Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2018 - VI ZR 281/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch, die Richterin Dr. Roloff und den Richter Dr. Klein
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfallgeschehen.
- 2
- Der Kläger war Eigentümer eines BMW 730 D, den er von einem Be- kannten für 35.000 € gekauft hatte. Das Fahrzeug wurde am 16. April 2009 auf ihn zugelassen. Am 23. Juli 2009 fuhr Hakob K., ein Freund des Klägers und vormaliger Kläger zu 2, mit dem ihm vom Kläger überlassenen Pkw auf der B 469 aus Richtung Aschaffenburg in Richtung Miltenberg. Dabei kam es zu einem Zusammenstoß mit einem vom Beschleunigungsstreifen auf die B 469 auffahrenden , von Daiva B. gesteuerten Fahrzeug. Der Kläger nimmt den Beklagten als zuständigen Haftpflichtversicherer des von Daiva B. gesteuerten Fahrzeugs auf Ersatz seines (Sach-)Schadens in Anspruch.
- 3
- Das Landgericht hat der Klage, soweit sie die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren noch streitgegenständlichen Ansprüche betrifft, überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
- 4
- Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
- 5
- a) Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Ersatz des am Fahrzeug entstandenen Schadens, weil es sich bei der Kollision der Fahrzeuge um ein zwischen den Beteiligten verabredetes Geschehen, also gerade nicht um einen Unfall, gehandelt habe. Nach einer Gesamtschau aller feststehenden Umstände sei es davon überzeugt, dass ein "gestellter Unfall" vorliege, bei dem die Beschädigung des Fahrzeugs mit Einwilligung des Klägers erfolgt sei.
- 6
- Seine Überzeugung hat das Berufungsgericht auf eine Reihe von Indizien gestützt. So habe sich der "Unfall" zur Nachtzeit an einer Stelle ereignet, an der nicht mit viel Verkehr und Zeugen zu rechnen gewesen sei. Beim beschädigten Fahrzeug habe es sich um ein Fahrzeug der gehobenen Mittel- bzw. unteren Oberklasse gehandelt. Der Kläger habe den Schaden fiktiv abgerechnet , wobei von einem finanziellen Gewinn für ihn auszugehen sei. Das beschädigte Fahrzeug sei erst kurz vor dem Unfall auf den Kläger zugelassen worden. Beim eingetretenen Schaden habe es sich um einen Streifschaden gehandelt, was für manipulierte Unfälle typisch sei. Beim Geschehensablauf handle es sich um einen einfach gelagerten Verkehrsvorgang, der leicht und ohne Gefahr, sich in Widersprüche zu verwickeln, geschildert werden könne und bei dem ohne Zweifel die Schuld und Schadensersatzpflicht der Versicherungsnehmerin der Beklagten feststehe. Als weiteres Indiz für einen gestellten Unfall sei das Verhalten des Klägers bei der Abrechnung des Schadens und dessen Geltendmachung gegenüber dem Beklagten heranzuziehen; so habe er etwa das Vorliegen eines Vorschadens am Fahrzeug sowohl gegenüber dem Privatsachverständigen als auch gegenüber dem Beklagten verschwiegen. Schließlich habe der Kläger die vom Beklagten gewünschte Nachbesichtigung durch einen von diesem benannten Fachmann nicht ermöglicht. Dass der Kläger nach dem Unfall die Polizei gerufen habe, spreche unter den Umständen des Streitfalles nicht gegen einen manipulierten Unfall. Gleiches gelte für den Umstand, dass der vom Sachverständigen als möglich dargestellte Unfallhergang eine nicht unerhebliche Gefährdung der Fahrzeuginsassen mit sich gebracht habe.
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- b) Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, das Berufungsgericht habe sich im Rahmen seiner Würdigung unter entscheidungserheblichem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht mit der beweisbewehrten Behauptung des Klägers auseinandergesetzt, er habe die Unfallgegnerin nicht gekannt.
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- aa) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Daraus folgt zwar nicht, dass das Gericht verpflichtet wäre, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu bescheiden. Die wesentlichen, der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen in den Gründen aber verarbeitet werden. Geht ein Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (Senat, Beschluss vom 26. September 2017 - VI ZR 81/17, VersR 2018, 247 Rn. 11).
- 9
- bb) Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil nicht. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht beanstandet, hat das Berufungsgericht die in der Berufungserwiderung aufgestellte beweisbewehrte Behauptung des Klägers nicht berücksichtigt, wonach er die Unfallverursacherin nicht gekannt habe. Zwar hat es die Behauptung, bei der es sich um ein zentrales Argument des Klägers gegen das Vorliegen eines verabredeten Unfalls handelte, im Rahmen der tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsurteils wiedergegeben. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihr fehlt aber. Weder lässt sich den Gründen des Berufungsurteils entnehmen, ob das Berufungsgericht die Behauptung des Klägers für unerheblich oder widerlegt erachtet hat, noch, warum es, sollte es sie für widerlegt erachtet haben, davon ausgegangen ist, von der beantragten Vernehmung des ehemaligen Klägers zu 2 als Zeuge absehen zu können.
- 10
- cc) Der Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung des dargestellten Vortrags zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre. Galke von Pentz Offenloch Roloff Klein
LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 12.11.2015 - 13 O 52/10 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 07.06.2016 - 5 U 275/15 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.