Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2012 - 5 StR 174/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, von denen es sechs Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt hat. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Er beanstandet das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts vergewaltigte der 65 Jahre alte Angeklagte die 58-jährige Nebenklägerin Ende Dezember 2007 vaginal und im März 2008 anal (Taten 1 und 2). Über das angeklagte Geschehen hinaus hat die Strafkammer eine weitere im Mai 2006 begangene vaginale Vergewaltigung festgestellt, die die Nebenklägerin erstmals in der Hauptverhandlung bekundet hat. Nach den Vergewaltigungen wohnte die Nebenklägerin weiterhin mit dem Angeklagten zusammen, wobei es jedenfalls vor Tat 2 gelegentlich auch noch zu einvernehmlichem Geschlechtsver- kehr kam. Strafanzeige gegen den Angeklagten erstattete sie nach einer Körperverletzungshandlung vom 26. April 2008, bei der der Angeklagte sie am Hals gepackt und gegen ein Treppengeländer gedrückt hatte (Tat 3). Die Strafanzeige vom 26. April 2008 beschränkte sich auf die Körperverletzungshandlung. Auf Nachfrage der Polizeibeamtin nach sexuellen Übergriffen sagte die Nebenklägerin, dass dies vor zwei oder drei Jahren der Fall gewesen sei. Näheres wolle sie im Moment nicht sagen. Ähnlich verlief eine Vernehmung im Mai 2008. Details über die sexuellen Gewalthandlungen berichtete sie in einer Vernehmung im August 2008. Gegenstand eines von ihr angestrengten zivilrechtlichen Gewaltschutzverfahrens war nur die Körperverletzung vom 26. April 2008.
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- 2. Die Revision dringt mit einer Verfahrensrüge durch.
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- a) Folgendes Geschehen liegt zugrunde:
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- Der Verteidiger hatte die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis der Behauptung beantragt, dass die Nebenklägerin, auf deren Aussage die Feststellungen beruhen, an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung leide, die ihre Zeugentüchtigkeit in Frage stelle. Zur Begründung führte er eine Reihe von Auffälligkeiten im Verhalten der Nebenklägerin auf.
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- Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen, weil die unter Be- weis gestellte Tatsache „für die Entscheidungsfindung unerheblich“ sei. Per- sonen mit paranoider Persönlichkeitsstörung seien in ihrer Fähigkeit nicht eingeschränkt, reale Erlebnisse wahrzunehmen und deren äußeres Erscheinungsbild wiederzugeben. Nach ICD-10 gehörten Wahrnehmungsstörungen, Halluzinationen, Wahnerleben oder eine Neigung zur bewussten Erfindung fiktiver Handlungsabläufe nicht zur Symptomatik. Auch eine erhöhte Sugges- tibilität gehe damit nicht einher. Es würden nur „reelle Erlebnisse“ dahinge- hend interpretiert, dass neutrale oder freundliche Handlungen der betroffenen Person als feindselige Akte erschienen. Die Nebenklägerin habe das äußere Erscheinungsbild der Vorfälle jedoch konstant und detailliert in einer Art geschildert, die ausschließe, dass es sich dabei um neutrale oder freundliche Handlungen gehandelt haben könnte, die von ihr nur fehlinterpretiert würden. Selbst bei Vorliegen einer paranoiden Persönlichkeitsstörung bestünden deshalb keine Anhaltspunkte für deren Auswirkung auf die Aussagetüchtigkeit , weswegen die Strafkammer die Glaubwürdigkeit in eigener Kompetenz bewerten könne.
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- b) Mit dem Generalbundesanwalt geht der Senat trotz Nichtvorlage einiger im Beweisantrag benannter Schriftstücke von der Zulässigkeit der Verfahrensrüge im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO aus. Denn das Urteil befasst sich mit den maßgebenden auch vom Verteidiger benannten Anknüpfungstatsachen für das Vorliegen eines psychischen Defektzustandes, womit dem Senat die Sachprüfung der Verfahrensbeanstandung eröffnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1990 – 1 StR 693/89, BGHSt 36, 384, 385 mwN).
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- c) Die Rüge hat in der Sache Erfolg. Mit der gegebenen Begründung durfte der Beweisantrag nicht abgelehnt werden.
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- aa) Hat die Strafkammer den Beweisantrag, wofür der Wortlaut des Ablehnungsbeschlusses spricht, wegen (tatsächlicher) Bedeutungslosigkeit nach § 244 Abs. 3 Satz 2, 2. Variante StPO abgelehnt, so hält dies rechtlicher Nachprüfung schon deswegen nicht stand, weil sie das Beweisergebnis rechtsfehlerhaft vorweggenommen hat. Denn der Verteidiger hatte auch unter Beweis gestellt, dass im Fall einer paranoiden Persönlichkeitsstörung die Zeugentüchtigkeit der Nebenklägerin beeinträchtigt war.
