Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2016 - X ZB 7/16

ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:201216BXZB7.16.0
published on 20/12/2016 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2016 - X ZB 7/16
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Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 7/16
vom
20. Dezember 2016
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
ECLI:DE:BGH:2016:201216BXZB7.16.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichthofs hat am 20. Dezember 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski und Dr. Bacher sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 14. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 3. November 2015 wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Die Rechtsbeschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung einer Patentanmeldung.
2
Die Anmeldung wurde am 27. März 1998 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 27. März 1997 eingereicht und betrifft die Verwendung von Kollagenase zur Behandlung der Dupuytren-Krankheit. Anspruch 1 hat in der mit dem Hauptantrag zuletzt geltend gemachten Fassung folgenden Wortlaut: Kollagenase zur Anwendung bei der Behandlung der Dupuytren-Krankheit, wobei die Kollagenase hergerichtet ist zur Injektion in einen fibrösen DupuytrenStrang einer Hand in einer Gesamtmenge von wenigstens 8000 ABC-Einheiten Kollagenase in einer Konzentration von etwa 15 000 bis 75 000 ABC-Einheiten pro ml Träger, und zur Ruhigstellung der Hand sofort nach der Injektion für mehrere Stunden.
3
Das Patentamt hat die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des Anspruchs beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die erste Beschwerdeentscheidung, mit der das Patentgericht das Rechtsmittel der Anmelderin zurückgewiesen hatte, hat der Senat auf die vom Patentgericht zugelassene Rechtsbeschwerde aufgehoben (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014 - X ZB 5/13, BGHZ 200, 229 = GRUR 2014, 461 - Kollagenase I).
4
Nach Zurückverweisung der Sache hat das Patentgericht die Beschwerde erneut zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der vom Patentgericht nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
5
II. Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
6
1. Der Umstand, dass das Patentgericht von der beantragten Einholung eines fachärztlichen Sachverständigengutachtens abgesehen hat, begründet keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
7
a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sein, wenn ein technischer Beschwerdesenat von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absieht, obwohl es sich aufgrund konkreter Umstände aufdrängt, dass es zur Beurteilung des Sachverhalts der Heranziehung zusätzlicher externer Sachkunde bedarf (BGH, Beschluss vom 26. August 2014 - X ZB 19/12, GRUR 2014, 1235 Rn. 8 f. - Kommunikationsrouter

).


