Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Mai 2000 - XII ZR 35/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Die Beklagte hat von 1986 bis 1997 Geschäftsräume an die Klägerin untervermietet. In einem Vorprozeß hat die Beklagte gegen die Klägerin rückständigen Mietzins eingeklagt. Der Prozeß wurde durch einen gerichtlichen Vergleich beendet, in dem sich die Klägerin verpflichtete, an die Beklagte 280.000 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen. Weiter heißt es in dem Vergleich, alle Ansprüche des beendeten Untermietverhältnisses sollten damit ausgeglichen sein mit Ausnahme etwaiger Rückforderungsansprüche der damaligen Beklagten wegen überzahlter Nebenkosten. Die Klägerin hat auf die in dem Vergleich festgelegte Forderung 154.245,64 DM gezahlt. Mit ihrer Vollstreckungsgegenklage will sie erreichen, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich wegen der noch offenstehenden Restforderung für unzulässig erklärt wird. ZurBegründung der Vollstreckungsgegenklage macht sie geltend, sie habe gegenüber der Restforderung aus dem Vergleich wirksam die Aufrechnung erklärt mit ihr zustehenden Gegenansprüchen auf Rückzahlung überzahlter Nebenkosten. Wegen des Vorbringens der Parteien zu der zur Aufrechnung gestellten Forderung wird auf den Tatbestand des Berufungsurteils verwiesen. Das Landgericht hat die Vollstreckungsgegenklage abgewiesen, die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgt sie den Antrag , die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich für unzulässig zu erklären, weiter. Sie beantragt, die Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung über die Revision gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen, hilfsweise die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung der Beklagten abhängig zu machen.
II.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO im übrigen gegeben sind. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat (Zöller/Herget, ZPO 21. Aufl. § 769 Rdn. 6 m.N.). Der Klägerin steht kein Gegenanspruch zu, mit dem sie gegen die Restforderung aus dem gerichtlichen Vergleich aufrechnen könnte. Die ursprüngliche Hauptvermieterin stellte der Beklagten als Nebenkosten lediglich die Kosten für Wasser und Heizung in Rechnung und dementsprechend gab die Beklagte auch nur diese Kosten an die Klägerin - ihre Untermieterin - weiter. Nachdem im Jahre 1990 eine Versicherung das Grund-stück erworben hatte und auf Vermieterseite in den Hauptmietvertrag eingetreten war, stellte diese der Beklagten zusätzlich die Kosten für Grundsteuer, Entwässerung, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Aufzug, Allgemeinstrom, Brandversicherung , Hausmeister, Ungezieferbekämpfung und Gebäudehaftpflichtversicherung in Rechnung. Die Beklagte leitete die diese Positionen enthaltenden Nebenkostenabrechnungen an die Klägerin weiter und die Klägerin zahlte die so errechneten Nebenkosten mehrere Jahre lang anstandslos: Gemäß Abrechnung vom 5. Mai 1992 für das Jahr 1990, gemäß Abrechnung vom 3. Dezember 1992 für das Jahr 1991, gemäß Abrechnung vom 17. Juni 1994 für das Jahr 1992, gemäß Abrechnung vom 2. September 1995 für das Jahr 1993, gemäß Abrechnung vom 27. Oktober 1996 für das Jahr 1994 und gemäß Abrechnung vom 27. Februar 1997 für das Jahr 1995. Erstmals mit Schreiben vom 30. Januar 1998 - nach Beendigung des Untermietverhältnisses - machte die Klägerin geltend, als Nebenkosten seien nur die Kosten für Wasser und Heizung zu zahlen. Es kann dahingestellt bleiben, wie der zwischen den Parteien abgeschlossene schriftliche Untermietvertrag bezüglich der Abwälzung der Nebenkosten auszulegen ist. Eine Vereinbarung der Parteien über den Umfang der von dem Mieter zu zahlenden Nebenkosten kann auch durch jahrelange Zahlung stillschweigend getroffen werden (vgl. Palandt/Putzo, BGB 59. Aufl. § 535 Rdn. 37 a m.N.). Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die Parteien sich durch jahrelange Übung stillschweigend darauf geeinigt haben, die von der neuen Hauptvermieterin der Beklagten in Rechnung gestellten Nebenkosten auf die Klägerin abzuwälzen. Auch stillschweigend abgegebene Willenserklärungen sind auszulegen aus der Sicht des Erklärungsempfängers. Die Beklagte konnte das Verhalten der Klägerin nur dahin verstehen, daß die Klä-
gerin mit der Abwälzung der erhöhten Nebenkostenabrechnungen einverstanden war. Auf die Frage, ob die von der Klägerin geltend gemachten Rückzahlungsansprüche teilweise verjährt wären, kommt es somit nicht an. Der weitere Antrag der Klägerin, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen bis zur endgültigen Entscheidung über den Einstellungsantrag, ist damit gegenstandslos.
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Rechtsanwalt
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Annotations
(1) Das Prozessgericht kann auf Antrag anordnen, dass bis zum Erlass des Urteils über die in den §§ 767, 768 bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werde und dass Vollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheitsleistung aufzuheben seien. Es setzt eine Sicherheitsleistung für die Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht fest, wenn der Schuldner zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die Rechtsverfolgung durch ihn hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die tatsächlichen Behauptungen, die den Antrag begründen, sind glaubhaft zu machen.
(2) In dringenden Fällen kann das Vollstreckungsgericht eine solche Anordnung erlassen, unter Bestimmung einer Frist, innerhalb der die Entscheidung des Prozessgerichts beizubringen sei. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist wird die Zwangsvollstreckung fortgesetzt.
(3) Die Entscheidung über diese Anträge ergeht durch Beschluss.
(4) Im Fall der Anhängigkeit einer auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsklage gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.