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- bb) Nichts anderes ergibt sich, wenn man – dem Generalbundesanwalt folgend – eine nur missverständlich formulierte Zurückweisung des Beweisbegehrens unter Inanspruchnahme eigener Sachkunde annimmt (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO). Zwar kann sich das Gericht bei der Beurteilung von Zeugenaussagen grundsätzlich eigene Sachkunde zutrauen; etwas anderes gilt aber, wenn besondere Umstände vorliegen, deren Würdigung eine spezielle Sachkunde erfordert, die dem Gericht nicht zur Verfügung steht (BGH, Beschlüsse vom 1. März 1994 – 5 StR 62/94, StV 1994, 634, vom 29. Oktober 1996 – 4 StR 508/96, NStZ-RR 1997, 106, vom 28. Oktober 2008 – 3 StR 364/08, NStZ 2009, 346, 347, und vom 28. Oktober 2009 – 5 StR 419/09, NStZ 2010, 100, 101). Solche Umstände liegen hier vor. Die Diagnose einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und deren Auswirkungen auf die Aussagetüchtigkeit erfordert spezifisches Fachwissen, das nicht Allgemeingut von Richtern ist; demgemäß hätte die eigene Sachkunde näherer Darlegung bedurft (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1958 – 4 StR 211/58, BGHSt 12, 18, 20; Beschluss vom 21. Dezember 1983 – 3 StR 437/83, StV 1984, 232). Eine solche ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Vielmehr stellt die Strafkammer unter Heranziehung der im ICD-10 für die paranoide Persönlichkeitsstörung aufgeführten Symptome einen Erfahrungssatz zu generellen Wechselwirkungen der Störung mit der Aussagetüchtigkeit her, der wissenschaftlicher Absicherung entbehrt (vgl. etwa zu möglichen Übergängen der Störung Nedopil, Forensische Psychiatrie, 3. Aufl., S. 180).
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- Die Ablehnung des Beweisantrags führt auf die Revisionsrüge zur umfassenden Aufhebung des Urteils, weil dieses insgesamt auf dem Rechtsfehler beruhen kann.
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- 3. Der Senat weist darauf hin, dass die im angefochtenen Urteil vorgenommene Beweiswürdigung auch sachlichrechtlich durchgreifenden Bedenken begegnet.
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- a) Namentlich befasst sich die Strafkammer unzureichend mit der Aussageentstehung und dem Aussageverhalten der Nebenklägerin. Die Nebenklägerin hat Sexualstraftaten des Angeklagten überhaupt nur auf Initiative der vernehmenden Beamtinnen offenbart und im Detail erst zu einem sehr späten Zeitpunkt geschildert. Das Urteil führt dies – ohne erkennbaren Beleg in deren Aussage – darauf zurück, dass die Nebenklägerin sich generell schäme, sexuelle Dinge zu besprechen (UA S. 19, 25). Abgesehen davon, dass es wenig lebensnah erscheint, einer 58-jährigen Gastwirtin, deren Jugendzeit in die Jahre ab 1968 fällt, höhergradige Scham zuzuweisen als „dies nach heutigen Maßstäben die Regel wäre“ (UA S. 19), ist die Beweis- würdigung in diesem Punkt durchgreifend lückenhaft und widersprüchlich. So erklärt etwaige Scham der Nebenklägerin nicht, warum sie bei der Strafanzeige sexuelle Übergriffe als zwei oder drei Jahre zurückliegend bezeichnet hat, obwohl die abgeurteilten Taten nach ihren späteren Angaben erst einen Monat bzw. vier Monate vor der Strafanzeige begangen worden sind. Ferner legt das Urteil wohl die Aussage der Nebenklägerin ihren Feststellungen zugrunde , sie habe nach Tat 2 mit dem Zeugen W. einen (nicht zu den Akten gelangten) Brief an die Staatsanwaltschaft verfasst, in dem sie die sexuellen Übergriffe zur Anzeige gebracht habe (UA S. 23). Das würde bedeuten , dass sie dem Zeugen die Taten trotz ihrer Scham mitgeteilt hat. Hingegen bezeichnet die Strafkammer den Zeugen, nach dessen Aussage ihm die Nebenklägerin die drei Taten jeweils zeitnah geschildert hat, unter anderem deshalb für nicht glaubhaft, weil es schwer nachvollziehbar sei, „wieso ausgerechnet der Zeuge W. die einzige Person sein sollte, gegenüber welcher die Nebenklägerin sich öffnet, nachdem sie ihrem eigenen Sohn die sexuellen Übergriffe monatelang verschwiegen“ habe (UA S. 31). Beides ist nicht miteinander vereinbar und erscheint geeignet, dem vom Landgericht unterstellten zentralen Motiv anfänglichen Schweigens der Nebenklägerin die Grundlage zu entziehen und ihre Aussage insgesamt in Frage zu stellen.
