Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2013 - X ARZ 622/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Der Kläger nimmt die Beklagte nach Kündigung eines Ausbildungsvertrags auf Zahlung restlicher Vergütung in Anspruch.
- 2
- Das ursprünglich angerufene Amtsgericht Freiburg im Breisgau äußerte Bedenken hinsichtlich seiner örtlichen Zuständigkeit, weil die Beklagte ihren Wohnsitz schon vor Klageerhebung von Freiburg nach Basel verlegt und die Ausbildung in Stuttgart stattgefunden habe. Der Kläger beantragte daraufhin vorsorglich die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Stuttgart. Die Beklagte teilte mit, sie halte das Amtsgericht Freiburg sowohl als Wohnsitzgericht als auch als Gericht des Erfüllungsortes für zuständig, und hielt an dieser Auffassung auch nach einem erneuten gerichtlichen Hinweis fest.
- 3
- Mit Beschluss vom 18. Juni 2012 hat sich das Amtsgericht Freiburg für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Stuttgart verwiesen. Das Amtsgericht Stuttgart hat die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und das Oberlandesgericht Karlsruhe um Entscheidung über den Gerichtsstand ersucht. Dieses hat die Sache gemäß § 36 Abs. 3 ZPO dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
- 4
- II. Die Vorlage ist zulässig.
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- Das vorlegende Oberlandesgericht will seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde legen, der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Freiburg sei bindend. Damit würde es von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart abweichen, das eine Verweisung als nicht bindend ansieht, wenn der Beklagte zuvor angekündigt hat, rügelos zur Hauptsache zu verhandeln (OLG Stuttgart, Beschluss vom 28. Juli 2009 - 19 W 37/09, NJW-RR 2010, 792; Beschluss vom 23. Januar 2012 - 5 AR 1/12; ebenso BayObLG, Beschluss vom 14. Oktober 2002 - 1 ZAR 140/02, NJW 2003, 366).
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- III. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
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- Die beiden mit der Sache befassten Amtsgerichte haben sich im Sinne dieser Vorschrift bindend für unzuständig erklärt.
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- IV. Zuständig zur Entscheidung über das Klagebegehren ist das Amtsgericht Stuttgart.
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- Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Freiburg im Breisgau vom 18. Juni 2012 ist gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend.
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- 1. Wie der Senat nach Erlass des Vorlagebeschlusses entschieden hat, ist eine Verweisung des Rechtsstreits wegen örtlicher Unzuständigkeit auch dann bindend, wenn der Beklagte zwar erklärt hat, er werde die örtliche Unzuständigkeit in der mündlichen Verhandlung nicht rügen, auf die Zuständigkeitsrüge aber nicht verzichtet hat (BGH, Beschluss vom 20. Februar 2013 - X ARZ 507/12, zur Veröffentlichung vorgesehen).
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- Bei Anlegung dieses rechtlichen Maßstabes kommt auch dem hier zu beurteilenden Verweisungsbeschluss die im Gesetz vorgesehene Bindungswirkung zu. Den Ausführungen der Beklagten zur örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Freiburg mag die Ankündigung zu entnehmen sein, dass sie in einer mündlichen Verhandlung die Rüge der Unzuständigkeit nicht erheben werde. Als endgültigen Verzicht auf diese Rüge musste das Amtsgericht das Vorbringen der Beklagten aber nicht verstehen.
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- 2. Eine abweichende Beurteilung ergibt sich nicht aus § 504 und § 39 Satz 2 ZPO.
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- Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 20. Februar 2013 (X ARZ 507/12) näher ausgeführt hat, beruht die Regelung in § 39 Satz 1 ZPO auf der Erwägung, dass es nicht hinnehmbar wäre, wenn sich der Beklagte in Kenntnis der Unzuständigkeit auf eine Verhandlung vor dem an sich unzuständigen Gericht einlassen und in einem späteren Stadium des Prozesses noch die Rüge der Unzuständigkeit erheben könnte. Der Regelung kann aber nicht entnommen werden, dass das Gericht dem Beklagten auch dann stets die Möglichkeit einräumen muss, die Zuständigkeit durch rügeloses Verhandeln zur Hauptsache zu begründen, wenn der Kläger schon vor der mündlichen Verhandlung die Verweisung an das zuständige Gericht beantragt.
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- § 504 und § 39 Satz 2 ZPO modifizieren diese Regelung lediglich dahin, dass der Beklagte die Rügemöglichkeit in einem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht nur dann verlieren kann, wenn er sich dieser Folge bewusst ist. Auch daraus kann jedoch nicht entnommen werden, dass der Beklagte stets die Möglichkeit haben müsste, die Zuständigkeit durch rügelose Verhandlung zu begründen (ebenso OLG München, Beschluss vom 20. August 2012 - 34 AR 312/12, ZIP 2012, 2180; OLG Schleswig, Beschluss vom 11. Juli 2012 - 2 W 187/11; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 22. April 2010 - 2 AR 12/10, MDR 2010, 832).
Hoffmann Schuster
Vorinstanzen:
AG Stuttgart, Entscheidung vom 03.07.2012 - 18 C 3043/12 (2) -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 04.12.2012 - 9 AR 29/12 -
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(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.
(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.
(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.
Ist das Amtsgericht sachlich oder örtlich unzuständig, so hat es den Beklagten vor der Verhandlung zur Hauptsache darauf und auf die Folgen einer rügelosen Einlassung zur Hauptsache hinzuweisen.
Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges wird ferner dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. Dies gilt nicht, wenn die Belehrung nach § 504 unterblieben ist.
Ist das Amtsgericht sachlich oder örtlich unzuständig, so hat es den Beklagten vor der Verhandlung zur Hauptsache darauf und auf die Folgen einer rügelosen Einlassung zur Hauptsache hinzuweisen.
Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges wird ferner dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. Dies gilt nicht, wenn die Belehrung nach § 504 unterblieben ist.