Bundesgerichtshof Urteil, 05. März 2014 - 2 StR 503/13
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung, gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Außerdem hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen des Landgerichts lernten sich der Angeklagte und die später geschädigte Zeugin E. im Mai 2010, beide alkoholkrank, während eines Klinikaufenthalts zum Zwecke einer stationären Entgiftung kennen. Es entwickelte sich alsbald eine Beziehung, bei der es immer wieder zu verbalen und auch körperlichen Auseinandersetzungen kam und die schließlich - nachdem es bereits zu einer kurzzeitigen Trennung gekommen war - nach den hier abgeurteilten Vorfällen im Dezember 2012 endete.
- 3
- 1. Im August 2012 warf der Angeklagte nach einer zunächst verbal geführten Auseinandersetzung den erhitzten Deckel einer Bratpfanne nach der Zeugin E. und traf sie am Kopf im Bereich der linken Augenbraue. Die Zeugin erlitt eine offene blutende Wunde; noch heute ist eine ca. 1 cm lange Narbe zu sehen.
- 4
- 2. Am 4. Dezember 2012 kam es in der Wohnung der Zeugin E. nach erheblichem beiderseitigen Konsum von Alkohol zu verbalen Auseinandersetzungen , in deren Verlauf der Angeklagte die Zeugin unter anderem als Mörderin beschimpfte, da sie am Tod ihrer Tochter, die Suizid begangen hatte, schuld sei. Sie reagierte nicht auf diese Provokation. Da sprang der Angeklagte plötzlich auf die auf einer Couch sitzende Zeugin und stieß seine Knie schmerzhaft gegen ihren Körper. Ihr gelang es noch, ihre Brille abzusetzen, bevor er ihr mehrfach mit der Faust ins Gesicht und auf ihren Körper schlug. Er würgte sie mit beiden Händen am Hals, bis sie benommen war, und schrie dabei, er wolle sie umbringen. Die Zeugin sah „Sternchen“, ihr wurde schwarz vor den Augen und sie vernahm ein „Fiepen“ in den Ohren. Sie stellte sich zunächst tot, um den Angeklagten dazu zu veranlassen, von ihr abzulassen. Als sie wieder zu sich kam, beobachtete sie den Angeklagten mit nur einem geöffneten Auge und stellte fest, dass sie eingenässt und in den Slip gekotet hatte. Der Angeklagte warf eine Bierflasche nach ihr und traf sie damit an der Oberlippe. Er begoss die Zeugin mit heißem parfümierten Wasser aus einer auf dem Wohnzimmertisch stehenden Duftlampe und versengte ihr dabei mit der darin befindlichen Kerze eine Haarsträhne. Die Zeugin verlor in Folge der geschilderten Misshandlungen einen Backenzahn; überdies kam es zu Hämatomen, einer blutenden Wunde an Mund und Nase und einer Schwerhörigkeit des linken Ohres, die nach ihren Angaben noch heute gegeben sei. Sie litt nach der Tat unter Kopfschmerzen , Übelkeit und Schluckbeschwerden.
- 5
- 3. Nachdem sich die Zeugin E. gesäubert und umgezogen hatte, legte sie sich ins Bett, um zu schlafen. Der Angeklagte folgte ihr, zog die Decke weg und fasste mit einer Hand zwischen ihre Schenkel. Er zog sie zu sich herum, während sie vergeblich versuchte, ihn wegzudrücken. Sie schrie ihn an, dass sie das nicht wolle, worauf der Angeklagte unter Zuhilfenahme der anderen Hand ihre Oberschenkel gewaltsam auseinander drückte. Er zerriss den Slip der Zeugin, zwickte oder biss sie in ihre linke Brust und drang mit mehreren Fingern gleichzeitig in ihre Scheide ein. Ihre Versuche, ihn von sich zu schieben , scheiterten. Nun zwickte oder biss er in ihr Geschlechtsteil und führte nacheinander verschiedene Vibratoren in ihre Scheide ein. Sie schrie ihn an, es tue ihr weh und sie müsse sich übergeben, und forderte ihn auf einzuhalten, was er dann auch tat. Die Zeugin erbrach sich und informierte vom Bad aus fernmündlich die Polizei, während der Angeklagte zunächst noch etwas trank und sich sodann schlafen legte. Ein von der Polizei durchgeführter Atemalkoholtest ergab bei der Geschädigten einen Wert von 2,37 Promille, bei dem Angeklagten einen solchen von 1,13 Promille. Die Geschädigte klagte über Schmerzen im Gesicht und wies Schwellungen und Verfärbungen der Haut im Bereich des linken Jochbeins sowie an beiden Seiten des Unterkiefers auf.
