Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2016 - VIII ZR 300/15

ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:111016BVIIIZR300.15.0
published on 11/10/2016 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2016 - VIII ZR 300/15
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Amtsgericht Landsberg am Lech, 1 C 723/14, 22/04/2015
Landgericht Augsburg, 43 S 1836/15, 11/11/2015

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 300/15
vom
11. Oktober 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB reicht eine
sogenannte Vorratskündigung, der ein gegenwärtig noch nicht absehbarer Nutzungswunsch
der Eigenbedarfsperson zugrunde liegt, nicht aus (Bestätigung von
BGH, Urteile vom 23. September 2015 - VIII ZR 297/14, NJW 2015, 3368; vom
18. Mai 2005 - VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395). Vielmehr muss sich der Nutzungswunsch
so weit "verdichtet" haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen
Eigennutzung besteht (Bestätigung von BGH, Urteil vom 23. September
2015 - VIII ZR 297/14, aaO).

b) Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des
Mieters nicht in die Tat um, so liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur
vorgeschoben gewesen ist. Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten
, substantiiert und plausibel ("stimmig") darzulegen, aus welchem Grund der mit
der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. Hierbei
sind strenge Anforderungen zu stellen. Erst wenn der Vortrag des Vermieters diesem
Maßstab genügt, obliegt dem Mieter der Beweis, dass ein Selbstnutzungswille
des Vermieters schon vorher nicht bestand (Bestätigung von BGH, Urteil vom
18. Mai 2005 - VIII ZR 368/03, aaO).
ECLI:DE:BGH:2016:111016BVIIIZR300.15.0

ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 286 Abs. 1 A Die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts hinsichtlich der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung ist nicht auf den Umfang beschränkt, in dem eine zweitinstanzliche Tatsachenfeststellung der Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt. Daher hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Überzeugungsbildung nicht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen. Vielmehr können sich Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Bewertungen der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ergeben (im Anschluss an BGH, Urteile vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313, 316 f.; vom 21. Juni 2016 - VI ZR 403/14, VersR 2016, 1194; vom 29. Juni 2016 - VIII ZR 191/15, NJW 2016, 3015; Beschluss vom 10. Mai2016 - VIII ZR 214/15, NJW-RR 2016, 982). BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2016 - VIII ZR 300/15 - LG Augsburg AG Landsberg am Lech
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Oktober 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Prof. Dr. Achilles, Dr. Bünger und Kosziol

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Augsburg - 4. Zivilkammer - vom 11. November 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Gerichtskosten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Der Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird auf bis zu 30.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin, die Mieterin einer Einzimmerwohnung des Beklagten in L. war, nimmt diesen auf Schadensersatz wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs in Anspruch. Der Beklagte hatte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 27. April 2011 zum 31. Januar 2012 gekündigt und geltend gemacht, die Wohnung werde "dringend" benötigt, um seine pflegebedürftige, im Jahr 1926 geborene Mutter, die allein in ihrem Einfamilienhaus in K. lebte, aufzunehmen.
2
Der nachfolgende Räumungsrechtsstreit wurde durch einen Prozessvergleich beendet, in dem die Parteien eine Räumungsfrist bis zum 31. August 2012 vereinbarten und die Klägerin bei fristgerechtem Auszug 1.000 € erhalten sollte. Seit dem Auszug der Klägerin im August 2012 steht die von ihr geräumte Wohnung leer. Die Mutter des Beklagten zog nicht um und verstarb am 7. November 2014.
3
Zwischen den Parteien ist im Wesentlichen im Streit, ob die Mutter des Beklagten ihr Haus in K. verlassen und in die Wohnung nach L. umziehen wollte.
4
Das Amtsgericht hat die Klage, die im Verfahren der Nichtzulassungsbe- schwerde noch auf Schadensersatz in Höhe von 23.642,33 € und Zahlung au- ßergerichtlicher Anwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, sowie - sinngemäß - Feststellung der Pflicht des Beklagten zur Erstattung aller sich aus der Räumung und Herausgabe der von der Klägerin gemieteten Wohnung ergebenden Kosten bis zum 31. August 2017 gerichtet ist, abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

