Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2018 - 5 StR 202/18

published on 10/10/2018 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2018 - 5 StR 202/18
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 202/18
vom
10. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:101018U5STR202.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Oktober 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Prof. Dr. König, Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin K.
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin Mo.
als Nebenklägervertreterin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,


für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 22. Dezember 2017 aufgehoben , soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen –

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen Verstoßes gegen Weisungen der Führungsaufsicht in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Wegen der Vergewaltigung hat es eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren, wegen der Weisungsverstöße solche von jeweils einem Jahr und vier Monaten für tat- und schuldangemessen erach- tet. Die vom Generalbundesanwalt vertretene, auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkte und auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, während die ebenfalls mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erfolglos bleibt.

I.


2
1. Das Landgericht hat festgestellt:
3
a) Bei dem im Zeitpunkt der Hauptverhandlung 67-jährigen Angeklagten besteht eine homosexuelle Pädophilie. Bereits in den Jahren 2000 und 2007 war er unter anderem jeweils wegen mehrerer Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt worden. Zuletzt verurteilte ihn das Landgericht Cottbus am 21. August 2014 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit einem Verstoß gegen Weisungen der Führungsaufsicht, sowie wegen Verstoßes gegen Weisungen der Führungsaufsicht in 19 weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten. Die Strafvollstreckung ist seit dem 20. September 2016 erledigt. Bei den Geschädigten der Missbrauchstaten handelte es sich durchweg um 11- bis 13-jährige Jungen, an denen der Angeklagte vielfach auch den Oralverkehr ausübte.
4
Nach seiner Haftentlassung nahm der Angeklagte, der im Rahmen der Führungsaufsicht eine elektronische Fußfessel zu tragen hatte, Kontakt zu der Zeugin J. H. und deren zum damaligen Zeitpunkt 16-jährigen Enkel K. H. auf. K. ist mittelgradig geistig behindert und hat erhebliche Sprachprobleme. Seine Großmutter ist für ihn sorgeberechtigt. Der Angeklagte baute ein Vertrauensverhältnis zu dem Jugendlichen und dessen Großmutter auf. Er besuchte ihn regelmäßig, machte ihm Geschenke, unternahm mit ihm Ausflüge, unter anderem ins Schwimmbad, und ließ sich von ihm „Opa“ nen- nen. Der Junge hielt sich häufig in der Wohnung des Angeklagten auf, um dort fernzusehen und am Computer zu spielen. Ziel des Angeklagten war es dabei, sexuelle Handlungen an K. H. – auch gegen dessen Willen – vorzu- nehmen.
5
