Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2018 - V ZR 239/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die nach § 321a ZPO statthafte Anhörungsrüge ist unzulässig, weil sie den gesetzlichen Darlegungsanforderungen nicht genügt. Eine Anhörungsrüge ist nur zulässig, wenn mit ihr eine neue und eigenständige Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch das erkennende Gericht gerügt wird; dabei ist darzulegen , dass das Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Das gilt auch dann, wenn sich die Anhörungsrüge gegen einen Beschluss richtet, mit dem eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO ohne nähere Begründung zurückgewiesen worden ist. Allein daraus folgt keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Vielmehr müssen besondere Umstände des Ein- zelfalls hinzutreten, aus denen sich klar ergibt, dass das Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Das ist in der Anhörungsrüge darzutun (vgl. Senat, Beschluss vom 15. November 2012 - V ZR 79/12, GuT 2013, 141 mwN). Eine solche Darlegung enthält die Anhörungsrüge der Klägerin nicht; sie beschränkt sich auf die Wiederholung der Beschwerdebegründung, die der Senat bei der Beschlussfassung zur Kenntnis genommen und berücksichtigt hat.
II.
- 2
- Die Gegenvorstellung der Klägerin gibt keine Veranlassung, den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens von Amts wegen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG) zu ändern.
- 3
- 1. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, sie habe die Jahresabrechnungen 2012 bis 2014 bzw. den Wirtschaftsplan 2015 nur wegen formeller Fehler angegriffen. Stützt der klagende Wohnungseigentümer die Anfechtungsklage gegen den Beschluss der Wohnungseigentümer über die Genehmigung der Jahresabrechnung - wie hier - auf Einwendungen gegen die Jahresabrechnung insgesamt, bemisst sich der Streitwert gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG der Rechtsprechung des Senats zufolge nach dem hälftigen Nennbetrag der Jahresabrechnung; daneben sind die Grenzen des § 49a Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG und des § 49a Abs. 2 GKG zu beachten (ausführlich Senat, Beschluss vom 9. Februar 2017 - V ZR 188/16, ZWE 2017, 331 Rn. 11). Auf die Art der geltend gemachten Beschlussmängel kommt es insoweit nicht an.
- 4
- 2. Auch der weitere Einwand der Klägerin, die Obergrenze des § 49a Abs. 1 Satz 3 GKG werde überschritten, gibt keinen Anlass zur Abänderung der Wertfestsetzung. Gemäß § 49a Abs. 1 Satz 3 GKG darf der Wert „in keinem Fall den Verkehrswert des Wohnungseigentums des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen übersteigen.“
- 5
- a) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist insoweit der Verkehrswert ihrer beiden Einheiten maßgeblich. Für die Bemessung der in § 49a Abs. 1 Satz 3 GKG genannten Obergrenze sind jedenfalls die Verkehrswerte mehrerer Wohnungseigentumseinheiten desselben Klägers zusammenzurechnen (Riecke/ Schmid/Abramenko, WEG, 4. Aufl., Anhang zu § 50 Rn. 9; Suilmann in Jennißen , WEG, 5. Aufl., § 49a GKG Rn. 6). Ob etwas anderes bei mehreren Klägern oder mehreren Beigetretenen gilt (so LG Frankfurt, ZWE 2015, 284, 285; AG Leipzig, ZMR 2017, 102, 105; Suilmann in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 49a GKG Rn. 6; aA BeckOK Kostenrecht/Toussaint [1.9.2018], § 49a GKG Rn. 22; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 4. Aufl., Anhang zu § 50 Rn. 9), kann dahinstehen. In der Norm wird das Wohnungseigentum zwar im Singular genannt. Durch diese (zusätzliche) Obergrenze soll aber vermieden werden, dass ein (bezogen auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers) unverhältnismäßig hohes Kostenrisiko entsteht (BT-Drucks. 16/887, S. 42). Maßgeblich für die Verhältnismäßigkeit ist daher der Verkehrswert der gesamten Einheiten eines Klägers.
- 6
- b) Das Gericht muss den gemäß § 49a Abs. 1 Satz 3 GKG für die Obergrenze maßgeblichen Verkehrswert schätzen; da eine sachverständige Begutachtung im Rahmen der Streitwertfestsetzung nicht in Betracht kommt (vgl. Suilmann in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 49a GKG Rn. 7), ist es Sache der Partei , dem Gericht die für die Schätzung erforderliche Tatsachengrundlage zu un- terbreiten. Den Verkehrswert beider Einheiten schätzt der Senat mangels ande- rer Anhaltspunkte auf einen über 70.000 € liegenden Betrag. Hinsichtlich der Wohnung Nr. 8 der Klägerin mit einer Größe von 46 qm legt er einen Quadrat- meterpreis von 1.000 € zugrunde. Der vorgelegte Einheitswertbescheid ist für eine Verkehrswertschätzung offenkundig ungeeignet. Zu der Teileigentumseinheit Nr. 1 hat die Klägerin keine Angaben gemacht. Dem Senat ist weder die Größe noch der Ankaufspreis bekannt. Die Verkehrswertfestsetzungen aus den Zwangsversteigerungsverfahren, in denen sie die Einheiten erworben hat, hat die Klägerin trotz gerichtlichen Hinweises nicht vorgelegt.
Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Essen, Entscheidung vom 09.05.2016 - 196 C 23/16 -
LG Dortmund, Entscheidung vom 11.07.2017 - 1 S 231/16 -
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(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn
- 1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.