Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Mai 2014 - XII ZB 98/14

published on 21/05/2014 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Mai 2014 - XII ZB 98/14
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Amtsgericht Pankow, 53 XVII 174/02, 08/11/2013
Landgericht Berlin, 87 T 323/13, 21/01/2014

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 98/14
vom
21. Mai 2014
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Höhe der Betreuervergütung nach erworbenem Abschluss als Diplomgesellschaftswissenschaftler
an der Parteihochschule "Karl Marx" beim Zentralkomitee der
SED.
BGH, Beschluss vom 21. Mai 2014 - XII ZB 98/14 - LG Berlin
AG Pankow/Weißensee
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Mai 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger
und Dr. Botur

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der Zivilkammer 87 des Landgerichts Berlin vom 21. Januar 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen. Gerichtsgebühren für das Verfahren der Rechtsbeschwerde werden nicht erhoben. Beschwerdewert: 1.047 €

Gründe:

I.

1
Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Betreuer) wurde 2005 zum Berufsbetreuer der Betroffenen bestellt. Er hatte in der ehemaligen DDR einen Abschluss als Diplomgesellschaftswissenschaftler an der Parteihochschule "Karl Marx" beim Zentralkomitee der SED erworben.
2
Für den Abrechnungszeitraum vom 1. September 2009 bis zum 30. Juni 2013 beantragte der Betreuer auf der Grundlage eines Stundensatzes von 33,50 € die Festsetzung einer pauschalen Vergütung in Höhe von insgesamt 5.393,50 €, die ihm im Verwaltungswege durch Anweisungen vom 6. Oktober 2010, 2. Januar 2012, 26. September 2012 und 8. August 2013 bewilligt und ausgezahlt wurde.
3
Auf Antrag des Bezirksrevisors hat das Amtsgericht die Vergütung rückwirkend unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 27 € auf insgesamt 4.347 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betreuers ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er die Festsetzung der im Verwaltungswege gewährten Vergütung weiter.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
5
1. Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf seinen in einer anderen Betreuungssache ergangenen, nicht veröffentlichten Beschluss vom 28. September 2005 dargelegt, dass das von dem Betreuer absolvierte Studium an der SED-Parteihochschule nicht im Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet gewesen sei und deshalb keine Erhöhung der Betreuervergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG rechtfertige. Auch die weiteren Fortbildungsmaßnahmen rechtfertigten keinen erhöhten Stundensatz.
6
Auf einen Vertrauensschutz könne sich der Betreuer nicht berufen, weil sein Vertrauen auf die Beständigkeit der ihm in der Vergangenheit gewährten Vergütung nicht schutzbedürftig sei. Er habe spätestens nach Erlass der in der anderen Vergütungssache ergangenen Kammerentscheidung vom 28. Septem- ber 2005, an der er ebenfalls als Betreuer beteiligt gewesen sei, damit rechnen müssen, dass die Voraussetzungen für die Höhe der von ihm geltend gemachten Vergütung nicht vorlagen. Sofern danach noch Zweifel über die jeweils zutreffende Vergütungshöhe bestanden hätten, habe der Betreuer die Festsetzung der Vergütung durch das Amtsgericht beantragen müssen.
7
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8
Das Beschwerdegericht hat bei seiner Annahme, der von dem Betreuer erworbene Abschluss an der Parteihochschule "Karl Marx" sei nicht im Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet gewesen , die maßgebenden Tatsachen nicht vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt.
9
a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG erhält der Betreuer einen auf 33,50 € erhöhten Stundensatz, wenn er über besondere, für die Betreuung nutzbare Kenntnisse verfügt, die er durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben hat.
10
aa) Besondere für die Betreuung nutzbare Kenntnisse sind über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehende Kenntnisse, die den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2012 - XII ZB 409/10 - FamRZ 2012, 629 Rn. 10; vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 14 f.).
11
Solche Kenntnisse sind im Hinblick darauf, dass es sich bei der Betreuung um eine rechtliche Betreuung handelt (§ 1901 Abs. 1 BGB), regelmäßig Rechtskenntnisse (Senatsbeschluss vom 22. August 2012 - XII ZB 319/11 - NJW-RR 2012, 1475 Rn. 17).
12