In seiner Wohnung forderte der Angeklagte am 22. Dezember 2016 den Jungen auf, sich zu entkleiden. Nachdem K. dieser Aufforderung nachgekommen war, cremte ihn der Angeklagte am Anus ein. Danach führte er verschiedene sexuelle Handlungen an ihm durch, insbesondere rieb er an dessen Glied und nahm dieses auch in den Mund. Schließlich legte er sich auf den bäuchlings auf dem Bett liegenden Jugendlichen und führte seinen erigierten Penis in dessen After ein. Dies bereitete dem Jungen Schmerzen. Er äußerte deutlich, dass er diesen Analverkehr nicht wolle, indem er mehrfach sagte: „Opa aufhören“, „Tut weh.“ Dennoch führte der Angeklagteden ungeschützten Analverkehr weiter bis zum Samenerguss durch.
6
Entgegen einer strafbewehrten Führungsaufsichtsweisung, durch die ihm – unter Belehrung über die Folgen von Weisungsverstößen – untersagt worden war, „sich an Orten aufzuhalten, die vorrangigund üblicherweise von Kindern aufgesucht werden, wie Schulen, Kindergärten, Hallen- und Freibäder …“ hielt sich der Angeklagte an vier Tagen zwischen dem 31. Oktober und dem 4. Dezember 2016 in verschiedenen Schwimmbädern auf. Bei einem der Besuche wurde er von K. H. begleitet. Der Angeklagte begab sich gemeinsam mit dem Jugendlichen in eine Solariumskabine und führte den Analverkehr an ihm durch, obwohl der Junge ihn mehrfach bat, damit aufzuhören, und ihm sagte, dass er Schmerzen habe.
7
2. Die Tat vom 22. Dezember 2016 hat die Strafkammer als Vergewaltigung nach § 177 Abs. 6 StGB gewertet. Die von ihr ebenfalls als gegeben erachtete vorsätzliche Körperverletzung hat die Strafkammer – wohl versehent- lich – in den Schuldspruch nicht aufgenommen. Ob sich der in der Solariumskabine vom Angeklagten gegen den Willen des Geschädigten durchgeführte Analverkehr vor oder nach dem Inkrafttreten der den Übergriff erfassenden Änderung des § 177 StGB ereignete, konnte die Kammer nicht feststellen.
8
Die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung „nach § 66 StGB“ hat sie für nicht gegeben erachtet. Dem Gutachten des foren- sisch-psychiatrischen Sachverständigen folgend bejaht sie zwar einen Hang des Angeklagten zu Straftaten, die die Opfer „sexuell schädigen“. Erforderlich sei jedoch die Feststellung „einer erheblichen Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualdelikte“. Unter Zugrundelegung strenger Maßstäbe für die Erheblichkeit weiterer zu erwartender Straftaten und den Wahrscheinlichkeitsgrad ihrer Be- gehung sei die Anordnung von Sicherungsverwahrung „nicht angezeigt“. Entscheidend sei nicht die „formelle Einstufung“ der Taten, sondern ihre materielle und einzelfallbezogene Bewertung. Daher sei zu beachten, dass der Angeklagte zur Durchsetzung seiner sexuellen Wünsche in der Vergangenheit nie Gewalt eingesetzt habe. Dies sei auch in Zukunft nicht zu erwarten. Hinzu komme, dass die bei dem Angeklagten festgestellte homosexuelle Pädophilie in den Bereich der Ephebophilie übergehe und bei Sexualstraftaten gegen Jugendliche geringere seelische Schäden zu erwarten seien als bei gleichartigen Straftaten gegen Kinder. Der Angeklagte habe nie sexuelle Handlungen an Kindern unter elf Jahren begangen. Für den Geschädigten K. H. seien keine schwerwiegenden Folgen festzustellen. Auch das Landgericht Cottbus habe in seinem Urteil vom 21. August 2014 solche nicht festgestellt; dort hätten die geschädigten Jungen an den sexuellen Handlungen gegen Entgelt freiwillig mitgewirkt.

