Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2019 - V ZR 224/18

published on 26/09/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2019 - V ZR 224/18
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Amtsgericht Lörrach, 2 C 472/17 WEG, 27/10/2017
Landgericht Karlsruhe, 7 S 103/17, 27/07/2018

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 224/18
vom
26. September 2019
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGZPO § 26 Nr. 8; WEG § 22 Abs. 1
Übersteigt das Interesse des beklagten Wohnungseigentümers, der zur Beseitigung
einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums (hier:
Abgasrohr für eine dezentrale Pelletheizung) verurteilt worden ist, an dem Erhalt
des Bauwerks die grundsätzlich maßgeblichen Kosten einer Ersatzvornahme
des Abrisses, so ist die Beschwer regelmäßig nach dem höheren Interesse
an dem Erhalt des Bauwerks zu bemessen; dieses bestimmt sich grundsätzlich
nach den für den Bau aufgewendeten Kosten.
BGH, Beschluss vom 26. September 2019 - V ZR 224/18 - LG Karlsruhe
AG Lörrach
ECLI:DE:BGH:2019:260919BVZR224.18.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und die Richter Dr. Kazele und Dr. Hamdorf

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 27. Juli 2018 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 13.000 €.

Gründe:


1
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Entgegen der in der Beschwerdeerwiderung vertretenen Auffassung übersteigt der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer den gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO erforderlichen Betrag von 20.000 €.
2
a) Wird der Beklagte zur Beseitigung einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums (hier: Kaminrohr für eine dezentrale Pelletheizung ) verurteilt, bemisst sich seine Beschwer grundsätzlich nach den Kosten einer Ersatzvornahme des Abrisses, die ihm im Falle des Unterliegens drohen (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 15. Januar 2015 - V ZB 135/14, NJW-RR 2015, 337 Rn. 3 mwN). Ob der Wert der Beschwer noch höher anzusetzen ist, wenn das Interesse am Erhalt des Bauwerks die Kosten eines Abrisses über- steigt, hat der Senat bislang offen gelassen (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2018 - V ZR 63/18, juris Rn. 4; Beschluss vom 17. November 2016 - V ZR 86/16, NJW-RR 2017, 584 Rn. 3; Beschluss vom 15. Januar 2015 - V ZB 135/14, NJW-RR 2015, 337 Rn. 4; Beschluss vom 29. Januar 2009 - V ZR 152/08, GE 2009, 514 Rn. 4).
3
b) Hier ist entscheidend, ob das Interesse an dem Erhalt des Bauwerks Berücksichtigung finden kann. Denn die Beklagte hat glaubhaft gemacht, dass sie für den Einbau der Pelletheizung insgesamt rund 20.800 € aufgewendet hat; die Kosten des Rückbaus hingegen übersteigen 20.000 € nicht. Übersteigt das Interesse des beklagten Wohnungseigentümers, der zur Beseitigung einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums verurteilt worden ist, an dem Erhalt des Bauwerks die grundsätzlich maßgeblichen Kosten einer Ersatzvornahme des Abrisses, die ihm im Falle des Unterliegens drohen, so hält es der Senat regelmäßig für richtig, die Beschwer nach dem höheren Interesse an dem Erhalt des Bauwerks zu bemessen; dieses bestimmt sich grundsätzlich nach den für den Bau aufgewendeten Kosten. Nicht zu berücksichtigen sind dagegen mittelbare wirtschaftliche Folgen des Urteils, zu denen hier die von der Beklagten behauptete Wertminderung ihrer Wohnung sowie die Kosten für den Einbau einer anderen Heizungsanlage zählen.
4
c) Daran gemessen übersteigt die Beschwer der Beklagten 20.000 €. Da es sich bei der Pelletheizung um eine einheitliche Anlage handelt, die nur mit dem (zu beseitigenden) Kaminrohr betrieben werden kann, sind die Einbaukosten insgesamt für die Beschwer maßgeblich. Anders lag es in dem von der Erwiderung herangezogenen Beschluss des Senats vom 6. Dezember 2018 (V ZR 63/18, juris Rn. 4). Dort war nämlich ein die Rückbaukosten übersteigen- des Interesse an dem Erhalt des Abluftrohres gerade nicht dargelegt, weil die Entlüftung des Restaurants an anderer Stelle hergestellt werden konnte.
5
2. In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet. Die Rechtssache wirft keine entscheidungserheblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO). Von einer näheren Begründung wird insoweit gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.

III.


6
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert ist gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG festgesetzt worden.
Stresemann Brückner Weinland
Kazele Hamdorf
Vorinstanzen:
AG Lörrach, Entscheidung vom 27.10.2017 - 2 C 472/17 WEG -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 27.07.2018 - 7 S 103/17 -
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Annotations

Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht beschlossen oder verlangt werden.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)