Bundesgerichtshof Beschluss, 24. März 2015 - VI ZR 534/13

published on 24/03/2015 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. März 2015 - VI ZR 534/13
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Landgericht Lüneburg, 10 O 26/12, 30/04/2013
Oberlandesgericht Celle, 20 U 30/13, 29/11/2013

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIZR 534/13
vom
24. März 2015
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. März 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner, Pauge, Stöhr und die Richterin
Dr. Oehler

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. November 2013 aufgehoben. Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert: 40.000,00 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin war nach ihrer Behauptung Eigentümerin, jedenfalls Besitzerin eines Pferdes, das am 23. Juni 2012 zusammen mit einem anderen Pferd auf ihrem Weidegrundstück graste. Der Beklagte ist Eigentümer des angrenzenden landwirtschaftlichen Grundstücks. Er stellte gegen 8.00 Uhr eine Bewässerungsanlage an, die einen halbkreisförmigen Schauerregen mit einem ca. 30 Meter langen Wasserstrahl auf eine Länge von 10 Metern auch auf die Wei- de der Klägerin schleuderte. Die Pferde gerieten in Panik. Bei dem Versuch, über den Zaun zu springen, verletzte sich das fragliche Pferd so schwer, dass es eingeschläfert werden musste.
2
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Pferde nicht aufgrund eines Kontaktes mit dem Wasserstrahl in Panik geraten seien, sondern aufgrund der mit dem Einsatz der Bewässerungsanlage einhergehenden optischen und akustischen Reize. Diesen Reizen wären sie genauso ausgesetzt gewesen, wenn das Gerät einige Meter weiter im Feldinnern in Betrieb genommen worden wäre. Der Beklagte hafte auch nicht deshalb, weil er die Bewässerungsanlage auf seinem Feld grenznah in Betrieb genommen habe, ohne sich wegen denkbarer Gefahren zu vergewissern und Vorkehrungen dagegen zu treffen.

II.

3
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
4
1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Mai 2009 - VI ZR 275/08, VersR 2009, 1137 Rn. 2 mwN).
5
2. So verhält es sich im Streitfall. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, das Berufungsgericht habe gehörswidrig nicht berücksichtigt, dass die Klägerin in der Stellungnahme vom 25. Oktober 2013 zum Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts die Einholung eines hippologischen Sachverständigengutachtens für ihre Behauptung beantragt habe, dass ein Pferd in Panik gerate, wenn bei einem Knall ein massiver Wasserstrahl auf das Tier zufliege und in unmittelbarer Nähe auf den Boden prassele, jedoch nur erschrecke, wenn dies in 10 bis 15 Metern Entfernung geschehe. Das Berufungsgericht sei auf diesen Beweisantritt nicht eingegangen und habe damit gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung verstoßen.
6
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung dieses Vorbringens zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Wegen der deswegen erheblichen Verletzung des rechtlichen Gehörs ist die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, auch die Einwendungen des Beklagten zu berücksichtigen. Der erkennende Senat weist insoweit darauf hin, dass eine Pflichtverletzung des Beklagten schon deswegen in Betracht kommt, weil dessen Bewässerungsanlage den Wasserstrahl auf eine Länge von 10 Metern auf die Weide der Klägerin schleuderte und dadurch die Gefahr einer panischen Reaktion der Pferde auch dann bestanden haben kann, wenn der Wasserstrahl diese nicht unmittelbar getroffen hat. Galke Wellner Pauge Stöhr Oehler
Vorinstanzen:
LG Lüneburg, Entscheidung vom 30.04.2013 - 10 O 26/12 -
OLG Celle, Entscheidung vom 29.11.2013 - 20 U 30/13 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.