Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2018 - XII ZB 370/17

ECLI: ECLI:DE:BGH:2018:150818BXIIZB370.17.0
published on 15/08/2018 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2018 - XII ZB 370/17
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Amtsgericht Dresden, 405 XVII 1024/16, 27/06/2017
Landgericht Dresden, 2 T 588/17, 07/07/2017

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 370/17
vom
15. August 2018
in der Unterbringungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der in einer Unterbringungssache bestellte Verfahrenspfleger ist nicht gesetzlicher
Vertreter des Betroffenen; er kann in Vertretung des Betroffenen
keine wirksamen Verfahrenshandlungen vornehmen und ist insbesondere
nicht zur Einlegung eines Rechtsmittels im Namen des Betroffenen befugt
(im Anschluss an Senatsbeschluss vom 22. März 2017 - XII ZB 460/16 -
FamRZ 2017, 1069).

b) Etwas anderes ist nur dann möglich, wenn sich der Verfahrenspfleger ausdrücklich
darauf beruft, seine bisherige Rolle im Verfahren aufgeben und
aufgrund eines ihm von dem Betroffenen erteilten Auftrags als Verfahrensbevollmächtigter
für den Betroffenen handeln zu wollen.
BGH, Beschluss vom 15. August 2018 - XII ZB 370/17 - LG Dresden
AG Dresden
ECLI:DE:BGH:2018:150818BXIIZB370.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. August 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 7. Juli 2017 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 27. Juni 2017 verworfen wird. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene wendet sich gegen die durch Zeitablauf erledigte Genehmigung seiner geschlossenen Unterbringung.
2
Für den an einer psychischen Erkrankung leidenden Betroffenen ist seit dem Jahr 2016 eine Betreuung - unter anderem mit dem Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung und der Gesundheitssorge - eingerichtet. Sein Betreuer hat am 9. Mai 2017 die Genehmigung der geschlossenen Unterbringung des Betroffenen in einer psychiatrischen Klinik beantragt. Das Amtsgericht hat Rechtsanwalt B. zum berufsmäßigen Verfahrenspfleger bestellt und anschließend nach Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie nach Anhörung des Betroffenen mit Beschluss vom 27. Juni 2017 die Unterbringung des Betroffenen für die Dauer von zehn Wochen ab Zuführung, längstens bis zum 30. September 2017 genehmigt.
3
Gegen diesen Beschluss hat Rechtsanwalt B. mit Schriftsatz vom 30. Juni 2017 Beschwerde "im Namen des Betroffenen" eingelegt. Das Landgericht hat die Beschwerde nach erneuter Anhörung des Betroffenen mit Beschluss vom 7. Juli 2017 zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Betroffene die Feststellung, dass er durch die vorinstanzlichen Entscheidungen in seinen Rechten verletzt worden ist.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit ergibt sich auch im Fall der - hier vorliegenden - Erledigung der Unterbringungsmaßnahme aus § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 FamFG (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2016 - XII ZB 57/16 - FamRZ 2016, 2092 Rn. 5 mwN). Die Beschwerdebefugnis des Betroffenen folgt für das Verfahren der Rechtsbeschwerde daraus, dass seine Erstbeschwerde zurückgewiesen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 117/14 - FamRZ 2015, 249 Rn. 4 mwN). Die Rechtsbeschwerde hat aber keinen Erfolg, weil bereits die vom Verfahrenspfleger "im Namen des Betroffenen" eingelegte Erstbeschwerde unzulässig gewesen ist.
5
1. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers in einer Unterbringungssache soll die Wahrung der Belange des Betroffenen in dem Verfahren gewährleisten. Der Verfahrenspfleger hat daher in erster Linie die Pflicht, dem Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) Geltung zu verschaffen; außerdem hat er den tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Betreuten zu erkunden und in das Verfahren einzubringen (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Februar 2017 - XII ZB 341/16 - FamRZ 2017, 923 Rn. 17). Anders als der Betreuer in dem jeweiligen Aufgabenkreis ist er jedoch nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2015 - XII ZB 48/14 - FamRZ 2015, 918 Rn. 6 und vom 14. August 2013 - XII ZB 270/13 - juris Rn. 4 mwN). Daraus folgt, dass eine vom Verfahrenspfleger ausdrücklich im Namen des Betroffenen vorgenommene Verfahrenshandlung unzulässig und der Verfahrenspfleger insbesondere zur Einlegung der Beschwerde im Namen der Betroffenen nicht befugt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2017 - XII ZB 460/16 - FamRZ 2017, 1069 Rn. 4).
6
Etwas anderes ist nur dann möglich, wenn sich der Verfahrenspfleger nicht auf sein Amt, sondern ausdrücklich darauf beruft, vom Betroffenen mit der Einlegung einer Beschwerde beauftragt worden zu sein. In diesen Fällen muss sich aus der Beschwerdeschrift aber hinreichend deutlich ergeben, dass der Verfahrenspfleger - mit der Folge der Aufhebung seiner Bestellung (vgl. § 317 Abs. 4 FamFG) - seine bisherige Rolle im Verfahren aufgeben und als Verfahrensbevollmächtigter für den Betroffenen handeln will (vgl. Keidel/Budde FamFG 19. Aufl. § 276 Rn. 27).
7
2. Gemessen daran war die von dem Verfahrenspfleger im Namen des Betroffenen eingelegte Beschwerde unzulässig. In der Beschwerdeschrift beruft sich Rechtsanwalt B. ausdrücklich nur auf ein Handeln "im Namen" und nicht auf ein Handeln "im Namen und im Auftrag" des Betroffenen. Auch im Übrigen lässt die Beschwerdeschrift vom 30. Juni 2017 nicht hinreichend deutlich erkennen , dass Rechtsanwalt B. mit der Anbringung der Beschwerde aufgrund eines ihm erteilten Auftrags als (anwaltlicher) Verfahrensbevollmächtigter für den Betroffenen tätig werden will. Dies verdeutlicht auch der Schriftsatz von Rechtsanwalt B. vom gleichen Tag, in dem er als Verfahrenspfleger zur Notwendigkeit der geschlossenen Unterbringung Stellung nimmt und diese ausdrücklich befürwortet.
8
Das in der Beschwerdeschrift ausdrücklich als "Beschwerde des Betroffenen" bezeichnete Rechtsmittel lässt sich auch nicht in eine Beschwerde im eigenen Namen des Verfahrenspflegers umdeuten.
Dose Schilling Günter Botur Krüger
Vorinstanzen:
AG Dresden, Entscheidung vom 27.06.2017 - 405 XVII 1024/16 -
LG Dresden, Entscheidung vom 07.07.2017 - 2 T 588/17 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist insbesondere erforderlich, wenn von einer Anhörung des Betroffenen abge
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Annotations

