Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2001 - XII ZB 102/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Gerichtskosten der Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien je zur Hälfte. Auûergerichtliche Kosten werden in diesen Verfahren nicht erstattet. Beschwerdewert: 1.000 DM.
Gründe:
I.
Die am 26. September 1975 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den der Ehefrau (Antragsgegnerin) am 24. November 2000 zugestellten Antrag des Ehemanns (Antragsteller) durch Verbundurteil vom 9. März 2001 geschieden (insoweit rechtskräftig) und der Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1. September 1975 bis 31. Oktober 2000; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarb die am 21. Februar 1957 geborene Ehefrau nach den tatrichterlichen Feststellungen Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz (weitere Beteiligte, LVA) in Höhe von 526,97 DM, monatlich und bezogen auf den 31. Oktober 2000. Daneben besteht ein auf die Ehezeit entfallender unverfallbarer Versorgungsanspruch bei der Geheimrat Frank’sches Sozialwerk GmbH in Höhe von 966,24 DM jährlich. Der am 19. November 1952 geborene Ehemann erwarb während der Ehezeit ebenfalls Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der LVA, und zwar nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts in Hö-he von 1.629,82 DM, monatlich und bezogen auf den 31. Oktober 2000. Daneben besteht ein auf die Ehezeit entfallendes Anrecht auf eine statische Betriebsrente bei der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in Höhe von 908,62 DM jährlich. Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daû es Rentenanwartschaften des Ehemanns bei der LVA in Höhe von monatlich 550,60 DM, bezogen auf den 31. Oktober 2000, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA übertragen hat. Bei der Berechnung der zu übertragenden Anwartschaften hat es die beiderseitigen statischen Anrechte nach Umrechnung in dynamische Anwartschaften beim Ausgleich nach § 1587 b Abs. 1 BGB berücksichtigt. Für die Umrechnung hat es den Barwert des statischen Anrechts des Ehemanns auf eine Betriebsrente nicht nach der Barwertverordnung , die es für verfassungswidrig erachtet, sondern unter Bezugnahme auf in der Literatur veröffentlichte "Ersatztabellen" mit 4.088,79 DM ermittelt und das Anrecht auf dieser Grundlage in eine dynamische Anwartschaft in Höhe von monatlich 18,88 DM, bezogen auf den 31. Oktober 2000, umgerechnet. Auf seiten der Ehefrau hat es die ebenfalls mit Hilfe der "Ersatztabelle" dynamisierte Anwartschaft auf eine betriebliche Versorgung in Höhe von 20,53 DM berücksichtigt. Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hat die LVA gerügt, das Amtsgericht habe bei der Umrechnung der statischen Anwartschaften nicht von der zwingend angeordneten Anwendung der Barwertverordnung absehen dürfen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der LVA, mit der sie weiterhin die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich begehrt.
II.
Die weitere Beschwerde ist begründet. 1. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Barwertverordnung sei verfassungswidrig, weil sie zu einer übermäûigen Abwertung der mit ihr bewerteten Anrechte führe und daher den Gleichheitssatz verletze. Dies beruhe darauf, daû die Barwertverordnung auf veralteten biometrischen Rechnungsgrundlagen beruhe, eine etwaige Hinterbliebenenversorgung bei der Barwertbildung unberücksichtigt bleibe und die Dynamik der gesetzlichen Rente und der Beamtenversorgung immer wesentlich unter dem Rechnungszins der Barwertverordnung von 5,5 % liege. Deshalb seien anstelle der Tabellen der Barwertverordnung die im Jahre 2000 veröffentlichten "Ersatztabellen" (Glockner/ Gutdeutsch FamRZ 2000, 270, 271) für die Barwertermittlung heranzuziehen. Dies habe das Amtsgericht korrekt getan. 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der erkennende Senat hat mit Beschluû vom 5. September 2001 entschieden , daû die Gerichte bei der Ermittlung der Barwerte für statische und teildynamische Anwartschaften grundsätzlich auch weiterhin an die Barwertverordnung und deren Tabellen gebunden sind; auf "Ersatztabellen" kann nicht zurückgegriffen werden (Senatsbeschluû vom 5. September 2001 - XII ZB 121/99 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Auf diesen Beschluû, dessen Abdruck beigefügt wird, wird verwiesen. Da keine Besonderheiten vorliegen, insbesondere der Versorgungsbezug noch nicht unmittelbar bevorsteht, bedarf es keiner individuellen Wertermittlung der Anrechte. 3. Danach können die Entscheidungen der Vorinstanzen keinen Bestand haben. Der Senat kann anhand der vom Tatrichter zugrunde gelegten Versor-gungsauskünfte, gegen die von seiten der Beteiligten keine Einwände erhoben wurden und auch sonst keine Bedenken ersichtlich sind, selbst entscheiden.
