Bundesgerichtshof Urteil, 15. Aug. 2018 - 5 StR 160/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. August 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher, Köhler als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt S. , Rechtsanwalt A. als Verteidiger,
Rechtsanwalt B. als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit
- 1
- unerlaubtem Besitz und mit Führen einer Schusswaffe zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Rüge der Verletzung von § 261 StPO Erfolg.
- 2
- in seiner Beweiswürdigung davon ausgegangen ist, der Angeklagte habe in der Hauptverhandlung keine Angaben gemacht (UA S. 17, 19), obwohl er sich am fünften Hauptverhandlungstag vom 8. September 2017 und am sechsten Hauptverhandlungstag vom 19. September 2017 während der Vernehmungen der Zeuginnen M. und E. jeweils „spontan zur Sache äußerte“. Eine diesbezügliche Einlassung zur Sache ist durch die entsprechenden Formulierungen im Hauptverhandlungsprotokoll, das keine Berichtigung erfahren hat, im Sinne des § 274 StPO bewiesen.
- 3
- genügt dem Erfordernis des vollständigen Tatsachenvortrags im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
- 5
- 3. Die Rüge ist auch begründet. Zu der Tatsache, dass sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 8. September 2017 und vom 19. September 2017 zur Sache eingelassen hat, stehen die Urteilsgründe in Widerspruch. Die Nichtberücksichtigung der nach dem Protokoll bewiesenen Einlassung des Angeklagten verstößt gegen § 261 StPO (vgl. LR/Sander, StPO 26. Aufl., § 261 Rn. 176).
- 6
- Der Senat kann trotz der im Übrigen sorgfältigen und umfassenden Beweiswürdigung nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Verstoß gegen § 261 StPO beruht. Wegen des Verbots, den Inhalt der Hauptverhandlung zu rekonstruieren, ist der Inhalt der Einlassung des Angeklagten über deren Wiedergabe im Urteil hinaus der revisionsgerichtlichen Prüfung nicht zugänglich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. August 2007 – 2 StR 204/07, StV 2008, 235, 236; vom 27. März 2008 – 3 StR 6/08, BGHSt 52, 175, 180; vom 9. Dezember 2008 – 3 StR 516/08, aaO; vom 22. Juni 2017 – 1 StR 242/17, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 52; vom 27. September 2017 – 4 StR 142/17, aaO). Dem Senat ist es mithin verwehrt, Überlegungen darüber anzustellen, inwieweit es sich bei den Spontaneinlassungen lediglich um eine bloße Unmutsäußerung des Angeklagten, wie sie die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft für die Hauptverhandlung vom 19. September 2017 mitteilt, oder um Zwischenrufe gehandelt haben könnte, mit denen Aussagen von Zeuginnen gewertet wurden, die – nach den Urteilsgründen naheliegend – keine Angaben zum konkreten Tatvorwurf gemacht haben.
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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.