(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist insbesondere erforderlich, wenn von einer Anhörung des Betroffenen abgesehen werden soll. Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers stets erforderlich.

(2) Bestellt das Gericht dem Betroffenen keinen Verfahrenspfleger, ist dies in der Entscheidung, durch die eine Unterbringungsmaßnahme genehmigt oder angeordnet wird, zu begründen.

(3) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.

(4) Als Verfahrenspfleger ist eine natürliche Person zu bestellen. Wer Verfahrenspflegschaften im Rahmen seiner Berufsausübung führt, soll nur dann zum Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Verfahrenspflegschaft bereit ist.

(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.

(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft der Endentscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.

(7) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

(8) Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist insbesondere erforderlich, wenn von einer Anhörung des Betroffenen abgesehen werden soll. Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers stets erforderlich.

(2) Bestellt das Gericht dem Betroffenen keinen Verfahrenspfleger, ist dies in der Entscheidung, durch die eine Unterbringungsmaßnahme genehmigt oder angeordnet wird, zu begründen.

(3) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.

(4) Als Verfahrenspfleger ist eine natürliche Person zu bestellen. Wer Verfahrenspflegschaften im Rahmen seiner Berufsausübung führt, soll nur dann zum Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Verfahrenspflegschaft bereit ist.

(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.

(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft der Endentscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.

(7) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

(8) Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.