a) Auf seiten des Ehemanns sind in der Ehezeit erworbene Anwartschaften bei der LVA in Höhe von 1.629,82 DM für den Versorgungsausgleich zu berücksichtigen, sowie das unverfallbare Anrecht auf eine Betriebsrente bei der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB ist nur der zeitratierlich zu berechnende Ehezeitanteil der Betriebsrente auszugleichen, der tatrichterlich mit 908,62 DM festgestellt ist. Da der Wert der Versorgung nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung, ist der ehezeitlich erworbene Anteil der Versorgung gemäû § 1587 a Abs. 3, 4 BGB in eine dynamische Rente umzurechnen. Dies geschieht, indem zunächst der Barwert des im Anwartschafts- und Leistungsstadium statischen Anrechts, das für den Fall des Alters und der Invalidität zugesagt ist, nach Tabelle 1 BarwertVO ermittelt wird. Bei dem anzuwendenden Barwertfaktor von 3,3 (Alter des Ehemanns zum Ende der Ehezeit: 47 Jahre) ergibt sich ein Barwert von 2.998,45 DM. Zur Umrechnung in ein dynamisches Anrecht wird dieser Betrag fiktiv in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Der Betrag wird daher mit dem für das Ende der Ehezeit geltenden Umrechnungsfaktor der Rechengröûenbekanntmachung in Entgeltpunkte umgerechnet, diese sodann mit Hilfe des aktuellen Rentenwerts nach § 1587 a Abs. 3, 4 BGB in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies ergibt eine dynamisierte Rente von monatlich 13,85 DM (2.998,45 DM x 0,0000950479 Þ 0,2850 Entgeltpunkte x 48,58 DM = 13,85 DM). Der Ehemann hat daher während der Ehezeit insgesamt Anwartschaften in Höhe von 1.643,67 DM erworben.
b) Auf seiten der Ehefrau sind in der Ehezeit erworbene Anwartschaften bei der LVA in Höhe von monatlich 526,97 DM sowie die unverfallbare Anwartschaft auf eine betriebliche Versorgung bei der Geheimrat Frank’sches Sozialwerk GmbH in Höhe von 2.796 DM jährlich zu berücksichtigen. Der Ehezeitanteil dieses Anrechts ist tatrichterlich mit 966,24 DM berechnet. Auch der Wert dieser Versorgung steigt nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung. Es handelt sich daher um ein Anrecht nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB, das gemäû § 1587 a Abs. 3, 4 BGB unter Anwendung der Barwertverordnung in eine dynamische Rente umzurechnen ist. Da die Versorgung für den Fall des Alters und der Invalidität zugesagt ist, ist Tabelle 1 BarwertVO anzuwenden. Bei einem Alter der Ehefrau von 43 Jahren zum Ende der Ehezeit ist der Barwertfaktor von 2,7 zugrunde zu legen. Danach ergibt sich ein Barwert der Versorgung von 2.608,85 DM und eine dynamisierte Rente von monatlich 12,05 DM (2.608,85 DM x 0,0000950479 Þ 0,2480 Entgeltpunkte x 48,58 DM = 12,05 DM). Die Ehefrau hat damit während der Ehezeit insgesamt Anwartschaften in Höhe von 539,02 DM erworben.
c) Dementsprechend ist gemäû § 1587 a Abs. 1 BGB der Ehemann, der die werthöheren Anwartschaften erworben hat, in Höhe von 552,32 DM [(1.643,67 DM - 539,02 DM) : 2] ausgleichspflichtig. Der Ausgleich hat in Höhe von 551,42 DM [(1.629,82 DM - 526,97 DM) : 2] im Wege des Rentensplittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB zu erfolgen. Das Anrecht des Ehemannes auf eine betriebliche Altersversorgung richtet sich gegen einen inländischen privatrechtlich organisierten Versorgungsträger , der die Realteilung nicht zuläût. Es unterliegt daher grundsätzlich dem schuldrechtlichen Ausgleich nach § 2 VAHRG. Anstelle des schuldrechtli-
chen Ausgleichs kann jedoch nach § 3 b Nr. 1 VAHRG bis zur Höhe von 2 % des auf einen Monat entfallenden Teils der am Ende der Ehezeit maûgebenden Bezugsgröûe (§ 18 SGB IV), hier 89,60 DM, ein anderes vor oder während der Ehe erworbenes Anrecht des Verpflichteten, das seiner Art nach durch Übertragung oder Begründung von Anrechten ausgeglichen werden kann, zum Ausgleich herangezogen werden. Der Ausgleich erfolgt daher im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Nr. 1 VAHRG in Höhe von 0,90 DM monatlich [(13,85 DM - 12,05 DM) : 2), bezogen auf den 31. Oktober 2000.
d) Der Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB von 1.918,22 DM ist nicht überschritten. Die übertragenen Rentenanwartschaften sind nach § 1587 b Abs. 6 BGB in Entgeltpunkte umzurechnen. Blumenröhr Gerber Wagenitz Fuchs Ahlt
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Annotations
Nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes findet zwischen den geschiedenen Ehegatten ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten statt, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge.
(1) Bezugsgröße im Sinne der Vorschriften für die Sozialversicherung ist, soweit in den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes bestimmt ist, das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag.
(2) Die Bezugsgröße für das Beitrittsgebiet (Bezugsgröße [Ost]) verändert sich zum 1. Januar eines jeden Kalenderjahres auf den Wert, der sich ergibt, wenn der für das vorvergangene Kalenderjahr geltende Wert der Anlage 1 zum Sechsten Buch durch den für das Kalenderjahr der Veränderung bestimmten Wert der Anlage 10 zum Sechsten Buch geteilt wird, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag. Für die Zeit ab 1. Januar 2025 ist eine Bezugsgröße (Ost) nicht mehr zu bestimmen.
(3) Beitrittsgebiet ist das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet.