Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2017 - VIII ZR 262/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. März 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, den Richter Dr. Schneider, die Richterin Dr. Fetzer, den Richter Dr. Bünger und die Richterin Dr. Bußmann
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Beklagte ist vom Berufungsgericht mit für vorläufig vollstreckbar erklärtem Urteil vom 28. September 2016 zur Räumung und Herausgabe der von ihm genutzten Wohnung des Klägers in München verurteilt worden. Der zuständige Gerichtsvollzieher hat angekündigt, am Donnerstag, dem 9. März 2017 eine Zwangsräumung durchzuführen. Der Beklagte, der gegen das Berufungsurteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat, beantragt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung.
II.
- 2
- Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist unbegründet. Nach § 719 Abs. 2 ZPO, der gemäß § 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO in dem hier gegebenen Fall der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechende Anwendung findet, kann das Revisionsgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil anordnen , wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat (st. Rspr.; zuletzt Senatsbeschlüsse vom 15. August 2012 - VIII ZR 238/12, WuM 2012, 571 Rn. 6 mwN; vom 22. Oktober 2013 - VIII ZR 214/13, juris Rn. 1 mwN; vom 16. September 2014 - VIII ZR 221/14, WuM 2014, 681 Rn. 1 mwN; vom 16. September 2015 - VIII ZR 135/15, WuM 2015, 681 Rn. 1 mwN; vom 23. März 2016 - VIII ZR 26/16, WuM 2016, 305 Rn. 5). So liegen die Dinge hier.
- 3
- 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist bereits unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer sich - entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde - lediglich auf 16.105,74 € beläuft und damit die in § 26 Nr. 8 EGZPO vorgegebene Wertgrenze von mehr als 20.000 € nicht erreicht. Zwar trifft die Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde zu, dass der Wert der geltend gemachten Beschwer im Streitfall mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Nettomiete (§§ 8, 9 ZPO) zu bemessen ist, weil das Bestehen eines Mietverhältnisses im Streit steht, dessen Dauer unbestimmt ist (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 16. September 2015 - VIII ZR 135/15, aaO Rn. 3 mwN; vom 23. März 2016 - VIII ZR 26/16, aaO Rn. 7). Bei dieser Berechnung ist auch, worin der Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls beizupflichten ist, nicht lediglich der vom Beklagten zeitweise gezahlte Betrag von 250 € monatlich als Bemessungsfaktor anzusetzen, sondern die im Mietvertrag vom 22. Juni 1996 vereinbarte höhere Nettomiete. Jedoch beträgt diese, anders als die Nichtzulassungsbeschwerde infolge eines Versehens meint, nicht 750 €, sondernausweislich der in den Tatsacheninstanzen vorge- legten und von der Nichtzulassungsbeschwerde auch in Bezug genommenen Vertragsurkunde nur 750 DM monatlich, was einer Monatsmiete von 383,47 € entspricht. Da die dem Beklagten durch die vom Landgericht ausgesprochene Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe der Wohnung entstehende Beschwer sich damit nur auf den zweiundvierzigfachen Betrag der vereinbarten Nettomonatsmiete und damit auf lediglich 16.105,74 € beläuft, ist die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten bereits unzulässig.
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- 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde wäre darüber hinaus auch unbegründet , weil der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) nicht gegeben ist und das Berufungsurteil im Übrigen keinen Rechtsfehler erkennen lässt.
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- 3. Auf die im Einstellungsantrag weiter erörterte Frage, ob die unterlassene Stellung eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 712 ZPO im Berufungsverfahren eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus- nahmsweise nicht gehindert hätte, kommt es damit aus Rechtsgründen nicht an. Dr. Milger Dr. Schneider Dr. Fetzer Dr. Bünger Dr. Bußmann
AG München, Entscheidung vom 15.04.2016 - 453 C 26721/15 -
LG München I, Entscheidung vom 28.09.2016 - 14 S 7301/16 -
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(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.
(2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.
(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.
(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden; § 709 Satz 2 gilt in den Fällen des § 709 Satz 1 entsprechend. Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, so ist das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären oder die Vollstreckung auf die in § 720a Abs. 1, 2 bezeichneten Maßregeln zu beschränken.
(2) Dem Antrag des Schuldners ist nicht zu entsprechen, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. In den Fällen des § 708 kann das Gericht anordnen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.