8
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind diese Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt.
9
aa) Das Patentgericht hat entschieden, dass als Fachmann, dessen Kenntnisse für die Beurteilung der Patentfähigkeit maßgeblich sind, ein Team anzusehen ist, dem ein in der Entwicklung von Arzneistoffen erfahrener Chemiker oder Pharmazeut, ein pharmazeutischer Technologe sowie ein in der Forschung tätiger Facharzt der Orthopädie angehören. Seine Beurteilung, es habe nahegelegen, die Hand des Patienten nach der Injektion ruhigzustellen, hat es auf die Erwägung gestützt, zumindest der zum Team gehörende Chemiker oder Pharmazeut werde aufgrund seines Wissens um die Verteilung von Wirkstoffen im Körper von vornherein im Blick haben, dass die angestrebte Wirkung verbessert werde, wenn die Eliminierung des Wirkstoffs am ins Auge gefassten Wirkort vermindert werde.
10
bb) Von diesem Ausgangspunkt aus drängte sich die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens nicht auf.
11
Die Anmelderin hat zwar geltend gemacht, aus ärztlicher Sicht sei das Ruhigstellen der Hand weder als zum Standard-Repertoire gehörend anzusehen noch aus sonstigen Gründen nahegelegt. Diese Argumentation hat das Patentgericht aber als rechtlich unerheblich qualifiziert, weil es das Wissen eines Chemikers oder Pharmazeuten als ausschlaggebend angesehen hat. Angesichts dessen gab es keine sich aufdrängende Veranlassung, auf die externe Sachkunde eines Facharztes zurückzugreifen.
12
Ob der rechtliche Ausgangspunkt des Patentgerichts inhaltlich zutreffend ist, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht verletzt, wenn ein Gericht deshalb von einer beantragten Beweisaufnahme absieht, weil es die unter Beweis gestellte Tatsache für unerheblich hält. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob die Auffassung des Gerichts auf einer zutreffenden rechtlichen Beurteilung beruht.
13
Die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen wird erst dann überschritten , wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird (BVerfG NVwZ 2008, 778 Rn. 13). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
14
2. Der angefochtenen Entscheidung fehlt es nicht an einer hinreichenden Begründung.
15
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats rechtfertigt eine sachlich fehlerhafte, unvollständige oder unschlüssige Begründung nicht die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG. Eine Entscheidung ist vielmehr nur dann im Sinne der genannten Vorschrift nicht mit Gründen versehen, wenn eines von mehreren selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmitteln bei der Begründung übergangen ist.
16
Ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel in diesem Sinne ist nur bei einem solchen Tatbestand gegeben, der für sich allein rechtsbegründend , rechtsvernichtend, rechtshindernd oder rechtserhaltend wäre. Dazu gehört die Frage der erfinderischen Tätigkeit, nicht jedoch ein einzelner Gesichtspunkt , der für deren Bejahung oder Verneinung in Betracht zu ziehen ist (BGH, Beschluss vom 15. April 2010 - Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950 Rn. 8 - Walzenformgebungsmaschine ). Deshalb ist eine Beschwerdeentscheidung nicht schon deshalb nicht mit Gründen versehen, weil das Patentgericht nicht näher dargelegt hat, welches technische Problem der Erfindung zugrunde liegt (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 1976 - X ZB 20/75, GRUR 1977, 214, 215 - Aluminiumdraht ), oder weil es eine einzelne Entgegenhaltung unerwähnt gelassen hat (BGH, Beschluss vom 10. August 2011 - X ZA 1/11, GRUR 2011, 1055 Rn. 6 - Formkörper mit Durchtrittsöffnungen).
17
b) Im Streitfall hat das Patentgericht seine Auffassung, der beanspruchte Gegenstand sei nicht patentfähig, im Einzelnen begründet. Die nach Ansicht der Rechtsbeschwerde übergangene Frage, ob der Fachmann aufgrund der im angefochtenen Beschluss dargestellten Kenntnisse Anlass hatte, das Ruhigstellen der Hand als Mittel zur verbesserten Anwendung in Betracht zu ziehen, stellt nur einen einzelnen Gesichtspunkt für die Beurteilung der Patentfähigkeit dar, nicht hingegen ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel im aufgezeigten Sinne.
18
3. Art. 103 Abs. 1 GG ist auch nicht aus anderen Gründen verletzt.
19
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde brauchte das Patentgericht nicht ausdrücklich auf das Vorbringen der Anmelderin einzugehen, ein Ruhigstellen des betroffenen Körperteils habe bei intravenösen Injektionen in der Regel keinen und bei intramuskulären oder subkutanen Injektionen allenfalls beschränkten und von den jeweiligen Umständen abhängigen Einfluss auf die Verteilung des Wirkstoffs.
20
Das Patentgericht hat für den beanspruchten Gegenstand als entscheidend angesehen, dass die Injektion in fibröse Stränge erfolgt, die aufgrund ihrer dichten Struktur den Wirkstoff nur unzureichend aufnehmen. Von diesem Ausgangspunkt aus kommt der Frage, ob ein Ruhigstellen auch bei anderen Injektionsformen vorteilhaft sein kann, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Eine ausdrückliche Befassung mit diesem Gesichtspunkt war schon deshalb entbehrlich , weil auch die Anmelderin geltend gemacht hat, die Verteilung des injizierten Stoffs hänge von den konkreten Umständen ab, unter denen die Injektion erfolge.
21
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Patentgericht die Argumentation der Anmelderin, der Fachmann hätte im Hinblick auf die zu erwartende erhöhte lokale Toxizität und Verletzungsgefahr für benachbarte gesunde Gewebestrukturen von einem Ruhigstellen der Hand abgesehen, nicht übergangen.
22
Das Patentgericht hat diese Argumentation als nicht stichhaltig angesehen , weil Kollagenase im Stand der Technik stets als nicht toxisch bzw. gut toleriert beschrieben worden sei und deshalb keine besonderen Schwierigkeiten erkennbar seien, die den Fachmann von Versuchen abgehalten hätten, die in Rede stehende Maßnahme hinsichtlich ihrer Wirkung zu überprüfen.
23
Damit ist das Patentgericht auf den Kern des Vorbringens eingegangen. Es hat zwar nicht zwischen den von der Anmelderin in den Vordergrund gestellten Gefahren für unmittelbar benachbarte Gewebestrukturen und sonstigen Ge- fahren differenziert. Eine solche Differenzierung war von seinem Ausgangspunkt aus aber auch nicht zwingend geboten.
24
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. § 109 Abs. 1 Satz 1 PatG, § 22 Abs. 1 GKG).
25
III. Eine mündliche Verhandlung erachtet der Senat nicht als erforderlich (§ 107 Abs. 1 Halbsatz 2 PatG).
Meier-Beck Grabinski Bacher
Schuster Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 03.11.2015 - 14 W(pat) 12/09 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:

