Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2001 - XII ZB 87/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Die am 18. Dezember 1989 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den der Ehefrau (Antragsgegnerin) am 29. Mai 2000 zugestellten Antrag des Ehemanns (Antragsteller) durch Verbundurteil vom 10. Januar 2001 geschieden (insoweit rechtskräftig seit 16. Februar 2001) und der Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1. Dezember 1989 bis 30. April 2000; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarben die Ehegatten nach den tatrichterlichen Feststellungen jeweils Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz (weitere Beteiligte, LVA), und zwar die am 9. März 1951 geborene Ehefrau in Höhe von 24,76 DM und der am 20. Februar 1962 geborene Ehemann in Höhe von 636,16 DM, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit. Daneben besteht für den Ehemann ein auf die Ehezeit entfallendes Anrecht auf eine statische Betriebsrente bei der Bayerischen Motorenwerke AG in Höhe von jährlich 1.843,91 DM. Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daû es Rentenanwartschaften des Ehemanns bei der LVA in Höhe von monatlich 305,70 DM, bezogen auf den 30. April 2000, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA übertragen hat. Auûerdem hat es - im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG, § 1587 b Abs. 1 BGB - von dem Versicherungskonto des Ehemanns bei der LVA weitere Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 15,24 DM, bezogen auf den 30. April 2000, auf
das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA übertragen. Für die Umrechnung des statischen Anrechts des Ehemanns auf eine Betriebsrente in eine dynamische Anwartschaft hat es dessen Barwert nicht nach der Barwertverordnung , die es für verfassungswidrig erachtet, sondern unter Bezugnahme auf in der Literatur veröffentlichte "Ersatztabellen" mit 6.638,08 DM ermittelt und es auf dieser Grundlage in eine dynamische Anwartschaft in Höhe von monatlich 30,47 DM umgerechnet. Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hat die LVA gerügt, das Amtsgericht habe bei der Umrechnung der statischen Anwartschaften nicht von der zwingend angeordneten Anwendung der Barwertverordnung absehen dürfen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der LVA, mit der sie weiterhin die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich begehrt.
II.
Die weitere Beschwerde ist begründet. 1. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Barwertverordnung sei verfassungswidrig, weil sie zu einer übermäûigen Abwertung der mit ihr bewerteten Anrechte führe und daher den Gleichheitssatz verletze. Dies beruhe darauf, daû die Barwertverordnung auf veralteten biometrischen Rechnungsgrundlagen beruhe, eine etwaige Hinterbliebenenversorgung bei der Barwertbildung unberücksichtigt bleibe und die Dynamik der gesetzlichen Rente und der Beamtenversorgung immer wesentlich unter dem Rechnungszins der Bar-wertverordnung von 5,5 % liege. Deshalb seien anstelle der Tabellen der Barwertverordnung die im Jahre 2000 veröffentlichten "Ersatztabellen" (Glockner/ Gutdeutsch FamRZ 2000, 270, 271) für die Barwertermittlung heranzuziehen. Dies habe das Amtsgericht korrekt getan. 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der erkennende Senat hat mit Beschluû vom 5. September 2001 entschieden , daû die Gerichte bei der Ermittlung der Barwerte für statische und teildynamische Anwartschaften grundsätzlich auch weiterhin an die Barwertverordnung und deren Tabellen gebunden sind; auf “Ersatztabellen” kann nicht zurückgegriffen werden (Senatsbeschluû vom 5. September 2001 – XII ZB 121/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Auf diesen Beschluû, dessen Abdruck beigefügt wird, wird verwiesen. Da auch keine Besonderheiten vorliegen, insbesondere der Versorgungsbezug noch nicht unmittelbar bevorsteht, bedarf es keiner individuellen Wertermittlung der Anrechte. 3. Danach können die Entscheidungen der Vorinstanzen keinen Bestand haben. Der Senat kann anhand der vom Tatrichter zugrunde gelegten Versorgungsauskünfte , gegen die von seiten der Beteiligten keine Einwände erhoben wurden und auch sonst keine Bedenken ersichtlich sind, selbst entscheiden.
