Bundesgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2018 - II ZR 238/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2018 durch den Vorsitzenden RichterProf. Dr. Drescher und die Richter Wöstmann, Sunder, Dr. Bernau sowie die Richterin Grüneberg
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist eine in Liquidation befindliche Publikumsgesellschaft in Form einer GmbH & Co. KG. Der Beklagte trat der Klägerin mit Beitrittserklärung vom 1. April 2007 als Treugeberkommanditist mit einem Zeichnungsbetrag von 12.000 € zuzüglich 6 % Agiobei. Der Gesamtbetrag war gemäß einer Zusatzvereinbarung in Form einer Kontoeröffnungszahlung sowie in monatlichen Raten ab Mai 2007 zu leisten.
- 2
- Mit Bescheid vom 6. Oktober 2011 ordnete die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 KWG die Abwicklung der Klägerin an, die sich seitdem in Liquidation befindet. Ab März 2012 leistete der Beklagte keine Ratenzahlungen mehr.
- 3
- Die Klägerin, vertreten durch den nach § 38 Abs. 2 KWG bestellten Abwickler , nimmt den Beklagten auf Zahlung noch offener Raten in Höhe von insgesamt 2.700 € nebst Zinsen in Anspruch. Hilfsweise begehrt sie die Feststellung , dass in die Abfindungsrechnung der Parteien als unselbständiger Abrechnungsposten zu ihren Gunsten eine Einlageforderung von 2.700 € nebst Zinsen einzustellen sei.
- 4
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten auf die Berufung der Klägerin unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und teilweiser Abweisung des Zinsanspruchs zur Zahlung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Verwerfung der Berufung der Klägerin als unzulässig (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Klägerin hat ihre Berufung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß begründet (§ 520 Abs. 2 ZPO).
- 6
- 1. Die Zulässigkeit der Berufung ist eine vom Revisionsgericht von Amts wegen unabhängig von den Anträgen der Parteien zu prüfende Prozessvoraussetzung. Bei dieser Prüfung hat das Revisionsgericht den maßgeblichen Sachverhalt selbst festzustellen und zu würdigen, ohne an Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2017 - III ZR 368/16, ZIP 2017, 1026 Rn. 14 mwN).
- 7
- 2. Die Berufung der Klägerin ist wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unzulässig (§ 520 Abs. 2 ZPO).
- 8
- Die innerhalb der bis zum 26. Oktober 2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist bei Gericht per Telefax eingegangene Berufungsbegründung der Klägerin war unvollständig. Es wurden nur die Seiten 1, 3 und 5 des sechsseitigen Begründungsschriftsatzes, diese allerdings doppelt, mittels Telefax übermittelt , nicht aber die Seiten 2, 4 und die letzte Seite 6 mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Das vollständige Original des Schriftsatzes ist erst nach Fristablauf am 27. Oktober 2015 bei Gericht eingegangen.
- 9
- Damit fehlte insbesondere die gemäß § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO erforderliche Unterschrift der Berufungsbegründung durch einen vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Hierbei handelt es sich um ein zwingendes Wirksamkeitserfordernis (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 1962 - II ZR 173/60, BGHZ 37, 156, 160; Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 192/02, NJW 2003, 2028; Beschluss vom 15. Juni 2004 - VI ZB 9/04, NJW-RR 2004,
1364).
- 10
- Das Fehlen einer Unterschrift kann zwar ausnahmsweise unschädlich sein, wenn aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte in der Berufungsinstanz die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2004 - VI ZB 9/04, NJW-RR 2004, 1364). Dafür lagen hier aber im Zeitpunkt des Fristablaufs keine Anhaltspunkte vor.
- 11
- 3. Dieser Mangel ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht durch rügelose Einlassung des Beklagten in der Berufungsinstanz gemäß § 295 Abs. 1 ZPO geheilt worden.
- 12
- Unabhängig davon, ob der Beklagte Kenntnis von der Fristversäumung hatte und insoweit überhaupt ein rügeloses Verhandeln angenommen werden könnte, sind die Vorschriften über die Zulässigkeit von Rechtsmittelschriften, namentlich die Wahrung von Rechtsmittelfristen, grundsätzlich einer Heilung entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1988 - II ZR 129/88, NJWRR 1989, 441; BAG, Urteil vom 25. Februar 2015 - 5 AZR 849/13, NJW 2015, 3533 Rn. 28). Rechtsmittel sind nicht nur zum Schutz des Gegners, sondern vor allem auch im öffentlichen Interesse fristgebunden. Aus diesem Grund kann es auch nicht der Gegenpartei überlassen werden, ob Mängel, mögen sie die Form der Rechtsmittelschrift, ihren vorgeschriebenen Inhalt oder sonstige Voraussetzungen der Fristwahrung betreffen, zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1975 - VIII ZR 254/74, BGHZ 65, 46, 48; Urteil vom 3. Juni 1987 - VIII ZR 154/86, BGHZ 101, 134, 140 f.; Beschluss vom 8. Mai 2007 - VI ZB 74/06, NJW 2007, 2045, 2046). Das gilt insbesondere für die Unterschrift als zwingendes Wirksamkeitserfordernis einer formgültigen Berufungsbegründung. Sie soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozess- handlungen ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen , den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 192/02, BB 2003, 1199).
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 22.07.2015 - 242 C 3419/15 -
LG München I, Entscheidung vom 23.08.2016 - 13 S 14335/15 -
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(1) Hebt die Aufsichtsbehörde die Erlaubnis auf oder erlischt die Erlaubnis, so kann die Bundesanstalt bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften bestimmen, dass das Institut abzuwickeln ist. Ihre Entscheidung wirkt wie ein Auflösungsbeschluß. Sie ist dem Registergericht mitzuteilen und von diesem in das Handels- oder Genossenschaftsregister einzutragen.
(2) Die Bundesanstalt kann für die Abwicklung eines Instituts oder seiner Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen Weisungen erlassen. Das Gericht hat auf Antrag der Bundesanstalt Abwickler zu bestellen, wenn die sonst zur Abwicklung der Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen berufenen Personen keine Gewähr für die ordnungsmäßige Abwicklung bieten. Besteht eine Zuständigkeit des Gerichts nicht, bestellt die Bundesanstalt den Abwickler.
(2a) Der Abwickler erhält von der Bundesanstalt eine angemessene Vergütung und den Ersatz seiner Aufwendungen. Die gezahlten Beträge sind der Bundesanstalt von der betroffenen juristischen Person oder Personenhandelsgesellschaft gesondert zu erstatten und auf Verlangen der Bundesanstalt vorzuschießen. Die Bundesanstalt kann die betroffene juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft anweisen, den von der Bundesanstalt festgesetzten Betrag im Namen der Bundesanstalt unmittelbar an den Abwickler zu leisten, wenn dadurch keine Beeinflussung der Unabhängigkeit des Abwicklers zu besorgen ist.
(3) Die Bundesanstalt hat die Aufhebung oder das Erlöschen der Erlaubnis im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Sie hat die zuständigen Stellen der anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums zu unterrichten, in denen das Institut Zweigniederlassungen errichtet hat oder im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs tätig gewesen ist.
(4) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen; - 1a.
die für eine Übermittlung elektronischer Dokumente erforderlichen Angaben, sofern eine solche möglich ist; - 2.
die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt; - 3.
die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse; - 4.
die Erklärung über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners; - 5.
die Bezeichnung der Beweismittel, deren sich die Partei zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel; - 6.
die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie.
(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste.
(2) Die vorstehende Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten kann.