II.


9
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils, soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist.
10
1. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den unterlassenen Maßregelausspruch ist wirksam. Weder aus den Erwägungen zur Strafzumessung noch aus denjenigen zur unterbliebenen Anordnung der Sicherungsverwahrung ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht zwischen beiden Rechtsfolgenentscheidungen einen Zusammenhang hergestellt hat, der eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2015 – 1 StR 594/14 mwN).
11
2. Die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand, da die Prüfung der materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB durchgreifende Rechtsfehler aufweist.
12
a) Gestützt auf das Sachverständigengutachten hat die Strafkammer – insoweit rechtsfehlerfei – einen Hang des Angeklagten zur Begehung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen bejaht und ist davon ausgegangen, dass eine negative Legalprognose bestehe. Bei der Verneinung der Erheblichkeit der zu erwartenden Straftaten ist sie jedoch von einem falschen rechtlichen Ansatz ausgegangen, indem sie ihren Blick auf die durch die Anlasstaten verursachten Folgen verengt hat.
13
aa) Die in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB als materielle Anordnungsvoraussetzung genannte Gefährlichkeit eines Angeklagten für die Allgemeinheit liegt vor, wenn infolge eines bei ihm bestehenden Hanges ernsthaft zu besorgen ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 198), dass er auch in Zukunft Straftaten begehen wird, die eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2002 – 4 StR 416/02, NStZ-RR 2003, 108). Als wesentlichen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Erheblichkeit zu erwartender Straftaten nennt das Gesetz eine schwere seelische oder körperliche Schädigung der Opfer. Bezugspunkt sind demnach die wahrscheinlichen Folgen der zu erwartenden Straftaten.
14
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist mit Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern im Hinblick auf die für die Tatopfer oftmals gewichtigen psychischen Auswirkungen unabhängig von körperlicher Gewaltanwendung typischerweise die Gefahr schwerwiegender psychischer Schäden verbunden (vgl. betreffend den hiesigen Angeklagten das Urteil des Senats vom 11. März 2014 – 5 StR 563/13, NJW 2014, 1316; ferner Urteile vom 23. April 2013 – 5 StR 617/12; vom 24. März 2010 – 2 StR 10/10, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit 7; MüKo-StGB/Ullenbruch/Drenkhahn/ Morgenstern, 3. Aufl., § 66 Rn. 103). Diese wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass solche bei bisherigen Taten nicht eingetreten sind (vgl. BGH, Urteile vom 7. Februar 2017 – 5 StR 471/16; vom 29. November 2017 – 5 StR 446/17). Vergewaltigungen zählen grundsätzlich zu den erheblichen Taten (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2012 – 5 StR 431/12, BGHSt 58, 62, 68; Urteil vom 23. April 2013 – 5 StR 610/12, NStZ 2013, 522, 523 jeweils mwN).
15
bb) Auch wenn sich die Anlasstat – als „Anpassungsversuch an die aktu- ellen Gegebenheiten und die Verfügbarkeit im Umfeld“ (UA S. 57) – gegenei- nen 16-jährigen Jugendlichen richtete, sind nach den im Urteil wiedergegebenen und von der Strafkammer für überzeugend erachteten Äußerungen des Sachverständigen vom Angeklagten mit hoher Wahrscheinlichkeit auch weiterhin Sexualstraftaten gegen Kinder zu erwarten. Danach widerspricht die aktuelle Tat zu Lasten eines in seiner Entwicklung zurückgebliebenen Jugendlichen nicht der Annahme einer stabilen pädophilen Präferenz des Angeklagten, son- dern ordnet sich „bruchfrei“ in dessen Vordelinquenz ein. Die Tatopfer in den Fällen der Vorverurteilungen waren indes durchweg Kinder. Die aktuelle Tat rechtfertigt daher nicht die Annahme einer für § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB aussagekräftigen Verlagerung der sexuellen Präferenzen des Angeklagten von Kindern zu Jugendlichen.
16
cc) Tatsachen, die dafür sprechen könnten, dass sich die Gefahr schwerer Schädigungen bei künftigen Taten des Angeklagten nicht realisieren werde, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die Annahme des Landgerichts, dass solche Schäden bei älteren Kindern unwahrscheinlicher sind als bei jüngeren , ist nicht durch einen gesicherten Erfahrungssatz gedeckt. Auch der Umstand , dass die durch die Vortaten geschädigten Jungen an den sexuellen Handlungen – teilweise gegen Entgelt – freiwillig mitgewirkt haben, steht der Gefahr schwerwiegender psychischer Schäden nicht entgegen, zumal diese sich auch in einem Abgleiten der Geschädigten in die Prostitution äußern können (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2014 – 5 StR 563/13, NJW 2014, 1316). Abgesehen davon birgt die Durchführung des – regelmäßig – ungeschützten Oral- oder Analverkehrs durch den Angeklagten für die geschädigten Kinder und Jugendlichen nicht unerhebliche gesundheitliche Gefahren.
17
b) Über die Maßregel muss demnach neu entschieden werden. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier ausschließlich vorliegenden Wertungsfehler nicht. Das neue Tatgericht darf weitergehende, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen treffen.
18
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB im Urteil die für Vortaten verhängten Einzelstrafen im Einzelnen dargestellt werden müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2009 – 5 StR 340/09; MüKoStGB /Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern, aaO, § 66 Rn. 65 f.).

III.


19
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
20
Insbesondere ist der Schuldspruch wegen Verstoßes gegen Weisungen der Führungsaufsicht in vier Fällen im Ergebnis rechtsfehlerfrei. Zwar prüft das Landgericht nicht ausdrücklich die Gefährdung des Zwecks der Maßregel. Diese ergibt sich aber bereits daraus, dass der Angeklagte in der Vergangenheit wiederholt Schwimmbadbesuche oder Badeausflüge als Möglichkeiten nutzte, um Sexualstraftaten gegen Kinder zu begehen oder zumindest Kontakte zu Missbrauchsopfern zu knüpfen oder zu intensivieren. Auch nach den hier getroffenen Urteilsfeststellungen beging der Angeklagte im Rahmen eines der weisungswidrigen Schwimmbadbesuche einen – zur Tatzeit möglicherweise aber als solchen noch nicht strafbaren – sexuellen Übergriff auf den Geschädigten.
Mutzbauer Sander Schneider
König Mosbacher
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(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei
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(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

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Annotations

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.