5
Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die angefochtene Ent- scheidung verletzt in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
6
1. Das Berufungsgericht hat das Schadensersatz- und Feststellungsbegehren der Klägerin wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs im Einklang mit dem Amtsgericht als unbegründet angesehen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
7
Die Beweiswürdigung durch das Amtsgericht lasse Rechtsfehler im Sinne von § 286 ZPO nicht erkennen. Es habe die tragenden Gründe der Beweiswürdigung soweit angeführt, dass eine sachentsprechende Beurteilung erkennbar geworden sei. Gedankliche Widersprüche, ein Verstoß gegen Erfahrungssätze beziehungsweise Denkgesetze oder eine Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung sei auch unter Würdigung der Berufungsbegründung nicht ersichtlich. Auf der Grundlage der Beweisaufnahme habe das Gericht nachvollziehbar zu der Überzeugung gelangen können, dass ein Eigenbedarf für die Mutter des Beklagten zum Zeitpunkt der Kündigung vorgelegen habe und bis zum Auszug der Klägerin nicht entfallen sei. Die Überzeugungsbildung des Amtsgerichts sei nachvollziehbar und nicht zu beanstanden.
8
Zwar sei es denkbar, dass die von der Berufung aufgeworfenen Fragen zu einer anderen Würdigung führen könnten. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung sei es jedoch möglich, dass unterschiedliche Gerichte in nicht zu beanstandender Weise zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen könnten.
9
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung, ob zum Zeitpunkt der Kündigung und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich Eigenbedarf bestanden hat, in mehrfacher Hinsicht entscheidungserhebliches Vorbringen der Klägerin unter Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) außer Acht gelassen hat.
10
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht soll sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und der Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines solchen Beweisangebotes verstößt daher dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerfG, WM 2012, 492 Rn. 14; JZ 2015, 1053 Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 22. März 2016- VI ZR 163/14, juris Rn. 4; vom 23. August 2016 - VIII ZR 178/15, WuM 2016, 628 Rn. 10; jeweils mwN). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht verkannt.
11
a) Die Klägerin hat schon in erster Instanz behauptet und durch das Zeugnis des behandelnden Arztes der Mutter des Beklagten, Dr. med. V. , unter Beweis gestellt, diese habe im April 2011 nicht die Absicht gehabt, ihr eigenes Haus zu verlassen. Die Klägerin hat sich dabei auf ein vom Beklagten vorgelegtes Attest vom 4. Juli 2014 gestützt, wonach die Patientin "in dieser Zeit" im eigenen Haus versorgt gewesen sei, "die Kinder" - der Beklagte und seine Geschwister M. und I. S. , nicht die Mutter selbst - jedoch geplant hätten, sie "evtl." zu sich zu nehmen. Ferner hat die Klägerin den Zeugen Dr. V. zum Beweis dafür benannt, dass die Demenzerkrankung der - nicht unter Betreuung stehenden - Mutter des Beklagten nicht so weit fortgeschritten gewesen sei, dass ihr eigener Wille durch denjenigen ihrer Kinder hät- te ersetzt werden können. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin das unerledigt gebliebene Beweisangebot wiederholt.
12
Dieser Vortrag ist entscheidungserheblich und vom Berufungsgericht übergangen worden. Denn Eigenbedarf (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) liegt nicht vor, wenn die vom Vermieter benannte Eigenbedarfsperson gar nicht die Absicht hat, in die Wohnung einzuziehen (vgl. BVerfG, NJW 1993, 2165, 2166 [zu § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB aF]). Eine Beweisaufnahme zu diesem Vorbringen der Klägerin war daher erforderlich, denn die Nichterhebung des angebotenen Beweises findet im Prozessrecht keine Stütze.