- 6
- 4. Am Nachmittag des 13. Dezember 2012 ließ die Zeugin E. den Angeklagten in ihre Wohnung. Es kam nach gemeinsamem Konsum von Alkohol zu lautstarken Diskussionen, in der er ihr nicht mehr feststellbare Vorhaltungen machte. Gegen 19.00 Uhr sprang er plötzlich ohne jede Vorwarnung auf die vor ihm sitzende Zeugin, würgte und beleidigte sie und schlug ihr mehrfach ins Gesicht , wodurch sie eine Schwellung an der Oberlippe erlitt. Ein von der benachrichtigten Polizei durchgeführter Atemalkoholtest ergab bei der Zeugin einen Wert von 3,22 Promille.
- 7
- 5. Nach den Feststellungen der Strafkammer war es nicht auszuschließen , dass der Angeklagte bei Begehung der vorgenannten Taten aufgrund seiner Alkoholerkrankung jeweils in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war. Dies führte nach jeweiliger Strafrahmenmilderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu Einzelstrafen von einem Jahr und drei Monaten für die Taten II.1 und II.4, von zwei Jahren und sechs Monaten für die Tat II.2 sowie von drei Jahren und sechs Monaten für die Tat II.3, die die Kammer zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren zusammenführte.
II.
- 8
- Die Revision des Angeklagten hat lediglich hinsichtlich des Adhäsionsausspruchs teilweise Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
- 9
- 1. Die (zulässig erhobene) Verfahrensrüge greift nicht durch. Das Landgericht durfte zwar den Beweisantrag auf Einholung eines psychologischen Gutachtens zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin E. nicht unter Berufung auf eigene Sachkunde ablehnen; denn in der Person der Zeugin lagen besondere Umstände vor, deren Würdigung eine spezielle Sachkunde erforderte, die dem Gericht nicht zur Verfügung steht (vgl. nur BGH, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 5 StR 174/12, NStZ-RR 2012, 343, 354). Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den bei der Zeugin festgestellten, auf den übermäßigen Genuss von Alkohol zurückzuführenden Gehirnschwund, bei dem nach Angaben einer hierzu vernommenen psychiatrischen Sachverständigen mit „kognitiven“ Einschränkungen gerechnet werden kann, wobei diese aber nicht zwingend seien. Hinzu kommt - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist -, dass die Zeugin unmittelbar nach den Taten zu II.2 und II.3 bzw. II.4 bei Atemalkoholtests eine Blutalkoholkonzentration von 2,37 bzw. 3,22 Promille aufwies und bei diesem Grad von Alkoholisierung die Fähigkeit von Zeugen, Sachverhalte zutreffend aufzunehmen, beeinträchtigt gewesen sein kann (BGH StV 1990, 289). Auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht aber das angefochtene Urteil nicht. Dies ist auszuschließen, wenn die Wahrnehmungsfähigkeit und Aussagetüchtigkeit der Aussageperson auf andere Weise festzustellen ist, etwa weil sich - wie hier der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift im Einzelnen ausgeführt hat - aus den Urteilsgründen ergibt, dass deren Angaben durch andere Beweismittel unterstützt werden (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2009 - 3 StR 270/09).
- 10
- 2. Die Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge hat Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
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- 3. Dagegen begegnet der Adhäsionsausspruch - jedenfalls soweit der Zeugin E. ein Schmerzensgeld inHöhe von 5.000 Euro zugesprochen wird - durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 12
- a) Die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Landgericht lediglich mit der Begründung gerechtfertigt, dass „unter Berücksichtigung der vorstehend getroffenen Feststellungen die Festsetzung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5000 € angemessen, aber auch ausreichend sei“. Eine solche Begründung genügt nicht. Die Urteilsgründe müssen alle Erwägungen ansprechen , die für die Bemessung des Schmerzensgeldes von Bedeutung sein können.
- 13
- Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes sind nicht nur die Schwere der Tat und die durch die Tat verursachten Folgen für den Verletzten, sondern regelmäßig auch die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer (BGH, Urteil vom 19. Februar 2014 - 2 StR 239/13 mwN). Der formelhaften Begründung des Landgerichts lässt sich nicht entnehmen, dass dies alles gebührend berücksichtigt worden ist.
- 14
- b) Der Ausspruch über das Schmerzensgeld muss aber nicht im Ganzen aufgehoben werden. Hat das Tatgericht dem Verletzten ein Schmerzensgeld zugesprochen und beanstandet das Revisionsgericht - wie hier - lediglich dessen Bemessung, so kann die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechterhalten bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2014 - 2 StR 239/13).
- 15
- 4. Der Rechtsmittelerfolg des Beschwerdeführers ist so gering, dass es nicht geboten ist, ihn aus Billigkeitsgründen teilweise von der Kosten- und Auslagenlast freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Eschelbach Ott
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Annotations
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.