlussüberschussanteil zu zahlen; § 153 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt.
Von § 152 Abs. 1 und 2 und den §§ 153 bis 155, 157, 158, 161 und 163 bis 170 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers, der versicherten Person oder des Eintrittsberechtigten abgewichen werden. Für das Verlangen des Versicherungsnehmers auf Umwandlung nach § 165 und für seine Kündigung nach § 168 kann die Schrift- oder die Textform vereinbart werden.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.