13
b) Des Weiteren hat das Berufungsgericht die Grundsätze der Wahrunterstellung missachtet und auch dadurch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt.
14
Die Klägerin hat behauptet, die Mutter des Beklagten habe am 11. Februar 2014 in einem Telefonat mit dem Zeugen B. geäußert, sie habe "nie" die Absicht gehabt, aus ihrem Haus auszuziehen. Das Amtsgericht hat den Zeugen nicht vernommen und zur Begründung ausgeführt, es könne als wahr unterstellt werden, dass die Mutter des Beklagten ihre Umzugsabsicht im Februar 2014 verneint habe. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin das Beweisangebot wiederholt.
15
Das Berufungsgericht ist dem unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht nachgegangen. Voraussetzung einer zulässigen Wahrunterstellung ist, dass die Behauptung so übernommen wird, wie die Partei sie aufgestellt hat (BGH, Beschlüsse vom 24. September 2015 - IX ZR 266/14, juris Rn. 8; vom 23. August 2016 - VIII ZR 178/15, aaO Rn. 12). Bei vollständiger Wahrunterstellung folgte aus der Behauptung der Klägerin, dass die Mutter des Beklagten nicht nur zur Zeit des Telefonats im Februar 2014, sondern niemals ernstlich beabsichtigte, aus ihrem Haus auszuziehen. Damit ist die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht nicht vereinbar.
16
c) Schließlich hat das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zur fehlenden Umzugsabsicht der Mutter des Beklagten bereits in seinem wesentlichen Kern nicht erfasst und damit erneut gegen das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 2016 - EnVZ 30/15, juris Rn. 23; vom 24. November 2015 - VIII ZR 36/15, juris Rn. 14; vom 21. Januar 2014 - VIII ZR 72/13, juris Rn. 5).
17
Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass der Eigenbedarf im Kündigungsschreiben vom 27. April 2011 als "dringend" und in der Klageschrift des Räumungsprozesses als "akut" bezeichnet worden ist, die Wohnunghingegen bis Mitte April 2013 als Fahrradstellplatz benutzt worden sei. Zwar hat das Berufungsgericht dazu ausgeführt, der zeitliche Ablauf spreche nicht gegen den geltend gemachten Eigenbedarf, weil dieser weder einen Notfall noch eine Zwangslage voraussetze. Diese Würdigung verkennt jedoch den wesentlichen Kern des Vortrags der Klägerin.
18
Denn der zeitliche Ablauf ist ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Kündigung vom 27. April 2011 zum 31. Januar 2012 eine mögliche spätere Nutzung erst vorbereiten sollte, der Nutzungswunsch der Mutter des Beklagten aber noch unbestimmt war und erst geweckt werden musste. Darauf können namentlich die Bekundungen der Zeugin I. S. hindeuten ("Man macht nicht die Pferde scheu, bevor es soweit ist"; "steter Tropfen höhlt den Stein; von daher habe ich dieses Thema immer wieder angesprochen.").
19
Für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB reicht eine sogenannte Vorratskündigung, der ein gegenwärtig noch nicht absehbarer Nutzungswunsch der Eigenbedarfsperson zugrunde liegt, jedoch nicht aus (vgl. Senatsurteile vom 23. September 2015 - VIII ZR 297/14, NJW 2015, 3368 Rn. 22; vom 18. Mai 2005 - VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395 unter II 2; BVerfG, WuM 2002, 21, 22; jeweils mwN). Vielmehr muss sich der Nutzungswunsch soweit "verdichtet" haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung besteht (Senatsurteil vom 23. September 2015 - VIII ZR 297/14, aaO).
20
3. Auf den vorgenannten Verfahrensverstößen beruht die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts, denn es ist nicht auszuschließen, dass es bei Berücksichtigung des genannten Vortrags der Klägerin eine Umzugsabsicht der Mutter des Beklagten verneint hätte.