a) Auf seiten des Ehemanns sind in der Ehezeit erworbene Anwartschaften bei der LVA in Höhe von 636,16 DM monatlich für den Versorgungsausgleich zu berücksichtigen, sowie das unverfallbare Anrecht auf eine Betriebsrente bei der Bayerischen Motorenwerke AG. Nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB ist nur der zeitratierlich zu berechnende Ehezeitanteil der Betriebsrente auszugleichen, der tatrichterlich mit 1.843,91 DM jährlich festgestellt ist. Da der Wert der Versorgung nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt, wie
der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung, ist der ehezeitlich erworbene Anteil der Versorgung gemäû § 1587 a Abs. 3, 4 BGB in eine dynamische Rente umzurechnen. Dies geschieht, indem zunächst der Barwert des im Anwartschafts- und Leistungsstadium statischen Anrechts, das für den Fall des Alters und der Invalidität zugesagt ist, nach Tabelle 1 BarwertVO ermittelt wird. Bei dem anzuwendenden Barwertfaktor von 2,1 (Alter des Ehemannes zum Ehezeitende: 38) ergibt sich ein Barwert von 3.872,21 DM. Zur Umrechnung in ein dynamisches Anrecht wird dieser Betrag fiktiv in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Der Betrag wird daher mit dem für das Ende der Ehezeit geltenden Umrechnungsfaktor der Rechengröûenbekanntmachung in Entgeltpunkte umgerechnet, diese sodann mit Hilfe des aktuellen Rentenwerts nach § 1587 a Abs. 3, 4 BGB in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies ergibt eine dynamisierte Rente von monatlich 17,77 DM (3.872,21 DM x 0,0000950479 Þ 0,3680 Entgeltpunkte x 48,29 DM = 17,77 DM), bezogen auf den 30. April 2000. Der Ehemann hat daher während der Ehezeit insgesamt Anwartschaften in Höhe von 653,93 DM monatlich erworben. Auf seiten der Ehefrau sind in der Ehezeit erworbene Anwartschaften bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz in Höhe von 24,76 DM monatlich zu berücksichtigen.
b) Dementsprechend ist gemäû § 1587 a Abs. 1 BGB der Ehemann, der die werthöheren Anwartschaften erworben hat, in Höhe von 314,58 DM monatlich [(653,93 DM - 24,76 DM) : 2] ausgleichspflichtig. Bezüglich der bei der LVA Niederbayern erworbenen Anwartschaften hat das Familiengericht richtig das Rentensplitting nach § 1587 b Abs. 1 BGB in Höhe von 305,70 DM durchgeführt.
c) Das Anrecht des Ehemannes auf eine betriebliche Altersversorgung richtet sich gegen einen inländischen privatrechtlich organisierten Versorgungsträger , der die Realteilung nicht zuläût. Es unterliegt daher grundsätzlich dem schuldrechtlichen Ausgleich nach § 2 VAHRG. Anstelle des schuldrechtlichen Ausgleichs kann jedoch nach § 3 b Nr. 1 VAHRG bis zur Höhe von 2 % des auf einen Monat entfallenden Teils der am Ende der Ehezeit maûgebenden Bezugsgröûe (§ 18 SGB IV), hier 89,60 DM, ein anderes vor oder während der Ehe erworbenes Anrecht des Verpflichteten, das seiner Art nach durch Übertragung oder Begründung von Anrechten ausgeglichen werden kann, zum Ausgleich herangezogen werden. Der Ausgleich erfolgt daher im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Nr. 1 VAHRG in Höhe von 8,88 DM monatlich (17,77 DM : 2).
d) Der Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB von 981,28 DM ist nicht überschritten. Die übertragenen Rentenanwartschaften sind nach § 1587 b Abs. 6 BGB in Entgeltpunkte umzurechnen.
Blumenröhr Gerber Wagenitz Fuchs Ahlt
moreResultsText
Annotations
Nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes findet zwischen den geschiedenen Ehegatten ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten statt, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge.
(1) Bezugsgröße im Sinne der Vorschriften für die Sozialversicherung ist, soweit in den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes bestimmt ist, das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag.
(2) Die Bezugsgröße für das Beitrittsgebiet (Bezugsgröße [Ost]) verändert sich zum 1. Januar eines jeden Kalenderjahres auf den Wert, der sich ergibt, wenn der für das vorvergangene Kalenderjahr geltende Wert der Anlage 1 zum Sechsten Buch durch den für das Kalenderjahr der Veränderung bestimmten Wert der Anlage 10 zum Sechsten Buch geteilt wird, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag. Für die Zeit ab 1. Januar 2025 ist eine Bezugsgröße (Ost) nicht mehr zu bestimmen.
(3) Beitrittsgebiet ist das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet.