Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2008 - VI ZR 66/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
b) Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Juli 2006 wird verworfen. Beschwerdewert: bis 60.000 €
Gründe:
I.
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- Die Beklagte zu 1 lieferte von 2001 bis Ende 2004 Reifendichtmittel und Kompressoren für das Ersatzteilgeschäft der Klägerin. Bemühungen im Jahr 2004, Lieferantin auch für die Serienfertigung zu werden, hatten keinen Erfolg; vielmehr teilte die Klägerin der Beklagten zu 1 mit, dass die Lieferbeziehungen zum Jahresende beendet würden. In der Folge erhoben die Beklagten u.a. in einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 3. Februar 2005 den Vorwurf der Korruption und behaupteten, die Klägerin beziehe diese Komponenten von Mitbewerbern zu deutlich höheren Preisen. Der Verband der Kleinaktionäre und die Redaktion der Bild-Zeitung erhielten eine Kopie. Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung bestimmt bezeichneter Äußerungen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat lediglich den Unterlassungsausspruch neu formuliert, um klarzustellen, dass das Verbot nur gegenüber Dritten gilt. Das Berufungsurteil ist den Beklagten am 21. Juli 2006 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 7. März 2007, eingegangen am selben Tag, haben die Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Fristversäumung beantragt und zugleich Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
II.
- 2
- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Denn sie ist nicht innerhalb der in § 544 Abs. 1 und 2 ZPO bestimmten Fristen eingelegt und begründet worden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zurückzuweisen , weil die Beklagten nicht ausreichend dargetan und glaubhaft gemacht haben, dass die Fristversäumung unverschuldet im Sinne des § 233 ZPO erfolgte.
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- a) Die Beklagten behaupten, nach Zustellung des Berufungsurteils am 21. Juli 2006 habe eine Mitarbeiterin am 28. und 31. Juli 2006 mehrfach Telefonate mit der Kanzlei des ausfindig gemachten Revisionsanwalts geführt; der Geschäftsführer der Beklagten zu 2 habe versucht, den Revisionsanwalt wegen eines Termins zu erreichen. Da nach Auskunft der Kanzlei ein persönlicher Termin nicht notwendig gewesen sei, habe die Mitarbeiterin am 2. August 2006 ein Auftragsschreiben für die Mandatserteilung und das Urteil an die Anwaltskanzlei gefaxt. Danach habe bis zum 21. Februar 2007 kein Kontakt zwischen den Beklagten und der Anwaltskanzlei mehr bestanden. An diesem Tag habe sich eine Mitarbeiterin der Beklagten zu 1 nach dem Stand der Dinge erkundigt. Nunmehr habe man festgestellt, dass die Sendung vom 2. August 2006 in der Kanzlei nicht angekommen sei und zwar weder per Fax noch auf andere Weise. Die Bürovorsteherin habe keinerlei konkrete Erinnerung mehr an die seinerzeit geführten Gespräche. Die Beklagten sind der Ansicht, bei dieser Sachlage sei die Fristversäumung nicht von ihnen verschuldet, sie hätten davon ausgehen dürfen, ihrem Revisionsanwalt einen Auftrag zur Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde erteilt zu haben.
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- b) Dem kann nicht gefolgt werden.
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- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beschränken sich die Sorgfaltspflichten bei der Erteilung eines Rechtsmittelauftrags durch den Rechtsanwalt der Vorinstanz nicht darauf, rechtzeitig ein Auftragsschreiben zu versenden. Der Absender muss sich vielmehr grundsätzlich innerhalb der Rechtsmittelfrist (gegebenenfalls durch Rückfrage) vergewissern, ob der beauftragte Rechtsanwalt den Auftrag übernimmt; eine Ausnahme gilt nur, wenn zwischen dem Absender und dem Rechtsmittelanwalt im Einzelfall oder allgemein eine Absprache dahin besteht, dass dieser Rechtsmittelaufträge annehmen, prüfen und ausführen wird (vgl. BGH, Beschlüsse BGHZ 105, 116, 117 f. und vom 7. November 1995 - XI ZB 21/95 - NJW-RR 1996, 378).
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- Diese Sorgfaltsanforderung gilt nicht nur für den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten , sondern auch, wenn der Rechtsmittelauftrag von der Partei selbst erteilt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. September 1994 - II ZB 7/94 - NJW 1994, 3101, 3102 und vom 27. November 2001 - XI ZB 23/01 - NJOZ 2002, 912 = BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 35; von Pentz, NJW 2003, 858, 861). Zutreffend verweist die Beschwerdeerwiderung darauf, dass die Beklagten hier nicht davon ausgehen konnten, ihr Rechtsmittelauftrag werde ohne jede Bestätigung und Rückmeldung angenommen, geprüft und ausgeführt. Für die Zusage einer Mandatsübernahme ist nichts vorgetragen und glaubhaft gemacht. Dagegen spricht schon, dass die Telefonate mit der Kanzlei ausschließlich mit der Kanzleivorsteherin, nicht aber mit dem Rechtsanwalt geführt wurden. Zutreffend weist die Beschwerdeerwiderung auch darauf hin, dass die vorgelegten Gesprächsnotizen dafür sprechen, dass ein Gespräch zwischen dem Beklagten zu 3 und dem Anwalt erforderlich werden würde. Da jegliche Rückmeldung der Kanzlei innerhalb der noch etwa drei Wochen dauernden Beschwerdefrist ausblieb, lag es nahe, dass die lediglich per Fax versandten Schriftstücke den Empfänger nicht erreicht hatten. Warum bei der vorliegenden Sachlage trotz eines ausreichenden Zeitfensters seitens der Beklagten nicht rückgefragt wurde, ob die Sendung angekommen sei, ist schlichtweg unverständlich.
- 7
- Bei dieser Sachlage muss auf den Vortrag der Beschwerdeerwiderung, dass eine ausreichende Glaubhaftmachung fehle, und auf ihre Ausführungen zur sachlichen Unbegründetheit der Beschwerde nicht eingegangen werden. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
LG Stuttgart, Entscheidung vom 22.11.2005 - 17 O 220/05 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 18.07.2006 - 12 U 236/05 -
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.