1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
wenn bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
wenn der Beschluß auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
wenn der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, so sind die durch die Rechtsbeschwerde veranlaßten Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Hat ein Beteiligter durch grobes Verschulden Kosten veranlaßt, so sind ihm diese aufzuerlegen.

(2) Dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts können Kosten nur auferlegt werden, wenn er die Rechtsbeschwerde eingelegt oder in dem Verfahren Anträge gestellt hat.

(3) Im übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten mit Ausnahme der Restitutionsklage nach § 580 Nummer 8 der Zivilprozessordnung sowie in Verfahren nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 14, Absatz 2 Nummer 1 bis 3 sowie Absatz 4 schuldet die Kosten, wer das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat. Im Verfahren, das gemäß § 700 Absatz 3 der Zivilprozessordnung dem Mahnverfahren folgt, schuldet die Kosten, wer den Vollstreckungsbescheid beantragt hat. Im Verfahren, das nach Einspruch dem Europäischen Mahnverfahren folgt, schuldet die Kosten, wer den Zahlungsbefehl beantragt hat. Die Gebühr für den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs schuldet jeder, der an dem Abschluss beteiligt ist.

(2) In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen ist Absatz 1 nicht anzuwenden, soweit eine Kostenhaftung nach § 29 Nummer 1 oder 2 besteht. Absatz 1 ist ferner nicht anzuwenden, solange bei einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz nicht feststeht, wer für die Kosten nach § 29 Nummer 1 oder 2 haftet, und der Rechtsstreit noch anhängig ist; er ist jedoch anzuwenden, wenn das Verfahren nach Zurückverweisung sechs Monate geruht hat oder sechs Monate von den Parteien nicht betrieben worden ist.

(3) In Verfahren über Anträge auf Ausstellung einer Bestätigung nach § 1079 der Zivilprozessordnung, einer Bescheinigung nach § 1110 der Zivilprozessordnung oder nach § 57, § 58 oder § 59 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes schuldet die Kosten der Antragsteller.

(4) Im erstinstanzlichen Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz ist Absatz 1 nicht anzuwenden. Die Kosten für die Anmeldung eines Anspruchs zum Musterverfahren schuldet der Anmelder. Im Verfahren über die Rechtsbeschwerde nach § 20 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes schuldet neben dem Rechtsbeschwerdeführer auch der Beteiligte, der dem Rechtsbeschwerdeverfahren auf Seiten des Rechtsbeschwerdeführers beigetreten ist, die Kosten.