III.

21
Die angefochtene Entscheidung ist deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO). Dabei macht der Senat von den Möglichkeiten des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO sowie - hinsichtlich der Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch.
22
Für das weitere Berufungsverfahren sieht der Senat Anlass zu folgenden Hinweisen im Hinblick auf die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts und auf die Darlegungslast des Vermieters bei einem im Anschluss an den Auszug des Mieters nicht verwirklichten Eigenbedarf:
23
1. Die bisherigen Ausführungen des Berufungsgerichts zum Umfang seiner Prüfungskompetenz lassen besorgen, dass es verkannt hat, dass diese nicht - wie die revisionsrechtliche Prüfung - auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt ist. Bei der Berufungsinstanz handelt es sich auch nach Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes um eine zweite - wenn auch eingeschränkte - Tatsacheninstanz, deren Aufgabe in der Gewinnung einer "fehlerfreien und überzeugenden" und damit "richtigen" Entscheidung des Einzelfalles besteht (BGH, Urteile vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313, 315 f.; vom 8. Dezember 2015 - X ZR 98/13, BGHZ 208, 154 Rn. 33; vom 21. Juni 2016 - VI ZR 403/14, VersR 2016, 1194 Rn. 11; Beschluss vom 10. Mai 2016 - VIII ZR 214/15, NJW-RR 2016, 982 Rn.16 mwN; siehe auch Begründung des Regierungsentwurfes eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 59 f.; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/6036, S. 124).
24
Daher hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Überzeugungsbildung nicht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen. Vielmehr können sich Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, anders als das Berufungsgericht offenbar gemeint hat, auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Bewertungen der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ergeben (vgl. BGH, Urteile vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03, aaO S. 316 f.; vom 21. Juni 2016 - VI ZR 403/14, aaO; vom 29. Juni 2016 - VIII ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 26; Beschluss vom 10. Mai 2016 - VIII ZR 214/15, aaO Rn. 16; jeweils mwN). Besteht aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, ist es somit zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichtet (BGH, Urteile vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03, aaO S. 317; vom 21. Juni 2016 - VI ZR 403/14, aaO; jeweils mwN). Hält es das Berufungsgericht - wie hier - für denkbar, dass die von der Berufung aufgeworfenen Fragen zu einer anderen Würdigung führen können, besteht Anlass für die Überlegung, ob für die andere Würdigung zumindest eine gewis- se Wahrscheinlichkeit spricht und deshalb Anlass zu einer Wiederholung der Beweisaufnahme besteht.
25
2. Der Mieter hat in die für den Eigenbedarf geltend gemachten Tatsachen regelmäßig keinen Einblick und kann ohne nähere Darlegung seitens des Vermieters nicht beurteilen, ob dessen Kündigung wegen Eigenbedarfs, die den Mieter zum Auszug veranlasst hat, berechtigt war. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat um, so liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben gewesen ist (Senatsurteil vom 18. Mai 2005 - VIII ZR 368/03, aaO unter II 3 b cc; siehe auch BVerfG, NJW 1997, 2377). Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten, substantiiert und plausibel ("stimmig", siehe Senatsurteil vom 18. Mai 2005 - VIII ZR 368/03, aaO, unter Hinweis auf BVerfG, aaO) darzulegen , aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll; insoweit sind strenge Anforderungen zu stellen. Erst wenn der Vortrag des Vermieters diesem Maßstab genügt, obliegt dem Mieter der Beweis, dass ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestand (Senatsurteil vom 18. Mai 2005 - VIII ZR 368/03, aaO).
26
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Beklagten den vorgenannten - strengen - Anforderungen an die Darlegung eines nachträglichen Wegfalls des Eigenbedarfs genügen, nicht erörtert. Das Amtsgericht hat angenommen, der Wegfall des Eigenbedarfs sei plausibel dargelegt, weil der Gesundheitszustand der Mutter sich im Sommer 2013 erheblich verschlechtert und ab diesem Zeitpunkt eine dauernde Pflegekraft erfordert habe, so dass ein Umzug in die zuvor von der Klägerin bewohnte (Einzimmer-)Wohnung nicht mehr möglich gewesen sei. Dabei ist allerdings unberücksichtigt geblieben, dass die Klägerin die Wohnung bereits Ende August 2012 zurückgegeben hat, weshalb die erst ein Jahr später eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht ansatz- weise (und erst recht nicht bei der gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabs ) erklärt, warum der Eigenbedarf ein Jahr zuvor nicht zeitnah nach der Rückgabe verwirklicht worden ist. Auch der (angeblich) nicht besenreine Zustand der Wohnung bei Rückgabe und das Vorhandensein angeblicher (nicht näher bezeichneter) Schäden vermögen nicht zu erklären, warum der im Kündigungsschreiben und im Prozess als dringlich bezeichnete Eigenbedarf nicht im Spätsommer 2012 zügig verwirklicht worden ist, gegebenenfalls nach kurzfristiger Durchführung von Reinigungsarbeiten und Dokumentation etwaiger Schäden. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Bünger Kosziol
Vorinstanzen:
AG Landsberg am Lech, Entscheidung vom 22.04.2015 - 1 C 723/14 -
LG Augsburg, Entscheidung vom 11.11.2015 - 43 S 1836/15 -
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Annotations

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.