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- b) Das angefochtene Urteil zieht ferner den Umstand indiziell für eine Täterschaft des Angeklagten heran, dass er mit der Nebenklägerin einen Vergleich geschlossen und auf das vereinbarte Schmerzensgeld von 6.000 € bereits 1.000 € geleistet hat. Dem stehe nicht entgegen, dass beides vor dem Hintergrund einer angestrebten Verständigung und einer in diesem Rahmen in Aussicht gestellten Bewährungsstrafe für den Fall eines TäterOpfer -Ausgleichs gestanden habe und der Angeklagte von seinem Verteidi- ger gewarnt worden sei, dass die Strafkammer nach dessen Erfahrungen in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen unter Verletzung des Zweifelssatzes gegen den Angeklagten entscheide und langjährige Haftstrafen verhänge. Wäre Letzteres Grund für ein falsches Schuldeingeständnis gewesen, erschiene es konsequent unverständlich, warum der Angeklagte nach dem Scheitern des Täter-Opfer-Ausgleichs zur Vermeidung einer hohen Haftstrafe nicht gleichwohl ein Geständnis und eine persönliche Entschuldigung ausgesprochen habe. Deswegen sei plausibel, dass er sich durchgehend seiner Schuld bewusst gewesen sei, selbst wenn er gegenüber dem Verteidiger seine Unschuld beteuert habe.
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- Der Senat kann offenlassen, ob – nach dem zu klärenden Verlauf der zwischen den Verfahrensbeteiligten unter Einbeziehung der Strafkammer geführten Gespräche – der indiziellen Verwertung des Vergleichsabschlusses und der Zahlungen der Rechtsgedanke des in § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO normierten Verwertungsverbots entgegenstehen könnte. Jedenfalls war ausweislich der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft im Revisionsverfahren mit Scheitern des Täter-Opfer-Ausgleichs auch die Grundlage für eine Bewährungsstrafe entfallen. Die Abgabe eines „Scheingeständnisses“ hätte demgemäß aus Sicht des Angeklagten unweigerlich zu einer Vollzugsstrafe geführt. Das macht sein Verhalten auch im Fall fehlender Schuld erklärbar. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn sie dieses sich aufdrängende Motiv berücksichtigt hätte.
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- 4. Auch der Strafausspruch hätte keinen Bestand haben können. Nicht nachvollziehbar ist namentlich die Begründung, mit der die Strafkammer das Vorliegen von „Beziehungstaten“ im Rahmen der Erörterung der Regelwir- kung nach § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB ablehnt. Nach den von ihr zugrunde gelegten Bekundungen der Nebenklägerin war die Beziehung schon länger auch dadurch geprägt, dass diese häufig sexuellen Handlungen des Ange- klagten nach anfänglicher Ablehnung „über sich ergehen ließ“. Dies war so- gar noch nach der vom Landgericht angenommen ersten Vergewaltigung sowie nach Tat 1 der Fall. Selbst nach Tat 1 wohnten der Angeklagte und die Nebenklägerin – wenngleich bei häufiger Abwesenheit des Angeklagten – weiter zusammen. Dem durfte bei der Strafrahmenwahl nicht jegliche Bedeutung abgesprochen werden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2003 – 4 StR 389/03, StV 2004, 479 mwN). Hinzu kommen weitere im Urteil angesprochene gewichtige Umstände, die die Taten in einem milderen Licht erscheinen lassen konnten. Dem entspricht, dass am ersten Hauptverhandlungstag unter den Verfahrensbeteiligten – für den Fall eines Geständnisses und eines Täter-Opfer-Ausgleichs – gar eine Bewährungsstrafe im Gespräch war. Die Nichtanwendung milderer Strafrahmen und die Verhängung hoher Einzelstrafen sowie einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten ist vor diesem Hintergrund selbst dann nicht erklärlich , wenn man die strafmildernde Wirkung der genannten Gesichtspunkte einbezieht (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. Juni 2004 – 5 StR 579/03, StV 2004, 470, 471 mwN).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.