bb) Einer abgeschlossenen Lehre vergleichbar ist eine Ausbildung, wenn sie staatlich reglementiert oder zumindest staatlich anerkannt ist, einen formalen Abschluss aufweist und der durch sie vermittelte Stand an Wissen und Fähigkeiten nach Art und Umfang dem einer Lehre entspricht. Als Kriterien können insbesondere der mit der Ausbildung verbundene Zeitaufwand, der Umfang und Inhalt des Lehrstoffes und die Zulassungsvoraussetzungen herangezogen werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Januar 2012 - XII ZB 409/10 - FamRZ 2012, 629 Rn. 11 [zur Vergleichbarkeit mit einem Studium] und vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 312/11 - FamRZ 2012, 213 Rn. 13 [zur Vergleichbarkeit mit einer abgeschlossenen Lehre]). Für die Annahme der Vergleichbarkeit einer Ausbildung mit einer Lehre kann auch sprechen, wenn die durch die Abschlussprüfung erworbene Qualifikation Zugang zu beruflichen Tätigkeiten ermöglicht, deren Ausübung üblicherweise den so ausgebildeten Kräften vorbehalten ist. Bei der Prüfung der Vergleichbarkeit hat der Tatrichter strenge Maßstäbe anzulegen (Senatsbeschlüsse vom 4. April 2012 - XII ZB 447/11 - NJW-RR 2012, 774 Rn. 16 und vom 10. April 2013 - XII ZB 349/12 - FamRZ 2013, 1029 Rn. 15).
13
b) Ausgehend von diesen Maßstäben wird die Annahme des Beschwerdegerichts , der von dem Betreuer erworbene Abschluss an der Parteihochschule "Karl Marx" habe nicht wenigstens einer für die Ausübung der Betreuungstätigkeit nutzbaren Unterweisung auf dem Niveau einer Lehre entsprochen, von seinen Feststellungen nicht getragen.
14
Um dies beurteilen zu können, bedarf es der Feststellungen zu Art und Umfang der Ausbildung an der Parteihochschule "Karl Marx". Darüber hinaus ist zu klären, ob durch diese Ausbildung für die Betreuung nutzbare Fachkenntnisse vermittelt worden sind. Solche Feststellungen und Klärungen sind in dem angefochtenen Beschluss nicht enthalten. Der angefochtene Beschluss nimmt lediglich Bezug auf einen in anderer Sache ergangenen Landgerichtsbeschluss vom 28. September 2005, dessen Inhalt jedoch dem Senat nicht zugänglich ist. Der Senat kann daher nicht überprüfen, ob das Landgericht bei der Beurteilung der Frage, ob durch die dem Betreuer erteilte Ausbildung für die Betreuung nutzbare Fachkenntnisse vermittelt worden sind, von zutreffenden Grundlagen ausgegangen ist. Insbesondere kann der Senat dem Angriff der Rechtsbeschwerde nicht nachgehen, das Landgericht habe die in dem absolvierten Studium vermittelten Lehrinhalte anhand überalterter Lehrpläne für den Lehrgang 1969 bis 1972 überprüft, welche für die hier relevante Studienzeit von 1983 bis 1985 keine Gültigkeit mehr gehabt hätten.
15
3. Die Sache ist daher zur Nachholung der notwendigen Feststellungen zu Art und Umfang der Ausbildung an der Parteihochschule "Karl Marx" in den Jahren 1983 bis 1985 und der Nutzbarkeit der vermittelten Kenntnisse für die Betreuung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
16
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG). Die Bedeutung des Vertrauensschutzes ist bereits durch den Senatsbeschluss vom 6. November 2013 - XII ZB 86/13 - FamRZ, 2014, 113 Rn. 22 ff., 32 geklärt. Das Landgericht wird die darin entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall anzuwenden haben.
Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Pankow/Weißensee, Entscheidung vom 08.11.2013 - 53 XVII 174/02 -
LG Berlin, Entscheidung vom 21.01.2014 - 87 T 323/13 -
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(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind. (2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle

Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz - VBVG
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(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind. (2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle

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Annotations

(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind.

(2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle A, sofern der Betreuer über keine besonderen Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.

(3) Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so richtet sich die Vergütung

1.
nach Vergütungstabelle B, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind;
2.
nach Vergütungstabelle C, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.

(4) § 3 Absatz 2 gilt entsprechend. § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 findet keine Anwendung.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.